IV ZR 124/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES IV ZR 124/23 URTEIL Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNeu:
nein in dem Rechtsstreit Verkündet am: 22. Mai 2024 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle ZPO § 256 Der für die Bejahung des nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresses ausreichenden Erwartung, der Beklagte werde bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten, steht es nicht entgegen, dass eine erneute gerichtliche Inanspruchnahme des Beklagten zur Durchsetzung der aus dem Feststellungsurteil resultierenden Forderungen nicht ausgeschlossen werden kann (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 13. April 2022 - IV ZR 60/20, r+s 2022, 328 Rn. 16).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2024 - IV ZR 124/23 - OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main ECLI:DE:BGH:2024:220524UIVZR124.23.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann, die Richter Dr. Götz und Piontek im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 2. Mai 2024 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 35.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter auf von ihm per E-Mail und Telefax eingereichte Anträge Behandlungskosten zu erstatten hat.
Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die aufgrund ihrer Satzung Fürsorgepflichten in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen und bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten erfüllt, die dem durch Art. 1 § 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz - ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) gebildeten Bundeseisenbahnvermögen nach den §§ 78, 80 Bundesbeamtengesetz (BBG) obliegen. Sie gewährt ihren Mitgliedern Leistungen nach Satzung und Tarif. Nach § 32 der ab dem 1. Januar 2019 geltenden Satzung der Beklagten (im Folgenden: KVBS) kann das Mitglied gegen Entscheidungen der Bezirksleitungen aus dem Leistungsrecht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten Beschwerde zum Beschwerdeausschuss und gegen Beschwerdeentscheidungen des Beschwerdeausschusses innerhalb einer gleichen Ausschlussfrist die weitere Beschwerde an den Vorstand erheben. Gegen die Entscheidungen des Vorstands der Beklagten ist nach § 32 Abs. 5 KVBS innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten die Klage im ordentlichen Rechtsweg zulässig.
§ 30 KVBS lautet auszugsweise:
"…
- Die Leistungen werden nur auf Antrag gewährt. … Für den Antrag sind ein vorgeschriebener Vordruck, den die KVB unentgeltlich abgibt, oder von der KVB freigegebene elektronische Antragsverfahren zu verwenden.
…
- Dem Vordruck 'Erstattungsantrag' sind alle Belege beizufügen. Zweitschriften sind grundsätzlich ausreichend; auf Rezeptkopien muss ein Originalstempel der abgebenden Apotheke angebracht sein.
Bei der Nutzung von der KVB freigegebener elektronischer Antragsverfahren sind alle Images (Abbilder) der Belege zu übermitteln, bei Rezepten muss der Originalstempel der abgebenden Apotheke erkennbar sein.
…" Die am 4. August 2021 verstorbene und vom Kläger beerbte Mutter des Klägers war bis zu ihrem Tod Mitglied der Beklagten. Sie hatte den Kläger bevollmächtigt, für sie Erstattungsanträge bei der Beklagten zu stellen. Zwischen dem Kläger bzw. seiner Mutter und der Beklagten waren in der Vergangenheit (Gerichts-)Verfahren zu solchen Erstattungsanträgen anhängig, in denen die Parteien auch über den fristgerechten Zugang der vom Kläger für seine Mutter postalisch eingereichten Anträge gestritten haben.
Ab Anfang 2020 reichte der Kläger im Namen seiner Mutter Erstattungsanträge unter Verwendung des Antragsvordrucks der Beklagten jeweils per E-Mail mit einem Anhang im PDF-Format an die E-Mail-Adresse "a. .w. @kvb-bund.de" und per Telefax an die Bezirksleitung W. ein. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass eine Einreichung der Erstattungsunterlagen per E-Mail oder Telefax nicht zulässig sei und erbat eine Einreichung der Unterlagen mit einem mit Originalunterschrift versehenen Vordruck auf dem Postweg an ihre zentrale Posteingangsstelle oder elektronisch über die App "KVB Erstattung". Eine vom Kläger hinsichtlich eines Teils der eingereichten Anträge daraufhin erhobene Beschwerde wurde durch den Beschwerdeausschuss der Beklagten mit Schreiben vom 30. Oktober 2020, die weitere Beschwerde mit Schreiben vom 20. Mai 2021 durch den Vorstand der Beklagten zurückgewiesen.
