7 Ni 13/16
BUNDESPATENTGERICHT IM NAMEN DES VOLKES Ni 13/16 (Aktenzeichen)
URTEIL An Verkündungs Statt zugestellt am 1.März 2018 …
In der Patentnichtigkeitssache …
ECLI:DE:BPatG:2018:010318U7Ni13.16.0
…
betreffend das deutsche Patent 10 2011 010 624 hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt und Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Dipl.-Ing. Dr. Großmann für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 10 2011 010 624 wird in vollem Umfang für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von
% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Klage richtet sich gegen das mit der Bezeichnung „Anzeigeeinrichtung für Sichtfelder eines Nutzfahrzeugs“ erteilte deutsche Patent 10 2011 010 624. Das Streitpatent, das auf eine Anmeldung vom 8. Februar 2011 zurückgeht, umfasst 32 Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Die Ansprüche 2 bis 32 sind als Unteransprüche auf Anspruch 1 unmittelbar bzw. mittelbar rückbezogen.
Patentanspruch 1 hat in seiner erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
1. Anzeigeeinrichtung (100) für gesetzlich vorgeschriebene Sichtfelder (210, 220, 230, 235, 240, 250) eines Nutzfahrzeugs in einem Fahrerhaus des Nutzfahrzeugs, enthaltend mindestens eine Anzeigeeinheit (110), wobei die Anzeigeeinrichtung (100) dazu angepasst ist, mindestens zwei der im Fahrbetrieb zur permanenten Anzeige gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder (210, 220, 230, 235, 240, 250) dauerhaft und in Echtzeit auf der Anzeigeeinheit (110) im Fahrerhaus anzuzeigen, wobei die mindestens zwei Sichtfelder (210, 220, 230, 235, 240, 250) in einer gemeinsamen Darstellung gezeigt werden.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 32 wird auf die Streitpatentschrift DE 10 2011 010 624 B4 Bezug genommen.
Die Klägerinnen machen den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend, wobei sie sich auf das Nichtvorliegen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit berufen (§ 22 Abs. 1 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 4 PatG).
Zur Begründung beziehen sich die Klägerinnen auf folgende Publikationen:
NK3 NK4 NK5 NK6 NK7 NK8 NK9 NK10 NK11 NK12 Regelung Nr. 46 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) - Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung von Einrichtungen für indirekte Sicht und von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Anbringung solcher Einrichtungen deutsche Offenlegungsschrift 199 00 498 A1 europäische Patentschrift 2 484 558 B1 US-Patentschrift 5,670,935 deutsche Übersetzung 696 18 192 T3 der geänderten europäischen Patentschrift 0 830 267 B2 (mit Priorität aus NK6) US-Patentschrift 7,446,650 B2 japanische Patentanmeldung H4-71939 mit deutscher Übersetzung NK9‘ britische Patentanmeldung 2 351 055 A Auszug aus Kraftfahrtechnisches Taschenbuch/Bosch, 1995, S. 678, 679, 694 bis 699 Wikipedia-Enzyklopädie, Beitrag zum Stichwort „Nutzfahrzeug“ (Stand: 26. August 2016)
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nach ihrer Meinung nicht neu gegenüber der Regelung NK3, der Offenlegungsschrift NK4 sowie gegenüber NK6 mit NK7. Zumindest beruhe er nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Auch die in den Unteransprüchen enthaltenen Ausgestaltungen seien nicht neu bzw. nicht erfinderisch.
Die Klägerinnen beantragen,
das deutsche Patent 10 2011 010 624 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung der mit Anlagen KBS2 und KBS3 zum Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge I und II richtet.
Die Beklagte beantragt ferner für den Fall, dass das Streitpatent in keiner der von ihr mit Hauptantrag bzw. mit Hilfsanträgen I und II verteidigten Fassungen aufrecht erhalten werden sollte,
eine Aufrechterhaltung auf der Grundlage einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 2, 23 und 25; weiter hilfsweise: auf der Grundlage einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 2, 23, 24 und 25; weiter hilfsweise: auf der Grundlage einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 2, 23 und 26; weiter hilfsweise: auf der Grundlage einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 2, 11 und 23.
In den Fassungen der Hilfsanträge lautet Patentanspruch 1 wie folgt (Änderungen jeweils durch Streichung bzw. Unterstreichung kenntlich gemacht):
Hilfsantrag I:
Der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 soll hinzugefügt werden:
1. (…) wobei zusätzlich Sichtbereiche (260, 270, 290) auf der Anzeigeeinheit (110) dargestellt werden.
Hilfsantrag II:
Patentanspruch 1 i. d. F. des Hilfsantrags I soll wie folgt ergänzt werden:
1. (…), wobei die mindestens zwei Sichtfelder (210, 220, 230, 235, 240, 250) in einer gemeinsamen Darstellung auf einem gemeinsamen Bildschirm gezeigt werden, wobei zusätzlich Sichtbereiche (260, 270, 290) auf der Anzeigeeinheit (110) dargestellt werden.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen und hält das Streitpatent in seiner erteilten Fassung, zumindest in den mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen, für patentfähig.
