23 W (pat) 305/06
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 305/06 Verkündet am 6. November 2012
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BESCHLUSS In der Einspruchssache …
betreffend das Patent 101 63 008 hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2012 unter Mitwirkung des Richters Brandt als Vorsitzenden sowie der Richter Metternich, Dr. Friedrich und Dr. Zebisch beschlossen:
Das Patent Nr. 101 63 008 wird auf der Grundlage folgender Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
BPatG 154 05.11 Patentanspruch 1, eingegangen am 5. November 2012, sowie Patentansprüche 2 - 10, Beschreibung und Zeichnungen mit Figuren 1 - 5 gemäß der Patentschrift.
Gründe I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 20. Dezember 2001 eingereichte Patentanmeldung, welche eine innere Priorität aus der am 7. Februar 2001 eingereichten Patentanmeldung 101 05 522.6 in Anspruch nimmt, das Patent 101 63 008 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „Resistive Strombegrenzungseinrichtung mit mindestens einer Leiterbahn mit supraleitendem und normalleitendem Material“ erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 8. Juli 2004.
Die Prüfungsstelle hat im Prüfungsverfahren als Stand der Technik die Druckschrift D1 EP 0 731 986 B1 sowie die von der Anmelderin genannten Druckschriften D2 EP 0 911 889 A2, D3 EP 0 315 460 A2, D4 EP 0 523 374 B1, D5 EP 0 345 767 B1 und D6 J.W. Ekin, A.J. Panson und B.A. Blankenship: “Method for making low-resistivity contacts to high Tc superconductors”, Applied Physics Letters 52 (1988), S. 331 - 333 in Betracht gezogen.
Gegen das Patent hat die A…AG, B… B… Straße in B in CH (Verfahrensbevollmächtigte: Patentanwälte Z… in J…straße in M…)
mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2004, am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt über Fax eingegangen, fristgerecht Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent im vollen Umfang zu widerrufen. Als Widerrufsgrund hat sie mangelnde Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG), und hierbei insbesondere fehlende Neuheit (§ 3 PatG) der Gegenstände der erteilten Ansprüche 1, 2, 3, 7, 9 und 10 gegenüber der von ihr genannten Druckschrift D7 WO 99/33 122 A1,
sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit (§ 4 PatG) der Gegenstände der Ansprüche 4, 5, 6 und 8, genannt und die aus ihrer Sicht hierfür maßgebenden Gründe erläutert.
Mit dem Schriftsatz vom 22. August 2012 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen, wodurch ihre Beteiligung am Einspruchsverfahren beendet wurde. Die Rücknahme dieses einzigen Einspruchs führt jedoch nicht zur Beendigung des Einspruchsverfahrens, da dieses im Falle der Zurücknahme des Einspruchs von Amts wegen fortzusetzen ist (§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG).
Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden mit den Schriftsätzen vom 10. August 2006 und 7. September 2006 entgegengetreten, wobei sie zum einen beantragt hat, den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen und das Patent in unverändertem Umfang aufrecht zu erhalten, und zum anderen beantragt hat, den Einspruch als unzulässig zurückzuweisen.
Der Senat hat zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit der Terminsladung vom 7. August 2012 noch zusätzlichen Stand der Technik im Umfang der Druckschriften D8 François Cardarelli, Materials Handbook, 2nd Edition, Springer-Verlag London 2008, S. 664 (nachveröffentlicht), und D9 M. Mogensen, N.M. Sammes und G.A. Tompsett: „Physical, chemical and electrochemical properties of pure and doped ceria.” In: Solid State Ionics 129 (2000), S. 63 - 94.
eingeführt.
Als Reaktion auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin mit den Schriftsätzen vom 15. Oktober 2012 und 5. November 2012 ihren Standpunkt nochmals deutlich gemacht und zur Unterstützung ihres Standpunkts die Druckschrift D10 M.A.A.M. van Wijck et al.: „CeO2 as insulation layer in high Tc superconducting multilayer and crossover structures.” In: Applied Physics Letters 68 (4), 1996, S. 553 bis 555.
in das Verfahren eingeführt. Zudem hat die Patentinhaberin mit dem Schriftsatz vom 5. November 2012 einen neuen Anspruch 1 eingereicht.
