19 W (pat) 69/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 69/17 BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
Verkündet am 27. August 2018 Biernatzki Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. August 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
ECLI:DE:BPatG:2018:270818B19Wpat69.17.0 Gründe I.
Die Anmelderin hat am 24. Februar 2004 unter Inanspruchnahme der Unionspriorität der japanischen Voranmeldung 2003-46390 vom 24. Februar 2003 eine Anmeldung mit der Bezeichnung „Fahrzeug-Steuersystem“ eingereicht und die Erteilung eines Patents beantragt.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse B 60 W – hat die Anmeldung durch Beschluss vom 19. Dezember 2016 in der Fassung nach Hauptantrag zurückgewiesen und auf die Anmeldung in der Fassung nach Hilfsantrag ein Patent erteilt. In der schriftlichen Begründung ist u. a. sinngemäß ausgeführt, der Gegenstand gemäß dem unabhängigen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 27. Januar 2017.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 W des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2016 aufzuheben und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen,
Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2018,
Beschreibung, Seiten 1 bis 4a vom 14. November 2016, Seiten 5 bis 29 vom 24. Februar 2004,
Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 6, vom 24. Februar 2004.
Die Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 27. August 2018 lautet:
1. Fahrzeug-Steuersystem das aufweist: eine Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) zur Steuerung einer Fahrbedingung eines Fahrzeugs, um einen Zwischenfahrzeugabstand zu einem vorausbefindlichen Fahrzeug, das ein Objekt vor dem Fahrzeug ist, anzupassen, durch Einstellen einer Sollsteuergröße auf der Grundlage eines Abstands und einer Relativgeschwindigkeit zu dem Objekt und zum Beschleunigen oder Verzögern des Fahrzeugs gemäß der Sollsteuergröße, eine Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung (4) zur Durchführung einer Steuerung zur Vermeidung einer Kollision mit dem Objekt, wenn die Kollision durch eine Steuerung der Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) nicht vermieden werden kann, eine Abbrucheinrichtung zum Abbrechen eines Betriebsmodus, der die Durchführung der Steuerung der Fahrbedingung durch die Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) erlaubt, wenn eine Steuerung durch die Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung (4) aktiviert wird, wenn der Betriebsmodus der Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) aktiv ist; und eine Alarmeinrichtung (7) zur Erzeugung eines Kollisionsalarms, wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung (4) aktiviert wird, wobei die Abbrucheinrichtung nach dem Abbrechen des Betriebsmodus verhindert, dass die Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) automatisch in den Betriebsmodus, der die Durchführung der Steuerung der Fahrbedingung erlaubt, zurückkehrt,
die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung fortsetzt [sic!] wird, wenn nach der Durchführung eines Kollisionsalarms der Kollisionsalarm von dem Fahrer des Fahrzeugs durch Betätigung des Gaspedals zurückgesetzt wird, ohne dass eine Aktivierung der Kollisionsvermeidungssteuerung erfolgt ist, und die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung auf die Kollisionsvermeidungssteuerung abgebrochen und lediglich auf das Einschalten eines Einstellschalters wieder begonnen wird.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurde u. a. die Druckschrift DE 101 18 707 A1 entgegengehalten:
Zum Wortlaut der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Anmeldung betrifft ein Fahrzeug-Steuersystem zur Steuerung von Fahrbedingungen, wie zum Beispiel einer Fahrgeschwindigkeit und eines Zwischenfahrzeugabstands, insbesondere zur Kollisionsvermeidung auf der Grundlage des Abstandes oder der Relativgeschwindigkeit zu einem Objekt vor dem Fahrzeug (erster Absatz auf Seite 1 der ursprünglichen Beschreibung).
In der Beschreibungseinleitung der Anmeldung wird erläutert, dass diese Art von Fahrzeug-Steuersystem als adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC) bekannt sei, die ein vorausfahrendes Fahrzeug als Hindernis erfasse und den Motor, das Getriebe sowie die Bremsen des Fahrzeugs automatisch steuere, um eine Sollbeschleunigung vorzugeben, die auf Grundlage des Abstandes und der Relativgeschwindigkeit zum vorausfahrenden Fahrzeug und der Fahrbedingung des Fahrzeugs bestimmt werde. Dies ermögliche es, den richtigen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug aufrecht zu erhalten (zweiter Absatz auf Seite 1).
