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5 StR 107/14

BUNDESGERICHTSHOF StR 107/14 BESCHLUSS vom 5. November 2014 in der Strafsache gegen wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel hier: Anfragebeschluss nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2014 beschlossen:

I. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von zum Rauchen bestimmten Kräutermischungen, denen nicht in die Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommene synthetische Cannabinoide zugesetzt sind, kann nach § 52 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG strafbar sein.

II. Der Senat fragt beim 2. und 3. Strafsenat an, ob an etwa entgegenstehender Rechtsprechung im Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13 – sowie im Urteil vom 4. September 2014 – 3 StR 437/12 – festgehalten wird.

Gründe:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in 87 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und Wertersatzverfall in Höhe von 200.000 € angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision.

Nach den Feststellungen bestellte und verkaufte der Angeklagte von Mai 2010 bis Mai 2011 zunächst allein über seinen Onlineshop und nach dessen Aufgabe von Oktober 2012 bis November 2012 mit einem Mittäter handelnd fertig verpackte Tüten mit bis zu 3 g Kräutermischungen aus getrocknetem Pflanzenmaterial, dem verschiedene, dem Betäubungsmittelgesetz zum damaligen Zeitpunkt weitgehend noch nicht unterfallende synthetische Cannabinoide zugesetzt waren. Der Verkauf erfolgte mit der Bestimmung, dass die Mischungen von den Kunden „durch Rauchen (z.B. in Form von Joints)“ und dadurch verursachter Rauschwirkung konsumiert werden sollten (UA S. 4). Der Angeklagte informierte sich über die Rechtslage und gelangte so zu der Erkenntnis, dass es einen illegalen Bereich gebe. Er vertraute jedoch auf die Angaben der Hersteller, wonach der Vertrieb der Mischungen legal sei. Behördliche Auskünfte oder anderweitigen Rechtsrat holte er nicht ein (UA S. 5).

Eine positive Wirkung, etwa einen therapeutischen oder prophylaktischen Nutzen, hatten die Kräutermischungen nicht. Vielmehr waren sie gesundheitsgefährdend. Nach Auffassung des Landgerichts handelte es sich im Hinblick auf deren physiologische Funktionen durch pharmakologische Wirkung um Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG; ein therapeutischer Nutzen oder eine positive Beeinflussung sei nicht erforderlich (vgl. UA S. 225).

2. Die vom Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen können im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Juli 2014 – C-358/13 und C-181/14, NStZ 2014, 461) nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13 Rn. 3 f.; Urteil vom 4. September 2014 – 3 StR 437/12 Rn. 15), weswegen der Schuldspruch keinen Bestand haben kann. Der Senat sieht sich jedoch an einem Freispruch gehindert. Das gilt zum einen – insoweit unproblematisch – für den Vertrieb von Kräutermischungen, die zur Tatzeit bereits in die Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommene Cannabinoide enthielten; insoweit kann sich der Angeklagte wegen (hier: fahrlässigen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BtMG strafbar gemacht haben. Für solche Kräutermischungen, die Cannabinoide enthielten, die zur Tatzeit noch nicht als Betäubungsmittel definiert waren, kommt nach Auffassung des Senats hingegen eine Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe (§ 52 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG) in Betracht.

a) Das angefochtene Urteil stellt ausdrücklich fest, dass alle vertriebenen Kräutermischungen zum Rauchen bestimmt waren. Damit können sie als „Tabakerzeugnissen ähnliche Waren“ im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sein. Nach dieser Vorschrift ist allein maßgebend die dem Rohtabak ähnliche Zweckbestimmung (hier: Rauchen). Einbezogen sind unter anderem Erzeugnisse ähnlich Zigaretten, die aus Kräutern oder synthetisch erzeugten Rohstoffen hergestellt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob sie mit Tabakerzeugnissen verwechselbar sind (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 157. EL 2011, Teil 9, Nr. 900, § 3 VTabakG Rn. 22; vgl. auch RGSt 14, 145, 147).