In der mündlichen Verhandlung am 6. November 2012 beantragt die Patentinhaberin,
das Patent Nr. 101 63 008 auf der Grundlage folgender Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: Patentanspruch 1, eingegangen am 5. November 2012, sowie Patentansprüche 2 - 10, Beschreibung und Zeichnungen mit Figuren 1 - 5 gemäß der Patentschrift.
Der mit dem Schriftsatz vom 5. November 2012 eingereichte, am selben Tag per Fax eingegangene Anspruch 1 lautet:
„1. Resistive Strombegrenzereinrichtung mit einem Leiteraufbau zur Führung eines elektrischen Stromes in einer vorbestimmten Richtung, welche Einrichtung einen Trägerkörper enthält, auf dem sich wenigstens eine elektrisch leitende Leiterbahn befindet, die zumindest eine Supraleitungsschicht aus einem Supraleitermaterial und eine der Supraleitungsschicht zugeordnete Shuntschicht aus elektrisch normalleitendem Material umfasst sowie zwischen der Supraleitungsschicht und der Shuntschicht wenigstens eine Zwischenschicht aus einem von dem Material der Shuntschicht verschiedenen Material, gekennzeichnet durch eine Ausbildung der Zwischenschicht (12a) derart, dass zwischen der Supraleitungsschicht (2a) und der Shuntschicht (2b) bei 77 K ein Übergangswiderstand zwischen 0,01 und 100 cm2 vorhanden ist.“
Wegen der geltenden, von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 10, sowie weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Streitpatent bzw. den Akteninhalt verwiesen.
II.
Das anhängige Einspruchsverfahren wurde gemäß § 147 Abs. 3, 1. Alternative PatG i. d. F. vom 1. Januar 2002 an das Bundespatentgericht abgegeben. Diese zeitlich bis zum 30. Juni 2006 begrenzte Verlagerung der Zuständigkeit ist nicht verfassungswidrig (BGH GRUR 2009, 184 - „Ventilsteuerung“ m. w. N.).
Demnach besteht eine vor dem 1. Juli 2006 begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch auch nach der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG fort.
III.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu prüfen (vgl. Schulte PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 56 und 160 bis 162, BGH GRUR 1972, 592 - „Sortiergerät“), da die Zulässigkeit des Einspruchs Voraussetzung für den Anspruch auf sachliche Prüfung des Einspruchsvorbringens ist.
Vorliegend ist der form- und fristgerecht erhobene Einspruch zulässig, weil im Einspruchsschriftsatz vom 7. Oktober 2004 der Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG), im Hinblick der fehlenden Neuheit (§ 3 PatG) zumindest des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift D7 im Einzelnen aufgeführt ist (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG). Die Einspruchsbegründung ist zwar kurz, doch setzt sie sich mit den Merkmalen des Anspruchs 1 derart auseinander, dass der Senat in die Lage versetzt wird, ohne eigene Ermittlungen nachzuprüfen, ob der angegebene Einspruchsgrund vorliegt. So gibt die Einsprechende an, welche wesentlichen Merkmale der Gegenstand des Anspruchs 1 aufweist und wo in der von ihr genannten Druckschrift D7 die beanspruchten Merkmale offenbart seien, oder wie sie sich aus den dort offenbarten Merkmalen ergäben. Dabei findet ein Vergleich eines Ausführungsbeispiels der Erfindung mit einem in der Druckschrift D7 offenbarten Ausführungsbeispiel statt. Aus der Gleichheit der wesentlichen Merkmale der Ausführungsbeispiele wird dann geschlossen, dass der beanspruchte Gegenstand nicht mehr neu sei.
Anders als die Patentinhaberin erkennt der Senat in diesem Vergleich eine substantiierte Begründung des Einspruchs, denn diese Argumentation ist auch in der Kürze der Darstellung vollständig und nachvollziehbar. Ob die Argumentation in allen Punkten richtig ist, muss bei der Überprüfung der Zulässigkeit dahingestellt bleiben (vgl. BGH GRUR 1987, 513 - „Streichgarn“).
IV.