Der Kläger ist der Auffassung, die Einreichung der Erstattungsanträge per E-Mail oder Telefax sei zulässig. Das Landgericht hat seine Klage auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm im Hinblick auf die für seine Mutter eingereichten Erstattungsanträge die entsprechend dem gültigen Tarif der Beklagten zu errechnenden Erstattungsbeträge zu gewähren und die festgesetzten Erstattungsbeträge an ihn auszuzahlen, abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Dieses hat angenommen, die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle es jedenfalls an dem nach § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, weil ihm eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit zustehe. Ihm sei die Klage auf Leistung möglich und zumutbar. Den eingereichten Erstattungsanträgen lägen konkrete Arzt- und Gebührenrechnungen zugrunde, aufgrund derer der geltend gemachte Zahlungsanspruch durch einfache Rechenoperation bestimmt werden könne. Dass der Kläger den genauen Prozentsatz des ihm als Erbe seiner Mutter nach den Satzungsbedingungen zustehenden Erstattungsbetrages nicht kenne, führe nicht zum Entfall des Vorrangs der Leistungsklage.
Entgegen der vom Landgericht geäußerten Rechtsauffassung bestehe ein Feststellungsinteresse auch nicht ausnahmsweise, weil von der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erwarten sei, dass eine Erstattung auch ohne Leistungstitel erfolgen würde. Zwar sei grundsätzlich bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts von einer Erfüllungsbereitschaft nach einem rechtskräftigen Feststellungsurteil auszugehen. Vorliegend könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Rechtsstreit wegen der Höhe der etwaigen Forderungen fortgesetzt werde. Da es keinen konkreten Vortrag dazu gebe, in welcher Höhe eine Erstattung zu erfolgen hätte, könnten die Forderungen der Höhe nach nicht unstreitig sein. Unabhängig davon begründe auch das, über die reine rechtliche Auseinandersetzung hinausgehende, grundsätzliche Zerwürfnis zwischen den Parteien Zweifel an einer einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits hinsichtlich der Höhe der Forderungen. Angesichts der, auch von Klägerseite vorgetragenen, gewissen Komplexität der Berechnung der Forderungshöhe mit zahlreichen zu berücksichtigenden Faktoren, sei auch nicht davon auszugehen, dass ein Streit über die Forderungshöhe deswegen nicht zu erwarten wäre, weil die Höhe der Forderungen offensichtlich, ohne konkrete Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung, feststünde.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Feststellungsklage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zulässig.
Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Diese Voraussetzungen, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen sind (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 2018 - IV ZR 222/16, BGHZ 219, 142 Rn. 14 m.w.N.), sind gegeben.
a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung stellt die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm im Hinblick auf die im Klageantrag näher bezeichneten Erstattungsanträge die tarifgemäßen Leistungen zu gewähren, ein nach § 256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Gegenstand des Antrags ist nicht die abstrakte Vorfrage, ob die Einreichung der Erstattungsanträge per E-Mail oder Telefax nach den Satzungsbestimmungen der Beklagten zulässig war, bei der es sich für sich genommen um kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handelt, sondern die Feststellung von Inhalt und Umfang der Leistungspflicht der Beklagten. Diese kann Gegenstand der Feststellung sein (vgl. BGH, Urteile vom 11. November 2022 - V ZR 213/21, NJW 2023, 217 Rn. 62; vom 2. September 2021 - VII ZR 124/20, MDR 2021, 1546 Rn. 25; jeweils m.w.N.).
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse sei nicht gegeben. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert entgegen seiner Auffassung nicht am Vorrang der Leistungsklage.
aa) Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm zwar regelmäßig das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (Senatsurteil vom 13. April 2022 - IV ZR 60/20, r+s 2022, 328 Rn. 16 m.w.N.). Eine allgemeine Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage besteht aber nicht. Vielmehr bleibt - wie das Berufungsgericht noch zutreffend erkannt hat - die Feststellungsklage dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt (Senatsurteil vom 15. März 2006 - IV ZR 4/05, VersR 2006, 830 Rn. 19 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 14. Juli 2010 - IV ZR 250/09, VersR 2010, 1598 Rn. 11). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf; der Bundesgerichtshof hat das bereits mehrfach angenommen, wenn es sich bei der beklagten Partei um eine Bank, eine Behörde oder ein großes Versicherungsunternehmen handelt (Senatsurteile vom 15. März 2006 aaO; vom 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04, VersR 2005, 629 [juris Rn. 23]; jeweils m.w.N.; vgl. auch Senatsurteil vom 13. April 2022 aaO).