Nach Auffassung der Klägerinnen sind die Anspruchsfassungen gemäß den Hilfsanträgen unzulässig und im Übrigen nicht patentfähig. Letzteres gelte auch für die von der Beklagten verteidigten Unteransprüche.
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 25. September 2017 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf deren Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig und auch in der Sache begründet. Das Streitpatent hält weder in seiner erteilten Fassung noch in den Fassungen der von der Beklagten vorgelegten Hilfsanträge den auf mangelnde Patentfähigkeit gestützten Angriffen (§ 22 Abs. 1 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 4 PatG) stand.
I.
1. Die vorliegende Erfindung betrifft nach ihrer Beschreibung in der Streitpatentschrift eine Anzeigeeinheit für die bei Kraftfahrzeugen gesetzlich vorgesehenen Sichtfelder, welche durch eine Einrichtung für indirekte Sicht, herkömmlicher Weise einen Spiegel, abgebildet werden, und durch den auf einem Fahrersitz sitzenden Fahrer jederzeit über die Einrichtung für indirekte Sicht einsehbar sein müssen (Beschreibung Absatz [0002]). Für Nutzfahrzeuge, wie beispielsweise LKWs oder Lieferwagen, sei derzeit ein Hauptspiegel auf jeweils der Fahrerseite und der Beifahrerseite vorgesehen, mit welchem der Fahrzeugführer einen ebenen und horizontalen Teil der Fahrbahn von bestimmter Breite einsehen könne, der sich ab einer festgelegten Entfernung hinter den Augenpunkten des Fahrzeugführers bis zum Horizont erstrecke. Auch müsse ein Streifen geringerer Breite mittels dieses Spiegels für den Fahrzeugführer einsehbar sein, welcher in kürzerer Entfernung hinter den Augenpunkten des Fahrers beginne (Beschreibung Absatz [0003]).
Außerdem müssten beidseitig des Nutzfahrzeugs Sichtfelder durch Weitwinkelspiegel abgebildet werden. Dabei handele es sich um jeweils einen Bereich hinter den Augenpunkten des Fahrers in einer bestimmten Erstreckung in Längsrichtung des Fahrzeugs, welcher breiter als der durch den Hauptspiegel einsehbare Bereich sei, sich jedoch nur eine bestimmte Länge entlang des Fahrzeugs erstrecke (Beschreibung Absatz [0004]). Nutzfahrzeuge benötigten ferner gemäß den geltenden Vorschriften zum Erfüllen der geforderten Sichtfelder mindestens einen Nahbereichs- oder Anfahrspiegel, mit welchem ein im Frontbereich neben der Fahrerkabine liegender Bereich und ein unmittelbar an die Fahrerkabine angrenzender Bereich eingesehen werden könnten. Schließlich werde für zumindest einige der Nutzfahrzeuge die Abbildung eines Sichtfelds z. B. durch einen Frontspiegel verlangt, mit welchem ein Bereich unmittelbar vor dem Nutzfahrzeug, der sich in seitlicher Richtung über die beifahrerseitige Begrenzung des Nutzfahrzeugs hinaus erstrecke, durch den Fahrer einsehbar sei (Beschreibung Absatz [0005]).
Trotz dieser vorgeschriebenen Spiegel bzw. Einrichtungen für indirekte Sicht sei es jedoch für einen Fahrzeugführer kaum möglich bzw. sehr schwierig, die unfallkritischen Bereiche rund um ein Nutzfahrzeug jederzeit vollständig und ausreichend im Auge zu behalten. Zudem sei auf Grund der Vielzahl der Spiegel die Anforderung an den Fahrzeugführer erhöht, diese Spiegel nahezu gleichzeitig im Auge zu behalten. Die Abbildung der Sichtfelder mittels Spiegel habe zudem eine Einflussnahme der Spiegel auf die Umströmung des Fahrzeugs zur Folge, wobei die Spiegel das Strömungsverhalten meist ungünstig mit der Folge eines erhöhten Kraftstoffverbrauchs beeinflussten (Beschreibung Absatz [0006]).
Die Streitpatentschrift schildert verschiedene im Stand der Technik bekannte Spiegelersatzsysteme und formuliert davon ausgehend die Aufgabe, eine Anzeigeeinrichtung für die gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder eines Nutzfahrzeugs zu schaffen, mit der die Sichtfelder auf eine für den Fahrzeugführer übersichtliche und einfache Weise beobachtet werden könnten, und die den Einfluss auf die Umströmung des Fahrzeugs minimiere (Beschreibung Absatz [0009]).
2. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß durch ein Erzeugnis mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 gelöst werden. Diese Merkmale können (entsprechend einem Vorschlag der Klägerinnen, Anlage NK 2) wie folgt gegliedert werden:
1.1 Anzeigeeinrichtung (100) für gesetzlich vorgeschriebene Sichtfelder (210, 220, 230, 235, 240, 250) eines Nutzfahrzeugs in einem Fahrerhaus des Nutzfahrzeugs, enthaltend
1.2 mindestens eine Anzeigeeinheit (110), 1.3 wobei die Anzeigeeinrichtung (100) dazu angepasst ist,
mindestens zwei der im Fahrbetrieb zur permanenten Anzeige gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder (210, 220, 230, 235, 240, 250) dauerhaft und in Echtzeit auf der Anzeigeeinheit (110) im Fahrerhaus anzuzeigen,
1.4 und wobei die mindestens zwei Sichtfelder (210, 220, 230, 235, 240, 250) in einer gemeinsamen Darstellung gezeigt werden.
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Ingenieur (TH/Univ. oder FH) der Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von elektronischen Kamera-Monitor-Systemen. Dieser Fachmann kennt auch die an Fahrzeugspiegel - um deren zumindest teilweisen Ersatz es hier geht - zu stellenden Anforderungen; ggf. wird er einen Spezialisten für Fahrzeugspiegel zu Rate ziehen. Sowohl für KFZ-Spiegel als auch für elektronische Kamera-Monitor- Systeme als Spiegelersatz gelten für die UN/ECEMitgliedsstaaten die „Einheitlichen Bedingungen für die Genehmigung von Einrichtungen für indirekte Sicht und von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Anbringung solcher Einrichtungen“ (vgl. die als Anlage NK3 vorgelegte Regelung Nr. 46 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE)). Die darin enthaltenen Vorgaben muss der Fachmann kennen und bei Neu– und Weiterentwickelungen von KFZ-Kamera-Monitor-Systemen - ebenso wie von Fahrzeugspiegeln - auch einhalten.
4. Dieser Fachmann legt den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 folgendes Verständnis zu Grunde:
a) Das geschützte Erzeugnis ist eine Anzeigeeinrichtung für ein Nutzfahrzeug (Teilmerkmal 1.1), mit deren Hilfe bestimmte Bereiche der Fahrzeugumgebung, die herkömmlich durch Spiegel wiedergegeben werden, erfasst und auf sog. Sichtfeldern angezeigt werden, wobei es anspruchsgemäß lediglich um gesetzlich vorgeschriebene Sichtfelder gehen soll. Diese Einschränkung ist i. S. einer Zweckangabe zu verstehen, d. h. die Anzeigeeinrichtung muss zur Wiedergabe der gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder geeignet sein, was die zusätzliche Wiedergabe anderer Sichtfelder oder Sichtbereiche (das sind nach der Terminolo- gie des Streitpatents gesetzlich nicht vorgeschriebene Bildinhalte, vgl. Streitpatentschrift Absatz [0027) nicht ausschließt. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Anzeigeeinrichtung Zusatzinformationen sowie zusätzliche Sichtbereiche anzuzeigen vermag, die - wie z. B. das Bild einer Rückfahrkamera - außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder eines KFZ liegen (vgl. Streitpatentschrift Absätze [0014], [0027], [0032]).
b) Entsprechendes gilt im Hinblick auf die weitere in Merkmal 1.1 enthaltene Einschränkung, wonach durch die Anzeigeeinrichtung die gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder eines Nutzfahrzeugs zur Anzeige gebracht werden müssen, und zwar in einem Fahrerhaus des Nutzfahrzeugs. Das Nutzfahrzeug bzw. dessen Fahrerhaus werden dadurch nicht zu gegenständlichen Merkmalen des beanspruchten Erzeugnisses. Vielmehr geht es lediglich darum, dass sich die Anzeigeeinrichtung für die konkrete Anzeige der gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder eines Nutzfahrzeugs in dessen Fahrerhaus eignen muss, was durch ihre gleichzeitige Eignung zur Anzeige von Sichtfeldern anderer Fahrzeuge bzw. durch die Möglichkeit ihrer Verwendung an anderen Orten als dem Fahrerhaus eines Nutzfahrzeugs nicht ausgeschlossen wird.
c) Das beanspruchte Erzeugnis weist gemäß Merkmal 1.2 mindestens eine Anzeigeeinheit auf. Unter einer Anzeigeeinheit versteht das Streitpatent z. B. einen Bildschirm oder ein Display, aber etwa auch Projektionen auf innenseitige Fahrzeugkarosserieteile (Streitpatentschrift Absatz [0012]). Weil derartige Komponenten grundsätzlich bei allen Arten von Kraftfahrzeugen eingesetzt werden können, wird auch daraus deutlich, dass der Anwendungsbereich der Anzeigeeinrichtung nicht zwingend auf die Verwendung in einem Nutzfahrzeug beschränkt sein muss.
