AnwZ (Brfg) 47/19
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES AnwZ (Brfg) 47/19 URTEIL in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache Auf der Geschäftsstelle eingegangen am: 26. November 2020 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle wegen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ECLI:DE:BGH:2020:261120UANWZ.BRFG.47.19.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2020 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Richter Dr. Remmert, die Richterin Grüneberg sowie die Rechtsanwälte Dr. Kau und Dr. Lauer für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger ist seit dem 27. Februar 1997 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Vertrag vom 2. Februar 1999 wurde er bei der F.
D.
GmbH angestellt und war dort bis zum 31. Dezember zunächst im Personalbereich tätig. Seit dem 1. Januar 2016 ist er als
"Referent Wildlife Control und Jagdrecht" im Bereich Security/OSJ beschäftigt.
Für diese Tätigkeit beantragte er unter dem 18. März 2016 bei der Beklagten seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Im Zulassungsverfahren legte er eine Zusatzvereinbarung vom 28. September 2015 zu seiner Versetzung in den Bereich Security/OSJ, einen Änderungs- und Ergänzungsvertrag vom 15. März mit Tätigkeitsaufstellung, eine Tätigkeitsbeschreibung vom 18. März/
17. August 2016, eine Ergänzungsvereinbarung vom 16. September 2016 über die Übertragung zusätzlicher Aufgaben aus dem Bereich "Ausgleichsflächen- Management" sowie eine "Stellen- und Funktionsbeschreibung" seiner Arbeitgeberin vom 24. August 2016 nebst Ergänzung vom 6. Januar 2017 vor. Nach den Angaben seiner Arbeitgeberin obliegt dem Kläger neben den klassischen Aufgaben des Jagdaufsehers und Vogelschlagbeauftragten des Flughafens vor allem die rechtskonforme Ausrichtung dieses Aufgabenbereichs im Hinblick auf die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben zur Kontrolle des Risikos durch Wildtiere. Der Kläger kläre die damit zusammenhängenden Rechtsfragen und leite die notwendigen Maßnahmen bis hin zu erforderlichen Rechtsmitteln ein, wobei er juristisches Bindeglied zwischen der F. D.
GmbH und den Aufsichtsbehörden sei. Der Anteil der anwaltlichen Tätigkeiten des Klägers betrage
%, der Anteil seiner nichtanwaltlichen Tätigkeiten aus dem Bereich Wildlife Control 20 % seiner Gesamttätigkeit.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 16. August 2017 ab, weil sein Beschäftigungsverhältnis nicht durch anwaltliche Tätigkeiten gemäß § 46 Abs. 3 BRAO geprägt, sondern seine Beschäftigung als Vogelschlagbeauftragter ebenso wie seine Tätigkeit im Bereich Außenflächenmanagement dem naturwissenschaftlichen Bereich zuzuordnen sei.
Dagegen hat der Kläger Klage auf Aufhebung des Bescheids und Verpflichtung der Beklagten erhoben, ihn für seine seit dem 1. Januar 2016 ausge- übte Tätigkeit bei der F.
D.
GmbH als Syndikusrechtsanwalt zuzulassen. Im Verfahren hat er auf entsprechende Auflage des Anwaltsgerichtshofs exemplarisch eine chronologisch tabellarische Aufstellung seiner Tätigkeiten in einem Monat (23. April bis 23. Mai 2018) vorgelegt.
Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage nach Anhörung des Klägers mit der Begründung abgewiesen, dass eine anwaltliche Prägung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers gemäß § 46 Abs. 3 BRAO nicht feststellbar sei. Maßgeblich sei insoweit letztendlich nicht die Bewertung des Anteils seiner anwaltlichen Tätigkeiten durch seine Arbeitgeberin, sondern wie das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich gelebt werde. Danach mache die anwaltliche Tätigkeit des Klägers weniger als 60 % seiner gesamten Beschäftigung aus, da ein nicht unwesentlicher Teil der ihm zusätzlich übertragenen Aufgaben in keinem inneren Zusammenhang mit einer anwaltlichen Tätigkeit stehe. Das gelte zum einen für seine Aufgaben als Vogelschlagbeauftragter im engeren Sinne, auf die er nach seiner chronologischen Tätigkeitsaufstellung mehr als 20 % seiner Arbeitszeit verwende. Zum anderen übe der Kläger in nennenswertem Umfang sachbearbeitende Aufgaben und Tätigkeiten mit rechtlichem Bezug aus, die nicht rechtsberatender oder -gestaltender Natur seien, wie etwa die Beantragung waffenrechtlicher Erlaubnisse. Nicht dem anwaltlichen Bereich zuzuordnen seien auch seine Aufgaben im Bereich der Wirtschaftsplanung und im Zusammenhang mit der Taskforce "rechtliche Grundlagen" sowie seine Teilnahme an verschiedenen Arbeitskreisen und Workshops. Der Anteil anwaltlicher Tätigkeiten von weniger als 60 % der gesamten Arbeitszeit reiche für die Annahme einer anwaltlichen Prägung gemäß § 46 Abs. 3 BRAO nicht aus.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung. Er macht geltend, entgegen der Feststellung des Anwaltsgerichtshofs übe er tatsächlich mit deutlich über 60 %, wenn nicht sogar 80 %
seiner Arbeitszeit eine prägende anwaltliche Tätigkeit aus. Zudem habe sich sein Tätigkeitsbild in der Zwischenzeit weiter zu Gunsten der anwaltlichen Tätigkeit verschoben, da insbesondere seine Aufgaben im Bereich des Ausgleichsflächenmanagements deutlich zugenommen hätten. Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2019 den Bescheid der Rechtsanwaltskammer H. vom 16. August aufzuheben und den Kläger für seine Tätigkeit für die F. D.
GmbH aufgrund seines Antrags vom
18. März 2016 als Syndikusrechtsanwalt gemäß §§ 46, 46a BRAO zuzulassen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Zulassungsantrag nach der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung,
die Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2019 zurückzuweisen.
Der Senat hat den Kläger angehört. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die nach § 112e Satz 1 BRAO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO) Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Recht abgewiesen.
Die als Klage auf Verurteilung der Beklagten zum Erlass der beantragten Zulassung auszulegende Klage ist nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Fall 2 VwGO als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Versagung der Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit als "Referent Wildlife Control und Jagdrecht" bei der F.
D.
GmbH ist nicht rechtswidrig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 112e Satz 2 BRAO, § 165 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Zulassung.
Seine Tätigkeit erfüllt nicht alle Zulassungsvoraussetzungen nach § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO, da sein Arbeitsverhältnis nicht durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO bezeichneten Tätigkeiten geprägt ist.
1. Entscheidend für die Annahme einer Prägung im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO ist, dass die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Tätigkeiten den Kern beziehungsweise Schwerpunkt der Tätigkeit darstellen, mithin die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung des Rechtsanwalts sind, so dass das Arbeitsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit beherrscht wird (vgl. nur Senat, Urteile vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 Rn. 62 und vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 63/17, NJW 2019, 3649 Rn. 15; Beschluss vom 9. Januar 2020 - AnwZ (Brfg) 11/19, juris Rn. 6 mwN). Ob es für die Annahme einer Prägung des Arbeitsverhältnisses ausreicht, dass die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Tätigkeiten mehr als die Hälfte der insgesamt geleisteten Arbeit ausmachen, d.h. die anwaltliche Tätigkeit die nichtanwaltliche Tätigkeit, wenn auch nur geringfügig, übersteigt, hatte der Senat zunächst offengelassen (vgl. Senat, Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18, NJW 2019, 927 Rn. 26; Beschluss vom 27. Februar 2019 - AnwZ (Brfg) 36/17, NJW-RR 2019, 693 Rn. 7 ff.; Beschluss vom 16. Mai 2019 - AnwZ (Brfg) 35/17, juris Rn. 9). Nach Erlass der angefochtenen Entscheidung hat er jedoch entschieden, dass ein Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit am unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses Erforderlichen liegt (vgl. Senat, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 63/17, NJW 2019, 3649 Rn. 18; Beschluss vom 9. Januar 2020 - AnwZ (Brfg) 11/19, juris Rn. 6).