bb) (1) Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte diese Erwartung nicht ebenfalls rechtfertigt. Anders als das Berufungsgericht meint, steht es der genannten Erwartung insbesondere nicht entgegen, dass eine erneute gerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten zur Durchsetzung der aus dem Feststellungsurteil resultierenden Forderungen nicht ausgeschlossen werden kann, weil sich die Parteien bislang zur Frage der Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen nicht erklärt haben. Es ist nicht festgestellt und auch nicht vorgetragen, dass sich in der Vergangenheit Streitigkeiten hinsichtlich der Höhe der tariflichen Erstattungen ergeben hätten. Den Parteien geht es vielmehr allein darum, die Frage geklärt zu wissen, ob die Beklagte die Erstattungsanträge zu bearbeiten und Leistungen zu erbringen hat, obwohl sie vom Kläger nebst den zugehörigen Belegen weder auf dem Postweg noch in einem von der Beklagten freigegebenen elektronischen Antragsverfahren eingereicht worden sind.
(2) Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Senatsurteil vom 13. April 2022 (IV ZR 60/20, r+s 2022, 328 Rn. 16). Der Senat hat dort ausgeführt, dass die Zulässigkeit der gegen einen Versicherer erhobenen Feststellungsklage nicht mit der Erwartung bejaht werden kann, dieser werde auf ein entsprechendes Feststellungsurteil seinen rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, wenn er ausdrücklich die Zulässigkeit der Klage in Abrede stellt und die Ansprüche der Höhe nach bestreitet. Diese Erwägungen lassen sich - anders als das Berufungsgericht meint - nicht auf Fälle übertragen, in denen - wie hier - ein künftiger Streit der Parteien über die Anspruchshöhe lediglich nicht ausgeschlossen werden kann. Entscheidend ist nicht, ob eine erneute Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung des Anspruchs nur möglich erscheint (entgegen Greger in Zöller, ZPO 35. Aufl. § 256 Rn. 15), sondern ob bereits ersichtlich ist, dass der Streit der Parteien zu einem weiteren Prozess - einer Leistungsklage des Klägers - führen muss (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 - III ZR 245/98, NJW 2003, 3488 [juris Rn. 8]; insoweit in BGHZ 155, 279 nicht abgedruckt).
Es kommt demnach - anders als das Berufungsgericht meint - nicht darauf an, ob die Anspruchshöhe offensichtlich und ohne konkrete Anknüpfungspunkte für eine abweichende Beurteilung feststeht. Entscheidend ist vielmehr, ob die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, die gerichtliche Entscheidung auch ohne den Zwang der Rechtskraft anzuerkennen und zum Anlass von Maßnahmen zu nehmen, die im Interesse des Feststellungsklägers liegen (RGZ 129, 31, 34). Der vom Berufungsgericht angeführte Umstand, dass angesichts der Komplexität der Berechnung der Forderungshöhe mit zahlreichen nach dem Tarif der Beklagten zu berücksichtigenden Faktoren, ein Streit der Parteien über die Höhe der Forderung nicht ausgeschlossen werden könne, spricht daher nicht gegen, sondern für die Anerkennung eines Feststellungsinteresses. Denn bei der Beurteilung der Frage, ob die Erhebung einer Feststellungsklage gegen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts - wie hier - ein sachgerechter Weg ist, ist auch zu berücksichtigen, dass die Formulierung eines Leistungsantrags mit dem Ziel, ein vollstreckungsfähiges Urteil zu erwirken - gerade auch in der hier zu beurteilenden Konstellation -, gewisse Schwierigkeiten bereitet (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82, NJW 1984, 1118 [juris Rn. 15]).