d) Gemäß Merkmal 1.3 muss die Anzeigeeinrichtung dazu angepasst sein, mindestens zwei (aber nicht notwendig alle, vgl. Streitpatentschrift Absatz [0015]) der im Fahrbetrieb zur permanenten Anzeige gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder anzuzeigen. Patentanspruch 1 lässt hierbei offen, mit welchen technischen Mitteln die Anzeige im Einzelnen zu bewerkstelligen ist, um zu der in dem Merkmal ebenfalls vorgeschriebenen dauerhaften Anzeige der genannten Sichtfelder in Echtzeit zu gelangen. Die konkrete technische Ausgestaltung der Anzeigeeinheit bleibt somit nach dem Hauptanspruch vollständig dem Wissen und Können des Fachmanns überlassen (Angaben hierzu finden sich vereinzelt in den Unteransprüchen, vgl. etwa Patentanspruch 26 zur Auflösung der Aufnahmeeinheit oder Patentanspruch 31 zur Ausgestaltung der Anzeigeeinrichtung mit einem vorzugsweise hochauflösenden Sensor und einem panamorphen Objektiv).
e) Gemäß Merkmal 1.4 ist zu gewährleisten, dass die mindestens zwei Sichtfelder in einer gemeinsamen Darstellung angezeigt werden. Durch die gemeinsame Darstellung soll es dem Fahrer im Hinblick auf ergonomische Gesichtspunkte erleichtert werden, einen Überblick über das Geschehen in den dargestellten Sichtfeldern zu behalten, da er statt auf mehrere Anzeigeeinheiten auf eine einzige Anzeigeeinheit zurückgreifen kann, auf der zumindest zwei Sichtfelder in einer gemeinsamen Darstellung angezeigt werden (Streitpatentschrift Absatz [0011] a. E.). Offen bleibt hierbei, wie die gemeinsame Darstellung dem Fahrer vermittelt wird. Mögliche Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen aufgeführt (vgl. insbesondere Patentansprüche 3, 4, 5, 6, 9, 10, 11, 14, 18, 19, 20, 21, 22, 29 und 30).
f) Durch die Bezugnahme auf „gesetzlich vorgeschriebene Sichtfelder“ in den Merkmalen 1.1 und 1.3 wird der Fachmann aufgefordert, bei der Ausgestaltung der konkret beanspruchten Mittel bestimmten normativen Vorgaben - etwa gemäß der UN/ECE-Regelung NK3 oder entsprechenden Vorschriften in Ländern bzw. Regionen außerhalb von deren Geltungsbereich - Rechnung zu tragen. Es geht dabei um näher definierte Bereiche aus der Umgebung des Fahrzeugs, die durch eine Einrichtung für indirekte Sicht abgebildet werden und für den Fahrer jederzeit über diese Einrichtung einsehbar sein müssen (i. E. vgl. Streitpatentschrift Absätze [0002]) bis [0004], s. o. I.1). Die Anzeigeeinrichtung muss daher so ausgestaltet sein, dass sie den jeweils gültigen Vorschriften Rechnung tragen kann. Jedenfalls in gewissem Umfang wird der Fachmann eine ggf. erforderliche Anpassung des Systems an sich zeitlich verändernde bzw. in verschiedenen Ländern oder Regionen unterschiedliche Vorgaben vornehmen können.
II.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung ist nicht patentfähig, weil er gegenüber dem Stand der Technik am Anmeldetag nicht neu ist und auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
1. Dem Anspruchsgegenstand fehlt die erforderliche Neuheit.
a) Allerdings ist die deutsche Offenlegungsschrift DE 199 00 498 A1 (NK4) nicht neuheitsschädlich. Diese offenbart in Figur 2 samt zugehöriger Beschreibung (Spalte 4, Zeilen 18 bis 56) eine Anzeigeeinrichtung in einem Fahrerhaus eines Kraftfahrzeugs (Teilmerkmal 1.1). Zwar wird in NK4 nicht ausdrücklich auf die Verwendung der Anzeigeeinheit in einem Nutzfahrzeug hingewiesen. Jedoch bezieht sich diese Schrift allgemein auf Kraftfahrzeuge, wozu auch Nutzfahrzeuge zählen. Davon abgesehen weisen die Klägerinnen zutreffend darauf hin, dass Nutzfahrzeuge auch auf PKW-Basis zum Einsatz kommen können (z. B. als Rettungswagen oder Kleintransporter).
Merkmal 1.1 verlangt darüber hinaus, dass die Anzeigeeinheit dafür geeignet ist, gesetzlich vorgesehene Sichtfelder des Nutzfahrzeugs anzuzeigen (s. o. I.4.a). Dies ist bei NK4 auch der Fall, weil nach der Lehre dieser Druckschrift der Sichtbereich von gesetzlich vorgeschriebenen Außenspiegeln auf einem Bildschirm wiedergegeben werden soll (vgl. Figur 1, Bezugszeichen 10, mit Beschreibung Spalte 3, Zeilen 38 bis 51).
