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4 StR 223/24

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 223/24 URTEIL vom 13. März 2025 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. ECLI:DE:BGH:2025:130325U4STR223.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. März 2025, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Quentin,

Richter am Bundesgerichtshof Dr. Sturm, Dr. Maatsch, Dr. Scheuß, Richterin am Bundesgerichtshof Marks als beisitzende Richter,

Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 15. November 2023 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall 12 der Urteilsgründe des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig ist; b) im Einziehungsausspruch dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 238.293,45 € angeordnet wird; die darüber hinaus-gehende Einziehung entfällt.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben a) im Fall 22 der Urteilsgründe, jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten; b) im Gesamtstraf- sowie im Maßregelausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

Von Rechts wegen Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten des Betruges in sieben Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des Computerbetruges in 27 Fällen sowie der Körperverletzung in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (Fall 22 der Urteilsgründe) schuldig gesprochen und ihn – nach Maßgabe des berichtigten Hauptverhandlungsprotokolls – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 238.313,45 € angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer – vom Generalbundesanwalt weitgehend vertretenen – Revision, die sie auf die Sach- und eine Verfahrensrüge stützt, gegen den nach ihrer Ansicht defizitären Schuldspruch im Fall 22 der Urteilsgründe, gegen die Strafbemessung in den Fällen 20 und 22 der Urteilsgründe sowie gegen den Gesamtstrafausspruch. Während das Rechtsmittel des Angeklagten weitgehend erfolglos bleibt, hat die Revision der Staatsanwaltschaft im Anfechtungsumfang den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.

Die unbeschränkte Revision des Angeklagten führt zur Abänderung des Schuldspruchs und zu einer Herabsetzung der Einziehungsanordnung. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

1. Im Fall 12 der Urteilsgründe ist der Angeklagte nicht des Computerbetruges, sondern des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig.

a) Den Feststellungen des Landgerichts zufolge hatte der Angeklagte unter dem Namen einer dritten Person ein Girokonto eröffnet. Er erreichte durch Schreiben vom 13. September 2022 unter Vorlage gefälschter Entgeltabrechnungen, dass ein Dispositionskredit in Höhe von 2.000 € bewilligt wurde. Diesen schöpfte der Angeklagte durch Online-Transaktionen bis zu einem Betrag von 1.995,18 € aus, den er – wie von vornherein beabsichtigt – nicht zurückzahlte.

b) Hiernach hat sich der Angeklagte wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung strafbar gemacht. Den Urteilsgründen ist mit Blick auf die vorzulegenden Bonitätsnachweise zu entnehmen, dass der Dispositionskredit – auf der Basis unechter Lohnabrechnungen – irrtumsbedingt von einem Bankmitarbeiter bewilligt wurde. Damit war neben einer Urkundenfälschung der Tatbestand des Betruges erfüllt. Denn ein Vermögensschaden kann in Form der schadensgleichen Vermögensgefährdung bereits eintreten, wenn dem Täter unter Täuschung über seine Identität und Zahlungswilligkeit antragsgemäß von der Bank ein Überziehungskredit eingeräumt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 – 2 StR 83/19 Rn. 8; Beschluss vom 14. Oktober 2010 – 2 StR 447/10 Rn. 3). So liegt es im Fall 12 der Urteilsgründe.

Der Senat ändert in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen. Denn der umfassend geständige Angeklagte hätte sich insoweit nicht wirksamer als geschehen verteidigen können. Die Schuldspruchänderung lässt angesichts des unveränderten Strafrahmens den zugehörigen Einzelstrafausspruch unberührt.