Ein geringerer Anteil anwaltlicher Tätigkeiten reicht für die Annahme einer anwaltlichen Prägung im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO dagegen in der Regel nicht aus. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. "Prägen" bedeutet dem Wortsinn nach mehr als bloß "überwiegen". Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist etwas prägend, wenn es jemandem oder einer Sache einen charakteristischen Zug gibt (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl., S. 723). Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung. Danach ist für die Annahme einer Prägung eine Beherrschung des Arbeitsverhältnisses durch die anwaltlichen Tätigkeiten erforderlich, die den ganz eindeutigen Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses bilden müssen (Fraktionsentwurf, BT-Drucks. 18/5201, S. 29 zu § 46 Abs. 3 BRAO-E). Ein solcher "ganz eindeutiger" Schwerpunkt ist bei einem Anteil anwaltlicher Tätigkeiten von weniger als 65 % der Gesamttätigkeit in der Regel nicht gegeben.
2. Danach vermag auch der Senat eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses des Klägers bei der F.
D.
GmbH im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO nicht festzustellen. Dabei kann dahinstehen, ob der Anteil anwaltlicher Tätigkeiten des Klägers - wie der Anwaltsgerichtshof angenommen hat sogar weniger als 60 % seiner Beschäftigung ausmacht, da der Senat jedenfalls nicht davon überzeugt ist, dass dieser Anteil zumindest 65 % seiner insgesamt geleisteten Arbeit beträgt, und auch keine besonderen Umstände vorliegen, aufgrund derer dennoch ausnahmsweise eine anwaltliche Prägung des Beschäftigungsverhältnisses bejaht werden könnte.
a) Aus der Tätigkeitsbeschreibung vom 18. März/17. August 2016, den Schreiben seiner Arbeitgeberin vom 24. August 2016 und 6. Januar 2017 sowie den schriftsätzlichen und mündlichen Ausführungen des Klägers ergibt sich zwar, dass er eine Vielzahl anwaltlicher Tätigkeiten im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO von durchaus erheblichem Umfang ausübt.
Danach obliegt ihm die Beratung, Betreuung und Vertretung der Arbeitgeberin in jagd- und naturschutzrechtlichen Fragen sowie in Fragen des Ausgleichsflächenmanagements. Er übernimmt die Vorbereitung von Entscheidungsgrundlagen für die Geschäftsführung zur Verhinderung von Vogelschlag unter Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die rechtliche Prüfung von Einzelfällen und die unabhängige Beratung der Gesellschaft, etwa zu jagdlichen Verboten, zur Befriedung von Grundstücken und zu Verkehrssicherungspflichten und deren Übertragung, sowie die rechtliche Beratung und Unterstützung des Jagdaufsehers. Im Bereich des Ausgleichsflächenmanagements obliegt ihm die Gestaltung von Kauf-, Pacht- und sonstigen Gebrauchsüberlassungsverträgen sowie von dinglichen Sicherheiten, die Prüfung und Übertragung von Verkehrssicherungspflichten und die Prüfung naturschutzrechtlicher Spielräume. Er vertritt die Gesellschaft nach außen bei Schadensersatzforderungen von Luftverkehrsgesellschaften im Zusammenhang mit Vogelschlag, gegenüber Dritten beim Abschluss von Grundstücksverträgen und gegenüber Behörden. Inhalt und Umfang dieser anwaltlichen Tätigkeiten werden insbesondere auch durch die vom Kläger exemplarisch vorgelegten Arbeitsproben und die Schilderung seines Aufgabenbereichs in den Schreiben seiner Arbeitgeberin vom 24. August 2017 und 6. Januar 2017 belegt.
b) Neben diesen anwaltlichen Tätigkeiten obliegen dem Kläger aber bereits als Jagdaufseher und Vogelschlagbeauftragten in einem nicht unerheblichen Umfang auch Tätigkeiten, die eindeutig bereits nichtjuristischer und damit erst Recht nichtanwaltlicher Natur sind.