Die in NK4 vorgesehene Anzeigeeinheit weist entsprechend Merkmal 1.2 auch eine dort als Display bezeichnete Anzeigeeinheit 40 auf.
Gemäß den Merkmalen 1.3 und 1.4 müssen auf der Anzeigeeinheit mindestens zwei gesetzlich vorgeschriebene Sichtfelder in einer gemeinsamen Darstellung dauerhaft und in Echtzeit angezeigt werden. Aus NK4 geht hervor, dass neben dem gesetzlich vorgesehenen Sichtfeld der beiden Außenspiegel zusätzlich ein
„Bereich des toten Winkels“ in einer gemeinsamen Darstellung angezeigt wird (Spalte 3, Zeilen 52 bis 57; Figur 2, Display 40, Segmente 11, 21). Dass es sich um eine dauerhafte Anzeige in Echtzeit handelt, ergibt sich für den fachmännischen Leser der Druckschrift schon aus der in NK4 genannten Zweckbestimmung. Das Verfahren zur Einsichtnahme in den rückwärtigen außenspiegelbezogenen Beobachtungsraum soll nämlich der „Außenspiegelsubstitution“ dienen (vgl. NK4, Spalte 3, Zeile 9) und die sonst im Spiegel einsehbaren bzw. im so genannten toten Winkel liegenden Beobachtungsräume zuverlässig erfassen.
Ob sich die in NK4 offenbarte Anordnung auch zur Wiedergabe zweier gesetzlicher Sichtfelder eignet, kann der Fachmann der Schrift NK4 jedoch nicht mit Sicherheit entnehmen, weshalb diese Schrift im Ergebnis nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist.
b) Ebenso wird die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung durch die US-Patentschrift 5,670,935 (NK6) und durch die deutsche Übersetzung DE 696 18 192 T3 (NK7) der die Priorität von NK6 in Anspruch nehmenden europäischen Patentschrift 0 830 267 B2 nicht in Frage gestellt. Diese beiden Schriften zeigen in den Figuren 1 bis 3 ein Fahrzeug, das u. a. auch ein Bus oder ein Großlastwagen, also ein Nutzfahrzeug, sein kann (vgl. NK7, Absatz [0036]), mit einer dort als Rückblicksystem 12 bezeichneten Anzeigeeinrichtung in einem Fahrerhaus. Es geht in diesen Druckschriften um die Bereitstellung eines kameragestützten Rückblicksystems, das ein fahrerfreundliches Bild, etwa in Gestalt einer nahtlosen Panoramaansicht, anzeigen soll (NK7 Absätze [0009], [0037]).
Diese Anzeigeeinrichtung enthält - entsprechend Merkmal 1.2 - (mindestens) eine Anzeigeeinheit 20. Durch diese werden gemäß NK6/NK7, jeweils Figur 3, verschiedene Bildabschnitte wiedergegeben, die insgesamt ein zusammengesetztes Bild 42 ergeben (vgl. NK7, Absatz [0042]). Von der Wiedergabe gesetzlich vorgeschriebener Sichtfelder, insbesondere der Sichtfelder eines Haupt- und eines Weitwinkelspiegels, ist in NK6/NK7 nicht ausdrücklich die Rede, weshalb der Fachmann auch diesen Schriften die Merkmale 1.3 und 1.4 nicht mit Sicherheit entnehmen kann. Aus diesem Grund sind auch diese beiden Entgegenhaltungen nicht neuheitsschädlich.
c) Als neuheitsschädlich ist dagegen die UN/ECE-Regelung Nr. 46 (NK3) anzusehen, weil daraus sämtliche in Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale hervorgehen.
Dieses Dokument enthält Regelungen für eine Kamera-Monitor-Einrichtung samt Anzeigeeinrichtung für gesetzlich vorgeschriebene Sichtfelder eines Nutzfahrzeugs in einem Fahrerhaus des Nutzfahrzeugs gemäß Merkmal 1.1 (s. NK3, Abschnitt 15.2.1.1.2, i. V. m. den Abschnitten 15.2.4.5 und 15.2.4.6). Die Anzeigeeinrichtung besteht dort aus (mindestens) einem Monitor (Merkmal 1.2) und ist dazu angepasst, in bestimmten Fahrsituationen mindestens zwei der im Fahrbetrieb zur permanenten Anzeige gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder dauerhaft und in Echtzeit auf der Anzeigeeinheit im Fahrerhaus anzuzeigen (Merkmal 1.3).
