IX ZR 18/24
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES IX ZR 18/24 Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein URTEIL in dem Rechtsstreit BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 Die in der Rechtsberaterhaftung für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den Schadensersatzanspruch begründenden Umständen kann im Regelfall nicht allein deswegen angenommen werden, weil der Mandant Kenntnis von einem ihm nachteiligen Berufungsurteil erlangt. Maßgeblich ist, ob er aufgrund der ihm bekannten Umstände - etwa der auch aus Sicht eines juristischen Laien erkennbaren Eindeutigkeit der Urteilsgründe des Berufungsurteils oder dem Verhalten seines rechtlichen Beraters zu den Urteilsgründen des Berufungsurteils - eine Pflichtwidrigkeit des Beraters und den Schaden gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 - IX ZR 10/20, WM 2022, 133).
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2025 - IX ZR 18/24 - OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main ECLI:DE:BGH:2025:091025UIXZR18.24.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Schoppmeyer, den Richter Röhl, die Richterin Dr. Selbmann, die Richter Dr. Harms und Weinland für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Kläger nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Schadensersatz wegen der Verletzung anwaltlicher Pflichten im Zusammenhang mit einer Deckungsanfrage bei einem Rechtsschutzversicherer in Anspruch. Der Kläger unterhielt bis zum 30. Juni 2004 eine Rechtsschutzversicherung bei der Z.
AG. Ab
1. Juli 2004 bestand eine Rechtsschutzversicherung bei der A.
AG. Diesem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung, Stand 1.1.2004, zugrunde.
2 Der Beklagte vertrat den Kläger in zwei Verfahren gegen die S.
.
Für den ersten, im Jahr 2009 von der S. eingeleiteten Rechtsstreit stellte die R. GmbH als Schadensabwicklungsunternehmen (fortan: Schadensabwicklungsunternehmen) der A.
AG den Kläger für alle drei Instanzen von den Verfahrenskosten frei. Für den zweiten, im Jahr 2010 eingeleiteten Rechtsstreit stellte der Beklagte als Prozessbevollmächtigter des Klägers dem Schadensabwicklungsunternehmen seine Vergütung mit insgesamt 47.272,51 € in Rechnung. Das Schadensabwicklungsunternehmen lehnte die Tragung dieser Kosten ab. Der Kläger nahm daraufhin, vertreten durch den Beklagten, das Schadensabwicklungsunternehmen auf Zahlung in Anspruch. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Klage mit Urteil vom 2. August 2016 in Höhe von 23.626,26 € ab. Zur Begründung führte es unter anderem aus, der Kläger habe bei seinem Vorversicherer lediglich um Deckungsschutz für den ersten, im Jahr eingeleiteten Rechtsstreit, nicht aber auch um Deckungsschutz für den zweiten, im Jahr 2010 eingeleiteten Rechtsstreit nachgesucht. Eine erneute Deckungsanfrage für den zweiten Rechtsstreit sei aber nicht entbehrlich gewesen; es habe sich um einen völlig neuen Prozess mit einem anderen Streitgegenstand gehandelt, für den der Kläger eine neue Deckungsanfrage habe stellen müssen. Die vom Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 eingelegte Beschwerde wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 18. April 2018 zurück.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er beabsichtige, gegen ihn Ansprüche auf Schadensersatz in Höhe von "schätzungsweise 100.000 €" wegen der unterbliebenen Deckungsanfrage für den zweiten Rechtsstreit geltend zu machen. Er forderte den Beklagten zudem auf, seiner Haftpflichtversicherung einen Versicherungsfall - auch bezüglich weiterer, nicht näher bezeichneter Schadensersatzansprüche des Klägers - anzuzeigen und einen Verzicht auf die Verjährungseinrede zu erklären. Für den Fall,
dass eine Verzichtserklärung nicht rechtzeitig abgegeben werde, kündigte er an, eine Schlichtungsstelle anzurufen. Der Beklagte teilte dem Kläger am 28. Dezember 2018 mit, dass er einem Streitbeilegungsverfahren nicht zustimmen werde. Einen Verzicht auf die Verjährungseinrede erklärte er nicht. Am 31. Dezember 2018 beantragte der Kläger bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft Berlin die Durchführung einer Streitschlichtung über einen Betrag von 44.848,89 €. Nachdem der Beklagte gegenüber der Schlichtungsstelle erklärt hatte, am Schlichtungsverfahren nicht teilzunehmen, wurde das Schlichtungsverfahren am 4. Februar 2019 für beendet erklärt.