Das Streitpatent betrifft eine resistive Strombegrenzereinrichtung mit einem Leiteraufbau zur Führung eines elektrischen Stromes in einer vorbestimmten Richtung, wobei die Einrichtung einen Trägerkörper enthält, auf dem sich wenigstens eine elektrisch leitende Leiterbahn befindet, die zumindest eine Supraleitungsschicht aus einem Supraleitermaterial und eine der Supraleitungsschicht zugeordnete Shuntschicht aus elektrisch normalleitendem Material umfasst. Zwischen der Supraleitungsschicht und der Shuntschicht ist wenigstens eine Zwischenschicht vorhanden, die aus einem von dem Shuntschichtmaterial verschiedenen Material besteht. Eine entsprechende Strombegrenzereinrichtung geht aus der D2 hervor (vgl. Abs. [0001] der Patentschrift).
Mit solchen Strombegrenzereinrichtungen kann in an sich bekannter Weise der Stromanstieg nach einem Kurzschluss auf einen Wert von wenigen Vielfachen des Nennstromes begrenzt werden. Darüber hinaus ist eine solche Begrenzereinrichtung kurze Zeit nach Abschaltung wieder betriebsbereit. Sie wirkt also wie eine schnelle, selbstheilende Sicherung. Dabei gewährleistet sie eine hohe Betriebssicherheit, da sie passiv wirkt, d. h. autonom ohne vorherige Detektion des Kurzschlusses und ohne aktive Auslösung durch ein Schaltsignal arbeitet (vgl.
Abs. [0003] der Patentschrift). Mit ihr können somit die Netzkomponenten von Wechselstromversorgungsnetzen, in denen das Auftreten von Kurzschlüssen und elektrischen Überschlägen nicht mit Sicherheit vermieden werden kann, vor Überhitzung und durch hohe Ströme auftretende mechanische Lasten geschützt werden. Die verwendeten Komponenten wie Leitungen, Sammelschienen, Schalter und Transformatoren können dadurch mit geringeren Belastungsgrenzen ausgelegt werden, was zu Kostenvorteilen beim Netzaufbau führt (vgl. Abs. [0002] der Patentschrift).
Die genannten resistiven supraleitenden Strombegrenzereinrichtungen bilden eine seriell in einen Stromkreis einzufügende supraleitende Schaltstrecke. Dabei wird der Übergang mindestens einer supraleitenden Leiterbahn vom praktisch widerstandslosen kalten Betriebszustand unterhalb der Sprungtemperatur Tc des Supraleitermaterials in den normalleitenden Zustand über Tc hinaus (sogenannter „Quench“) ausgenutzt, wobei der nun vorhandene elektrische Widerstand Rn der Leiterbahn den Strom auf eine akzeptable Höhe I = U/Rn begrenzt. Die Erwärmung über Tc geschieht durch Joulesche Wärme in dem Supraleiter der Leiterbahn selbst, wenn nach Kurzschluss die Stromdichte j über den kritischen Wert jc des Supraleitermaterials ansteigt. Dabei kann das Material auch unterhalb von Tc bereits einen endlichen elektrischen Widerstand (Typ II Supraleiter) annehmen. Im begrenzenden Zustand oberhalb von Tc fließt in dem Stromkreis ein gegenüber einem Kurzschluss vorteilhaft verminderter Reststrom so lange weiter, bis der Stromkreis z. B. mittels eines zusätzlichen mechanischen Trennschalters völlig unterbrochen wird (vgl. Abs. [0004] der Patentschrift).
Supraleitende Strombegrenzereinrichtungen mit bekannten metalloxidischen Hoch-Tc-Supraleitermaterialien (Abkürzung: HTS-Materialien), deren Tc so hoch liegt, dass sie mit flüssigem Stickstoff von 77 K im supraleitenden Betriebszustand zu halten sind, zeigen eine schnelle Zunahme des elektrischen Widerstandes beim Überschreiten der kritischen Stromdichte jc. Die Erwärmung in den normalleitenden Zustand und somit die Strombegrenzung geschieht dabei in hinreichend kurzer Zeit, so dass der Spitzenwert eines Kurzschlussstromes auf einen Bruchteil des unbegrenzten Stromes, etwa auf den drei- bis zehnfachen Wert des Nennstromes begrenzt werden kann. Der supraleitende Strompfad sollte dabei in gut wärmeleitendem Kontakt mit einem geeigneten Kühlmittel stehen, das ihn in verhältnismäßig kurzer Zeit nach einer Überschreitung der kritischen Stromdichte jc wieder in den supraleitenden Betriebszustand zurückzuführen vermag (vgl. Abs. [0005] der Patentschrift).