Bei den beiden in NK3, Abschnitt 15.2.1.1.2 c), genannten gesetzlichen Sichtfeldern handelt es sich um das Sichtfeld eines Frontspiegels und um das Sichtfeld eines Nahbereichsspiegels. Diese werden auf einem Monitor und damit in einer gemeinsamen Darstellung entsprechend Merkmal 1.4 des Streitpatentgegenstandes dauerhaft angezeigt (vgl. die Formulierung im zweiten Absatz des Abschnitts 15.2.1.1.2 c): „…, so darf der Monitor…“).
Unschädlich ist insoweit, dass bei Vorwärtsfahrten mit mehr als 10 km/h oder bei Rückwärtsfahrten der Monitor auch für die Wiedergabe der Sichtfelder anderer Kameras benutzt werden kann, sofern nur das Sichtfeld eines Nahbereichsspiegels permanent wiedergegeben wird. Die Wiedergabe muss nämlich - worauf die Klägerinnen zutreffend hingewiesen haben - „dauerhaft“ nur in den Phasen bzw. Betriebszuständen sein, in denen sie nach gesetzlicher Bestimmung verlangt wird. Davon abgesehen ist das in NK3 beschriebene System jedenfalls für eine dauer- hafte Wiedergabe der Sichtfelder geeignet, was für die Erfüllung des Merkmals ausreicht (s. o. I.4.a).
Somit fehlt dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 die erforderliche Neuheit.
2. Darüber hinaus beruht dieser Gegenstand auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Für den Fachmann war es am Anmeldetag des Streitpatents naheliegend, die aus NK4 bzw. aus NK6/NK7 bekannten Anzeigeeinrichtungen so anzupassen, dass sie i. S. d. Merkmale 1.3 und 1.4 zur dauerhaften, auf der Anzeigeeinheit im Fahrerhaus in Echtzeit angezeigten Darstellung von mindestens zwei der im Fahrbetrieb zur permanenten Anzeige gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder in einer gemeinsamen Anzeige geeignet sind.
Aus den genannten Entgegenhaltungen war dem Fachmann bereits bekannt, verschiedene Sichtfelder bzw. Sichtbereiche in einer gemeinsamen Anzeige wiederzugeben. So zeigt NK4 die gemeinsame Darstellung des gesetzlich geforderten Winkelbereichs 11 sowie des Bereichs des toten Winkels 10 auf einem Display 40 (Figur 2 mit Beschreibung, Spalte 4, Zeilen 18 bis 23). Aus NK6/NK7 ist die Wiedergabe verschiedener Bildabschnitte durch die Anzeigeeinheit 20 ersichtlich (Figur 3 mit Beschreibung, Absatz [0042]). In beiden Fällen dient die Zusammenfassung verschiedener Sichtfelder bzw. Sichtbereiche auf einer Anzeigeeinheit dazu, dem Fahrer die Erfassung der Fahrzeugumgebung zu erleichtern. Anstatt - wie bei herkömmlichen Fahrzeugspiegeln - gleichzeitig mehrere Instrumente im Blick haben zu müssen, kann er nunmehr mehrere Bereiche auf einmal erfassen (s. o. I.4.e).
Hiervon ausgehend war es für den Fachmann ein naheliegender Gedanke, diese Vorteile auch für die gemeinsame Anzeige von mindestens zwei gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfeldern zu nutzen.
Der Fachmann musste bei der Umsetzung dieser Überlegung weder bestehende Vorurteile noch besondere technische Schwierigkeiten überwinden. Dies gilt auch unter der Annahme, dass die beanspruchte Anzeigeeinrichtung - wie die Beklagte meint - besonderen Anforderungen (etwa bzgl. der Optik und des Sensors, der Bildverarbeitungs-Hardware und -Software und des Monitors) entsprechen muss, um den gesetzlichen Vorgaben zu genügen. Selbst wenn zutreffen sollte, dass - worauf die Beklagte ebenso abstellt - keines der aus dem Stand der Technik bekannten Systeme diesen Anforderungen genügt, so ist doch nicht erkennbar (und wurde von der Beklagten auch nicht geltend gemacht), dass der Fachmann irgendwelche, sein Wissen und Können übersteigende Schwierigkeiten hatte, die für die gewünschte Anzeigeeinrichtung erforderlichen Komponenten bereitzustellen und in einem funktionierenden Gesamtsystem mit den in den Merkmalen 1.3 und 1.4 enthaltenen Spezifikationen, das den Anforderungen zur Abbildung gesetzlich vorgeschriebener Sichtfelder für Nutzfahrzeuge jeglicher Art genügt, zum Einsatz zu bringen.
Aus diesen Gründen ist Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung nicht patentfähig.
III.
Auch die in den Hilfsanträgen enthaltenen Fassungen des Patentanspruchs 1 sind nicht bestandsfähig.