Nach der dem Zulassungsantrag beigefügten "Aufgabenbeschreibung" gliedert sich das Aufgabengebiet des Klägers in die Teilbereiche Vogelschlagbeauftragter, Ausgleichsflächenmanagement und Jagdaufsicht. Damit sind ihm - wie im Schreiben seiner Arbeitgeberin vom 24. August 2016 angegeben - auch die klassischen Aufgaben eines Jagdaufsehers und Vogelschlagbeauftragten übertragen, die ersichtlich in keinem Zusammenhang mit einer juristischen Tätigkeit stehen. Diese Aufgaben machen nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen einen Anteil von etwa 20 % seiner Gesamttätigkeit aus. Seiner tabellarischen Tätigkeitsaufstellung ist zu entnehmen, dass er im Zeitraum vom 23. April 2018 bis 23. Mai 2018 im Durchschnitt mehr als 20 % seiner regelmäßigen Arbeitszeit auf Maßnahmen im Bereich "Jagd/Birdcontrol" verwandt hat. Auch wenn man davon ausgeht, dass er, wie von ihm vorgetragen, in diesem Zeitraum wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit der Jagdaufseherin verstärkt in die "Birdcontrol", eingebunden war, gibt dies keinen Anlass zu einer deutlich geringeren Gewichtung seiner "biologischen" Aufgaben, da diese nicht nur die Vogelzählung, sondern auch die übrigen Aufgaben eines Jagdaufsehers beinhalten und auch schon in der ergänzenden Tätigkeitsbeschreibung der Arbeitgeberin des Klägers vom 6. Januar 2017 - unabhängig von etwaigen Urlaubsvertretungen für die nach der Angabe des Klägers zu diesem Zeitpunkt bereits eingestellte Jagdaufseherin insgesamt mit 20 % bewertet wurden.
c) Darüber hinaus handelt es sich bei mehreren Tätigkeiten, die der Kläger und seine Arbeitgeberin als anwaltlich eingeordnet haben, zwar um Aufgaben, die einen rechtlichen Bezug aufweisen, aber keine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO darstellen.
aa) Das gilt zunächst für die Beantragung waffenrechtlicher Erlaubnisse. Dabei kann dahinstehen, ob der Begründung des Anwaltsgerichtshofs, es handele sich hierbei um eine sachbearbeitende Tätigkeit, die nicht als anwaltlich einzuordnen sei, weil sie ausweislich der vorgelegten Arbeitsproben weder qualifizierte juristische Fachkenntnisse noch eine anwaltliche Aufarbeitung des Sachverhalts erfordere, zu folgen wäre. Ob die Annahme einer anwaltlichen Tätigkeit das - in §§ 46 ff. BRAO nicht genannte und auch in der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht verwendete - Kriterium der fachlichen Tiefe und fachlichen Breite der rechtlichen Tätigkeit voraussetzt, hat der Senat bislang offengelassen (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, ZIP 2018, 2074 Rn. 35; Beschluss vom 29. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 16/18, juris Rn. 20). Dies bedarf auch hier keiner Entscheidung, da jedenfalls nach den Angaben des Klägers in seiner Anhörung durch den Senat nicht ersichtlich ist, dass er insoweit überhaupt eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne einer einzelfallbezogenen Prüfung von Rechtsfragen (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO) entfaltet. Danach beschränkt sich die Tätigkeit des Klägers in diesem Bereich im Wesentlichen darauf, dass er nach Klärung der rechtlichen Voraussetzungen ein Musterformular für die Beantragung entworfen hat, während die übrige Arbeit im Wesentlichen von einer Sekretärin übernommen wird.
bb) Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof auch die Tätigkeiten des Klägers im Bereich der Wirtschaftsplanung als nichtanwaltliche Tätigkeiten gewertet. Hierbei handelt es sich nach den Angaben in seiner Tätigkeitsaufstellung um die Prüfung und Beauftragung der Anschaffung von Investitionsgütern für den jagdlichen Bereich (wie etwa einer Wildkammer oder eines Zerwirkraums), die als solche bereits keinen rechtlichen, jedenfalls aber keinen anwaltlichen Bezug erkennen lässt.
cc) Die Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem Aufbau eines Netzwerks im Bereich Naturschutzrecht, im Arbeitskreis "Industriebiologie" sowie in verschiedenen Workshops erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 BRAO.
Eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO setzt die Tätigkeit in einem konkreten Einzelfall voraus. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO, wonach zur Prüfung von Rechtsfragen auch die Aufklärung des Sachverhalts gehört. In den Gesetzesmaterialien ist hierzu ausgeführt, dass der Rechtsanwalt den Sachverhalt, zu dem er beratend tätig werden soll, möglichst genau klären, dann die Rechtslage prüfen und Handlungsoptionen aufzeigen und bewerten soll (vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drucks. 18/5201, S. 28 zu § 46 Abs. 3 BRAO-E). Daher sind, wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, z. B. Vorträge im Rahmen von Verwaltungstagungen und Schulungen ohne konkreten Fallbezug nicht als anwaltliche Tätigkeiten anzusehen. Bei ihnen handelt es sich nicht um Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 2 RDG, d.h. nicht um Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern und grundsätzlich den Rechtsanwälten vorbehalten sind (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Februar 2020 - AnwZ (Brfg) 64/19, juris Rn. 12; Urteil vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 81/18,
juris Rn. 13; siehe auch Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 46 Rn. 53).
Das Gleiche gilt für die vom Kläger angeführte Teilnahme an Arbeitskreisen und Workshops. Diese Veranstaltungen mögen auf einen allgemeinen Erfahrungsaustausch und möglicherweise eine Schulung der übrigen Teilnehmer gerichtet sein. Dass sie einen konkreten Fallbezug aufweisen, d.h. die Bearbeitung einer konkreten Rechtsfrage in Angelegenheiten der Arbeitgeberin des Klägers zum Gegenstand haben (bzw. hatten), ist jedoch nicht ersichtlich.
dd) Dementsprechend hat der Anwaltsgerichtshof auch die Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Taskforce "rechtliche Grundlagen" zutreffend mangels konkreten Fallbezugs nicht als anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO angesehen.
(1) Nach den Angaben in der chronologischen Tätigkeitsaufstellung des Klägers soll die Taskforce der Strukturierung der naturschutzrechtlichen Genehmigungslage und der Anregung eventuell notwendiger Gesetzgebungsverfahren dienen. In der mündlichen Verhandlung des Anwaltsgerichtshofs hat der Kläger ergänzend erläutert, es handele sich um eine Arbeitsgruppe von Mitarbeitern verschiedener Flughäfen, die sich mit den vorhandenen Instrumentarien zur Gefahrenabwehr bei Vogelschlag befasse, mit dem Ziel wechselseitiger Beratung und der Aufgabe, verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
(2) Ein konkreter Fallbezug ergibt sich daraus nicht.
Soweit die vom Kläger angegebene "wechselseitige Beratung" als Erfahrungsaustausch zu werten sein sollte, wird auf die obigen Ausführungen verwie- sen. Die Beratung von Mitarbeitern anderer Flughäfen stellt zudem - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat - bereits keine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten der Arbeitgeberin des Klägers dar (§ 46 Abs. 5 BRAO).
Auch die vom Kläger geschilderte Aufgabe der Taskforce, verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen hinsichtlich der naturschutzrechtlichen Genehmigungslage zu schaffen, stellt keine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO dar. Der Sache nach handelt es sich um Lobbyarbeit, die auf die Herbeiführung von Gesetzesänderungen gerichtet ist. Auch wenn dies im (auch rechtlichen) Interesse der Arbeitgeberin des Klägers erfolgen und der Kläger hierfür nach Prüfung der Rechtslage konkrete rechtliche Vorschläge zur Änderung gesetzlicher Vorschriften erarbeiten mag, fehlt seiner Tätigkeit der für eine anwaltliche Tätigkeit erforderliche konkrete Fallbezug. Die Beratungsleistung des Klägers zielt vielmehr auf eine abstrakt-generelle Regelung der allgemeinen Rechtslage durch den Gesetzgeber, ohne sich auf eine konkrete Angelegenheit seiner Arbeitgeberin zu beziehen und die rechtliche Prüfung eines Einzelfalls zu erfordern (§ 2 RDG). Bei der Formulierung von Gesetzesvorschlägen handelt es sich dagegen um eine zwar juristische, in erster Linie aber ministerielle Tätigkeit. Dass nach den Gesetzesmaterialien auch die Mitgestaltung abstrakter rechtlicher Regelungen eine auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO gerichtete Tätigkeit darstellen kann (Fraktionsentwurf, BT-Drucks. 18/5201, S. 28 f. zu § 46 Abs. 3 BRAO-E), gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Aus dem Gesamtzusammenhang der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass dort abstrakt-generelle Regelungen gemeint sind, die auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen gerichtet sind, wie etwa der Entwurf einer Satzung oder Allgemeiner Geschäftsbedingungen für Verträge des Arbeitgebers.
ee) Schließlich handelt es sich auch bei der in der Tätigkeitsbeschreibung des Klägers vom 18. März/17. August 2016 und im Schreiben seiner Arbeitgeberin vom 6. Januar 2017 genannte "Konzeption und Durchführung von Schulungen im Bereich Waffenrecht, Naturschutzrecht und Rechtfertigungsgründe als präventive Mehrfachberatung" entgegen der dortigen Einordnung nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Februar 2020 - AnwZ (Brfg) 64/19, juris Rn. 12; Urteil vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 81/18, juris Rn. 13) mangels konkreten Fallbezugs um keine anwaltliche Tätigkeit.
Gleiches gilt für die vom Kläger in seiner mündlichen Anhörung erwähnte Erstellung und Überarbeitung von Prozessdatenblättern als Bestandteil des Flughafenhandbuchs und Sicherheitsmanagementsystems, die in den Schreiben seiner Arbeitgeberin ebenfalls zu den anwaltlichen Tätigkeiten gerechnet wurden. Auch wenn für die Erstellung und Anpassung dieser Prozessdatenblätter an die jeweils aktuelle Gesetzeslage - wie der Kläger geltend macht - juristische Kenntnisse erforderlich sein mögen, handelt es sich aber um eine abstrakte Dokumentation bzw. Arbeitsbeschreibung ohne konkreten Einzelfallbezug.
d) Danach steht bei Gesamtwürdigung der vom Kläger vorgelegten Unterlagen, seines schriftsätzlichen Vortrags und seiner Angaben in den mündlichen Verhandlungen nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Anteil seiner anwaltlichen Aufgaben seine Tätigkeiten als Vogelschutzwart und Jagdaufseher sowie seine zwar juristischen, aber nichtanwaltlichen Aufgaben so deutlich überwiegen, dass sie nach der Rechtsprechung des Senats als prägend angesehen werden könnten.
Nach seiner tabellarischen Tätigkeitsaufstellung hat er im dort erfassten Zeitraum im Durchschnitt über 20 % seiner Arbeitszeit auf biologische Tätigkeiten verwandt sowie weitere 15 % auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit Arbeitskreisen, Workshops, "Taskforce" und Wirtschaftsplanung (insgesamt 27,5 Stunden), womit bereits ein Anteil nichtanwaltlicher Tätigkeiten von über 35 % erreicht ist. Dieser Anteil erhöht sich noch um die Tätigkeit des Klägers für die Beantragung waffenrechtlicher Erlaubnisse, wobei diese entgegen der Annahme des Anwaltsgerichtshofs nach der tabellarischen Aufstellung des Klägers nur mit 0,5 Stunden anzusetzen ist, während die übrigen vom Anwaltsgerichtshof berücksichtigten 9 Stunden auf die Bearbeitung eines Antrags auf jagdrechtliche Erlaubnisse entfallen. Hinzu kommen außerdem die - in der chronologischen Aufstellung nicht enthaltene - Tätigkeit des Klägers für die Durchführung und Konzeption von Schulungen, die der Senat aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung mit durchschnittlich 5 % seiner Gesamtarbeitszeit veranschlagt (20 Schulungen jährlich mit einer Dauer von einem halben Tag zuzüglich Vorbereitungszeit), sowie seine Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Prozessdatenblättern für das Flughafenhandbuch. Der Anteil nichtanwaltlicher Tätigkeiten beträgt damit deutlich mehr als 35 % der Gesamttätigkeit des Klägers.
Die vom Kläger vorgelegte Aufgabenbewertung seiner Arbeitgeberin gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, da der dort mit 20 % veranschlagte Anteil nichtanwaltlicher Tätigkeiten lediglich die biologischen Aufgaben des Klägers beinhaltet, während seine übrigen Aufgaben sämtlich als anwaltliche Tätigkeiten bezeichnet werden. Das trifft indes gerade nicht zu, da der Kläger nach den Feststellungen des Senats tatsächlich neben seinen biologischen Aufgaben in einem erheblichen Umfang auch Tätigkeiten ausübt, die zwar einen juristischen Bezug aufweisen, aber nicht als anwaltlich im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO zu bewerten und daher aus dem von der Arbeitgeberin mit 80 % veranschlagten Anteil anwaltlicher Tätigkeiten herauszurechnen sind.
Soweit der Kläger schließlich in der mündlichen Verhandlung des Senats angegeben hat, sein Tätigkeitsbild habe sich in der Zwischenzeit weiter zu Gunsten der anwaltlichen Tätigkeit verschoben, der Anteil seiner Tätigkeit im Bereich des Ausgleichsflächenmanagements, der früher etwa 20 % betragen habe, sei auf etwa 40 % gestiegen und seine Tätigkeit im Bereich "Jagd/Birdcontrol" habe sich auf etwa 10 % reduziert, ist dies nicht überzeugend und gibt dem Senat keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung oder weiterer Sachaufklärung. Die vom Kläger insoweit angeführte Notwendigkeit rechtlicher Prüfung und Bewertung von Sachverhalten insbesondere aufgrund der Änderung internationaler Abkommen und Vorgaben (EU-Verordnungen, EASA- und ICAO-Vorschriften) findet sich ebenso wie die von ihm geschilderte Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Entwurf und Abschluss von Verträgen im Bereich des Ausgleichsflächenmanagements bereits in der Begründung seines Zulassungs- und Klageantrags sowie den dazu vorgelegten Unterlagen. Dass und warum sich der Anteil dieser Tätigkeiten seitdem derart signifikant und dauerhaft erhöht haben sollte, dass die anwaltliche Tätigkeit nunmehr trotz der dem Kläger im Übrigen weiterhin obliegenden nichtanwaltlichen Aufgaben als ganz eindeutiger Schwerpunkt seines gesamten Beschäftigungsverhältnisses anzusehen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Insoweit hat zudem bereits der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt, dass in Anbetracht der äußerst vielfältigen Aufgaben des Klägers und seiner Angabe vor dem Anwaltsgerichtshof, dass die Inhalte seiner Tätigkeit nicht konkret festgelegt seien, selbst aus einem momentanen deutlichen Überwiegen der anwaltlichen Tätigkeiten nicht der Schluss gezogen werden kann, dass sein gesamtes Beschäftigungsverhältnis im Kern bzw. mit ganz eindeutigem Schwerpunkt auf eine anwaltliche Tätigkeit angelegt ist.
e) Besondere Umstände, aufgrund derer hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung geboten sein könnte, werden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.
f) Da demnach auch nach dem Vorbringen des Klägers und den von ihm vorgelegten Unterlagen keine anwaltliche Prägung seines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO anzunehmen ist, war eine Vernehmung der von ihm zu seinen Tätigkeiten benannten Zeugen nicht geboten.
g) Der Hilfsantrag des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten, seinen Zulassungsantrag nach der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden, ist danach ebenfalls unbegründet.
II. 36 Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO.
Limperg Kau Remmert Lauer Grüneberg Vorinstanz: AGH Hamm, Entscheidung vom 22.03.2019 - 1 AGH 63/17 -