Paragraphen in 12 W (pat) 61/14
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 61/14 Verkündet am 5. April 2018
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 101 30 488 …
ECLI:DE:BPatG:2018:050418B12Wpat61.14.0
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hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung am 5. April 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie der Richter Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder beschlossen:
Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Gegen das am 25. Juni 2001 unter Inanspruchnahme der japanischen Unionsprioritäten P 00-191537 vom 26. Juni 2000, P 00-234546 vom 2. August 2000 und P 01-85734 vom 23. März 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete und am 21. Juli 2011 veröffentlichte Patent 101 30 488 mit der Bezeichnung
„Glühkerze“
hatte die Einsprechende und Beschwerdeführerin am 12. Oktober 2011 Einspruch erhoben.
Die Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in der Anhörung am 3. Dezember 2013 beschlossen, das Patent aufrechtzuerhalten (Datum des schriftlichen Beschlusses 19. Februar 2014).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 13. März 2014.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerde damit, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht patentfähig sei.
Im Verfahren befinden sich folgende Entgegenhaltungen:
D1 D2 D3 D4 D5 D6/D6a D7/D7a D8 D9 D10 D11 D11a DE 85 00 986 U1 DE 76 24 502 U DE 696 28 190 T2 EP 0 950 858 A2 EP 0 903 541 A2 JP 4-80521 A mit engl. Abstract und Übersetzung ins Englische JP 4-15407 A mit engl. Abstract HEROLD, Horst ; WODARA, Johannes: Lexikon der Schweißtechnik Schweißen, Schneiden und verwandte Verfahren. 1. Aufl. Düsseldorf: Deutscher Verlag für Schweißtechnik DVS-Verlag GmbH, 1994. S. 78. – ISBN 3-87155-732-3 DIN EN 10087 Januar 1999. Automatenstähle: Technische Lieferbedingungen für Halbzeug, warmgewalzte Stäbe und Walzdraht DIN EN 10277-3 Oktober 1999. Blankstahlerzeugnisse: Technische Lieferbedingungen; Teil 3: Automatenstähle BARGEL, Hans-Jürgen et al.: Werkstoffkunde. 1980, sechste, überarbeitete Auflage; Düsseldorf: VDI-Verlag GmbH, S. 74. – ISBN 3-18-401125-9 s. D11, hier: S.181/182 D12 ROLOFF, Hermann, MATEK, Wilhelm: Maschinenelemente. 13. Aufl. Braunschweig: Vieweg, 1995. S. 79-83, 172. – ISBN 3-528-74028-0 D12a siehe D12, hier S. 3, 9 D13 LIPSMEIER, Antonius et.al.: Friedrich Tabellenbuch Metall- und Maschinentechnik. 1993, Bonn: Ferd. Dümmlers Verlag, S. 4-13, 4-14, 4-44, 4-55, 12-3. – ISBN 3-427-51032-8 D14 PAHL, Gerhard; BEITZ, Wolfgang: Konstruktionslehre. 4. Aufl. Berlin: Springer-Verlag, 1997, S. 401/402. – ISBN 3-540-61974-7 D15-D21 Anlagenkonvolut zur von der Beschwerdeführerin behaupteten Vorbenutzung eines von der Fa. BERU an die Fa. AUDI gelieferten Glühkerzentyps D22a Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik. 1983, Wiesbaden: F.A. Brockhaus. Band 3, S. 30. – ISBN 3-7653-0357-7 D22b Wie D22a, hier: S. 266 D23 Fachwissen Metall. Köln: Verlag H. Stam GmbH, 1993, S. 136, 137, 143. – ISBN 3-8237-0330-7 L1 SADEV Décolletage: Stähle - Vergleichstabelle. 2010. S. 1-6. Auch veröffentlicht unter URL: http://sadev-drehteile.de/stahle/. Firmenschrift (nachveröffentlicht)
Zur Stützung ihres Vorbringens verweist die Patentinhaberin u. a. auf folgende Druckschrift (Die Dokumente E1-E3 und E5 sind nachveröffentlicht):
E4 SCHATT, Werner: Einführung in die Werkstoffwissenschaft. 7. Aufl. Leipzig: Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie,1991, Kapitel 9.2.4., S. 345-347. – ISBN 3-342-00521-1
Seitens des Senats wurden den Parteien vor der Verhandlung folgende Druckschriften übermittelt:
B1 DE 1 476 045 C B2 Fachkunde Metall. 48. Auflage. Haan (bei Düsseldorf): Verlag EuropaLehrmittel Nourney, Vollmer GmbH & Co., 1987. S. 222-230. – ISBN 38085-1028-5 Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Dezember 2013 aufzuheben und das Patent 101 30 488 zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