Mit der aus der Druckschrift D5 zu entnehmenden Strombegrenzereinrichtung sind diese Anforderungen zu erfüllen. Sie weist einen Trägerkörper aus einem elektrisch isolierenden Material auf, auf den ein metalloxidisches HTS-Material in Form einer zu mindestens einer Leiterbahn strukturierten Schicht aufgebracht ist. Die Leiterbahn kann dabei, wie beispielsweise in der Druckschrift D4 gezeigt, als Mäander gestaltet sein. Darüber hinaus ist bei der bekannten Strombegrenzereinrichtung zum Schutz ihres HTS-Materials gegen Stromüberlastung im Fall eines Normalleitendwerdens (sogenannter „Quenchfall“) das Supraleitermaterial noch mit einer Schicht aus normalleitendem Material abgedeckt. Eine entsprechende Schicht wird auch als „Shuntschicht“ bezeichnet (vgl. Abs. [0006] der Patentschrift).
Im Stand der Technik, so beispielsweise der Druckschrift D1 oder der Druckschrift D2, wo noch eine gut leitende Zwischenschicht zwischen der supraleitenden Schicht und der Shuntschicht vorhanden ist, kontaktiert die Shuntschicht jeweils möglichst gut elektrisch leitend die supraleitende Schicht. So offenbart beispielsweise die Druckschrift D1 einen flächenbezogenen spezifischen Kontaktwiderstand von < 1 m cm2 vgl. Abs. [0007] und [0008] der Patentschrift).
Bei all diesen bekannten Strombegrenzereinrichtungen variiert der kritische Strom Ic unvermeidlich entlang der supraleitenden Leiterbahn. Dies hat zur Folge, dass Stellen mit geringem Ic zuerst normalleitend werden und deshalb den Fehlerstrom soweit reduzieren, dass Abschnitte mit hohem Ic nicht mehr über die Sprungtem- peratur Tc gelangen können, d. h. keinen elektrischen Widerstand entwickeln. Die gesamte Spannung fällt nun allein über normalleitende Stellen ab. Der Widerstand der Strombegrenzereinrichtung ist dann zu klein und der begrenzte Fehlerstrom ist unter Umständen so hoch, dass diese Stellen bis zum vollständigen Abschalten über mechanischen Lasttrenner sich unzulässig erwärmen und beschädigt werden. Dies wird bei bekannten Strombegrenzereinrichtungen dadurch vermieden, dass die Supraleiterschicht in flächigem, leitendem Kontakt mit der beschriebenen Shuntschicht steht. Diese ist niederohmiger als die normalleitende Supraleiterschicht, übernimmt folglich den größten Teil des Fehlerstroms und verringert die Wärmeerzeugung pro Fläche und das Risiko einer Schädigung im sogenannten „Hotspot“ (des gequenchten Bereichs). Sie erfordert aber für eine gegebene Spannung und einen bestimmten Fehlerstrom eine verhältnismäßig große Länge der supraleitenden Schaltstrecke, also einen entsprechend hohen Aufwand an supraleitendem und normalleitendem Leitermaterial für die Strombegrenzereinrichtung (vgl. Abs. [0009] des Streitpatents).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine solche Strombegrenzereinrichtung dahingehend auszugestalten, dass der Leitermaterialaufwand gegenüber bekannten Einrichtungen verringert wird. Zugleich soll sich die Normalleitung schnell (d. h. in einem Zeitraum von < 1 ms bis einige ms) über die ganze Länge der supraleitenden Leiterbahn ausbreiten können, damit sich der gesamte elektrische Widerstand entwickelt, der Fehlerstrom auf den bestimmungsmäßigen Wert begrenzt wird, und die Temperatur nirgendwo einen unzulässig hohen Wert annimmt (vgl. Abs. [0010] der Patentschrift).