2. Die Strafzumessung weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.

Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer in den Fällen des (versuchten) Betruges und Computerbetruges bei der Strafrahmenwahl und bei der konkreten Strafzumessung straferschwerend die Vielzahl der teilweise erheblich Geschädigten eingestellt hat, „wobei in keinem der festgestellten Fälle ein unter der Bagatellgrenze liegender Schaden eingetreten ist.“ Der Senat besorgt anders als der Generalbundesanwalt nicht, dass das Landgericht damit dem Angeklagten entgegen § 46 Abs. 3 StGB zum Vorwurf gemacht hat, ein Regelbeispiel des § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 3 StGB erfüllt zu haben (in allen Fällen zumindest Gewerbsmäßigkeit). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Strafkammer zur Angemessenheit des Regelstrafrahmens nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB, wonach „insbesondere die in keinem Fall unterschrittene Bagatellgrenze“ sowie die Gesamtschadenshöhe von fast 350.000 € dem Vorgehen des Angeklagten in seiner Gesamtheit einen schwerwiegenden Charakter verliehen.

Bei unterschrittener Bagatellgrenze wäre ein besonders schwerer Fall zwar ohnehin ausgeschlossen (vgl. § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 4, § 243 Abs. 2 StGB). Die strafschärfende Erwägung der Strafkammer geht aber dahin, dass der Angeklagte viele Opfer geschädigt und dabei teilweise auch erhebliche Vermögensnachteile herbeigeführt hat. Angesichts des von ihm aufgebauten komplexen Systems, das auf die langfristige Begehung von Taten zum Nachteil einer Vielzahl ausgespähter Personen gerichtet war, bestehen hiergegen keine Bedenken. Durch die Einbettung von Einzeltaten in eine Serie kann das Gewicht jeder Einzeltat deutlich erhöht werden, bei der nicht nur Vortaten, sondern auch nachfolgende Taten strafschärfend berücksichtigt werden können, sofern ein innerer kriminologischer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2024 – 5 StR 346/24 mwN; Urteil vom 19. Dezember 2002 – 3 StR 401/02 Rn. 6). Ein solcher liegt hier schon aufgrund der geplanten Mehrzahl von Taten vor, worin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige „rechtsfeindliche Gesinnung“ des Täters zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2024 – 6 StR 45/24 Rn. 10 mwN). Die bei keiner Tat unterschrittene Bagatellgrenze hat die Strafkammer lediglich bemüht, um zu verdeutlichen, dass eine (weitere) Relativierung dieses an die Tatserie geknüpften Strafschärfungsgrundes nicht veranlasst war. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.

3. Die Anordnung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB) ist entsprechend § 354 Abs. 1 StPO geringfügig herabzusetzen. Der Generalbundesanwalt weist zutreffend darauf hin, dass sich die von der Strafkammer bei den einzelnen Taten eingezogenen Beträge auf 238.293,45 € summieren. Der in den Urteilsgründen mitgeteilte Verzicht des Angeklagten auf sein Kraftfahrzeug, dessen Übereignung an den Justizfiskus im Blick auf die konsentierte Verwertung allenfalls erfüllungshalber erfolgte (vgl. allgemein BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – 5 StR 198/18, BGHSt 63, 305 Rn. 34 f.), stellt die Einziehungsanordnung nicht darüber hinaus in Frage. Denn mangels bereits eingetretener Erfüllung nach § 362 Abs. 1, § 364 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – IX ZR 127/11 Rn. 12 mwN) bestand der staatliche Wertersatzanspruch unverändert fort.

II.

Die zulässig eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat im Anfechtungsumfang überwiegend Erfolg.

1. a) Die Revision ist nach den Ausführungen in der Begründungsschrift – ungeachtet fehlender Revisionsanträge (§ 344 Abs. 1 StPO) – auf den Schuldspruch im Fall 22 der Urteilsgründe mitsamt der zugehörigen Einzelstrafe, die weitere Einzelstrafe im Fall 20 der Urteilsgründe sowie den Gesamtstrafausspruch beschränkt.

b) Diese Beschränkung ist weitgehend wirksam (vgl. zu den insoweit geltenden Anforderungen etwa BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – 3 StR 295/22 Rn. 9 mwN). Der Schuldspruch im Fall 22 der Urteilsgründe ist unabhängig von den weiteren Taten anfechtbar. Darüber hinaus kann die Revision auch bei einer eng zusammenhängenden Serie von Vermögensstraftaten wirksam auf ausgewählte Einzelstrafaussprüche beschränkt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00). Über den Gesamtstrafausspruch hinaus erfasst das Rechtsmittel allerdings auch den an die angefochtene Tat geknüpften Maßregelausspruch nach §§ 69, 69a StGB.