Am 31. Dezember 2019 beantragte der Kläger den Erlass eines Mahnbescheids über 120.573 € gegen den Beklagten, in dem die geltend gemachte Hauptforderung mit "Schadensersatz aus Anwalt-Vertrag gem. diverse Mandate aus Anwaltsverträgen 119-120-138-154/10 151/09 u.a. vom 01.01.09 bis 31.12.2019" bezeichnet war. Gegen den am 10. Februar 2020 antragsgemäß erlassenen Mahnbescheid erhob der Beklagte am 17. Februar 2020 Widerspruch. Am 29. September 2021 reichte der Kläger seine auf Zahlung von 23.636,26 € nebst Zinsen gerichtete Klageschrift beim Landgericht ein. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er seinen Zahlungsantrag über noch 22.236,25 € nebst Zinsen weiterverfolgte, hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 22.236,25 € nebst Zinsen erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat einen etwaigen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten ebenso wie das Landgericht für verjährt gehalten. Der Lauf der Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2016 begonnen. Der Kläger habe mit der Kenntnisnahme von dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 auch Kenntnis von den von ihm als haftungsbegründend gewerteten Umständen erlangt, auf die er seinen Schadensersatzanspruch stütze. In dem Urteil werde in aller Deutlichkeit ausgedrückt, dass der Beklagte für den zweiten Rechtsstreit des Klägers mit der S. eine erneute Deckungsanfrage bei dem Rechtsschutzversicherer hätte stellen müssen. Auf die erst später ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 zurückgewiesen worden sei, komme es nicht an.
Zwar könne die Kenntnis von den einen Schadensersatzanspruch begründenden Umständen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht bereits dann angenommen werden, wenn der Mandant aus einem amtsgerichtlichen Hinweis, einem nachteiligen Steuerbescheid oder einer Mitteilung des Finanzamts auf das Vorliegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung schließen könne. Anders liege es aber im Streitfall. Der Kläger habe mit der Kenntnisnahme von dem streitentscheidenden zweitinstanzlichen Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 einen ungleich festeren Kenntnisstand von der Rechtslage gehabt, als dies nach Erteilung eines amtsgerichtlichen Hinweises oder nach Erlass eines Steuerbescheids der Fall wäre.
Es könne dahinstehen, ob die Verjährung durch den Schlichtungsantrag des Klägers vom 31. Dezember 2018 wirksam gehemmt worden sei. Denn jedenfalls habe die Zustellung des vom Kläger am 31. Dezember 2019 beantragten Mahnbescheids nicht erneut zur Hemmung der Verjährung geführt. Der vom Kläger behauptete Schadensersatzanspruch sei durch den Mahnantrag und den auf seiner Grundlage ergangenen Mahnbescheid nicht im Sinne von § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend individualisiert gewesen. Der Kläger habe zur Begründung seines Antrags auf "diverse Mandate aus Anwaltsverträgen 119-120-138-154/10 151/09 u.a. vom 01.01.09 bis 31.12.19" Bezug genommen. Die Anspruchsbegründung sei auch nicht durch beigefügte Urkunden oder Schreiben näher erläutert worden. Für den Beklagten sei nicht erkennbar gewesen, wie sich die mehreren selbständigen Ansprüche rechnerisch zusammensetzten und sich der Gesamtbetrag von über 120.000 € ergebe. Auch aus dem Schreiben des Klägers vom 27. Dezember 2018 habe sich nicht hinreichend ergeben, auf welches Mandat sich der oder die behaupteten Schadensersatzansprüche bezögen und in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werde.