Zum technischen Hintergrund ist in der Beschreibung weiter ausgeführt, dass das ACC-System typischerweise eine begrenzte maximale Verzögerung (minimale Beschleunigung) vorsehe, die beim Bremsen im Regelbetrieb eines Fahrzeugs nicht überschritten werde. In einigen Fällen sei es bei einer Steuerung mit dieser maximalen Verzögerung jedoch nicht möglich, eine Kollision mit einem vorausfahrenden Fahrzeug zu verhindern. Aus diesem Grund seien verschiedene Steuervorrichtungen zur Vermeidung einer Kollision vorgeschlagen worden, die in Verbindung mit einem ACC-System zu verwenden sind. Durch Kombinieren dieser Techniken solle es möglich sein, eine Steuervorrichtung zur Kollisionsvermeidung vorzusehen, die in Verbindung mit einem ACC-System verwendet werde, die das Fahrzeug automatisch stärker abbremse, als es der maximalen Verzögerung des ACC-Systems entspricht, wenn erkannt werde, dass die maximale Verzögerung des ACC-Systems nicht ausreicht, um eine Kollision mit einem vorausfahrenden Fahrzeug zu verhindern (Seite 1, Zeile 24 bis Seite 2, Zeile 25).
Bei der Verwendung einer Vorrichtung, die zusätzlich zu einem ACC-System automatisch eine Steuerung zur Kollisionsvermeidung durchführe, sei dem Fahrer oft jedoch nicht bewusst, dass sich sein Fahrzeug in einem möglichen Kollisionszustand befindet. Sogar wenn dem Fahrer diese Tatsache bewusst sei, könne er es trotzdem unterlassen, in die Steuerung einzugreifen, da er die Wirkung der Vorrichtung überschätzen würde. Diese Vorrichtungen seien aber nur zur Unterstützung des Fahrers vorhanden und würden sogar verschiedene Risiken vergrößern,
falls der Fahrer nicht in die Steuerung eingreift (Seiten 2 und 3 übergreifender Absatz).
Insbesondere könnten diese herkömmlichen Kollisionsvermeidungsvorrichtungen bei bestimmtem Verhalten eines vorausfahrenden Fahrzeugs (z. B. einer plötzlichen Verzögerung) oder bei unvorhersehbaren Bedingungen der Fahrbahnoberfläche (z. B. einer eisbedeckten Fahrbahnoberfläche) nicht in der Lage sein, Kollisionen zu vermeiden, oder durch die irrtümliche Erfassung eines Objekts das Risiko des Zusammenstoßes mit einem dem eigenen Fahrzeug nachfolgenden Fahrzeug erhöhen (erster und zweiter vollständiger Absatz auf Seite 3).
Der Erfindung liegt daher nach Erkenntnis des Senats die Aufgabe zugrunde, die bei herkömmlichen Fahrerassistenzsystemen auftretenden Probleme zu vermeiden, indem der Fahrer zuverlässig veranlasst wird, in die Steuerung einzugreifen, falls Kollisionsalarm ausgelöst und/oder die Kollisionsvermeidungssteuerung aktiviert wurde (siehe hierzu den die Seiten 3 und 4 übergreifenden Absatz).