Der erteilte und geltende Anspruch 1 lautet in gegliederter Fassung:
1M1 Glühkerze (1) mit:
1M2 einem röhrenförmigen Gehäuse (2);
1M3 einem Heizelementbauteil (3) zur Wärmeerzeugung bei Zuführung von Strom,
1M3.1 das in dem röhrenförmigen Gehäuse (2) von einem Ende (2a) des Gehäuses getragen wird und teilweise aus dem röhrenförmigen Gehäuse vorragt;
1M4 und einer stabförmigen Mittelelektrode (4) zur Zuführung von Strom zum Heizelementbauteil (3),
1M4.1 die in dem röhrenförmigen Gehäuse (2) von dem anderen Ende (2b) des Gehäuses getragen wird
1M4.2 und die ein erstes und zweites Stabbauteil (41, 42) umfasst,
1M4.2.1 von denen das eine Ende (4a) des ersten Stabbauteils (41) elektrisch mit einem Ende des Heizelementbauteils (3) verbunden ist,
1M4.2.3 das andere Ende des ersten Stabbauteils (41) mit einem Ende des zweiten Stabbauteils (42) verschweißt ist,
1M4.2.4 so dass zwischen dem ersten und zweiten Stabbauteil (41, 42) ein Schweißabschnitt (43) gebildet ist,
1M4.2.5 und das andere Ende (4b) des zweiten Stabbauteils (42) einen Anschluss (13) zum Aufnehmen des Stroms aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
1M5 dass das erste Stabbauteil (41)
1M5.1 aus einem unter Kaltschmieden verarbeiteten ersten Kohlenstoffstahl
1M5.2 mit 0,08 bis 0,3 Gew.-% Kohlenstoff besteht, und zwar aus einem Kohlenstoffstahl des Typs S25C, SWCH25K oder dergleichen,
1M6 das zweite Stabbauteil (42)
1M6.1 aus einem unter Kaltschmieden verarbeiteten zweiten Kohlenstoffstahl
1M6.2 mit 0,08 bis 0,15 Gew.-% Kohlenstoff besteht, und zwar aus einem Kohlenstoffstahl des Typs S8C, S10C, SWCH10R oder dergleichen,
1M7 die Vickershärte von sowohl dem ersten als auch dem zweiten Stabbauteil (41, 42) größer oder gleich 180 HV ist
1M8 und die Vickershärte des Schweißabschnitts (43) kleiner oder gleich 400 HV ist.
An diesen Hauptanspruch schließen sich die hierauf unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 an.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat keinen Erfolg. 1. Fachmann Die Erfindung wendet sich an einen Ingenieur des Maschinenbaus (Universität) mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Glühkerzen für Verbrennungsmotoren, der über entsprechendes werkstoffkundliches und herstellungstechnisches Wissen verfügt.
2. Merkmalsauslegung Als entscheidend für die Beurteilung der Patentfähigkeit (s. u.) des Gegenstands nach Anspruch 1 erweist sich die Auslegung des Begriffs „Kaltschmieden“ in den Merkmalen 1M5.1 und 1M6.1. Diese Merkmale fordern, dass das erste (1M5.1)
und das zweite Bauteil (1M6.1) aus einem unter Kaltschmieden verarbeiteten ersten bzw. zweiten Kohlenstoffstahl bestehen.
Weder wird der Begriff Kaltschmieden im Streitpatent näher definiert (vgl. Schulte, PatG, 10. Auflage, § 14 Rdn. 30), noch handelt es sich um einen in dem Fachgebiet Maschinenbau durchgängig einheitlich benutzten, geläufigen Begriff. Andererseits besteht der Begriff „Kaltschmieden“ aus zwei im Fachgebiet durchaus bekannten Wortbestandteilen, nämlich „Kalt“ und „Schmieden“. Demgemäß wird der Fachmann auch den zusammengesetzten Begriff anhand seiner mit einem bestimmten Inhalt verbunden Wortbestandteile auslegen.
Wie in dem Fachbuch B1, S. 224, Kap. 5.4.1.2, beschrieben, werden beim Schmieden Werkstücke durch Schlag oder Druck meist im glühenden Zustand spanlos umgeformt. Die Werkstückform entsteht dabei durch Freiformen oder durch Gesenkformen. Dem vorangestellten Adverb „kalt“ beim anspruchsgemäßen Begriff „Kaltschmieden“ entnimmt der Fachmann, dass vorliegend das Schmieden nicht im Rahmen eines Warmumformprozesses (und damit im glühenden Zustand, s. o.), sondern eines Kaltumformprozesses erfolgt. Wie aus der B1, S. 222, unten, hervorgeht, wird damit ein Umformprozess unterhalb der Rekristallisationstemperatur verstanden.