Der Kläger habe seinen Schadensersatzanspruch danach erst mit der Einreichung seiner Klageschrift am 29. September 2021 begründet und ausreichend individualisiert. Zu diesem Zeitpunkt sei aber bereits Verjährung eingetreten.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die am 29. September 2021 eingereichte Klage die Verjährung gehemmt hat.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche in einer Frist von drei Jahren verjähren (§ 195 BGB) und die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Das Berufungsgericht ist weiter zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der vom Kläger am 31. Dezember 2019 beantragte und am 10. Februar 2020 erlassene Mahnbescheid mangels ausreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs keine (erneute) Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 209 BGB herbeigeführt hat.
a) Mangelt es dem Mahnantrag und dem Mahnbescheid an der nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO notwendigen Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs, das heißt an der Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung, tritt keine Hemmung der Verjährung durch den antragsgemäß erlassenen Mahnbescheid ein. Die Individualisierung kann dann auch nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist mit Rückwirkung verjährungshemmend nachgeholt werden (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 16 mwN).
Für die hinreichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs im Mahnantrag ist maßgeblich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungsbescheids sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diesen Anforderungen Genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH, Urteil vom
13. Oktober 2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 17 mwN). Bei der Geltendmachung einer Mehrzahl von Einzelforderungen muss deren Bezeichnung im Mahnbescheid es dem Beklagten ermöglichen, die Zusammensetzung des verlangten Gesamtbetrags aus für ihn unterscheidbaren Ansprüchen zu erkennen (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015, aaO Rn. 24 ff mwN). Maßgeblich für die ausreichende Individualisierung der Forderung im Mahnbescheid ist ausschließlich der Erkenntnishorizont des Schuldners (BGH, Urteil vom 7. Juni 2023 - VII ZR 594/21, NJW 2023, 2773 Rn. 21 mwN).
b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung fehlt es - wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt - auch bei Berücksichtigung des Schreibens des Klägers an den Beklagten vom 27. Dezember 2018 an einer hinreichenden Individualisierung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs im Mahnbescheidsantrag und dem entsprechend erlassenen Mahnbescheid.
aa) Die inhaltliche Bewertung des Mahnbescheidsantrags des Klägers durch das Berufungsgericht unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung in der Revisionsinstanz, da die Auslegung von Prozesserklärungen in Frage steht (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 15).
bb) Für den Beklagten war, auch bei Kenntnis von dem Schreiben des Klägers vom 27. Dezember 2018, nicht erkennbar, welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden sollten. Aus dem Mahnbescheidsantrag war für den Beklagten nur ersichtlich, dass der Kläger Schadensersatzansprüche in einer Gesamthöhe von 120.573 € aus "diversen Mandaten" herleitete. Zwar werden einzelne Mandate durch die Angabe der internen Aktenzeichen des Beklagten näher bezeichnet. Allerdings legte der Zusatz der Abkürzung "u.a." nach der Nennung von fünf verschiedenen Aktenzeichen nahe, dass diese Aufzählung nicht abschließend sein sollte. Die im Mahnbescheidsantrag enthaltene Datumsangabe
"01.01.09 bis 31.12.2019" trägt mangels jeglicher Eingrenzung oder Zuordnung zu einzelnen Mandaten ebenfalls nicht zu einer Konkretisierung der Schadensersatzansprüche bei.