Die Zweckbestimmung trifft nach den Feststellungen auf die vertriebenen Kräutermischungen zu. Wortlaut und Wortsinn des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG bieten dabei keinen Ansatz, etwa solche tabakähnliche Erzeugnisse auszugrenzen, bei denen der Konsument wegen – in welcher Form auch immer – zugesetzter psychoaktiver Stoffe in der Folge des Rauchens eine Rauschwirkung erzielen will (vgl. aber dazu in Abgrenzung zum Arzneimittel – unklar – OLG Nürnberg, PharmR 2013, 94, 97). Der auch mit der Verbotsvorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VTabakG verfolgte Zweck des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 1. Oktober 2013 – Au 1 K 13.767, juris Rn. 22; Rohnfelder/Freytag in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. EL 2013, Vorläufiges Tabakgesetz, Vorbemerkungen Rn. 1) würde einer Reduktion im genannten Sinn widerstreiten. Gleichfalls enthält der Tatbestand anders als die in § 17 VTabakG normierten strafbewehrten (§ 52 Abs. 1 Nr. 9, 10 VTabakG) Verbote kein Täuschungselement, weswegen es nicht darauf ankommt, ob die Abnehmer die Zusammensetzung der jeweiligen Mischung kannten, insbesondere wussten, dass sie Cannabinoide enthielten.

b) Allerdings fallen unter das Vorläufige Tabakgesetz nur solche Mischungen, die keine zur Tatzeit bereits in der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Substanzen enthielten. Betäubungsmittel sind nämlich keine Tabakerzeugnisse oder tabakähnliche Waren im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 Nr. 1 VTabakG (vgl. zu Cannabis und Heroin Zipfel/Rathke, aaO, § 3 VTabakG Rn. 10; Rohnfelder/Freytag, aaO, § 3 VTabakG Rn. 1; s. auch Art. 2 Abs. 3 Buchst. f und g der Verordnung [EG] Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28. Januar 2002, ABl. Nr. L 31/1). Dem entspricht die Regelungssystematik des Vorläufigen Tabakgesetzes, die ersichtlich nicht auf per se illegale Substanzen abzielt (vgl. insbesondere die Verbotsvorschriften des § 20 VTabakG).

3. Der Senat möchte die Sache deshalb insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverweisen. Der beabsichtigten Entscheidung stehen indessen möglicherweise der Beschluss des 2. Strafsenats vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13 – sowie das Urteil des 3. Strafsenats vom 4. September 2014 – 3 StR 437/12 – entgegen. Dem Urteil des 3. Strafsenats lag ebenfalls der Vertrieb von zum Rauchen bestimmten, mit synthetischen Cannabinoiden versetzten Kräutermischungen zugrunde (s. dort Rn. 3). Hinsichtlich des Beschlusses des 2. Strafsenats liegt dies nahe. In beiden Fällen erfolgte jedoch ein Freispruch bzw. ein Teilfreispruch. Eine Strafbarkeit nach dem Vorläufigen Tabakgesetz wurde jeweils nicht angesprochen.

4. Die Vorlegungsvoraussetzungen nach § 132 Abs. 2 GVG sind nicht ausschließbar gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine rechtliche Divergenz auch dann bestehen, wenn die inmitten stehende Rechtsfrage zwar nicht ausdrücklich erörtert worden ist, die frühere Entscheidung jedoch von ihrer Bejahung oder Verneinung begrifflich notwendig abhängt, so dass sie auf einer stillschweigenden Stellungnahme zu ihr beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1957 – 4 StR 395/57, BGHSt 11, 31, 34). Der Senat fragt daher gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beim 2. und 3. Strafsenat an, ob an etwa entgegenstehender Rechtsprechung im Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13 – bzw. im Urteil vom 4. September 2014 – 3 StR 437/12 – festgehalten wird.

Sander König Schneider Bellay Dölp

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