AK 34 und 35/21
BUNDESGERICHTSHOF AK 34 und 35/21 BESCHLUSS vom 27. Mai 2021 in dem Strafverfahren gegen
1. 2.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer zu 2.: Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer ECLI:DE:BGH:2021:270521BAK34.21.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Angeschuldigten und ihrer Verteidiger am 27. Mai 2021 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.
Gründe:
I.
1 Der Angeschuldigte B.
wurde am 16. Juli 2020 festgenommen und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni
(3 BGs 223/20). Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, er habe sich seit Januar 2018 in Be. und anderenorts als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung beteiligt, deren Zweck und deren Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten nach § 130 StGB (Volksverhetzung) gerichtet seien, und zu den Rädelsführern der Vereinigung gehört, strafbar gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2,
Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 StGB in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2,
Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b, Abs. 3 StGB.
Der Angeschuldigte J. befindet sich nach Auslieferung aus den Niederlanden seit dem 26. August 2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2020 (3 BGs 224/20). Gegenstand dieses Haftbefehls ist der Vorwurf, J. habe mit unbekannten Mittätern im August 2016 eine Vereinigung gegründet, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten nach § 130 StGB (Volksverhetzung) gerichtet sei, und habe dieser Vereinigung seither als Rädelsführer angehört, "strafbar als Vergehen der Gründung einer kriminellen Vereinigung in einem besonders schweren Fall gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 StGB in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) und b), Abs. 3 StGB".
Mit Beschluss vom 9. Februar 2021 (AK 3 und 4/21) hat der Senat für beide Angeschuldigte die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet. Rechtlich hat er das dem Angeschuldigten B.
im Sinne eines dringenden Tatverdachts angelastete Verhalten jedenfalls als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gewertet und offengelassen, ob auch das Regelbeispiel der Rädelsführerschaft erfüllt ist. Das dem Angeschuldigten J. vorgeworfene Geschehen hat er als Gründung einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an jener - jeweils rädelsführerschaftlich - eingestuft. Soweit er in diesem Zusammenhang auf
§ 129a Abs. 1 und 4 StGB und damit auf die Strafvorschriften betreffend die terroristische Vereinigung abgestellt hat, handelt es sich um ein Fassungsversehen.
Der Senat hat darüber hinaus für beide Angeschuldigte eine hochwahrscheinliche Strafbarkeit wegen zahlreicher weiterer Delikte, unter anderem wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB, Gewaltdarstellung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB, Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen nach § 86 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 StGB und Verwendens von Kennzeichen einer solchen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB, angenommen.
Unter dem 4. Mai 2021 hat der Generalbundesanwalt gegen die Angeschuldigten Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer, begangen in jeweils über einhundert Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung oder der Beihilfe hierzu (J. und B. ), und Gründung einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer (J. ). Im Übrigen hat er die Strafverfolgung nach § 154 Abs. 1, § 154a Abs. 1 StPO beschränkt.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft auch über neun Monate hinaus liegen für beide Angeschuldigte vor.
1. Hinsichtlich der Einzelheiten des Tatvorwurfs, der den dringenden Tat6 verdacht belegenden Umstände und der Haftgründe wird auf die fortgeltenden Ausführungen im Beschluss vom 9. Februar 2021 sowie die Anklageschrift verwiesen. Soweit der Generalbundesanwalt die Strafverfolgung nach § 154 Abs. 1,
§ 154a Abs. 1 StPO beschränkt hat, ist dies für die Haftfrage ohne Bedeutung.
2. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO) sind gegeben. Die Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil noch nicht zugelassen. Auch nach der Haftfortdauerentscheidung des Senats ist das Verfahren mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren gegen die Angeschuldigten J. , B.
und Ba. vom übrigen Ermittlungskomplex abgetrennt. Eine Vielzahl von Kriminalbeamten hat sich durchgängig mit der Auswertung der über elektronischen Datenträger im Gesamtvolumen von mindestens 40 Terrabyte befasst, die allein bei den drei Angeschuldigten sichergestellt worden sind.
Außerdem sind weit über 4000 Posts und mehrere Hundert Videos, Dokumente und Bilder aus dem Internet-Auftritt der "G.
" zu sichern gewesen. Der Aktenumfang umfasst inzwischen 70 Stehordner, die erhobene Anklage 153 Einzeltaten und 284 Seiten zuzüglich Anlagen.
3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach wie vor nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
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4. Die vom Angeschuldigten B.
in seinen Schreiben vom 30. März und 11. Mai 2021 gegen seine Inhaftierung erhobenen Einwendungen - etwa seine Wohnung und seine Vermögensverhältnisse betreffend - rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Weder im Hinblick auf den dringenden Tatverdacht noch in Bezug auf die persönlichen Verhältnisse haben sich hieraus seit dem Beschluss des Senats vom 9. Februar 2021 entscheidungserhebliche Neuerungen zu seinen Gunsten ergeben.
Schäfer Berg Erbguth