35 W (pat) 16/15
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 16/15
_______________________
(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 152 08.05 betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Kostenfestsetzung)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 31. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Metternich, die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juni 2015 aufgehoben.
Die dem Löschungsantragsgegner von der Löschungsantragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf
1.608,00 €
(in Worten: eintausendsechshundertacht Euro)
festgesetzt.
2. Die weitergehende Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Löschungsantragstellerin 3/4 und der Löschungsantragsgegner 1/4 zu tragen.
Gründe I.
Der Löschungsantrags- und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) war Inhaber des am 9. August 2012 eingetragenen deutschen Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „… “ (Streitgebrauchsmuster), das durch Abzweigung aus der internationalen Anmeldung … als Anmeldetag den 15. Januar 2011 erhalten hat.
Die Löschungsantragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) hatte am 16. August 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die vollumfängliche Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt. Dem Löschungsantrag, der den damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 4. September 2013 zugestellt worden war, ist nicht widersprochen worden. Daraufhin hat die zuständige Gebrauchsmusterabteilung mit rechtskräftigem Beschluss vom 27. Oktober 2014 der Antragstellerin die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens auferlegt.
Auf der Grundlage der genannten Kostengrundentscheidung hat der Antragsgegner mit Eingabe vom 10. März 2015 beantragt, die ihm von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten in Höhe von 2.084,40 € festzusetzen. Der geltend gemachte Betrag errechnet sich – unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes in Höhe von 125.000 € – aus einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV in Höhe von 2.064,40 € und dem pauschalem Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 € nach Nr. 7002 RVG-VV.
Die Gebrauchsmusterabteilung des DPMA hat sodann antragsgemäß mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Juni 2015, der der Antragstellerin am
30. Juni 2015 zugestellt wurde, den von der Antragstellerin dem Antragsgegner zu erstattenden Kostenbetrag antragsgemäß in Höhe von 2.084,40 € festgesetzt.
Die Antragstellerin hat gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss am 10. Juli 2015 Beschwerde eingelegt und die entsprechende Beschwerdegebühr entrichtet. Sie ist der Auffassung, dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV nicht angefallen sei. Das Streitgebrauchsmuster sei wegen unterbliebenen Widerspruchs gelöscht worden. Deshalb stelle sich die Frage, ob der Antragsgegner im Löschungsverfahren überhaupt anwaltlich vertreten gewesen sei. Eine verfahrensbezogene Tätigkeit seines anwaltlichen Vertreters sei weder vom Antragsgegner glaubhaft gemacht noch ersichtlich geworden. Darüber hinaus sei der Gegenstandswert in der zugrunde gelegten Höhe von 125.000 € viel zu hoch bemessen. Bereits der Nichtwiderspruch des Antragsgegners zeige, dass das Streitgebrauchsmuster für diesen keinen wirtschaftlichen Wert mehr gehabt habe. Das Streitgebrauchsmuster sei zudem offensichtlich löschungsreif gewesen, was sich anhand eines parallelen Patents ergeben habe, das im Einspruchsverfahren vollständig widerrufen worden sei.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juni 2015 aufzuheben und den Kostenfestsetzungsantrag zurückzuweisen, hilfsweise eine erstattungsfähige Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 4.000 €, jedenfalls nicht mehr als 25.000 €, festzusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Er trägt vor, dass der Löschungsantrag seinem damaligen anwaltlichen Vertreter zugestellt worden sei und dass dieser ihn auch während des Löschungsverfahrens vertreten habe. Der angesetzte Gegenstandswert sei mit 125.000 € zutreffend bestimmt worden. Dass er dem Löschungsantrag nicht widersprochen habe, habe nichts mit seinem widerrufenen Parallelpatent zu tun. Die beiden Schutzrechte hätten sich voneinander unterschieden. Aus dem Nichtwiderspruch könnten somit keine Rückschlüsse auf den Wert des Streitgebrauchsmusters gezogen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
1. Die vertreten Beschwerde durch der Antragstellerin, die B1…
also der (B1…),
B… ist zulässig und insbesondere auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des
§ 62 Abs. 2 Satz 4 PatG i. V. m. § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG eingelegt worden.