2. Die gestellte Aufgabe soll durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag vom 27. August 2018 gelöst werden, der sich – unter Korrektur eines offensichtlichen Fehlers – wie folgt gliedern lässt:
M1 Fahrzeug-Steuersystem das aufweist: M2 eine Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) zur Steuerung einer Fahrbedingung eines Fahrzeugs, um einen Zwischenfahrzeugabstand zu einem vorausbefindlichen Fahrzeug, das ein Objekt vor dem Fahrzeug ist, anzupassen, durch Einstellen einer Sollsteuergröße auf der Grundlage eines Abstands und einer Relativgeschwindigkeit zu dem Objekt und zum Beschleunigen oder Verzögern des Fahrzeugs gemäß der Sollsteuergröße, M3 eine Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung (4) zur Durchführung einer Steuerung zur Vermeidung einer Kollision mit dem Objekt, wenn die Kollision durch eine Steuerung der Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) nicht vermieden werden kann, M4 eine Abbrucheinrichtung zum Abbrechen eines Betriebsmodus, der die Durchführung der Steuerung der Fahrbedingung durch die Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) erlaubt, wenn eine Steuerung durch die Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung (4) aktiviert wird, wenn der Betriebsmodus der Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) aktiv ist; und M5 eine Alarmeinrichtung (7) zur Erzeugung eines Kollisionsalarms, wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung (4) aktiviert wird, wobei M6 die Abbrucheinrichtung nach dem Abbrechen des Betriebsmodus verhindert, dass die Fahrbedingungssteuereinrichtung (2) automatisch in den Betriebsmodus, der die Durchführung der Steuerung der Fahrbedingung erlaubt, zurückkehrt, M7 die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung fortgesetzt wird, wenn nach der Durchführung eines Kollisionsalarms der Kollisionsalarm von dem Fahrer des Fahrzeugs durch Betätigung des Gaspedals zurückgesetzt wird, ohne dass eine Aktivierung der Kollisionsvermeidungssteuerung erfolgt ist, und M8 die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung auf die Kollisionsvermeidungssteuerung abgebrochen und lediglich auf das Einschalten eines Einstellschalters wieder begonnen wird.
3. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann einen Diplom-Ingenieur der Fahrzeugtechnik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen, zu Grunde.
4. Dieser Fachmann versteht die erklärungsbedürftigen Begriffe des unabhängigen Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag wie folgt:
4.1 „Fahrzeug-Steuersystem“ (Merkmal M1) Der Fachmann versteht, dass es sich bei dem anspruchsgemäßen FahrzeugSteuersystem, technisch betrachtet tatsächlich um ein Fahrzeug-Regelungssystem handelt. Dies ergibt sich für den Fachmann daraus, dass beim Anmeldungsgegenstand vorgesehen ist, die Geschwindigkeit sowie der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in dem System als Rückführ- und Stellgröße einzubeziehen, so dass ein geschlossener Wirkungsablauf vorhanden ist (siehe Merkmal M2). Eine Steuerung sähe im Gegensatz zur Regelung keine Rückkopplung und folglich keinen geschlossenen Wirkungsablauf vor.
4.2 „Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung“ (Merkmal M3) Unter dieser „Steuereinrichtung“ versteht der Fachmann eine Komponente des Fahrzeug-Steuersystems, welche in einem Zustand, in dem der Betrieb durch die Fahrbedingungssteuereinrichtung wegen der eingestellten maximalen Bremswirkung eine Kollision nicht mehr verhindern kann, die Steuerung des Systems übernimmt und gegebenenfalls mit deutlich niedrigeren Beschleunigungswerten d. h. stärkerem Abbremsen eine drohende Kollision verhindert.
4.3 „Abbrucheinrichtung“ (Merkmale M4 und M6) Die Abbrucheinrichtung beendet den Betriebsmodus in dem die Fahrbedingungssteuereinrichtung aktiv ist und den Zwischenfahrzeugabstand zu einem vorausbefindlichen Fahrzeug anpasst. Stattdessen wird die Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung aktiviert um eine Kollision möglichst zu verhindern. Zusätzlich verhindert die Abbrucheinrichtung, dass der Betriebsmodus der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung automatisch wieder gestartet wird.
4.4 „Zwischenfahrzeugabstandssteuerung“ (Merkmale M7 und M8) Die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung ist der Betriebsmodus in dem die Fahrbedingungssteuereinrichtung aktiv ist, d. h. der Fachmann versteht darunter die Regelung des Zwischenfahrzeugabstands, also den Standard-Betriebsmodus eines herkömmlichen ACC-Systems.
