XIII ZB 54/21
BUNDESGERICHTSHOF XIII ZB 54/21 BESCHLUSS vom 15. Oktober 2024 in der Freiheitsentziehungssache ECLI:DE:BGH:2024:151024BXIIIZB54.21.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Oktober 2024 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Roloff, den Richter Dr. Tolkmitt sowie die Richterinnen Dr. Picker und Dr. Holzinger beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 2021 aufgehoben.
Gerichtskosten werden im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren werden dem Kreis O.
auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I. Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 23. Februar 2021 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 24. Februar 2021 gegen den Betroffenen Sicherungshaft bis zum 18. Mai 2021 angeordnet. Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 12. April 2021 hat der Betroffene beim Amtsgericht die Aufhebung der Haftanordnung und vorsorglich für den Zeitraum ab Antragseingang die Feststellung beantragt, dass ihn der Haftanordnungsbeschluss vom 24. Februar 2021 in seinen Rechten verletzt habe. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. April 2024 abgelehnt. Der dagegen vom Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen am 2. Mai 2021 eingelegten Beschwerde hat das Amtsgericht Frankfurt nicht abgeholfen. Das Beschwerdegericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die nach Haftentlassung mit dem Feststellungsantrag weiter verfolgte Beschwerde des Betroffenen "gegen den Beschluss des Amtsgerichts […] vom 4. Juni 2021" zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde.
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Landgericht hat über eine vom Betroffenen nicht eingelegte Beschwerde gegen die Haftanordnung entschieden.
1. Der Betroffene hat gegen den Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts vom 24. Februar 2021 keine Beschwerde eingelegt. Sein Verfahrensbevollmächtigter hat vielmehr in seinem ersten in dieser Sache an das Gericht gerichteten Schreiben vom 12. April 2021, das nach Ablauf der Beschwerdefrist dort eingegangen ist, die Aufhebung der Haft (§ 426 FamFG) beantragt. Eine Beschwerde hat er (erst) gegen den diesen Antrag zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts vom 29. April 2021 mit Schriftsatz vom 2. Mai 2021 eingelegt.
2. Der Beschluss des Landgerichts vom 8. September 2021 ist dahin auszulegen, dass damit über eine Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung vom 24. Februar 2021 entschieden werden sollte. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Darin hat das Beschwerdegericht ausgeführt, der Betroffene habe mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 24. Februar 2021 eingelegt, mit dem dieses auf Antrag vom 23. Februar 2021 gemäß § 417 FamFG Haft zur Sicherung der Abreise bis einschließlich 18. Mai 2021 angeordnet habe. Soweit im Beschlusseingang von einem "Beschluss des Amtsgerichts [...] vom 4. Juni 2021" die Rede ist, handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler.
Eine Auslegung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass sie sich auf die Beschwerde des Betroffenen vom 2. Mai 2021 gegen den seinen Haftaufhebungsantrag vom 12. April 2021 zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts vom 29. April 2021 bezieht, kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts der Gründe nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr, als weder der Haftaufhebungsantrag noch die gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 29. April 2021 gerichtete Beschwerde des Betroffenen vom 2. Mai 2021 in den Entscheidungsgründen Erwähnung finden. Hinzu tritt, dass es sich bei dem Haftaufhebungsverfahren nach § 426 FamFG um ein gegenüber dem Haftanordnungsverfahren eigenständiges Verfahren handelt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Februar 2024 - XIII ZB 42/21, juris Rn. 10 mwN). Dass das Amtsgericht diesem Umstand im Streitfall - fehlerhaft - nicht durch Eintragung eines neuen Verfahrens mit neuem Aktenzeichen Rechnung getragen hat, kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
3. Das Landgericht hat somit über ein Rechtsmittel entschieden, das der Betroffene nicht eingelegt hat. Seine Entscheidung erweist sich aus diesem Grund als rechtsfehlerhaft.
III. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht kommt aufgrund der Eigenständigkeit von Haftanordnungs- und Haftaufhebungsverfahren nicht in Betracht. Das Landgericht wird vielmehr von Amts wegen nunmehr über die noch nicht beschiedene Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 29. April 2021 zu befinden haben.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG. Im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch des Betroffenen gegen den Kreis O. hat sich sein Verfahrenskostenhilfeantrag erledigt.
Kirchhoff Picker Roloff Tolkmitt Holzinger Vorinstanzen: AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.02.2021 - 934 XIV 426/21 B LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 08.09.2021 - 2-29 T 75/21 -