8 W (pat) 53/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 53/12
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2008 028 110 …
BPatG 152 08.05
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hat der 8. Senat (Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner sowie die Richter Dipl.-Ing. Rippel, Dipl.-Ing. Dr. Dorfschmidt und die Richterin Grote-Bittner beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Dezember 2011, erstellt am 14. Dezember 2011, aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung an das Patentamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe I.
Gegen das Patent 10 2008 028 110 mit der Bezeichnung „Abstreiferanordnung“ (im Folgenden: Streitpatent), dessen Erteilung am 1. Juli 2010 veröffentlicht worden ist, hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 28. September 2010, der am selben Tag per Telefax eingegangen ist, Einspruch eingelegt. Die Einsprechende, die beantragt hat, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen, hat zur Begründung ausgeführt, dass das Streitpatent wegen mangelnder Neuheit und erfinderischen Tätigkeit nicht patentfähig sei.
Den zunächst im Einspruchsschriftsatz hilfsweise gestellten Antrag auf Anhörung hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 28. Juni 2011 zurückgenommen. Die Patentinhaberin hat ebenfalls ihren zunächst hilfsweise gestellten Anhörungsantrag zurückgenommen.
Mit in der „Sitzung vom 7. Dezember 2011“ gefassten Beschluss, der am 14. Dezember 2011 mit Gründen abgefasst worden ist, hat die Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts das Streitpatent in vollem Umfang aufrechterhalten. In dem Beschluss hat sie ausgeführt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich war, da die Beteiligten ihre entsprechenden Anträge zurückgenommen haben.
In der beim Patentamt geführten elektronischen Akte befinden sich schriftlich begründete Beschlussexemplare versehen mit den Namen „B…, G…, S…“ in der Unterschriftenzeile und versehen mit qualifizierten elektronischen Signaturen von zwei Mitgliedern der Patentabteilung 14, nämlich den Herren S… und B…. In der Umlaufmappe zur Mitzeichnung des Beschlusses sind ebenfalls nur diese zwei mitwirkenden Personen genannt, nicht aber der in der Unterschriftenzeile des Beschlusses genannte Herr G….
Gegen diesen ihr am 16. Dezember 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 9. Januar 2012.
Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 17./21. April 2015 sind die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtigt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, da der Beschluss wegen der fehlenden dritten Unterschrift an einem wesentlichen Verfahrensfehler leidet.
Die Patentinhaberin, die sich mit Schriftsatz vom 29. April 2015 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt und zugleich ihren hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung „unter dem Vorbehalt“, dass „im schriftlichen Verfahren lediglich über die Wirksamkeit des Beschlusses des DPMA entschieden wird“, zurückgenommen hat, hat sich inhaltlich zu dem Senatshinweis nicht geäußert. Die Einsprechende, die ihren mit Schriftsatz vom 9. Januar 2012 hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 11. Mai 2015 zurückgenommen hat, beantragt zuletzt,
den Beschluss der Patentabteilung vom 14. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zum Erlass eines wirksamen Beschlusses an das Patentamt zurückzuverweisen, sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Des Weiteren beantragt sie,
dem zuständigen Beschwerdesenat gemäß § 61 Abs. 2 Nr. 2 PatG die Sache zur Entscheidung vorzulegen, hilfsweise eine mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss des Patentamts sowie auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung der Sache an das Deutsche Patentund Markenamt (§ 79 Abs. 3 PatG). Das Einspruchsverfahren vor dem Patentamt leidet jedenfalls an einem wesentlichen Mangel, da mit dem angefochtenen Beschluss keine das Einspruchsverfahren vor dem Patentamt abschließende Entscheidung ergangen ist. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf Billigkeitserwägungen gemäß § 80 Abs. 3 PatG.
Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig, auch wenn es sich bei dem angefochtenen Beschluss vom 7. Dezember 2011 mangels Unterschrift aller drei Mitwirkenden lediglich um einen Beschlussentwurf und damit um eine nicht das patentamtliche Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung handelt. Denn durch die Zustellung eines Beschlusses, der äußerlich den Anschein eines verbindlichen Beschlusses erweckt, ist der Rechtsschein einer wirksamen Entscheidung erzeugt worden. Eine solche Entscheidung kann mit denjenigen Rechtsmitteln angefochten werden, welche gegen eine wirksame Entscheidung gleichen Inhalts statthaft wären (vgl. BGH, MDR 2012, 928, Rn. 18; BGH NJW-RR 2005, 565, 566).
