12 W (pat) 18/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 18/13 Verkündet am 10. Juli 2014
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 154 05.11
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betreffend die Patentanmeldung 10 2011 054 959.5 hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2014 unter Mitwirkung des Richters Dipl.-Ing. Sandkämper als Vorsitzenden, der Richterin Bayer sowie der Richter Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die beiden Beschwerdeführer (1) und (2) sind zusammen mit dem weiteren Verfahrensbeteiligten (3) gemeinsam Anmelder der am 31. Oktober 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„Dosiervorrichtung zum handgesteuerten Dosieren eines lichtaushärtenden Materials und Set“.
In der Anhörung am 4. Februar 2013 hat die Prüfungsstelle für Klasse B65D des Deutschen Patent- und Markenamts den Hauptantrag der Anmelder aufgrund § 48 PatG zurückgewiesen und ein Patent gemäß dem in der Anhörung eingereichten Hilfsantrag erteilt.
Gegen diesen Beschluss der Prüfungsstelle mit dortiger Zurückweisung des Hauptantrags richtet sich die am 22. März 2013 eingelegte Beschwerde der Anmelder (1) und (2).
Die beiden Beschwerdeführer sind gemäß dem Beschwerdeschriftsatz der Auffassung, dass - entgegen den Entscheidungsgründen der Prüfungsstelle - der Gegenstand nach Hauptantrag vom 4. Februar 2013 nicht unzulässig erweitert sei (§ 38 PatG). Darüber hinaus sei der Gegenstand auch neu (§ 3 PatG).
Die ordnungsgemäß geladenen drei Anmelder sind zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Mit ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 22. März 2013 beantragten die beiden Beschwerdeführer sinngemäß,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B65D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Februar 2013 aufzuheben und das Patent auf Grundlage der folgenden Patentansprüche zu erteilen:
- Patentanspruch 1, eingegangen am 30. Januar 2013, Patentansprüche 2 bis 18 vom Anmeldetag.
-4Der geltende Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 4. Februar 2013 und in der Fassung der Eingabe vom 30. Januar 2013 lautet:
In der mündlichen Verhandlung wurde vom Senat mit der Anmeldung DE 10 2010 060 422, veröffentlicht als DE 10 2010 060 422 A1 (D4), ein weiterer, hier ausschließlich hinsichtlich Neuheit zu berücksichtigender Stand der Technik eingeführt. Wegen des Wortlauts der jeweils unmittelbar oder mittelbar auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. 1) Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg, denn der Gegenstand nach Patentanspruch 1 ist nicht neu (§ 3 PatG).
Für Herrn O…, K… Straße in E… (Italien), der nach § 25 Abs. 1 PatG einen Inlandsvertreter benötigt, sind B… & Partner Patentanwälte PartG mbB weiterhin Inlandsvertreter, da die Beendigung der Bestellung als Inlandsvertreter erst wirksam wird, wenn neben der Beendigung der Bestellung mit der Eingabe vom 28. Mai 2014 auch die Bestellung eines anderen Vertreters gegenüber dem Patentgericht angezeigt wird (§ 25 Abs. 4 PatG). Dies ist nicht erfolgt. Im Übrigen können sich die Anmelder als notwendige Streitgenossen gegenseitig vertreten (§ 62 Abs. 1 ZPO, § 97 Abs. 2 Nr. 2 PatG).
2) Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lässt sich wie folgt gliedern:
1M0 1M1 1M2
1M3
1M3.1 1M4 Dosiervorrichtung (100) mit lichtaushärtendem Material, zum handgesteuerten Dosieren des in der Dosiervorrichtung (100) enthaltenen lichtaushärtenden Materials, aufweisend
- wenigstens ein zumindest in Abschnitten hiervon verformbares Reservoir (1), in welchem das lichtaushärtende Material vorliegt;
- weiterhin eine Dosiereinrichtung (3) zum Ausbringen des lichtaushärtenden Materials.
3) Fachmann für den anspruchsgemäßen Gegenstand ist ein Ingenieur des Maschinenbaus (FH) mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Dosiervorrichtungen.