Auch aus dem im Mahnbescheidsantrag angegebenen Forderungsbetrag kann nicht geschlossen werden, welche Ansprüche aus welchen Mandaten der Kläger in welcher Höhe geltend machen will. Die im Prozess behaupteten Schadensersatzansprüche beliefen sich erstinstanzlich auf 23.636,26 € und zweitinstanzlich auf 22.236,25 €. Die mit dem Mahnbescheidsantrag geltend gemachte Forderung beträgt demgegenüber 120.573 €. Vorprozessual hatte der Kläger gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 unter Nennung des Aktenzeichens 119/10 Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der unterbliebenen Deckungsanfrage in Höhe von "schätzungsweise 100.000 €" geltend gemacht. In demselben Schreiben behauptete der Kläger ohne nähere Konkretisierung das Bestehen weiterer Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten und forderte ihn auf, auch insoweit seine Haftpflichtversicherung zu informieren. Weiter kündigte der Kläger an, bei einem Schlichtungsversuch lediglich die Kosten für die Führung der Prozesse gegen das Schadensabwicklungsunternehmen in Höhe von "schätzungsweise 40.000 €" geltend machen zu wollen.
Der Kläger hätte daher bereits im Mahnbescheidsantrag eine Aufgliederung der von ihm geltend gemachten Ansprüche vornehmen müssen. Wenn mehrere Einzelansprüche und nicht nur unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen Schadens geltend gemacht werden, gehört es zur notwendigen Individualisierung des Anspruchs, dass die Zusammensetzung der Forderung bereits aus dem Mahnbescheid erkennbar ist (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 24 ff). Bereits aus dem Umstand, dass der Kläger in seinem Mahnbescheidsantrag verschiedene Aktenzeichen anführte, ergibt sich, dass getrennt voneinander zu betrachtende Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden sollten. Für den Beklagten war danach nicht erkennbar, wie sich der mit dem Mahnbescheid verlangte Gesamtbetrag von 120.573 € zusammensetzte. Eine Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang er sich gegen den geltend gemachten Betrag zur Wehr setzen will, war ihm nicht möglich. Eine Individualisierung der Einzelforderungen nach Ablauf der Verjährungsfrist im anschließenden Prozess konnte nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden.
2. Die bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Verjährungsfrist bereits mit dem Schluss des Jahres 2016 in Lauf gesetzt worden ist. Die Begründung des Berufungsgerichts, der Kläger habe mit der Kenntnisnahme von den Entscheidungsgründen des Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 eine ungleich festere Kenntnis von der Rechtslage erlangt und deswegen Kenntnis von den seinen Schadensersatzanspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehabt, trägt für sich genommen nicht.
a) Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Fall der Anwaltshaftung nicht schon dann vor, wenn dem Mandanten Umstände bekannt werden, nach denen zu seinen Lasten ein Rechtsverlust eingetreten ist. Vielmehr muss der Mandant Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn - gerade wenn er juristi- scher Laie ist - ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren. Für ein fehlerhaftes Verhalten des Anwalts ist aus der Sicht des Mandanten regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Anwalt gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Mandant darf sich darauf verlassen, dass der von ihm beauftragte Anwalt die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist. Dem Mandanten obliegt es nicht, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen anderen Rechtsberater überprüfen zu lassen (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172 Rn. 15; vom 15. Dezember 2016 - IX ZR 58/16, BGHZ 213, 213 Rn. 11; vom 29. Oktober 2020 - IX ZR 10/20, NJW 2021, 1957 Rn. 27 f).
Anders liegt der Fall, wenn der Mandant aus den ihm bekannten Umständen selbst den Schluss auf einen gegen den Berater gerichteten Schadensersatzanspruch gezogen hat. Auf die Kenntnis des Mandanten auch von der Pflichtwidrigkeit seines Rechtsanwalts kann geschlossen werden, wenn der Mandant seinen Rechtsanwalt auffordert, seinen Haftpflichtversicherer einzuschalten (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 - IX ZR 10/20, NJW 2021, 1957 Rn. 30) oder ihm die klageweise Inanspruchnahme wegen eines Anwaltsfehlers ankündigt (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 - IX ZR 58/16, BGHZ 213, 213 Rn. 11).
b) Im Streitfall hatte der Kläger mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 zwar Kenntnis davon, dass er den Prozess gegen das Schadensabwicklungsunternehmen auch in zweiter Instanz ver- loren hat. Anders als das Berufungsgericht meint, kann allein daraus nicht geschlossen werden, der Kläger habe bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den seinen Schadensersatzanspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehabt.