1. Gemäß Hilfsantrag I sollen auf der Anzeigeeinheit (110) zusätzlich Sichtbereiche dargestellt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um die in der Streitpatentschrift, Figur 3, dargestellten, nach hinten verlängerten Sichtbereiche 260 bzw. 270 auf der linken bzw. rechten Seite des Nutzfahrzeugs sowie um einen zur Seite verlängerten Bereich 280 unmittelbar um das Fahrerhaus des Nutzfahrzeugs, außerdem um einen beispielsweise durch eine Rückfahrkamera erfassten Sichtbereich 290 für den Heckbereich des Fahrzeugs (Streitpatentschrift Abs. [0048], [0050]).
Auch mit dieser Hinzufügung kann der Anzeigeeinrichtung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents keine erfinderische Qualität zugesprochen werden. Die Darstellung verschiedener Sichtbereiche ist dem Fachmann aus dem Stand der Technik bekannt (z. B. aus NK6/NK7, Figur 1). Er ist auch ohne weiteres dazu in der Lage, die Aufnahme-, Berechnungs- und Anzeigeeinheiten so anzupassen, dass die gewünschte Anzeige von weiteren Sichtbereichen neben gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfeldern möglich ist.
2. In der Fassung des Hilfsantrags II unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 von seiner erteilten Fassung dadurch, dass es sich bei der Anzeigeeinheit, auf der gemäß Merkmal 1.4 die mindestens zwei Sichtfelder in einer gemeinsamen Darstellung gezeigt werden, um einen gemeinsamen Bildschirm handelt (und nicht - was nach der erteilten Fassung z. B. auch möglich wäre - um eine Projektion, vgl. Streitpatentschrift Absatz [0012]).
Die Verwendung von Bildschirmen zur Anzeige von Sichtfeldern bzw. Sichtbereichen ist dem Fachmann geläufig (vgl. NK4, Figur 2, und Beschreibung, Spalte 4, Zeile 18: Display 40; NK7, Figur 3 mit Beschreibung, Absatz [0045)]: „Die Anzeige 20 kann ein Durchsicht-Flachbildschirm sein,...“) und kann daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen.
IV.
Im Umfang seiner von der Beklagten weiter hilfsweise verteidigten Unteransprüche hat das Streitpatent ebenfalls keinen Bestand.
1. Dies gilt zunächst für die Kombination der erteilten Ansprüche 1, 2, 23 und 25.
a) Nach dem zusätzlichen Merkmal des erteilten Patentanspruchs 2 beinhalten die gesetzlich vorgeschriebenen Sichtfelder, die in der gemeinsamen Darstellung angezeigt werden, das Sichtfeld eines Hauptspiegels und das Sichtfeld eines Weitwinkelspiegels.
Nachdem für Gütertransport-Fahrzeuge der Fahrzeugklassen N2 und N3 (mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 bzw. mehr als 12 Tonnen, gemäß Anlage II zur EU-Richtlinie 2007/46/EG) sowohl ein Hauptspiegel der Gruppe II als auch ein Weitwinkelspiegel der Gruppe IV vorgeschrieben sind (vgl. NK3, Abschnitt 15.2.1.1.1.), war es für den Fachmann naheliegend, die entsprechenden Sichtfelder in die gemeinsame Darstellung aufzunehmen.
b) Die Anzeigeeinrichtung soll gemäß dem erteilten Patentanspruch 23 mindestens eine Aufnahmeeinheit enthalten, was eine - auch aus dem Stand der Technik bekannte (vgl. etwa NK4, Figur 1, Kamera 30; NK7, Figur 1, Seitenbilderfassungsvorrichtungen 14) - Selbstverständlichkeit ist.
c) Die Aufnahmeeinheit soll entsprechend dem Merkmal des erteilten Patentanspruchs 25 eine Auflösung haben, die größer als die Auflösung der mindestens einen Anzeigeeinheit ist. Hierzu heißt es in der Begründung (Streitpatentschrift Absatz [0037]): „Je größer die Auflösung der Aufnahmeeinheit ist, …., desto besser ist die Möglichkeit, die darzustellende Information, d. h. die Sichtfelder, zu optimieren, da mehr Eingangsinformation als auszugebende Information zur Verfügung steht.“ Dem liegt der allgemeine Gedanke zu Grunde, wonach die Auflösung der Bilderfassungsvorrichtungen und der Anzeige so gewählt werden können, dass eine ausreichende Bildqualität für die jeweilige Anwendung erzielt wird (NK7, Absatz [0077]). Diese Überlegungen sind rein fachmännischer Art, die - auch in Kombination mit den übrigen genannten Merkmalen - dem Streitpatent nicht zu der erforderlichen Erfindungshöhe verhelfen können.
2. Auch die weitere Kombination der unter IV.1 genannten Patentansprüche mit den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 24 hat keinen patentfähigen Gehalt. Danach weist die Anzeigeeinrichtung mehrere Aufnahmeeinheiten auf, wobei die Anzahl der Aufnahmeeinheiten größer ist als die Anzahl der Anzeigeeinrichtungen.