4.5 „Einstellschalter“ (Merkmal M8) Unter dem Einstellschalter versteht der Fachmann aufgrund der Beschreibung (Seite 22, Zeilen 27 bis 31) i. V. m. mit der Figur 5 den konstruktiv nicht beschriebenen Sollzwischenfahrzeugabstandseinstellschalter 9, der zum Starten der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung vorgesehen ist (Seite 10, Zeilen 18 bis 20 und 26 bis 31).
5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist mangels Beruhens auf einer erfinderischen Tätigkeit nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).
5.1 Den Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns um eine Fortentwicklung und Verbesserung eines Fahrzeug-Steuersystems bildet zur Überzeugung des Senats die Lehre der auch schon von der Prüfungsstelle in Betracht gezogenen Druckschrift DE 101 18 707 A1 (im Folgenden: Druckschrift D1).
In der Druckschrift D1 ist ein Verfahren zur Kollisionsverhinderung beschrieben, insbesondere für den Einsatz in Verbindung mit einem System zur adaptiven Geschwindigkeits- und Abstandsregelung (ACC-System) bei Kraftfahrzeugen, bei dem vor dem Fahrzeug befindliche Hindernisse mit einem fahrzeugeigenen Ortungssystem erfasst werden. Aus den Ortungsdaten wird eine Kollisionswahrscheinlichkeit berechnet und in Abhängigkeit von der Kollisionswahrscheinlichkeit werden eine oder mehrere abgestufte Reaktionen zur Vermeidung der Kollision ausgelöst (Absätze 0001 und 0002). Um einerseits eine Kollision mit hoher Sicherheit vermeiden zu können und andererseits die Häufigkeit von unnötigen Fahrzeugverzögerungen zu reduzieren (Absatz 0006), werden bei einem Verdacht auf eine Kollisionsgefahr zunächst vorbereitende Maßnahmen, wie beispielsweise das Befüllen der Totvolumina im Hydrauliksystem der Bremsanlage oder ein Vorspannen der Bremsanlage in Abhängigkeit von der errechneten Kollisionswahrscheinlichkeit, ergriffen, die zu einer Verkürzung der Reaktionszeit ohne unnötige Fahrzeugverzögerung und zu einem wesentlich rascheren Einsetzen der Bremswirkung führen (Absätze 0007 bis 0012).
Aus der Druckschrift D1 ist hinsichtlich des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag für den Fachmann Folgendes offenbart:
M1 Ein Fahrzeug-Steuersystem. (Absatz 0022, Zeilen 17 bis 19: „In Fig. 1 ist symbolisch ein Kraftfahrzeug 10 gezeigt, dessen Geschwindigkeit mit Hilfe eines ACC-Systems geregelt wird.“; Figur 1)
M2 Eine Fahrbedingungssteuereinrichtung zur Steuerung einer Fahrbedingung eines Fahrzeugs, um einen Zwischenfahrzeugabstand zu einem vorausbefindlichen Fahrzeug anzupassen, durch Einstellen einer Sollsteuergröße auf der Grundlage eines Abstands und einer Relativgeschwindigkeit zu dem Objekt und zum Beschleunigen oder Verzögern des Fahrzeugs gemäß der Sollsteuergröße. (Absatz 0002, 1. Satz: „Das Verfahren ist insbesondere für den Einsatz in Verbindung mit einem System zur adaptiven Geschwindigkeits- und Abstandsregelung bei Kraftfahrzeugen vorgesehen, …“, Absatz 0002, Zeilen 28 bis 33: „In Abhängigkeit von den Meßdaten dieses Radarsensors wird dann die Geschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs so geregelt, daß zu dem unmittelbar vorausfahrenden Fahrzeug ein vorbestimmter Abstand eingehalten wird, den der Fahrer in der Form einer sogenannten Sollzeitlücke bestimmen kann.“ und Absatz 0014, 1. Satz: „Bei Fahrzeugen mit ACC-System … positive oder negative Beschleunigung des Fahrzeugs … bewirkt wird.“)
M3 Eine Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung zur Durchführung einer Steuerung zur Vermeidung einer Kollision mit dem Objekt,