4) Die Anmeldung DE 10 2010 060 422 wurde am 19. Januar 2012 und damit nach dem Anmeldezeitpunkt der vorliegenden Patentanmeldung 10 2011 054 959.5 als DE 10 2010 060 422 A1 (D4) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wegen ihres älteren Zeitrangs (8. November 2010) gilt diese Anmeldung jedoch als Stand der Technik. Sie ist dabei ausschließlich hinsichtlich der zu beurteilenden Neuheit zu berücksichtigen (vgl. § 4 Satz 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 PatG). 5) Es kann dahinstehen, ob der geltende Anspruch 1 (gemäß Hauptantrag vom 4. Februar 2013) unzulässig erweitert ist, denn sein Gegenstand ist gegenüber dem vom Senat in der Verhandlung eingeführten Stand der Technik nach der Anmeldung DE 10 2010 060 422, offengelegt mit der Druckschrift D4 (DE 10 2010 060 422 A1), nicht neu. Die Fig. 5 der D4 zeigt - in Verbindung mit der dazugehörigen Beschreibung - folgenden neuheitsschädlichen Stift (Bezugszeichen 500) mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1:
D4 (DE 10 2010 060 422 A1), dortige Fig. 5 So entspricht der „Stift 500“ einer „Dosiervorrichtung“ wie nach Merkmal 1M0 des Anspruchs 1. Nach D4, Abs. [0136] enthält dieser Stift 500 auch ein Reservoir 510 für das dortige lichtaushärtende Material 120 (Merkmal 1M1).
D4, Abs. [0138] offenbart: „Im Bereich der Fingerauflage 530 ist das Gehäuse 540 weicher oder flexibler als das übrige Gehäuse 540. Dadurch kann mit den Fingern Druck über die Fingerauflage 530 auf das Gehäuse 540 und damit Druck auf das innenliegende Reservoir 510 ausgeübt werden. Durch diesen Druck erfolgt eine Komprimierung des Reservoirs 510 im mittleren und hinteren geschlossenen Teil des Reservoirs 510. Dadurch wird das lichtaushärtende Material 120 aus dem Reservoir 510 durch die Austrittsöffnung oder Reservoiröffnung 515 aus dem Stift 500 heraus abgegeben.“ Damit sind sowohl das anspruchsgemäße Merkmal 1M3 (Reservoir der Dosiervorrichtung ist zumindest in Abschnitten verformbar) wie auch das Merkmal 1M3.1 (in dem Reservoir liegt lichtaushärtendes Material vor) aufgezeigt.
Die Düse 560 entspricht dabei der „Dosiereinrichtung“ des Merkmals 1M4, da diese Düse 560 ebenfalls Bestandteil des Stiftes 500 als Dosiervorrichtung ist und diese Düse 560 zum anspruchsgemäßen Ausbringen des lichtaushärtenden Materials dient (D4, Abs. [0139], Z. 9-11: „Mit dieser Düse 560 kann das zu applizierende, lichtaushärtende Material 120 entsprechend dem Düsenöffnungsquerschnitt fein dosiert werden.“).
Auch die Zweckangabe des Merkmals 1M2, wonach die Dosiervorrichtung zum „handgesteuerten Dosieren des in der Dosiervorrichtung (100) enthaltenen lichtaushärtenden Materials“ geeignet sein muss, erfüllt der Stift 500. Mittels des weicheren und flexibleren Bereichs der Fingerauflage 530 des Gehäuses 540 kann durch die Finger, und damit handgesteuert, Druck auf dortiges, das lichtaushärtende Material 120 enthaltende Reservoir 510 ausgeübt werden (s. D4, Abs. [0138], [0139]). Dadurch und wegen der Abgabe über die Düse 560 kann das lichtaushärtende Material somit wie anspruchsgemäß handgesteuert dosiert werden.
6) Der Nebenanspruch 10 wie auch die jeweiligen Unteransprüche 2 bis 9 sowie 11 bis 18 nach dem geltenden Hauptantrag als einzigem Antrag teilen das Schicksal des Anspruchs 1 (BGH X ZB 18/95 “Elektrisches Speicherheizgerät”).
7) Die Nennung neuer Entgegenhaltungen, hier der DE 10 2010 060 422 A1 (D4) sowie der DE 10 2009 012 272 A1 (D5) bei Abwesenheit der Verfahrensbeteiligten verletzt nicht das rechtliche Gehör. Denn wer freiwillig zu einer mündlichen Verhandlung nicht erscheint, muss mit einer Änderung der Entscheidungsgrundlage rechnen. Möglich ist dabei auch die Nennung neuer Entgegenhaltungen (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, Einl. Rdn. 279, 280e).
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben, wenn gerügt wird, dass 1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Sandkämper Bayer Krüger Ausfelder Me