Der Fachmann versteht daher den in den Merkmalen 1M5.1 und 1M6.1 aufgeführten Begriff „Kaltschmieden“ als eine Unterart des Druckumformens, bei dem das Umformen bei Verformungstemperaturen unterhalb der Rekristallisationstemperatur durchgeführt wird (vgl. B1, S. 223, linke Spalte „Druckumformen“, dort „Freiformen“ und „Gesenkformen“). Aufgrund der obigen Definition des Begriffs „Schmieden“ umfasst das anspruchsgemäße „Kaltschmieden“ somit weder Durchdrücken (Vollstrangpressen) noch Kaltzugumformen etc. Das Kaltschmieden kann daher zwar als Unterordnung des Begriffs „Kaltumformen“ subsumiert werden, nicht jedoch als Synonym dafür.
3. Zulässigkeit An der Zulässigkeit des erteilten Anspruchs, die von der Einspruchsabteilung begründet und im weiteren Verfahren nicht in Frage gestellt wurde, bestehen keine Zweifel.
4. Patentfähigkeit Aufgrund der Merkmale 1M5.1 und 1M6.1 erweist sich der anspruchsgemäße Gegenstand als patentfähig. Denn ausgehend von einer Glühkerze wie nach D7, die sämtliche Merkmale des Oberbegriffs aufweist und dem anspruchsgemäßen Gegenstand am nächsten kommt, können der im Verfahren befindliche druckschriftliche Stand der Technik und die angeführte Vorbenutzung weder einzeln noch in Kombination untereinander und auch nicht in Verbindung mit Fachwissen ein Stabbauteil nahelegen, das wie anspruchsgemäß nach den Merkmalen 1M5.1 und 1M6.1 unter Kaltschmieden verarbeitet wurde.
Die Einsprechende führt hinsichtlich einer für sie naheliegenden Herstellung der Mittelelektrode nach D7, die für die dortige Mittelelektrode keine Werkstoffangaben aufführt, als Ausgangsmaterial auch ausschließlich Rundstahl und hier kaltgezogenen Stahldraht bzw. blanken Rundstahl an (D13, dortige Seite 12-3 mit Verweis auf Seite 4-44; D12a, S. 9). Bei einem solchermaßen kaltgezogenen Stahl handelt es sich jedoch nicht um einen anspruchsgemäßen kaltgeschmiedeten Stahl.
Die weitere Behauptung der Einsprechenden und Beschwerdeführerin, es ließe sich am Endprodukt, also an einer Glühkerze, nicht feststellen, ob das Stabbauteil durch Gleitziehen oder, wie anspruchsgemäß, durch Kaltschmieden hergestellt wurde, hat sie nicht belegt. Ihre Argumentation verfängt auch nicht. Denn aufgrund der jeweils unterschiedlichen Verformungen (Gleitziehen einerseits, Kaltschmieden andererseits) ist auch von einem unterschiedlichen Verformungsgefüge auszugehen.
So wird ein durch Gleitziehen - oder auch durch Strangpressen - hergestelltes rundes Stabbauteil für eine Glühkerze wie nach D7 eine in radialer Richtung zwar unterschiedliche, in Umfangs- und Längsrichtung jedoch gleiche Gefügetextur aufweisen, vgl. die in E4, S. 346, Bild 9.29b in Verbindung mit dortigem Abs. 3 aufgezeigte Ziehtextur (Fasertextur). Dagegen wird ein in axialer Richtung kaltgeschmiedetes Stabbauteil keine längliche Ziehtextur, wie in E4, S. 346, Bild 9.29b (s. o.) gezeigt, sondern eine gestauchte Textur aufweisen. Auch ein von der Einsprechenden und Beschwerdeführerin darüber hinaus angeführtes, im Gesenk radial geschmiedetes Stabbauteil würde sich aufgrund unterschiedlicher Kräfte und Verformung am Umfang des Stabes von einem gezogenen oder stranggepressten Stahldraht, der gleichmäßig über den Umfang verformt wird, unterscheiden.
Die weiteren Entgegenhaltungen können - ebenso wie die behauptete Vorbenutzung (s. o.) - die Patentfähigkeit des Gegenstands nach dem erteilten Anspruch 1 nicht in Frage stellen, da sie, ausgehend von einer Glühkerze wie nach D7, dort keinen Einsatz eines kaltgeschmiedeten Stabbauteils oder entsprechender Teile des dortigen Stabbauteils (in D7 „front end side member 4a“, „rear end side member 4b“) nahelegen. Sie haben in der Verhandlung zu Recht auch keine Rolle gespielt.
Da somit weder der druckschriftliche Stand der Technik noch die behauptete Vorbenutzung einzeln oder in einer Zusammenschau und auch nicht in Verbindung mit Fachwissen Hinweise oder Anregungen zu dem beanspruchten Gegenstand geben können, ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 patentfähig.
Das gleiche gilt für die auf diesen Anspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4, die auf Merkmale zur Weiterbildung der Glühkerze nach Anspruch 1 gerichtet sind.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Ganzenmüller Bayer Krüger Ausfelder Pr
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