wenn die Kollision durch eine Steuerung der Fahrbedingungssteuereinrichtung nicht vermieden werden kann. (Absatz 0014, Zeilen 32 bis 35: „Die Umschaltung von Motorbetrieb auf Bremsbetrieb erfolgt dann, wenn das Beschleunigungsanforderungssignal einen niedrigen Schwellenwert unterschreitet“, Absatz 0027, Zeilen 17 bis 25: „Wenn jedoch die Entscheidungseinheit 18 feststellt, daß die so erzielbare Fahrzeugverzögerung nicht ausreicht, die Istbeschleunigung des Fahrzeugs mit der durch asoll repräsentierten Sollbeschleunigung in Übereinstimmung zu halten, so wird durch die Entscheidungseinheit 18 auf Bremsbetrieb umgeschaltet. In diesem Fall bleibt der Motor gedrosselt, und die Entscheidungseinheit 18 liefert einen Stellbefehl B an ein Brems-Steuersystem 24 des Fahrzeugs.“ und Absatz 0034, Zeilen 51 bis 54: „Die Überschreitung des höheren zweiten Schwellenwertes P2 bedeutet akute Kollisionsgefahr und führt zur Auslösung eines Bremsvorgangs.“) M4 Eine Abbrucheinrichtung zum Abbrechen eines Betriebsmodus, der die Durchführung der Steuerung der Fahrbedingung durch die Fahrbedingungssteuereinrichtung erlaubt, wenn eine Steuerung durch die Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung aktiviert wird, wenn der Betriebsmodus der Fahrbedingungssteuereinrichtung aktiv ist. (Absatz 0027, Zeilen 17 bis 23: „… wird durch die Entscheidungseinheit 18 auf Bremsbetrieb umgeschaltet. In diesem Fall bleibt der Motor gedrosselt ...“; Der Fachmann liest dabei unmittelbar mit, dass mit dem Beginn der Kollisionsvermeidungssteuerung beim (Not-)Brems-Modus der Betriebsmodus der Fahrbedingungssteuereinrichtung deaktiviert d. h. abgebrochen wird. Die Entscheidungseinheit 18 der Druckschrift D1 entspricht somit der Abbrucheinrichtung des Anmeldungsgegenstandes.)
M5 Eine Alarmeinrichtung zur Erzeugung eines Kollisionsalarms, wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung aktiviert wird. (Eine Alarmeinrichtung vorzusehen, die in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeit der Aktivierung der Kollisionsvermeidungssteuereinrichtung einen Kollisionsalarm erzeugt, wird dem Fachmann in der Druckschrift D1 durch den dort in Absatz 0004 genannten Stand der Technik zumindest nahegelegt, vgl. Zeilen 57 und 60: „In Abhängigkeit von der so ermittelten Kollisionswahrscheinlichkeit erfolgt dann eine Reaktion in drei Stufen. In Stufe 1 wird lediglich ein akustisches oder optisches Warnsignal für den Fahrer ausgegeben.“)
M8Teil Die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung wird auf die Kollisionsvermeidungssteuerung abgebrochen. (Wie bereits zum Merkmal M4 dargelegt, wird der Betriebsmodus der Fahrbedingungssteuereinrichtung, d. h. die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung durch die Abbrucheinrichtung zugunsten der Kollisionsvermeidungssteuerung abgebrochen und der Fachmann liest beispielsweise bei der Offenbarung nach Absatz 0027, Zeilen 17 bis 23: „… wird durch die Entscheidungseinheit 18 auf Bremsbetrieb umgeschaltet. In diesem Fall bleibt der Motor gedrosselt ...“ ohne Weiteres mit, dass bei der genannten Umschaltung immer nur entweder der der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung entsprechende Motorbetrieb, oder der der Kollisionsvermeidungssteuerung entsprechende Bremsbetrieb aktiv ist, so dass die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung abgebrochen und verhindert wird, sobald und solange die Kollisionsvermeidungssteuerung durchgeführt wird. Durch welche Maßnahme nach diesem Abbruch die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung wieder begonnen wird, ist in der Druckschrift D1 nicht explizit beschrieben.)