Hingegen ist die Beschränkung im Hinblick auf die Einziehungsanordnung wirksam. Grundsätzlich besteht keine Wechselwirkung zwischen der Strafe und der Einziehung des Wertes von Taterträgen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2024 – 4 StR 343/24 Rn. 8 mwN). Auch das Landgericht hat eine solche nicht hergestellt. Zwar hat es bei der Gesamtstrafbemessung nach der Bezifferung der Sanktion zuletzt ausgeführt, es habe nicht nur die Auswirkungen „dieser nicht unerheblichen Gesamtfreiheitsstrafe“ für das weitere Leben des Angeklagten, sondern auch jene der Einziehung bedacht. Hierdurch hat die Strafkammer aber die Vermögensabschöpfung nicht – rechtsfehlerhaft – zu einem bestimmenden Strafmilderungsgrund erhoben. Vielmehr belegt die vorangestellte Nennung „dieser“ Gesamtfreiheitsstrafe, dass das Landgericht nicht von einer einheitlichen Sanktionsentscheidung ausgegangen ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 – 3 StR 184/20 Rn. 11). Daneben die Auswirkungen der Einziehung zu bedenken, war ihm nicht verwehrt und stellt keinen inneren Zusammenhang mit der Strafe her, der einer Teilanfechtung entgegenstünde.

2. Der Schuldspruch im Fall 22 der Urteilsgründe unterliegt der Aufhebung. Das Landgericht hat den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit rechtsfehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten gegen die ihm obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen.

a) Das Landgericht hat insoweit im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: Am frühen Morgen des 28. November 2022 parkte der Angeklagte einen angemieteten Pkw auf dem Gehweg, um Geld abheben zu gehen. Zur Verschleierung etwaiger Verkehrsverstöße hatte er an dem Fahrzeug weitere amtliche Kennzeichen angebracht, die dem Berechtigten entwendet worden waren. Der linke Außenspiegel des geparkten Fahrzeugs ragte so weit in die Fahrbahn, dass einer Straßenbahn die unfallfreie Weiterfahrt verwehrt war. Ihr Fahrer rief die Polizei, deren Eintreffen er mit seinem von der Leitstelle hinzubeorderten Kollegen erwartete. Als der Angeklagte wenig später hinzukam, sprachen ihn beide auf das Fahrzeug, die daran übereinander angebrachten Kennzeichen und die verständigte Polizei an. Der Angeklagte wollte die polizeiliche Feststellung der Kennzeichenmanipulation verhindern, ignorierte die Ansprache und setzte sich in den Pkw.

Der an dessen „linker vorderer Frontschürze“ stehende Geschädigte forderte den Angeklagten lautstark auf, das Fahrzeug zu verlassen. Der Angeklagte ließ den Motor aufheulen, um klarzumachen, dass er nun wegfahren werde, und fuhr ein kurzes Stück nach vorne. Der Geschädigte lehnte sich sodann mit seinem Oberkörper „ein wenig nach vorne auf die Motorhaube“ und forderte den Angeklagten unter Hinweis auf die bald eintreffende Polizei nochmals auf auszusteigen. Der Angeklagte wollte jedoch die Örtlichkeit weiterhin so schnell wie möglich verlassen und beschleunigte den Pkw stark. Der Geschädigte rutschte dadurch über die Motorhaube in Richtung des oberen linken Bereichs der Windschutzscheibe bzw. des Dachs und fiel danach auf die Straße, was der Angeklagte durch sein starkes und ruckartiges Anfahren zumindest billigend in Kauf nahm. Dieser fuhr davon, um die Feststellung seiner Person und seiner Beteiligung an dem Unfall zu verhindern. Der Geschädigte erlitt durch den Aufprall auf dem Boden starke Schmerzen sowie Prellungen im Bereich des rechten Ellenbogens und der rechten Hüfte. Er benötigte für mehr als eine Woche Gehhilfen und war bis zum Jahresende 2022 arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Dieses Geschehen hat das Landgericht als Körperverletzung – das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung hat der Generalbundesanwalt bejaht – in Tateinheit mit Urkundenfälschung und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort gewertet.

b) Das Landgericht hat den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft. Die gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der – durch die zugelassene Anklage abgegrenzte – Prozessstoff durch die vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. März 2024 – 4 StR 354/23 Rn. 26 mwN; Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 239/09 Rn. 6). Der Unrechtsgehalt der Tat ist ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrundeliegende Bewertung auszuschöpfen (vgl. § 264 Abs. 2 StPO), soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 StR 113/13 Rn. 4; KKStPO/Tiemann, 9. Aufl., § 264 Rn. 27 ff.).

Dies hat die Strafkammer unterlassen. Die getroffenen Feststellungen hätten ihr Anlass zur Prüfung der Frage geben müssen, ob der Angeklagte tateinheitlich auch des (schweren) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und der Nötigung sowie – anstelle einer Körperverletzung – der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung schuldig ist.

aa) Der Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 StGB kann auch durch einen verkehrsfeindlichen Inneneingriff verwirklicht werden. Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr wird von § 315b StGB jedoch nur erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“, und es ihm darauf ankommt, hierdurch in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert zudem, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom

22. Juni 2023 – 4 StR 481/22 Rn. 31; Beschluss vom 11. November 2021 – 4 StR 134/21 Rn. 4; Beschluss vom 19. November 2020 ‒ 4 StR 240/20 Rn. 26; Beschluss vom 24. Oktober 2017 ‒ 4 StR 334/17 Rn. 3 f.). Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2024 – 4 StR 503/23 Rn. 9; Urteil vom 22. Juni 2023 – 4 StR 481/22 Rn. 31; Beschluss vom 11. November 2021 – 4 StR 134/21 Rn. 4; Beschluss vom 16. März 2010 – 4 StR 82/10 Rn. 10; grundlegend BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237).

Nach diesen Maßgaben drängte sich die weitere Erörterung auf, ob der Angeklagte zugleich den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklichte. Indem er mit bedingtem Verletzungsvorsatz stark beschleunigte, obwohl sich der Geschädigte auf die Motorhaube lehnte, beeinträchtigte der Angeklagte die Sicherheit des Straßenverkehrs und gefährdete Leib oder Leben des Zeugen. Zugleich drängt es sich auf, dass der Angeklagte das von ihm gesteuerte Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt haben könnte, um seine Flucht zu erzwingen. Es liegt nahe, dass er sein Fahrzeug nicht zuvörderst als Fortbewegungsmittel zu nutzen gedachte. Wollte er den Geschädigten gewaltsam dazu bringen, den Weg freizumachen, hätte der Angeklagte den Pkw vielmehr in erster Linie als Nötigungsmittel eingesetzt und daher mit der für einen verkehrsfremden Inneneingriff erforderlichen Pervertierungsabsicht gehandelt. Neben einer zugleich in Rede stehenden Nötigung gemäß § 240 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1969 – 4 StR 102/69, BGHSt 22, 365, 366) kommt für diesen Fall darüber hinaus ein Handeln in der Absicht in Betracht, einen Unglücksfall herbeizuführen wie auch eine Straftat (Urkundenfälschung) zu verdecken

(§ 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 StGB; vgl. zur Verdeckung bei Tateinheit Pegel in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 92 mwN).

bb) Darüber hinaus hat das Landgericht zwar eine mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangene Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) rechtsfehlerfrei verneint, denn nach den durch die Zeugenaussage des Geschädigten belegten Feststellungen kam es nicht schon – wie hier erforderlich (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25. April 2019 – 4 StR 442/18 Rn. 24) – durch den Anstoß mit dem Kraftfahrzeug zu einem Körperverletzungserfolg. Die Strafkammer hat aber ausweislich der Urteilsgründe in der Folge aus dem Blick verloren, dass die Tathandlung des Angeklagten auch eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) darstellen könnte.

Eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB liegt vor, wenn die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben zu gefährden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2021 – 4 StR 21/21 Rn. 4 mwN; Urteil vom 25. April 2019 – 4 StR 442/18 Rn. 23), und sein Tun nach seiner Vorstellung auf Lebensgefährdung „angelegt“ ist, er also zumindest eine potentielle Gefährdung des Lebens des Opfers erkennt und billigt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Mai 2024 – 4 StR 234/23 Rn. 13 mwN). Danach hätte das Landgericht die Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ebenfalls prüfen müssen. Die Begründung, mit der es eine Köperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs zu Recht verneint hat, trägt hier nicht. Im Rahmen von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist neben der Kollision und dem Kontakt mit dem Fahrzeug auch der dadurch bedingte Sturz des Geschädigten auf die Straße relevant. In letzterem liegen allein keine – für den Tatbestand unbeachtlichen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2021 – 4 StR 21/21 Rn. 4 mwN) –weiteren äußeren Umstände, durch die sich erst eine Lebensgefahr für das Opfer ergeben könnte. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht in dem Fahrmanöver auch eine „besonders gefährliche Tathandlung“ erblickt. Infolgedessen war es gehalten, das Tatgeschehen unter dem Gesichtspunkt einer lebensgefährdenden Behandlung zu erörtern. Dies ist rechtsfehlerhaft unterblieben.

c) Der aufgezeigte Rechtsfehler bedingt die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 22 der Urteilsgründe, auch was die tateinheitlich verwirklichten Delikte der Urkundenfälschung (vgl. zu den Konkurrenzen BGH, Beschluss vom 18. Juli 2023 – 4 StR 42/23 Rn. 5 mwN) und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – 4 StR 259/93 Rn. 6 ff. zum einheitlichen Fluchtwillen) betrifft. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO) und können daher bestehen bleiben.

3. Die Aufhebung im Fall 22 der Urteilsgründe, in dem die Strafkammer die Einsatzstrafe von einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt hat, entzieht dem Gesamtstraf- sowie dem auf diese Tat gestützten Maßregelausspruch die Grundlage.

Hingegen hat der Einzelstrafausspruch im Fall 20 der Urteilsgründe Bestand. Die Verfahrensrüge der Staatsanwaltschaft, die auf eine mündlich verkündete höhere Einzelstrafe abstellt, dringt nicht durch. Denn insoweit sind allein die schriftlichen Urteilsgründe maßgeblich. Nur die von sämtlichen Berufsrichtern unterzeichnete Urteilsurkunde bietet die Gewähr dafür, dass die Urteilsausführungen das Ergebnis der Beratung wiedergeben (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1955 – 5 StR 43/55, BGHSt 8, 41, 42; Urteil vom 22. April 1955 – 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 370 f.; Beschluss vom 12. Dezember 1951 – 3 StR 691/51,

BGHSt 2, 63, 66). Die mündliche Urteilsbegründung dient lediglich der vorläufigen Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2013 – RiZ 4/12 Rn. 2 mwN). Die Strafzumessung hält zudem der Überprüfung auf die zugleich erhobene Sachrüge stand. Rechtsfehler sind weder zugunsten des Angeklagten noch – aus den bei seiner Revision dargelegten Gründen – zu seinen Lasten (§ 301 StPO) zu erkennen.

4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das neue Tatgericht im Fall 22 der Urteilsgründe die subjektive Tatseite aller in Betracht kommenden Delikte aufgrund einer eigenen Beweiswürdigung neu feststellen muss.

Quentin Scheuß Sturm Marks Maatsch Vorinstanz: Landgericht Mainz, 15.11.2023 ‒ 5 KLs 3300 Js 30223/22

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