Als Vorteile dieser Ausgestaltung werden in der Streitpatentschrift die dadurch ermöglichte Redundanz und Gewährleistung der erforderlichen Dynamik bei der Anzeige der Sichtfelder genannt (Streitpatentschrift, Absatz [0035]). Außerdem könne bei einer höheren Anzahl von Aufnahmeeinheiten auch der für ein jeweiliges Sichtfeld erforderliche Bildwinkel durch Zusammensetzung der Information von mehreren der Aufnahmeeinheiten, beispielsweise zwei Aufnahmeeinheiten, erfolgen. Somit sei es möglich, mit verhältnismäßig gering auflösenden Aufnahmeeinheiten dennoch die erforderlichen Auflösungen für die Anzeige zu erzielen (Streitpatentschrift, Absatz [0036]).
Auch diese Überlegungen gehen über das fachübliche Wissen und Können nicht hinaus, zumal auch im Stand der Technik am Anmeldetag die Zuordnung mehrerer Aufnahmeeinheiten zu einer Anzeigeeinheit bekannt war (vgl. etwa NK4, Figur 2, mit Aufnahmeeinheiten 30a, 30b und Anzeigeeinheit 40).
3. Des Weiteren beansprucht die Beklagte eine Kombination der Patentansprüche 1, 2 und 23 (s. o. IV.1.a und b) mit den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 26, wonach die Auflösung mindestens einer der Aufnahmeeinheiten - vorzugsweise die Auflösung einer Aufnahmeeinheit für das Sichtfeld eines Hauptspiegels - mindestens 2 Megapixel beträgt.
Auch diese Merkmalsergänzung dient dem Ziel, die darzustellende Information zu optimieren [Streitpatentschrift, Absatz [0037]), und stand am Anmeldetag im Ermessen des Fachmanns. Laut NK7, Absatz [0094], kann ein ausreichendes Bilddetail zu angemessenen Systemkosten mit einer Pixelauflösung im Bereich zwischen etwa zwei und acht Bogenminuten erzielt werden. Für den Fachmann geht daraus hervor, dass bei normaler Betrachtung eine Bildauflösung von zwei Megapixel genügt, um als scharf zu gelten.
4. Ebenso ist die von der Beklagten an letzter Stelle verteidigte Anspruchskombination nicht patentfähig. Danach soll den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 und den Merkmalen der erteilten Patentansprüche 2 und 23
(hierzu oben IV.1.a und b) das Merkmal aus dem erteilten Patentanspruch 11 hinzugefügt werden, demzufolge die Anzeigeeinrichtung angepasst ist, die Sichtfelder an sich verändernder Position und/oder mit sich verändernder Größe auf der Anzeigeeinheit dauerhaft darzustellen.
So soll es gemäß der Streitpatentschrift, Absatz [0026], z. B. möglich sein, die Darstellung der Sichtfelder in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit anzupassen, so dass bei einer langsamen Fahrt die Darstellung der Information aus dem Frontbereich des Fahrzeugs vergrößert und die Darstellung von Information aus dem Heckbereich kleiner ist, bei schneller Fahrt die Darstellung des Frontbereichs hingegen verkleinert und die Darstellung nach hinten vergrößert ist. Bei Rückwärtsfahrt könne der Schwerpunkt auf der Darstellung der Information um die Beifahrerseite liegen. Die Möglichkeit einer hinsichtlich ihrer Position veränderlichen Darstellung wird auch im Hinblick auf zusätzliche, gesetzlich nicht vorgeschriebene Sichtbereiche erwähnt (Streitpatentschrift, Absatz [0030]).
Dynamische, sich in Reaktion auf eine Erhöhung der Geschwindigkeit des Fahrzeugs verändernde Darstellung von zusammengesetzten Bildern mit sich daraus ergebenden adaptiven Größen der Bildabschnitte waren dem Fachmann z. B. aus der Druckschrift NK7, Patentanspruch 14 und Beschreibung, Absatz [0043], bekannt. Es bedurfte keiner erfinderischen Tätigkeit, um dieses bekannte Prinzip auf die Darstellung mehrerer gesetzlicher Sichtfelder zu übertragen.
5. Somit kann das Streitpatent auch nicht im Umfang einer Kombination des erteilten Patentanspruchs 1 mit den von der Beklagten geltend gemachten Unteransprüchen Bestand haben.
Auch in den übrigen Unteransprüchen ist nichts Schutzfähiges zu erkennen. Für einen Elektroingenieur, der mit Bildwiedergabesystemen vertraut ist, bewegen sich die dort genannten Ausgestaltungen im Rahmen dessen, was von ihm erwartet werden kann.
Das Streitpatent ist somit insgesamt für nichtig zu erklären.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
VI. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch Hildebrandt Küest Dr. Schnurr Dr. Großmann Pr