(3) Dass zwischen den Parteien ein grundsätzliches Zerwürfnis bestünde, welches Zweifel an einer Beilegung des Streits der Parteien auch ohne einen auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitel begründen könnte, ist nicht festgestellt, von der Beklagten nicht eingewandt und im Übrigen auch nicht ersichtlich. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger gehe es nicht lediglich um eine schnelle und effektive Durchsetzung der Forderungen, beruht - wie die Revision zu Recht rügt - auf Spekulationen, welche die erforderlichen Feststellungen nicht ersetzen können. Soweit das Berufungsgericht seine Annahme damit begründet hat, dass der Kläger an der von der Beklagten beanstandeten Form einer Einreichung der Erstattungsanträge in Kenntnis deren Rechtsauffassung festgehalten hat, obwohl ein anderes, auf schnelle und effektive Durchsetzung der Forderung gerichtetes Vorgehen für ihn ohne nennenswerte Aufwendungen möglich gewesen wäre, hat es zudem aus dem Blick verloren, dass der Kläger gerade die Möglichkeit einer eigenen Berechnung der Forderungshöhe mangels Kenntnis des seiner Mutter nach Satzung und Tarif der Beklagten anzuwendenden Erstattungsbetrages in Abrede gestellt hat.
(4) Da mithin vorliegend bereits der vom Berufungsgericht angenommene Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage nicht besteht, kann das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, im Wege einer Stufenklage sogleich auf Leistung zu klagen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 3. April 1996 - VIII ZR 3/95, VersR 1996, 848 [juris Rn. 40]).
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klage sei unzulässig, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen (teilweise) als richtig (§ 561 ZPO) dar.
Der Zulässigkeit der Klage steht - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht entgegen, dass es hinsichtlich einzelner Erstattungsanträge des Klägers an einer Entscheidung des Vorstands der Beklagten fehlt. Hierbei bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob das in § 32 KVBS hinsichtlich der Entscheidungen der Bezirksleitungen der Beklagten aus dem Leistungsrecht vorgesehene Beschwerdeverfahren die stillschweigende Vereinbarung beinhaltet, dass das Mitglied der Beklagten bis zur Entscheidung des Vorstands nicht gegen die Beklagte vorgehen werde und damit rechtlich ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) darstellt, welches die Klagbarkeit des Anspruchs zeitweilig ausschließt und deshalb dazu führt, dass eine abredewidrig erhobene Klage als unzulässig abzuweisen ist (vgl. zu einer entsprechenden Regelung in der Satzung einer Zusatzversorgungskasse Senatsurteil vom 26. Oktober 1994 - IV ZR 310/93, VersR 1995, 191 [juris Rn. 35 ff.]). Der Sinn dieser Satzungsregelung besteht erkennbar darin, der Beklagten Gelegenheit zu geben, die eigene Entscheidung selbst zu überprüfen und den gegen sie erhobenen Einwendungen abzuhelfen, falls sie diese für berechtigt ansieht. Diesem Zweck ist Genüge getan, wenn die Beklagte - wie hier - unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie den Einwendungen nicht abhelfen will (vgl. zum Widerspruchsverfahren BVerwG NVwZ 1984, 507 [juris Rn. 9]). Es wäre reine Förmelei zu verlangen, das Mitglied der Beklagten müsse vor Erhebung einer Klage das Beschwerdeverfahren in Bezug auf einzelne Entscheidungen aus dem Leistungsrecht erneut durchlaufen, wenn dessen Ergebnis - wie hier - bereits feststeht. Eine Berufung auf die mit der Satzungsregelung eingeräumte formale Rechtsposition verstößt in einem solchen Fall gegen § 242 BGB, welchem neben den auf die Satzung der Beklagten anwendbaren §§ 307-309 BGB (vgl. Senatsurteil vom 10. September 2003 - IV ZR 387/02, VersR 2003, 1386 [juris Rn. 4] m.w.N.) die Funktion der sogenannten Ausübungskontrolle zukommt (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2016 - IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51 Rn. 21 m.w.N.).
III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie ist nicht zur Endentscheidung reif, weil sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht mit der sachlichen Berechtigung der Klage befasst hat und das Berufungsurteil auch keinen Sachverhalt ergibt, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2017 - V ZR 19/16, NJW-RR 2018, 719 Rn. 43, insoweit in BGHZ 216, 83 nicht abgedruckt).
Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller Dr. Bußmann Dr. Götz Piontek Vorinstanzen: LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 10.01.2022 - 2-04 O 186/21 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.05.2023 - 3 U 43/22 -