Diese Aufgabe wird durch die resistive Strombegrenzereinrichtung des Anspruchs 1 gelöst.
Für die resistive Strombegrenzereinrichtung ist wesentlich, dass sie einen Trägerkörper enthält, auf dem sich wenigstens eine elektrisch leitende Leiterbahn befindet, die zumindest eine Supraleitungsschicht aus einem Supraleitermaterial und eine der Supraleitungsschicht zugeordnete Shuntschicht aus elektrisch normalleitendem Material umfasst. Dabei kann auch ein Teil des Trägerkörpers die Shuntschicht bilden, was explizit im Unteranspruch 7 des Streitpatents beansprucht wird, so dass auch ein Teil des Trägerkörpers Bestandteil der elektrischen Leiterbahn sein kann. Zwischen der Supraleitungsschicht und der Shuntschicht befindet sich wenigstens eine Zwischenschicht, die aus einem vom Material der Shuntschicht verschiedenen Material besteht.
Entscheidend für die resistive Strombegrenzereinrichtung ist, dass diese Zwischenschicht so ausgebildet ist, dass zwischen der Supraleitungsschicht und der Shuntschicht bei 77 K ein Übergangswiderstand zwischen 0,01 und 100 2 besteht. Dieser beanspruchte Bereich liegt über den aus dem Stand der Technik bekannten Werten für den Übergangswiderstand zwischen der Supraleitungsschicht und der parallelen Shuntschicht (vgl. Abs. [0025] bis [0027] der Streitpatentschrift). Der höhere Übergangswiderstand führt gegenüber dem Stand der Technik zu einer Verbreiterung der Stromübertrittszone zwischen Supraleitungsschicht und Shuntschicht um einen normalleitenden Bereich der Supraleitungsschicht herum. Dies führt wiederum durch den größeren Bereich zu einer gleichmäßigeren Erwärmung und damit einer schnellen Ausdehnung des normalleitenden Bereichs der Supraleitungsschicht über die gesamte Länge der Strombegrenzereinrichtung. Die Obergrenze für den Bereich des Übergangswiderstandes drückt dabei aus, dass die Shuntschicht als solche weiter wirksam bleiben soll, also nicht von der Supraleitungsschicht isoliert ist.
Für die resistive Strombegrenzereinrichtung ist dabei entscheidend, dass der beanspruchte Übergangswiderstand bei der Betriebstemperatur, dies ist für Hochtemperatursupraleiter üblicherweise der Siedepunkt des Stickstoffs, also 77 K, besteht.
V.
Die Zulässigkeit der Patentansprüche ist im Einspruchsverfahren von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. hierzu BGH GRUR 1995, 333 - „Aluminium-Trihydroxid“).
Im vorliegenden Fall sind die Ansprüche zulässig.
So wurde in den geltenden Anspruch 1 gegenüber dem Anspruch 1 der Streitpatentschrift lediglich das Merkmal „bei 77 K“ eingefügt. Diese Änderung schränkt den Schutzbereich ein, denn es wird nun festgelegt, bei welcher Temperatur der Übergangswiderstand im beanspruchten Bereich liegt, während der Anspruch 1 der Streitpatentschrift die Temperatur offen ließ, so dass der sich mit der Temperatur ändernde Übergangswiderstand bei einer beliebigen Temperatur im beanspruchten Bereich liegen konnte.
Dieses neu in den Anspruch 1 aufgenommene Merkmal ist auch ursprünglich offenbart, denn es kann der Klammer auf S. 5, Z. 36 bis 37 sowie S. 10, Z. 16 bis 17 der ursprünglichen Beschreibung entnommen werden. Da Anspruch 1 im Übrigen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 unverändert ist, ist somit der Gegenstand des Anspruchs 1 ursprünglich offenbart.
Auch die Gegenstände der übrigen Ansprüche sind ursprünglich offenbart, denn gegenüber den ursprünglich eingereichten Ansprüchen wurde nur in Anspruch 7 der Rückbezug geändert und in Anspruch 10 festgelegt, dass die Supraleitungsschicht ein metalloxidisches Hoch-Tc-Supraleitermaterial „ist“, und nicht nur ein solches „vorgesehen ist“. Dadurch wurden in Anspruch 7 auf Grund der Verringerung der Rückbezüge nur einige der offenbarten Kombinationsmöglichkeiten weggelassen. In Anspruch 10 wird lediglich der Tatsache Rechnung getragen, dass das vorgesehene Material, wie beschrieben, auch benutzt wird. Beide Änderungen sind somit zulässig.
VI.
Die - zweifellos gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) - resistive Strombegrenzereinrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG).
Dieser ist hier als ein mit der Entwicklung von supraleitenden Bauelementen, darunter auch Strombegrenzern, betrauter Festkörperphysiker mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss zu definieren, der über gute Kenntnisse der auf diesem Gebiet verwendeten Materialien und deren Eigenschaften verfügt.
Die von der Einsprechenden eingeführte Druckschrift D7 offenbart in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 eine resistive Strombegrenzereinrichtung (vgl. den Titel: „Supraleiteraufbau mit HochTc-Supraleitermaterial, Verfahren zur Herstellung des Aufbaus sowie Strombegrenzereinrichtung mit einem solchen Aufbau) mit einem Leiteraufbau zur Führung eines elektrischen Stromes in einer vorbestimmten Richtung (vgl. Fig. 1 und die darin angegebene Richtung des Stromes I), welche Einrichtung einen Trägerkörper (Träger 11) enthält, auf dem sich wenigstens eine elektrisch leitende Leiterbahn (Träger 11, Pufferschicht 12, HTS-Schicht 13) befindet (vgl. S. 8, Z. 13 bis 19: „Ein entsprechender Supraleiteraufbau nach der Erfindung aus bandförmigem Träger, Zwischenschicht und HTS-Schicht ist auch dem in Figur 1 im Querschnitt veranschaulichten Ausführungsbeispiel zugrunde gelegt und allgemein mit 10 bezeichnet. Dabei sind der Träger mit 11, die Zwischenschicht mit 12 und die HTS-Schicht mit 13 bezeichnet. Die Zwischenschicht 12 und die HTS-Schicht 13 bilden eine streifenförmige Leiterbahn L.“),
die zumindest eine Supraleitungsschicht (HTS-Schicht 13) aus einem Supraleitermaterial (vgl. S. 7, Z. 34 und 35: „Als HTS-Materialien kommen alle bekannten metalloxidischen Hoch-Tc-Supraleitermaterialien in Frage,…“) und eine der Supraleitungsschicht zugeordnete Shuntschicht (Träger 11, vgl. auch Fig. 5 und S. 11, Z. 15 bis S. 12, Z. 7: „… Der metallische Träger wirkt zudem als Shuntwiderstand zum Supraleiter und erspart z. B. in einer Strombegrenzereinrichtung vorteilhaft ein zusätzliches Aufbringen eines niederohmigen Filmes aus gut leitendem Material wie Ag oder Au auf der Oberfläche der HTS-Schicht,…“. Dass der Träger die Shuntschicht bildet, ist auch eine der in der Streitpatentschrift vorgesehenen Möglichkeiten. Siehe hierzu Ansprüche 7 und 9 der Streitpatentschrift) aus elektrisch normalleitendem Material (vgl. S. 6, Z. 19 bis 29: „Für den Träger wird eine Platte oder ein Band oder sonstige Struktur aus einem metallischen Material […] verwendet. Als metallische Materialien kommen hier alle als Träger für HTSMaterialien bekannten elementaren Metalle oder Legierungen dieser Metalle in Frage. Beispielsweise sind Cu, Al oder Ag oder deren Legierungen mit einem der Elemente als Hauptkomponente oder Stähle sowie spezielle NiMo-Legierungen, insbesondere mit dem Handelsnamen „Hastelloy“, geeignet.“) umfasst sowie zwischen der Supraleitungsschicht (13) und der Shuntschicht (11) wenigstens eine Zwischenschicht (Zwischenschicht 12) aus einem von dem Material der Shuntschicht verschiedenen Material (vgl. S. 7, Z. 2 bis 10: „Auf alle Fälle soll das Zwischenschichtmaterial elektrisch isolierend sein.“).
Es verbleibt das Merkmal des Kennzeichens, nämlich dass die Zwischenschicht derart ausgebildet ist, dass zwischen der Supraleitungsschicht und der Shuntschicht bei 77 K ein Übergangswiderstand zwischen 0,01 und 100 cm2 vorhanden ist.
Die Einsprechende geht in ihrer Argumentation davon aus, dass in der Patentschrift dieselben Materialien für die Shuntschicht, den Supraleiter und die Zwischenschicht genannt werden wie in der Druckschrift D7. So werden in der Streitpatentschrift ebenfalls Ag oder Cu als Materialien für die Shuntschicht genannt (vgl. Abs. [0031]). Für die supraleitende Schicht werden in beiden Fällen metalloxidische Hoch-Tc-Supraleiter wie YBCO genannt (vgl. Abs. [0030] und [0036] der Streitpatentschrift mit S. 7, Z. 34 bis S. 8, Z. 4 der Druckschrift D7), und als Material für die Zwischenschicht wird in beiden Fällen CeO2 genannt (Vgl. Abs. [0030] der Streitpatentschrift und S. 7, Z. 5 bis 10 der Druckschrift D7). Auch die Dicke der Zwischenschicht liegt in beiden Fällen im gleichen Bereich (vgl. Abs. [0030] der Streitpatentschrift: „… und mit einer Zwischenschicht von 0,05 bis 5 µm Dicke 6 aus elektrisch schlecht leitendem Material…“ mit S. 7, Z. 17 und 18 der Druckschrift D7: „Die Schichtdicke der so erzeugten texturierten Zwischenschicht liegt im allgemeinen zwischen 0,1 und 2 µm.“). Daraus schließt die Einsprechende, dass bei der Strombegrenzereinrichtung in Druckschrift D7 auch das Merkmal des Kennzeichens des Anspruchs 1 gegeben sein müsse, denn die dort beanspruchten Eigenschaften würden durch die Eigenschaften der verwendeten Materialien und die Dicke der Zwischenschicht bestimmt.
In ihrer Argumentation hat die Einsprechende jedoch den Teil des Abs. [0030] der Patentschrift unberücksichtigt gelassen, wonach die genannten Materialien so behandelt sind, dass sich der gewünschte Wert der elektrischen Leitfähigkeit ergibt. Eine entsprechende Behandlung wird in der Druckschrift D7 nicht offenbart. Im Gegenteil wird beschrieben, dass die Zwischenschicht primär als Pufferschicht für das Aufwachsen der HTS-Schicht dient (vgl. S. 6, Z. 31 bis S. 7, Z. 18). Sie dient demnach einem anderen Zweck als die Zwischenschicht des Streitpatents. Insbesondere wird in Druckschrift D7 dabei angegeben, dass das Material der Zwischenschicht isolierend sein soll (vgl. S. 7, Z. 2 bis 4: „Auf alle Fälle soll das Zwischenschichtmaterial elektrisch isolierend sein.“).
Letzteres wird auch durch die von der Patentinhaberin angegebene Druckschrift D10 für CeO2 bestätigt. Dort wurde nämlich der spezifische Widerstand von CeO2 bei 77 K zu 109 cm bestimmt (vgl. Abstract), was mit der in Druckschrift D7 angegebenen minimalen Dicke von d = 0,1 µm nach der Formel RZwS = d zu einem Übergangswiderstand RZwS 104 führt, was um den Faktor 100 über der Obergrenze des beanspruchten Bereichs, der bis zu 100 2 reicht, liegt. Es kann somit der Druckschrift D7 weder ein Übergangswiderstand im beanspruchten Bereich noch ein Hinweis auf einen solchen entnommen werden, weshalb der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift D7 neu ist (§ 3 PatG) und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht (§ 4 PatG).
Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften können den Gegenstand des Anspruchs 1 weder neuheitsschädlich vorwegnehmen noch in der Zusammenschau nahelegen.