aa) Der Senat hat bislang entschieden, dass ein Mandant nicht schon dann hinreichende Kenntnis von einer Pflichtwidrigkeit seines Rechtsanwalts hat, wenn das Amtsgericht mit der Terminsladung einen Hinweis zur Rechtslage erteilt, der Anwalt aber zur Fortsetzung des Rechtsstreits rät (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172 Rn. 1, 18), oder ein nachteiliges erstinstanzliches Urteil ergangen ist (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014, aaO Rn. 15). Gleiches gilt im Fall eines nachteiligen Steuerbescheids oder einer Mitteilung des Finanzamts, wenn der vom Mandanten beauftragte Steuerberater die im Bescheid oder im Schreiben vertretene Ansicht als unrichtig bezeichnet und zur Einlegung eines Rechtsbehelfs rät (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2018 - IX ZR 168/17, WM 2019, 787 Rn. 10).
Nichts anderes gilt regelmäßig dann, wenn der Mandant Kenntnis davon erlangt, einen Prozess auch in zweiter Instanz verloren zu haben. Allein die Kenntnis vom Prozessverlust vermittelt dem Mandanten nicht ohne weiteres zugleich die Kenntnis davon, dass sein Rechtsanwalt von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren. Auch wenn ein Mandant einen Prozess bereits in zwei Instanzen verloren hat, ist es für den Mandanten regelmäßig schwierig zu beurteilen, ob sein Anwalt fehlerhaft gearbeitet hat und ob ihm daraus ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172 Rn. 16). Von dem Mandanten kann,
auch wenn er Kenntnis von einem zu seinem Nachteil ergangenen zweitinstanzlichen Urteil erlangt hat, nicht erwartet werden, dass er die Rechtslage selbständig und besser einzuschätzen vermag als sein Anwalt.
bb) Maßgeblich für die Kenntnis von einer Pflichtwidrigkeit des Rechtsanwalts ist das Fortbestehen des Vertrauens in die Fachkunde des Rechtsanwalts. Ein Mandant, der auf die Fachkunde seines Rechtsanwalts vertrauen darf, hat nicht allein deshalb, weil er einen Prozess in zweiter Instanz verloren hat, eine ausreichende Veranlassung, die anwaltliche Leistung in Frage zu stellen. Nicht jeder Prozessverlust indiziert eine Pflichtwidrigkeit des Rechtsanwalts. Anders ist dies erst dann, wenn der Mandant aufgrund der ihm bekannten Umstände - etwa der auch aus Sicht eines juristischen Laien erkennbaren Eindeutigkeit der Urteilsgründe des Berufungsurteils oder dem Verhalten seines rechtlichen Beraters zu den Urteilsgründen des Berufungsurteils - eine Pflichtwidrigkeit des Beraters und den Schaden gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.
Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass der Mandant insbesondere dann keine Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Verhalten seines Anwalts hat, wenn der Anwalt im Rahmen eines fortbestehenden Mandats gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor und zur Fortsetzung eines Rechtsstreits oder zur Einlegung eines Rechtsbehelfs rät (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172 Rn. 17; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Oktober 2018 - IX ZR 168/17, WM 2019, 787 Rn. 10; vom 29. Oktober 2020 - IX ZR 10/20, NJW 2021, 1957 Rn. 28). Der Mandant darf sich darauf verlassen, dass der von ihm beauftragte Anwalt die angefallenen Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist. Bei kontroversen Auffassungen in einem Prozess ist es nicht die Sache des Mandanten, die Rechtsansichten seines Anwalts zu überprüfen oder durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 - IX ZR 10/20, NJW 2021, 1957 Rn. 28).