Die vorliegende Beschwerde, in der lediglich die B1… als Beschwerdeführerin benannt ist, ist anhand des früheren Löschungsantrags so auszulegen, dass die B1… nicht in eigener Person, sondern wiederum nur namens der B… Beschwerde eingelegt hat. Die B… ist somit als verfahrensbeteiligte Antragstellerin und Beschwerdeführerin anzusehen. Zwar wird im Beschwerdeschriftsatz und auch noch in späteren Eingaben die B1… als „Antragstellerin“ und/oder „Beschwerdeführerin“ bezeichnet, jedoch ist allgemein und insbesondere auch gerichtsbekannt, dass es sich bei der B1… um keine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) mit eigener Rechtspersönlichkeit, sondern lediglich um eine nichtrechtsfähige Bundesoberbehörde …
handelt. Entscheidung Da die B…
in als die der Beteiligte angefochtenen des Kostenfestsetzungsverfahrens ausgewiesen ist, ist deren Beschwerdeberechtigung hier unstreitig gegeben.
2. In der Sache hat die Beschwerde nur teilweise Erfolg.
a) Die Beschwerde kann insoweit keinen Erfolg haben, als die Antragstellerin die Höhe des zugrunde gelegten Gegenstandswertes angreift. Der von der Gebrauchsmusterabteilung auf 125.000 € geschätzte Gegenstandswert hält sich im üblichen Rahmen und entspricht vorliegend auch billigem Ermessen.
Im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren erfolgt die Bemessung des Gegenstandswertes nach §§ 23, 33 RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO grundsätzlich nach billigem Ermessen, weil es für das Löschungsverfahren an Wertvorschriften für die Anwaltsgebühren fehlt (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 114). Der Wert eines Gebrauchsmusters hängt vom Einzelfall ab und richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit, das diese an der Löschung des Gebrauchsmusters hat (vgl. Busse/Keukenschrijver, 8. Aufl., Rn. 59 zu § 17 GebrMG i. V. m. Rn. 68 zu § 84 PatG). Ein Gegenstandswert in Höhe von 125.000 € entspricht bei einem Gebrauchsmuster, das zum Zeitpunkt des Löschungsantrags – wie das vorliegende Streitgebrauchsmuster – noch über etwa 7 ½ Jahre mögliche Laufzeit vor sich hatte, einem gängigen Wert. Dies wird beispielsweise auch dadurch unterstrichen, dass im Jahr 2000 der durchschnittliche Gegenstandswert von Gebrauchsmustern 100.000 € betrug (vgl. Benkard/Goebel/Engel, 11. Aufl., Rn. 33 zu § 17 GebrMG).
Der Antragstellerin ist es nicht gelungen, die von der Gebrauchsmusterabteilung vorgenommene Schätzung in Zweifel zu ziehen. Derjenige, der die Festlegung eines bestimmten Gegenstandswertes anstrebt oder – wie hier – verhindern möchte, muss tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung so vortragen, dass sie nachvollziehbar zugrunde gelegt werden können (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 117). Ermittlungen von Amts wegen sind nicht vorgesehen. Die Antragstellerin hat keine brauchbaren, tatsächlichen Anhaltspunkte genannt, aus denen sich der gemeine Wert des vorliegenden Gebrauchsmusters hätte ergeben können. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht vorgetragen, dass die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Gegenstandes gemäß Streitgebrauchsmuster, also des beanspruchten Hubschraubers zur Überprüfung des baulichen Zustands von Windkraftanlagen, in irgendeiner Weise eingeschränkt gewesen wäre. Sie hat im Wesentlichen nur behauptet, dass der besagte Gegenstand nicht neu und/oder nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht habe und der Antragsgegner alleine deshalb von der Verteidigung seines Schutzrechts abgesehen hätte. Dieser Vortrag ist zur Bestimmung des hier in Rede stehenden Gegenstandswertes nicht sachdienlich. Entscheidend für die Bestimmung des Gegenstandswertes ist vielmehr das „Behinderungspotential“, das ein eingetragenes Gebrauchsmuster – seine Rechtsbeständigkeit unterstellt – entfaltet hätte (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rdn. 116; Eisenrauch in: Fitzner/ Bodewig/Lutz, PatRKomm, 4. Aufl., § 17 GebrMG Rn. 35; BPatGE 26, 208, 218). Dieses Potential dürfte jedoch nicht unerheblich gewesen sein, da andernfalls nicht erklärbar wäre, weshalb die Antragstellerin die Löschung des Streitgebrauchsmusters und sie oder eine dritte Person den Widerruf des parallelen Patents betrieben hatten.