Der angefochtene Beschluss ist ersichtlich nicht in einer Anhörung am 7. Dezember 2011 verkündet worden. Die Patentabteilung hat nämlich darin ausgeführt, dass eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat. Als Beschluss liegt lediglich die schriftliche Abfassung vom 14. Dezember 2011 vor, die zu ihrer Wirksamkeit der Unterschrift der an dem Zustandekommen der Entscheidung beteiligten Amtsträger bedarf (vgl. BPatG, Beschluss vom 21.2.2013 – 10 W (pat) 19/12; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 47, Rn. 7). Im Einspruchsverfahren vor dem Patentamt entscheidet gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 PatG die Patentabteilung unter Mitwirkung von mindestens drei Mitgliedern. Gemäß § 1 der Verordnung über die elektronische Aktenführung beim Patentamt, dem Patentgericht und dem Bundesgerichtshof (im Folgenden EApatV genannt) kann das Patentamt die Verfahrensakten ganz oder teilweise auch elektronisch führen. Dabei wird das komplette elektronische Dokument „unterzeichnet“, indem der Name der jeweils unterzeichnenden Person(en) eingefügt und das Dokument mit einer fortgeschrittenen oder qualifizierten Signatur nach dem Signaturgesetz versehen wird (§ 5 Abs. 2 EAPatV). Das Rubrum des angefochtenen Beschlusses enthält keinen Passus dahingehend, dass die angefochtene Entscheidung von drei Mitgliedern des Patentamts getroffen worden ist. In der Unterschriftenzeile des angefochtenen Beschlusses sind zwar mit den Herren B…, G…, S… drei Mitglieder der Patentabteilung 14 namentlich genannt. Der angefochtene Beschluss trägt aber lediglich zwei Signaturen, nämlich von den Herren B… und S…. Er ist aber nicht von Herrn G… signiert. Auch in der Umlaufmappe zur Mitzeichnung des Beschlusses sind nur zwei Bearbeiter angegeben, auch hier fehlt Herr G…
Die Zurückverweisung erfolgt gemäß § 79 Abs. 3 PatG. Sie steht im Ermessen des Gerichts. Nachdem der Beschluss nicht in einer rechtmäßigen Besetzung mit drei Mitwirkenden zustande gekommen ist, besteht ein erhebliches Interesse daran, eine in rechtmäßiger Besetzung getroffene Entscheidung der Patentabteilung herbeizuführen. Dem steht auch nicht der Antrag der Einsprechenden nach § 61 Abs. 2 Nr. 2 PatG entgegen, der beim Patentamt zu stellen und den anderen Verfahrensbeteiligten, die dem Antrag widersprechen können, zuzustellen ist (vgl. hierzu Busse, PatG, 7. Aufl., § 61, Rn. 9).
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird gemäß § 80 Abs. 3 PatG angeordnet. Eines Antrags seitens der Beschwerdeführerin bedarf es hierfür nicht (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 80, Rn. 111). Vorliegend hat die Einsprechende auf den Senatshinweis sogar einen Rückzahlungsantrag gestellt. Die Rückzahlung entspricht der Billigkeit, da eine Sachentscheidung des Senats mangels Vorliegens einer wirksamen Entscheidung des Patentamts nicht getroffen werden konnte, die Einsprechende aber zur Wahrung ihre Rechte gegen den äußerlich gesetzmäßig ergangenen Beschluss mit der Beschwerde vorgehen musste.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, nachdem beide Verfahrensbeteiligten ihren Antrag gemäß § 78 Nr. 1 PatG zurückgenommen haben. Eine Antragsrücknahme der Patentinhaberin liegt auch insoweit vor, als sie ihre Antragsrücknahme unter einen Vorbehalt gestellt hat, da über den Einspruch in der Sache nicht entschieden worden ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch nicht sachdienlich.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.
Dr. Zehendner Rippel Dr. Dorfschmidt Grote-Bittner Pr