cc) Im Streitfall hat das Berufungsgericht über den Umstand hinaus, dass der Kläger Kenntnis von dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 erlangt hat, keine Feststellungen getroffen, die auf eine Kenntnis des Klägers von einer Pflichtwidrigkeit des Beklagten schließen lassen. Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt nicht ausreichend ausgeschöpft und insbesondere die Reaktion des Klägers außer Acht gelassen. Für eine grob fahrlässige Unkenntnis des Mandanten genügt es nicht, wenn sich aus dem Urteil - wie das Berufungsgericht annimmt - hinreichende Anhaltspunkte ergeben, um an der Richtigkeit der Rechtsauffassung des Anwalts zu zweifeln. Denn der Kläger hat im Streitfall gegen das ihm nachteilige Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Eine grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit einer unterlassenen erneuten Deckungsanfrage beim Vorversicherer kann daher nicht beurteilt werden, ohne zu klären, aus welchen Gründen der Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegte. Entscheidend für eine grob fahrlässige Unkenntnis wäre daher, ob sich dem Kläger spätestens mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. August 2016 trotz seiner Entscheidung, den Rechtsstreit weiterzuführen, aufdrängen musste, dass eine erneute Deckungsanfrage beim Vorversicherer unerlässlich gewesen ist, und daher die Ausführungen im Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main dazu führten, dass der Kläger das Vertrauen in die Richtigkeit der Beratung des Beklagten verloren hatte. Das Berufungsgericht stellt hierzu keine Tatsachen fest.
dd) Der Kläger hat dem Beklagten gegenüber erst mit seinem Schreiben vom 27. Dezember 2018 angekündigt, ihn wegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen und ihn aufgefordert, deswegen seine Haftpflichtversicherung zu benachrichtigen. Dies rechtfertigt nur den Schluss darauf, dass der Kläger im Jahr 2018 Kenntnis von den seinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehabt hat.
Aus dem Umstand, dass der Kläger bereits im Dezember 2018 mit seinem Schlichtungsantrag und im Dezember 2019 mit seinem Mahnantrag Versuche unternommen hat, die Verjährung seiner Schadensersatzansprüche zu hemmen, ergeben sich keine Hinweise auf eine frühere Kenntnis des Klägers von der behaupteten Pflichtwidrigkeit des Beklagten. Von dem Kläger als juristischem Laien kann nicht erwartet werden, dass er den Beginn der Verjährung eines Schadensersatzanspruchs zutreffend beantworten kann.
Auch wenn die Parteien in erster Instanz übereinstimmend davon ausgingen, dass die Verjährung mit dem Schluss des Jahres 2016 begonnen hat, kann daraus nicht hinreichend sicher auf eine Kenntnis des Klägers von der behaupteten Pflichtwidrigkeit des Beklagten bereits im Jahr 2016 geschlossen werden. In erster Instanz stritten die Parteien vornehmlich über die Frage, ob die Verjährung durch den Schlichtungsantrag des Klägers vom 31. Dezember 2018 und den Mahnantrag des Klägers vom 31. Dezember 2019 wirksam gehemmt worden ist. Der Beginn der Verjährungsfrist wurde dabei weder von den Parteien noch von dem Landgericht näher problematisiert.
3. Auf den Schlichtungsantrag kommt es nicht an. Sofern die Verjährung bereits am 1. Januar 2017 in Gang gesetzt worden ist, genügte die mögliche Hemmung durch das Schlichtungsverfahren nicht, um die Frist ausreichend bis zum Eingang der Anspruchsbegründung vom 29. September 2021 zu hemmen. Sollte die Verjährung erst zum 1. Januar 2019 in Gang gesetzt worden sein, war die Anspruchsbegründung in jedem Fall rechtzeitig.
III.
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird erneut zu prüfen haben, wann der Kläger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten erlangt hat. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis trifft den Beklagten. Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat es sich bislang zudem noch nicht damit befasst, ob die von dem Kläger geltend gemachte Pflichtverletzung und ein hierdurch kausal verursachter Schaden vorliegen. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Schoppmeyer Harms Röhl Weinland Selbmann Vorinstanzen: LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 12.08.2022 - 2-28 O 217/21 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 13.12.2023 - 23 U 169/22 - IX ZR 18/24 Verkündet am: 9. Oktober 2025 Kluckow, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle