17 W (pat) 26/16
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 26/16 Verkündet am 28. September 2017
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2013 004 373.5 - 53 …
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann BPatG 154 05.11 beschlossen:
1. Den Anmelderinnen wird wegen der versäumten Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühren Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 12. März 2013 unter Inanspruchnahme der Prioritäten zweier chinesischer Voranmeldungen vom 12. März 2012 und 26. März 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt in deutscher Sprache eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung
„Informationsverarbeitungsverfahren, Verfahren zum Ansteuern einer Bildsammeleinheit und elektrische Vorrichtung“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 20. Januar 2016 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Hauptanspruchs des Hauptantrags sowie der (damaligen) Hilfsanträge 1 bis 4 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sei, da er durch die Druckschrift D1 (bzw. beim Hilfsantrag 2: durch die Zusammenschau der Druckschriften D1 und D2) nahegelegt sei.
Gegen diesen Beschluss, der laut Empfangsbekenntnis am 1. Februar 2016 bei der Vertreterin der Anmelderinnen einging, ist eine am 25. Februar 2016 eingegangene Beschwerde gerichtet. Es wurde eine einzige Beschwerdegebühr entrichtet. Die Betreffzeile des Beschwerdeschriftsatzes lautete: „L… (B…) Co., Ltd B… L… Ltd.“.
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 10. Juni 2016, dass bei zwei Anmelderinnen die Entrichtung von zwei Beschwerdegebühren erforderlich sei, haben die Anmelderinnen mit Schreiben vom 27. Juni 2016 beantragt, die gezahlte Beschwerdegebühr der „ersten“ Anmelderin, nämlich der „L… (B…) Co., Ltd.“ zuzuordnen. Dies komme der durch die Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Willenserklärung am nächsten. Mit Schreiben vom 29. Juni 2016 wurde Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 123 PatG beantragt. Die Frist sei ohne Verschulden versäumt worden. Der Zurückweisungsbeschluss sei am 1. Februar 2016 zugestellt worden. Damit ende die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss am 1. März 2016.
Die Unterlagen zur Einreichung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr seien von der Patentanwaltssekretärin, Frau Andrea S…, unter der Anleitung der Patentanwältin Frau L1… vorbereitet worden. Hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Beschwerdegebühr habe die Patentanwaltssekretärin vor Ausfertigung der Zahlungsanweisung mündlich Rücksprache mit der Fachabteilung der Patentanwaltskanzlei genommen. Diese Fachabteilung sei ausschließlich mit Patentanwaltsfachangestellten besetzt und ihr obliege die Fristennotierung, Fristenkontrolle und Formalsachbearbeitung von Patentangelegenheiten. Frau S… habe die vorbereiteten Unterlagen in der dann so eingereichten Form am 25. Februar 2016 zur Unterschrift vorgelegt. Unmittelbar nachdem Frau Patentanwältin L1… den Schriftsatz und die Zahlungsanweisung unterzeichnet habe, aber noch vor dem Absenden, sei ihr aufgefallen, dass es für die vorliegende Patentanmeldung zwei Anmelderinnen gebe und dass daher die Zahlungsanweisung korrigiert werden müsse. Dies habe sie mit der Sekretärin besprochen und diese angewiesen, die Zahlungsanweisung neu zu fertigen, wobei beide Anmelderinnen anzugeben seien und die Beschwerdegebühr in Höhe von 400 Euro für beide Anmelderinnen, d. h. in Höhe von 200 Euro je Anmelderin, zu zahlen sei. Diese Änderung sollte noch am selben Tag vorgenommen werden.
Die Sekretärin habe eine neue Zahlungsanweisung ausgestellt und der Patentanwältin am Nachmittag des 25. Februar 2016 zur Unterschrift vorgelegt. Nach Unterschrift habe die Sekretärin die Unterschriftenmappe mit den unterschriebenen Unterlagen zum Fertigmachen der Amtspost von der Patentanwältin zurückerhalten. Die ursprünglich falsche Zahlungsanweisung habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Unterschriftenmappe befunden, so dass die Sache für die Patentanwältin erledigt war und alles seine Ordnung zu haben schien.
Beim Fertigmachen der Amtspost sei es dann zu dem Versehen gekommen, bei dem die ursprüngliche falsche Zahlungsanweisung wieder zu den Unterlagen gelangt und anstelle der korrigierten Zahlungsanweisung eingereicht worden sei. Eine mögliche Erklärung sei, dass die Sekretärin die ursprünglich falsche Zahlungsanweisung zwar aus der Unterschriftenmappe herausgenommen habe, aber noch auf ihrem Schreibtisch liegen hatte. Beim nochmaligen Prüfen und Zusammenstellen der Unterlagen müsse die Verwechslung geschehen sein. Es scheine so, dass die korrigierte Zahlungsanweisung mit der Unterschrift der Patentanwältin im Papierkorb gelandet sei, während die ursprünglich falsche Zahlungsanweisung, die ja ebenfalls schon unterschrieben war, zu den einzureichenden Unterlagen gelangt sei. Möglicherweise sei das Versehen zumindest teilweise mit Rückenschmerzen, einem ärztlichen Behandlungstermin und großer Belastung der Sekretärin zu erklären. Genauer lasse sich dies aber heute nicht mehr erklären.
Zur Glaubhaftmachung werde eine eidesstattliche Erklärung der Patentanwaltssekretärin Frau S… beigefügt. Frau S… sei seit langem als Patentanwaltssekretärin tätig, seit 1992 für Frau Patentanwältin L1… Sie führe alle zu einem Patentanwaltssekretariat gehörenden Aufgaben aus, habe große Erfahrung, sei stets zuverlässig und gewissenhaft, geschult und auf neuestem Stand. Die Fristennotierung und letzte Kontrolle der Fristen unterstehe der Verantwortung der Fachabteilung in der Kanzlei, die eigentliche Erledigung der Fristen erfolge aber durch die persönlich zugeordneten Sekretärinnen. Da im vorliegenden Fall Schriftsatz und Zahlungsanweisung von der Patentanwältin unterschrieben war, habe es für die Fachabteilung keinen Grund zur Beanstandung gegeben.
Von dem Versäumnis habe die vortragende Patentanwältin Kenntnis erhalten durch die Mitteilung des Gerichts vom 10. Juni 2016, eingegangen am 13. Juni 2016. Der Antrag auf Wiedereinsetzung erfolge daher innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist. Die versäumte Handlung werde durch Einreichen der beigefügten Zahlungsanweisung nachgeholt.
Auf einen Zwischenhinweis des Senats, dass mit der Gewährung der Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu rechnen sei, haben die Anmelderinnen nunmehr mit ihrer Beschwerdebegründung vom 19. Mai 2017 und einer Eingabe vom 20. September 2017 einen Hauptantrag und fünf Hilfsanträge eingereicht und erläutern, dass die jeweiligen Gegenstände dieser Anspruchssätze durch den ermittelten, zwischenzeitlich durch den Senat ergänzten Stand der Technik nicht vorweggenommen und auch nicht nahegelegt seien.
Zur mündlichen Verhandlung sind die Anmelderinnen – wie angekündigt – nicht erschienen. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Druckschrift D7 (s. u.) eingeführt. Aus den schriftlichen Eingaben der Beschwerdeführerinnen ergeben sich sinngemäß die Anträge,
1. die Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 123 PatG zu gewähren;
2. die Entscheidung der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der neu eingereichten Unterlagen gemäß Hauptantrag bzw. hilfsweise gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 5 zu erteilen, wobei die Seiten 4 bis 8 der Beschreibung gestrichen werden und die Seiten 10 ff. der Beschreibung und die Figuren unverändert sind.
Gemäß Hauptantrag lautet der geltende Patentanspruch 1 (mit einer Merkmalsgliederung ähnlich wie im Zurückweisungsbeschluss):
(Ha) 1. Informationsverarbeitungsverfahren, das auf eine elektrische Vorrichtung mit mindestens einer Verarbeitungseinheit angewendet wird,
(Hb) wobei die elektrische Vorrichtung eine Vielzahl von Verwendungsmodi hat und ferner eine Vielzahl von Sensoreinheiten umfasst,
(Hc) wobei die Vielzahl der Sensoreinheiten mindestens einen ersten Gravitationssensor und einen Abstandssensor umfasst, und
(Hd) wobei die elektrische Vorrichtung einen ersten Körper, einen zweiten Körper und eine Schwenkachse aufweist, die den ersten Körper mit dem zweiten Körper verbindet;
(He) der zweite Körper um 360 Grad bezüglich des ersten Körpers mittels der Schwenkachse schwenkbar ist, und
(Hf) die Vielzahl der Verwendungsmodi mindestens einen Notebook-Verwendungsmodus, einen Panel-Verwendungsmodus, einen Zelt-Verwendungsmodus und einen Stand-Verwendungsmodus umfasst,
(Hg) wobei der erste Verwendungsmodus einer aus der Vielzahl der Verwendungsmodi ist; wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
(Hh) Erlangen von Daten, die von der Vielzahl der Sensoreinheiten erfasst werden, durch die Verarbeitungseinheit,
(Hi) wobei die erfassten Daten mindestens einen ersten eingeschlossenen Winkel zwischen einer Sensorachse des ersten Gravitationssensors und einer Gravitationsrichtung und einen Abstand zu einem Objekt umfassen, den der Abstandssensor erfasst; und
(Hj) Beurteilen, ob sich die elektrische Vorrichtung in einem ersten Verwendungsmodus befindet, gemäß einer Kombination des ersten eingeschlossenen Winkels und des Abstands.
Zu den nebengeordneten, auf eine dafür eingerichtete „elektrische Vorrichtung“ und auf ein davon unabhängiges „Verfahren zum Ansteuern von Bildsammeleinheiten“ gerichteten Ansprüchen 11 und 13, sowie zu den Unteransprüchen 2 bis 10, 12, 14 und 15 wird auf die Akte verwiesen.
Die Hilfsanträge 1, 2 und 3 unterscheiden sich hinsichtlich des nebengeordneten Anspruchs 16 und eventueller Unteransprüche voneinander. Der für alle drei Anträge identische Patentanspruch 1 ist aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2 und 12 zusammengestellt, er lautet:
(1a) 1. Informationsverarbeitungsverfahren, das auf eine elektrische Vorrichtung mit mindestens einer Verarbeitungseinheit angewendet wird,
(1b) wobei die elektrische Vorrichtung eine Vielzahl von Verwendungsmodi hat und ferner eine Vielzahl von Sensoreinheiten umfasst,
wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
(1c) Erlangen von Daten, die von der Vielzahl der Sensoreinheiten gesammelt werden, durch die Verarbeitungseinheit; und
(1d) Beurteilen, ob sich die elektrische Vorrichtung in einem ersten Verwendungsmodus befindet, gemäß den erlangten Daten, die von der Vielzahl der Sensoreinheiten gesammelt werden; wobei der erste Verwendungsmodus einer aus der Vielzahl der Verwendungsmodi ist;
(1e) wobei die elektrische Vorrichtung einen ersten Körper, einen zweiten Körper und eine Schwenkachse aufweist, die den ersten Körper mit dem zweiten Körper verbindet;
(1f) der zweite Körper um 360 Grad bezüglich des ersten Körpers mittels der Schwenkachse schwenkbar ist;
(1g) und die Vielzahl der Verwendungsmodi mindestens einen Notebook-Verwendungsmodus, einen Panel-Verwendungsmodus, einen Zelt-Verwendungsmodus und einen StandVerwendungsmodus umfasst;
(1h) wobei die Verarbeitungseinheit ein Betriebssystem der elektrischen Vorrichtung steuert, so dass das Betriebssystem der elektrischen Vorrichtung auf den ersten Verwendungsmodus abgestimmt wird, wenn die Verarbeitungseinheit bestimmt,
dass sich die elektrische Vorrichtung in dem ersten Verwendungsmodus befindet.
Zu den jeweiligen Neben- und Unteransprüchen wird erneut auf die Akte verwiesen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom angegebenen Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 durch folgende zusätzliche, nach Merkmal (1h) angefügte Merkmale:
(4i) wobei, wenn der erste Verwendungsmodus der Panel-Computer-Verwendungsmodus ist, das Betriebssystems, das in der elektrischen Vorrichtung abläuft, durch die Verarbeitungseinheit gegenwärtig auf ein Android-Betriebssystem geschaltet wird und/oder
(4j) wenn der erste Verwendungsmodus der Notebook-Verwendungsmodus ist, das Betriebssystem, das in der elektrischen Vorrichtung abläuft, durch die Verarbeitungseinheit gegenwärtig auf ein Windows-Betriebssystem geschaltet wird.
Zu den jeweiligen Neben- und Unteransprüchen des Hilfsantrags 4 wird wieder auf die Akte verwiesen.
Der einzige Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 5 lautet:
(5a) 1. Verfahren zum Ansteuern von Bildsammeleinheiten,
(5b) das auf eine elektrische Vorrichtung angewendet wird, die mehrere Bildsammeleinheiten, einen ersten Körper, auf dem eine Anzeigeeinheit angeordnet ist, einen zweiten Körper und eine Schwenkachse umfasst, die den ersten Körper mit dem zweiten Körper verbindet,
(5c) wobei der erste Körper um 360 Grad bezüglich des zweiten Körpers mittels der Schwenkachse schwenkbar ist,
(5d) die Bildsammeleinheiten eine erste Bildsammeleinheit und eine zweite Bildsammeleinheit auf zwei einander gegenüberliegenden Rändern der Anzeigeeinheit umfassen
(5e) und die elektrische Vorrichtung eine Vielzahl von Verwendungsmodi hat, die mindestens einen Notebook-Verwendungsmodus, einen Panel-Verwendungsmodus, einen ZeltVerwendungsmodus und einen Stand-Verwendungsmodus umfassen,
wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
(5f) Beurteilen, in welchem Verwendungsmodus sich die elektrische Vorrichtung unter der Vielzahl der Verwendungsmodi befindet, und Erlangen eines Beurteilungsergebnisses; und
(5g) gemäß einem spezifizierten Verwendungsmodus, in dem sich die elektrische Vorrichtung befindet, der durch das Beurteilungsergebnis angegeben ist, Ansteuern der Bildsammel- einheiten in einer Weise, die auf den spezifizierten Verwendungsmodus abgestimmt ist,
(5h) wobei der erste Körper eine erste Oberfläche, auf der sich die Anzeigeeinheit befindet, und eine zweite Oberfläche aufweist, die der ersten Oberfläche gegenüberliegt, und
(5i) der zweite Körper eine dritte Oberfläche, die eine Eingabevorrichtung umfasst, und eine vierte Oberfläche aufweist, die der dritten Oberfläche gegenüberliegt,
(5j) wobei der erste Körper um 360 Grad bezüglich des zweiten Körpers geschwenkt wird, um den Verwendungsmodus der elektrischen Vorrichtung zu ändern
(5k) und die Verwendungsmodi mindestens zwei aus einem Notebook-Modus, wobei ein eingeschlossener Winkel zwischen der ersten Oberfläche und der dritten Oberfläche innerhalb eines Bereichs von 0° bis 180° liegt, einem Panel-Modus, wobei der eingeschlossene Winkel 360° beträgt, einem ZeltModus, wobei der eingeschlossene Winkel innerhalb eines Bereichs von 180° bis 360° liegt und eine gemeinsame Seite zwischen der ersten Oberfläche und der dritten Oberfläche nach oben geht, und einem Stand-Modus umfassen, wobei der eingeschlossene Winkel innerhalb des Bereichs von 180° bis 360° liegt und die dritte Oberfläche nach unten zeigt;
(5l) wobei die erste Bildsammeleinheit auf einer oberen Seite der Anzeigeeinheit, die sich weit weg von der gemeinsamen Seite befindet, angeordnet ist
(5m) und die zweite Bildsammeleinheit auf einer unteren Seite der Anzeigeeinheit, die sich in der Nähe der gemeinsamen Seite befindet, angeordnet ist
(5n) und das Ansteuern der einen oder mehreren Bildsammeleinheiten in einer Weise, die auf den spezifizierten Verwendungsmodus abgestimmt ist, Folgendes umfasst:
(5o) wenn das Beurteilungsergebnis angibt, dass sich die elektrische Vorrichtung in dem Notebook-Modus oder dem StandModus befindet, befindet sich die erste Bildsammeleinheit in einem Betriebszustand, während sich die zweite Bildsammeleinheit in einem geschlossenen Zustand befindet;
(5p) wenn das Beurteilungsergebnis angibt, dass sich die elektrische Vorrichtung in dem Zelt-Modus befindet, befindet sich die erste Bildsammeleinheit in dem geschlossenen Zustand, während sich die zweite Bildsammeleinheit in dem Betriebszustand befindet; und
(5q) wenn das Beurteilungsergebnis angibt, dass sich die elektrische Vorrichtung in dem Panel-Modus befindet, befindet sich mindestens eine aus der ersten Bildsammeleinheit und der zweiten Bildsammeleinheit in dem Betriebszustand.
Eine eindeutige Aufgabenstellung ist in der Anmeldung nicht angegeben. Der Beschreibung (siehe insbesondere die Absätze [0007] bis [0009]) ist in etwa entnehmbar, dass bei einem mehrteiligen elektrischen Gerät, dessen Teile gegeneinander verschwenkbar sind, eine automatische Anpassung der Betriebsweise an die verschiedenen Verwendungsmodi (entsprechend den Stellungen der verschwenkbaren Teile) erfolgen soll.
Folgende Druckschriften sind im Laufe des Verfahrens entgegengehalten worden:
D1 WO 2010 / 28 399 A1 D2 US 2011 / 320 405 A1 D3 US 2010 / 245 209 A1 D4 US 2010 / 298 032 A1 D5 GB 2 434 274 A D6 US 2006 / 284 855 A1 D7 KR 10 2005 0026 143 A II.
Die Beschwerden sind zulässig, sie haben jedoch keinen Erfolg, weil der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag wie auch nach den fünf Hilfsanträgen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§§ 1 und 4 PatG).
1. Die Beschwerdegebühren für die beiden Beschwerden sind nicht rechtzeitig eingegangen. Auch eine Zuordnung der nur einmal gezahlten Beschwerdegebühr zu einer der beiden Beschwerdeführerinnen war nicht möglich. Den Beschwerdeführerinnen war jedoch Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühren zu gewähren (§ 123 PatG).
a) Die Anmelderinnen und Beschwerdeführerinnen haben den angefochtenen Beschluss des Patentamts am 1. Februar 2016 erhalten. Damit endet die einmonatige Beschwerdefrist (§ 73 Abs. 2 Satz 1 PatG) am 1. März 2016. Zwar ging der Beschwerdeschriftsatz am 25. Februar 2016 und damit innerhalb der Beschwerdefrist ein. Die ebenfalls innerhalb dieser Frist zu entrichtenden Beschwerdegebühren für zwei Beschwerdeführerinnen in Höhe von 400 Euro (§ 2 Abs. 1 PatKostG, Gebührentatbestand 401 300) ist nicht eingegangen. Eingegangen ist lediglich eine Gebührenzahlung in Höhe von 200 Euro.
Die Pflicht zur Entrichtung einer Gebühr gilt aber für jeden einzelnen Antragsteller, d. h. dass bei mehreren Beschwerdeführern, die jeder für sich oder gemeinsam mit anderen eine Beschwerde einlegen, jeder für seine Beschwerde eine Beschwerdegebühr zu entrichten hat (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 2 PatKostG, Rdnr. 10 und Anlage zu § 2 PatKostG, Vorbemerkung). Da laut Zahlungsanweisung und laut Beschwerdeschriftsatz die Beschwerden für beide Anmelderinnen eingelegt werden sollten, hätte jede von ihnen eine eigene Beschwerdegebühr zu entrichten gehabt.
b) Eine Zuordnung der nur einmal gezahlten Beschwerdegebühr zu einer der beiden Beschwerdeführerinnen war nicht möglich.
Die Anmelderinnen haben mit der Zahlungsanweisung vom 25. Februar 2016 eine Beschwerdegebühr in Höhe von 200 Euro innerhalb der Beschwerdefrist eingezahlt und dabei die Namen beider Anmelderinnen angegeben.
Eine eindeutige Zuordnung dieser Zahlung zu einer der beiden Beschwerdeführerinnen ist nicht möglich. Eine Überprüfung sowohl des Beschwerdeschriftsatzes als auch der Zahlungsanweisung auf ihren Inhalt führt nicht dazu, dass einer der beiden Anmelderinnen eine Präferenz eingeräumt werden kann (BGH GRUR 2015, 1255 – Mauersteinsatz), da der Beschwerdeschriftsatz die beiden Anmelderinnen gleichmäßig und ohne Bevorzugung nennt.
c) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nach § 123 PatG ist begründet.
Die Anmelderinnen haben innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses einen schriftlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gestellt. Die Tatsachen, die den Antrag auf Wiedereinsetzung tragen sollen, sind vorgetra- gen und glaubhaft gemacht worden, die versäumte Handlung ist nachgeholt worden.
Die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist ohne Verschulden versäumt worden.
Der Verschuldensmaßstab im Rahmen des § 123 PatG ist lediglich die von einem ordentlichen Rechtsanwalt bzw. Patentanwalt (Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 92) zu fordernde übliche Sorgfalt. Das Verschulden eines Bevollmächtigten steht dem Verschulden des Verfahrensbeteiligten gleich. Allerdings schließt nur das Verschulden der Partei oder ihres Bevollmächtigten eine Wiedereinsetzung aus. Verschulden Dritter, insbesondere des Büropersonals, wird dem Verfahrensbeteiligten oder seinem Vertreter nicht zugerechnet (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 67, 69, 75, 80).
Ein anwaltlicher Vertreter hat die Pflicht, dass Gebühren, von deren Entrichtung die Wirksamkeit einer Verfahrenshandlung abhängig ist, rechtzeitig und in richtiger Höhe entrichtet werden (Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 121). Höhe der Gebühr, Zulässigkeit des Zahlungsweges sowie Gewähr für die Rechtzeitigkeit der Zahlung für den gewählten Zahlungsweg hat ein Anwalt grundsätzlich selbst zu prüfen (Schulte, a. a. O.). Diesem Erfordernis ist die handelnde Vertreterin der Beschwerdeführerinnen nachgekommen, denn ihr fiel – zwar nach Unterzeichnung der falschen Zahlungsanweisung, aber vor deren Absendung – auf, dass es vorliegend zwei Anmelderinnen gebe und deshalb die Zahlungsanweisung korrigiert werden müsse.
Es ist dabei nicht zu beanstanden, dass die Vertreterin ihre Sekretärin angewiesen hat, diesen Fehler zu korrigieren, und diesen nicht selbst korrigiert hat. Ein der Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Anwalts an der Fristversäumung ist grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Anwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Dass eine konkrete Einzelanweisung befolgt wird, darauf darf sich ein Anwalt verlassen (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 91). Zudem hat die Anwaltssekretärin die Unterlagen zur Einreichung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr unter der Anleitung der Patentanwältin vorbereitet und hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Beschwerdegebühr mit der sog. Fachabteilung mündlich Rücksprache gehalten. Damit liegt insgesamt auch kein der Vertreterin vorwerfbares Verschulden hinsichtlich der internen Kanzleiorganisation vor.
2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg, weil der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl in der Fassung nach Hauptantrag als auch in der Fassung der Hilfsanträge als für den Fachmann naheliegend beurteilt werden muss.
2.1 Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein zweiteiliges elektronisches Kommunikationsgerät (siehe insbesondere Figur 2, Figur 18; vgl. Offenlegungsschrift Absatz [0061] letzter Satz: Mobiltelefon, Notebook-Computer o. ä.), wobei sich der eine Teil, der einen Bildschirm aufweist, gegen den anderen Teil um bis zu 360 Grad verschwenken lässt. Daraus definiert die Anmeldung vier verschiedene „Verwendungsmodi“: nämlich eine Verwendung als Notebook (Figur 2a / 18a), als handgehaltenes Tablett („Panel-Computer“ Figur 2b / 18b), oder als Stand-Display im „Zelt-Verwendungsmodus“ (Figur 2c / 18c) oder im „Stand-Verwendungsmodus“ (Figur 2d / 18d). Die Modi unterscheiden sich durch die Anordnung der beiden Gehäuseteile, d. h. messtechnisch: durch den Winkel der Verschwenkung der beiden Gehäuseteile gegeneinander (z. B. durch den Winkel der beiden Gehäuseteile gegen die Gravitationsrichtung), oder auch durch den Abstand der beiden Gehäuseteile voneinander.
Anmeldungsgemäß wird nun vorgeschlagen, Sensoreinheiten vorzusehen, um die Anordnung der beiden Gehäuseteile gegeneinander zu erfassen. Dadurch wird es möglich, den „Betriebszustand der elektrischen Vorrichtung“ an den momentanen Verwendungsmodus anzupassen, wie beispielsweise die Anzeige entsprechend auszurichten oder die Orientierung bei einer Eingabe zu berücksichtigen (vgl. Offenlegungsschrift Absatz [0008]).
In diesem Umfeld ist der Patentanspruch 1 des Hauptantrags i. W. darauf gerichtet, dass die Sensoren mindestens einen Gravitationssensor und einen Abstandssensor umfassen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0097] ff. – Merkmal (Hc)). Die Tabellen 3 und 4 (Offenlegungsschrift Seite 12) zeigen den Zusammenhang auf, was für einen „ersten eingeschlossenen Winkel“ (als den gegenüber der Schwerkraftsrichtung gemessenen Lagewinkel des Basisteiles, d. h. des Gehäuseteiles ohne Display) und was für einen Abstand der beiden Teile voneinander die vier Verwendungsmodi jeweils zur Folge haben. Davon ausgehend lässt sich der momentane Verwendungsmodus der elektrischen Vorrichtung bestimmen (Merkmale (Hh), (Hi), (Hj)).
Der für die Hilfsanträge 1 bis 3 identische Patentanspruch 1 lässt demgegenüber offen, was für Sensoren verwendet werden. Stattdessen ist er darauf gerichtet, das Betriebssystem des Gerätes auf den ermittelten Verwendungsmodus abzustimmen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0140] – Merkmal (1h)). Mit den Merkmalen (4i) und (4j) des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 kommt noch hinzu, dass konkret für einen Panel-Verwendungsmodus auf ein Android-Betriebssystem und für einen Notebook-Verwendungsmodus auf ein Windows-Betriebssystem geschaltet werden soll (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0141] / [0142]).
Der Hilfsantrag 5 ist mit seinem einzigen Patentanspruch auf eine andere Ausführungsform gerichtet, bei welcher das beschriebene zweiteilige elektronische Gerät an zwei gegenüberliegenden Seiten des Bildschirm-Geräteteiles je eine Kamera aufweisen soll (Merkmale (5b), (5d) – siehe Figur 19a Bezugszeichen 110). Diese Kameras sollen entsprechend dem ermittelten Verwendungsmodus in Betrieb oder außer Betrieb genommen werden (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0225] – Merkmale (5n), (5o), (5p) und (5q)).
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine automatische Anpassung der Betriebsweise an die verschiedenen Verwendungsmodi (entsprechend den verschiedenen Stellungen der gegeneinander verschwenkbaren Teile eines zweiteiligen elektronischen Gerätes) zu ermöglichen, sieht der Senat einen Entwicklungs-Ingenieur für elektronische Kleingeräte mit Bachelor- oder Master-Abschluss in einem Bereich der Elektrotechnik an.
2.2 Der Hauptantrag hat keinen Erfolg, weil der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2.2.1 Von besonderer Bedeutung dafür ist die Druckschrift D3 US 2010 / 245 209 A1.
Aus ihr ist ein Informationsverarbeitungsverfahren für eine mobile elektrische Vorrichtung 102 bekannt, mit zwei Gehäuseteilen 106 und 110 (mit den Displays 108 und 112), welche über eine Schwenkachse 114 miteinander verbunden sind und um bis zu 360° gegeneinander verschwenkt werden können (Fig. 1, Abs. [0017], Abs. [0021] Mitte – Merkmale (Ha), (Hd), (He)). Ferner sind Sensoren für die Position der Gehäuseteile und den Verschwenkungswinkel beschrieben (Abs. [0024]). Der Betrieb ist in verschiedenen Verwendungsmodi möglich: Notebook-Verwendungsmodus 104 („laptop“), Buch-Verwendungsmodus 118, Zelt-Verwendungsmodus 122 („presentation display“), Doppel-Display-Modus 126 und Panel-Verwendungsmodus 130 („tablet display“), siehe Absätze [0018] bis [0021] (Merkmale (Hb), teilw. (Hf) – ein „Stand-Verwendungsmodus“ gemäß Figur 18d der Anmeldung ist hier nicht erwähnt). Gemäß Abs. [0025] bestimmt ein „position controller“ 140 den Verwendungsmodus („can determine a display posture of … device 102“) aus dem Positionswinkel zwischen den Gehäuseteilen oder aus der Orientierung der beiden Gehäuseteile (Merkmale (Hg), (Hh); jedoch (Hi), (Hj) nur teilweise), um die Displays abgestimmt auf den erkannten Verwendungsmodus anzusteuern (Abs. [0028] „The position controller 140 can then initiate feed- back 208 that correlates to …“ / „video feedback, display feedback“). Als mögliche Sensoren sind in Absatz [0038] ein „binding sensor 142“ für Positionsdaten, welche den Winkel zwischen den Gehäuseteilen beschreiben (claim 4), und „housing position sensors 144“ z. B. in Form von Beschleunigungssensoren (accelerometers 146) zur Bestimmung der Orientierung eines Gehäuseteiles (claim 6) angegeben. Somit sind hier die Merkmale (Hc), (Hi), (Hj) und auch (Hf) nur zum Teil verwirklicht.
2.2.2 Die Unterschiede des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag zur Lehre der D3 sind nicht geeignet, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu begründen.
So nennt die D3 zwar nicht den „Stand-Verwendungsmodus“ gemäß Figur 18d der Anmeldung. Sie kennt aber außer den anderen drei beanspruchten Modi (Merkmal (Hf) – Figuren 18a, 18b, 18c der Anmeldung) noch weitere Modi wie einen Buch-Verwendungsmodus 118 oder einen Doppel-Display-Modus 126: Der „Stand-Verwendungsmodus“ seinerseits ist in ähnlichem Zusammenhang aus der Druckschrift D4 (US 2010 / 298 032 A1) vorbekannt (siehe dort: elektrische Vorrichtung aus zwei Gehäuseteilen 101, 102, welche über eine Schwenkachse 195 miteinander verbunden sind, wobei Sensoren den Verwendungsmodus erfassen – gemäß Abstract, Abs. [0072], [0044]; Figur 2, Figur 9A: Panel-Modus / Figur 3b, Figur 6 bis 8: Zelt-Modus / Figur 10, 11: Stand-Modus / Figur 9B: voll geöffnet). Eine bestimmte Auswahl von Verwendungsmodi, welche durch die Sensoren erkannt werden sollen, im Sinne einer Vorgabe für den Benutzer gemäß Merkmal (Hf) stellt angesichts dessen nur eine handwerkliche Maßnahme des Fachmanns dar.
Ähnliches gilt für die Auswahl der zu verwendenden Sensoren i. S. d. Merkmals (Hc). Hierzu sind aus der Druckschrift D3 ein „binding sensor 142“ für den Winkel zwischen den Gehäuseteilen und Beschleunigungssensoren (accelerometers 146) zur Bestimmung der Orientierung eines Gehäuseteiles bekannt. Die Druck- schrift D4 nennt insbesondere Abstandssensoren (siehe Absatz [0119] „distance“, „optical“; Abs. [0123] und ff.). Stattdessen nun i. S. v. Merkmal (Hc) einen Gravitationssensor und einen Abstandssensor vorzusehen, stellt nicht mehr als eine fachmännische Auswahl aus einer kleinen Menge an sich bekannter Möglichkeiten dar, die den Rahmen des üblichen Arbeitens des hier zuständigen Fachmanns nicht überschreitet.
Die Merkmale (Hi) und (Hj) leiten sich aus der Wahl der Sensoren ab und stellen keine Besonderheit mehr dar, weil die Auswertung der Sensordaten zur Bestimmung des momentanen Verwendungsmodus „an sich“ aus D3 wie auch aus D4 vorbekannt war.
Damit verbleibt dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nichts, was über übliches fachmännisches Abwägen und Handeln hinausginge.
2.2.3 Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hauptantrag, weil über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.
2.3 Auch die Hilfsanträge 1, 2 und 3 sind nicht patentfähig, weil der Gegenstand ihres (identischen) Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2.3.1 Die Merkmale (1a) bis (1g) des für alle drei Hilfsanträge übereinstimmenden Patentanspruchs 1 unterscheiden sich in ihrer Formulierung zwar z. T. erheblich vom Anspruch 1 des Hauptantrags; insbesondere besteht keine Beschränkung mehr auf die Art der Sensoren.
Dennoch sind diese Merkmale nicht anders als beim Hauptantrag gerichtet auf ein Informationsverarbeitungsverfahren für ein zweiteiliges elektronisches Kommunikationsgerät, dessen einer Teil, der einen Bildschirm aufweist, sich gegen den anderen Teil um bis zu 360 Grad verschwenken lässt (Merkmale (1a), (1e), (1f)). Gemäß den Merkmalen (1b), (1c) und (1d) sind Sensoren vorgesehen, um aus der Lage und Relativposition der beiden Gehäuseteile zueinander den momentanen „Verwendungsmodus“ zu bestimmen. Ein solches Gerät war, wie bereits dargelegt, aus der Druckschrift D3 oder D4 vorbekannt.
Merkmal (1g) zählt die vier oben genannten Verwendungsmodi auf, wie sie in Figur 2 bzw. Figur 18 der Anmeldung dargestellt sind; drei davon waren aus D3, andere drei aus D4 vorbekannt.
2.3.2 Darüber hinaus weist der Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1, 2 und 3 noch folgendes zusätzliches Merkmal auf:
(1h) wobei die Verarbeitungseinheit ein Betriebssystem der elektrischen Vorrichtung steuert, so dass das Betriebssystem der elektrischen Vorrichtung auf den ersten Verwendungsmodus abgestimmt wird, wenn die Verarbeitungseinheit bestimmt, dass sich die elektrische Vorrichtung in dem ersten Verwendungsmodus befindet.
Eine solche Lehre war im gegebenen Kontext jedoch vorbekannt, beispielsweise aus der Druckschrift D7 KR 10 2005 0026 143 A.
Dieser Druckschrift ist die Lehre zu entnehmen (siehe Abstract), bei einem Computer mit mehreren Verwendungsmodi („convertible computer“) das Betriebssystem zu bestimmen abhängig davon, welcher Verwendungsmodus erkannt wird (dort konkret: notebook computer mode oder tablet computer mode).
Weil die aus D3 oder D4 bekannten Computer von der gleichen Situation mehrerer Verwendungsmodi ausgehen und bereits den momentanen Verwendungsmodus automatisch bestimmen, um Funktionen des Gerätes entsprechend dem erkannten Modus anzusteuern, lag es für den Fachmann nahe, die Lehre der Druck- schrift D7 auf die Computer der D3 oder D4 zu übertragen und nicht nur (wie dort beschrieben) z. B. die Anzeige, sondern auch das Betriebssystem auf den erkannten Verwendungsmodus abzustimmen. Damit gelangte der Fachmann aber zum Merkmal (1h), ohne dass es einer erfinderischen Tätigkeit bedurft hätte.
2.3.3 Mit dem Patentanspruch 1 fällt jeweils der gesamte Hilfsantrag, weil über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.
2.4 Der Hilfsantrag 4 ist nicht günstiger zu beurteilen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 baut auf dem Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 auf und enthält zusätzlich die Merkmal (4i) und (4j), dass im Falle der Erkennung eines Panel-Computer-Verwendungsmodus auf ein AndroidBetriebssystem geschaltet werden soll, und im Falle der Erkennung eines Notebook-Verwendungsmodus auf ein Windows-Betriebssystem.
Nachdem die Verwendungsmodus-abhängige Betriebssystem-Wahl jedoch, wie dargelegt, aus der Druckschrift D7 bekannt war, kann die konkrete Vorgabe von „Android“ für Panel-Computer bzw. „Windows“ für Notebook-Computer nur als für den Fachmann naheliegend angesehen werden. Denn wie dem Fachmann vertraut ist, sind das genau die Betriebssysteme, mit denen die genannten Computersysteme, für sich allein betrachtet, typischerweise ausgeliefert werden.
2.5 Der Hilfsantrag 5 muss ebenfalls ohne Erfolg bleiben, weil der Gegenstand seines einzigen Patentanspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Nach der damit beanspruchten Ausführungsform soll das beschriebene zweiteilige elektronische Gerät an zwei gegenüberliegenden Seiten des Bildschirm-Geräteteiles je eine Kamera aufweisen, welche beide entsprechend dem jeweils ermittelten Verwendungsmodus in Betrieb oder außer Betrieb genommen werden sollen.
Auch eine solche Ausführungsform lag für den Fachmann jedoch nahe.
So beschreibt z. B. die Druckschrift D4 eine elektrische Vorrichtung 100, die einen ersten Körper 101, auf dem eine Anzeigeeinheit 151a angeordnet ist, einen zweiten Körper 102 und eine Schwenkachse 195 umfasst, die den ersten Körper mit dem zweiten Körper verbindet (Merkmale (5h), (5i)); ferner können eine Kamera 121 (Figur 1) oder laut Absatz [0041] auch „mindestens zwei Kameras“ vorgesehen sein (Merkmal (5b)). Zwar ist hier der erste Körper gegenüber dem zweiten Körper an der Schwenkachse 195 wohl nur um 180 Grad schwenkbar; der Fachmann kennt aber im gegebenen Zusammenhang auch Anordnungen mit 360 Grad Schwenkbereich (siehe z. B. Druckschrift D3 – Merkmale (5c), (5j) naheliegend). Auch nach der Lehre der D4 hat die beschriebene elektrische Vorrichtung eine Vielzahl von Verwendungsmodi, die hier u. a. einen Panel-Verwendungsmodus (Figur 2, Figur 9a), einen Zelt-Verwendungsmodus (Figur 6 bis 8) und einen Stand-Verwendungsmodus (Figur 10 / 11) umfassen (wobei die Definitionen gemäß Merkmal (5k) Anwendung finden); ein Notebook-Verwendungsmodus ist nicht explizit beschrieben, liegt für derartige Geräte aber ebenfalls nahe (vgl. Druckschrift D3 – Merkmal (5e)). D4 lehrt auch, aufgrund von Sensordaten den Verwendungsmodus zu erfassen (siehe z. B. (Absatz [0044]), um die Benutzeroberfläche entsprechend anzusteuern (Abs. [0102], [0121] – Merkmal (5f), teilw. (5g)). Der Fachmann liest hier mit, dass im Fall der Verwendung der Kameras auch diese entsprechen dem Verwendungsmodus angesteuert werden müssen (Merkmal (5a), (5n); Rest von Merkmal (5g)).
Hingegen gibt die Druckschrift D4 keine Lehre, wo und wie die Kameras anzuordnen wären (Merkmale (5d), (5l), (5m) fehlen), und entsprechend auch keine Anleitung, welche Kamera in welchem Modus aktiv- oder ausgeschaltet werden sollte (Merkmale (5o), (5p), (5q) fehlen).
Die beanspruchte Anordnung (Merkmale (5d), (5l), (5m)) – siehe Offenlegungsschrift Figur 19a: Kameras 110), nämlich mittig im oberen und unteren Randbereich des Bildschirms, entspricht aber genau dem, was der Fachmann erwartet hätte: schon lange vor dem Prioritätstag der Anmeldung hatten Notebooks oder Laptops eine Kamera mittig oberhalb des Bildschirms; die Auswahl der Position für die aus Druckschrift D4 bekannte zweite Kamera erforderte dann nur ein Abwägen der jeweiligen Vor- und Nachteile, ging also über „handwerkliche“ Überlegungen nicht hinaus, wobei eine Anordnung mittig am anderen Rand nahelag. Mit den Merkmalen (5d), (5l), (5m) lässt sich das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit daher nicht begründen.
Das gilt in vergleichbarer Weise auch für die Merkmale (5o), (5p) und (5q), welche ganz konkret darauf gerichtet sind, im Notebook- und im Stand-Modus die obere Kamera zu aktivieren und die untere abzuschalten; im Zelt-Modus umgekehrt die andere Kamera (die am Gelenke sitzt und deswegen jetzt oben angeordnete ist) zu aktivieren und die erste Kamera abzuschalten; und im Panel-Modus mindestens eine von beiden zu aktivieren.
Die grundsätzliche Idee, Kameras je nach Verwendungsmodus ein- oder auszuschalten, war dem Fachmann schon geläufig – siehe z. B. Druckschrift D5 (GB 2 434 274 A): eine oder mehrere Kameras (Seite 12 Zeile 22 bis 24), Erkennung des Verwendungsmodus (claim 8 bis 11), Ansteuerung und ggf. An- oder Abschalten vom Kameras entsprechend dem Verwendungsmodus (Seite 14 Zeile 30 bis Seite 15 Zeile 8, u. a. „when the phone is … used ... the camera is disabled“).
Die konkrete Lehre der Merkmale (5o), (5p) und (5q) ergibt sich dabei zwangsläufig bei näherer Betrachtung der jeweiligen Modi, weil in den erstgenannten drei Modi jeweils die oben angeordnete Kamera ein- und die untenliegende abgeschaltet wird, während im vierten Modus (Panel-Modus) beide frei liegen und ersichtlich keine Gründe bestehen, eine bestimmte von beiden zu bevorzugen oder auszuschalten.
Nach alledem geht die Lehre des einzigen Patentanspruchs des Hilfsantrags 5 mit keinem seiner Merkmale über übliches fachmännisches Denken und Handeln hinaus.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann Fa