So offenbart Druckschrift D1 eine supraleitende Strombegrenzervorrichtung, bei der es zwischen der supraleitenden Schicht (3, 3’ in den Fig.) und der Shuntschicht (nichtsupraleitende Widerstände, Nebenschlusswiderstände 4, 4’, 14, 15) keine Zwischenschicht gibt. Es wird außerdem ein möglichst guter Kontakt zwischen der supraleitenden Schicht und der Shuntschicht gelehrt (vgl. S. 3, Z. 42 und 43: „Ein flächenbezogener spezifischer Kontaktwiderstand zwischen der 2. Hauptfläche (3b) der Supraleiter (3, 3’) und der 1. Hauptfläche (4a) der Normalleiter (4, 4’) sollte < 1 mΩ cm2, vorzugsweise 10 µΩ cm2 sein.“). Einen Hinweis auf das Kennzeichen des Anspruchs 1 gibt es somit in Druckschrift D1 nicht.
Druckschrift D2 offenbart zwar eine Strombegrenzereinrichtung, welche eine Zwischenschicht (Edelmetall-Bypassschicht 2) zwischen einer Supraleiterschicht (1) und einer Shuntschicht (Nichtedelmetall-Bypassschicht 3, 3’) aufweist, doch gibt es auch hier keinen Hinweis auf das Kennzeichen des Anspruchs 1, da die Edelmetallbypassschicht gut leitend ist.
Druckschrift D3 beschäftigt sich nicht mit Strombegrenzereinrichtungen. Sie offenbart vielmehr Kontakte mit einem möglichst geringen Kontaktwiderstand zu Hochtemperatursupraleitern.
Druckschrift D4 offenbart wiederum einen resistiven supraleitenden Strombegrenzer (vgl. Titel). Sie befasst sich jedoch nicht mit dem Schichtaufbau der Stromleitungsbahn, sondern mit deren Ausbildung in Form von Mäandern (vgl. die Fig. und Anspruch 1). Auch seitens dieser Druckschrift erfolgen keine Anregungen für das Merkmal des Kennzeichens des Anspruchs 1.
Dies gilt auch für Druckschrift D5, da diese eine resistive supraleitende Strombegrenzereinrichtung ohne Zwischenschicht zwischen einer Supraleiterschicht (2 in den Fig.) und einer Shuntschicht (3) zeigt. Dabei können auch mehrere Supraleiterschichten und Shuntschichten übereinander gestapelt werden (vgl. Fig. 3 und 4).
Der Zeitschriftenartikel D6 befasst sich wiederum mit der Ausbildung möglichst guter elektrischer Kontakte zu Hochtemperatursupraleitern (vgl. Titel) und nicht mit supraleitenden Strombegrenzereinrichtungen.
Die Druckschriften D8 bis D10 betreffen lediglich die Materialeigenschaften von CeO2, das als Material für die Zwischenschicht sowohl in Druckschrift D7 als auch in einem Ausführungsbeispiel des Streitpatents verwendet wird. Sie zeigen übereinstimmend, dass mit unbehandeltem CeO2 bei den angegebenen Dicken der Zwischenschicht bei 77 K ein Übergangswiderstand im beanspruchten Bereich nicht erreicht werden kann. Druckschrift D8 zeigt vielmehr, dass bei der Anordnung nach Druckschrift D7 nur bei Zimmertemperatur ein Übergangswiderstand im beanspruchten Bereich erreicht wird.
Damit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 auch bei einer Zusammenschau der Druckschriften D1 bis D10 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise.
Folglich ist die resistive Strombegrenzereinrichtung des Patentanspruchs 1 patentfähig.
An diesen Patentanspruch 1 können sich die darauf direkt oder indirekt zurückbezogenen geltenden Unteransprüche 2 bis 10 anschließen, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Gegenstands des Patentanspruchs 1 betreffen.
In der geltenden Beschreibung ist der maßgebliche Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, angegeben und die resistive Strombegrenzereinrichtung anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.
Bei der dargelegten Sachlage war das Streitpatent entsprechend dem Antrag der Patentinhaberin beschränkt aufrecht zu erhalten.
Brandt Metternich Dr. Friedrich Dr. Zebisch Cl