b) Dagegen dringt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde insoweit durch, als sie der Auffassung ist, dass das hier in Rede stehende Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren nicht die Voraussetzungen eines durchschnittlichen Verfahrens erfüllt habe, mit dem der Regelsatz von 1,3 gemäß RVG-VV Nr. 2300 verdient wird. Die Antragstellerin hat zwar nur vorgetragen, dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV mangels anwaltlicher Vertretung überhaupt nicht angefallen sei. Dieser Vortrag umfasst aber auch den Einwand, dass eine solche Gebühr in unangemessener Höhe zugesprochen worden sei.
Der erkennende Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Antragsgegner anwaltlich vertreten war und anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Der Lö- schungsantrag war unstreitig am 4. September 2013 den im Gebrauchsmusterregister eingetragenen Vertretern des Antragsgegners zugestellt worden. Es entspricht der Lebenserfahrung und kann deshalb ohne weiteres unterstellt werden, dass der gegen den Löschungsantrag unterbliebene Widerspruch auch das Ergebnis einer anwaltlichen Beratung des Antragsgegners war und eine entsprechende Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV verdient wurde.
Im Zusammenhang mit der angemessenen Höhe des Gebührensatzes gemäß RVG-VV Nr. 2300 ist zu beachten, dass für die Vertretung in einem Verwaltungsverfahren, worunter das Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren fällt, eine Geschäftsgebühr im Rahmen eines 0,5- bis 2,5-fachen Satzes vorgesehen ist, wobei eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich und/oder schwierig war. Demnach stellt der 1,3-fache Satz die Regelvergütung für ein durchschnittliches Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren dar.
Gegen die Einordnung des vorliegenden Verfahrens als ein durchschnittliches Löschungsverfahren spricht vorliegend bereits, dass der Löschungsantrag lediglich auf einen Löschungsgrund, nämlich den einer mangelnden Schutzfähigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG gestützt worden war und hierbei nur zwei druckschriftliche Entgegenhaltungen (L1 und L2) genannt wurden. Darüber hinaus ist mangels Widerspruchs ein streitiges Löschungsverfahren überhaupt nicht zur Durchführung gelangt. Insbesondere deshalb lassen die gegebenen Umstände nur die Bewertung zu, dass es sich vorliegend sowohl um eine deutlich unterdurchschnittlich umfangreiche als auch um eine deutlich unterdurchschnittlich schwierige anwaltliche Tätigkeit gehandelt hat. Durch eine solche Tätigkeit wird aber lediglich eine 1,0-fache Gebühr verdient (vgl. BPatG, Beschluss vom 19. Mai 2015 – Az. 35 W (pat) 5/13).
c) Danach errechnen sich die für das patentamtliche Löschungsverfahren entstandenen Kosten, deren Erstattung der Antragsgegner von der Antragstellerin verlangen kann, wie folgt:
Gebührentatbestand Gegenstandswert: 125.000 € (§§ 2 Abs. 1, 23, 33 RVG)
RVG- Satz VV Nr.
Betrag in €
1. Geschäftsgebühr
2. Pauschale Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen
1,0 1.588,00
7002
20,00 Gesamtkosten des Antragsgegners:
1.608,00 =======
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu ¾ der Antragstellerin und zu ¼ dem Antragsgegner aufzuerlegen. Die Antragstellerin ist mit ihrer Beschwerde nur in Höhe von 476,40 € durchgedrungen, während sie im Umfang von 1608,00 € unterlegen ist. Diese Beträge entsprechen in etwa dem Unterliegens- und Obsiegensanteilen, wie sie vorstehend für die Verfahrensbeteiligten genannt sind. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung. Insbesondere ist eine vollständige Freistellung des Antragsgegners von den Kosten des Beschwerdeverfahrens im Sinne von § 92 Abs. 2 ZPO nicht möglich, da zwischen dem Betrag, der dem Antragsgegner in Höhe von 1608,00 € zugesprochen wurde, und dem Betrag, der von ihm in Höhe von 2084,40 € zu Unrecht gefordert wurde, eine Gebührenstufe liegt.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Metternich Bayer Eisenrauch Fa