Als Unterschiede zwischen der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 und dem ACCSystem aus der Druckschrift D1 verbleiben lediglich die Maßnahmen, wonach:
- die Abbrucheinrichtung verhindert, dass nach dem Abbrechen des Betriebsmodus, der die Durchführung der Steuerung der Fahrbedingung erlaubt, die Fahrbedingungssteuereinrichtung automatisch in diesen Betriebsmodus zurückkehrt (Merkmal M6),
- dieser Betriebsmodus der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung fortgesetzt wird, wenn nach der Durchführung eines Kollisionsalarms, ohne Aktivierung der Kollisionsvermeidungssteuerung dieser von dem Fahrer des Fahrzeugs durch Betätigung des Gaspedals zurückgesetzt wird (Merkmal M7) und
- die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung nach Abbruch durch die Kollisionsvermeidungssteuerung lediglich auf das Einschalten eines Einstellschalters wieder begonnen wird (Rest von Merkmal M8).
5.2 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 mag somit gegenüber dem Stand der Technik nach Druckschrift D1 als neu gelten (§ 3 PatG). Er beruht aus den folgenden Gründen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der mit der Verbesserung und Weiterentwicklung von kollisionsvermeidenden Fahrerassistenzsystemen für Kraftfahrzeuge betraute Fachmann muss ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 zwangsläufig Überlegungen anstellen, unter welchen Bedingungen die Fahrbedingungssteuereinrichtung nach einem durch die verschiedenen Reaktionen des Systems auf die jeweiligen Kollisionswahrscheinlichkeiten verursachten Abbruch in inaktivem Zustand verbleiben soll, sowie unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise die Rückkehr in den Betriebsmodus der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung wieder bewirkt werden soll.
Eine automatische Rückkehr in den Betriebsmodus der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung, d. h. ohne einen willentlichen Befehl des Fahrers oder zumin- dest eine Information an den Fahrer, welche dieser zu quittieren hat, würde bedeuten, dass der Fahrer nach einem Abbruch der Fahrbedingungssteuerung nicht mehr wüsste, in welchem Steuerungszustand sich sein Fahrzeug befindet. Einen solchen undefinierten Zustand durch entsprechende Maßnahmen bzw. Einstellungen einer Steuerungskomponente zu verhindern, ist vor allem aus Gründen der Sicherheit für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit. Es ist dabei naheliegend, dass die automatische Rückkehr in den Betriebsmodus der Fahrbedingungssteuerung von derselben Systemkomponente verhindert wird, die auch gemäß Merkmal M4 das Abbrechen dieses Betriebsmodus durchführt, also von der in der Vorrichtung nach der Druckschrift D1 als Abbrucheinrichtung fungierenden Entscheidungseinheit 18 (Merkmal M6).
Um trotzdem zu einem späteren Zeitpunkt im weiteren Fahrbetrieb das FahrzeugSteuersystem wieder betreiben zu können, steht der Fachmann vor der Aufgabe dieses so auszugestalten, dass es auf geeignete Bedienungskommandos des Fahrers entsprechend reagiert. Da das System nach der Druckschrift D1 in Abhängigkeit von der Kollisionswahrscheinlichkeit abgestufte Reaktionen der Kollisionsverhinderung vorsieht, liegt es wiederum nahe, auch für die Rückkehr zur Zwischenfahrzeugabstandssteuerung unterschiedliche Bedienungskommandos des Fahrers vorzusehen.
In einer Fahrsituation, in welcher der Betriebsmodus der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung fortgesetzt werden soll, nachdem lediglich vorbereitende Maßnahmen zur Umschaltung auf den Bremsbetrieb durchgeführt wurden, insbesondere nach der Erzeugung eines Kollisionsalarms, jedoch ohne dass die Kollisionsvermeidungssteuerung aktiviert werden musste (vgl. in Druckschrift D1, Absatz 0004, Zeilen 59 und 60: „Stufe 1“), sucht der Fachmann nach einer Möglichkeit, wie der Fahrer an dieser Mensch-Maschine-Schnittstelle einen entsprechenden Betätigungsbefehl möglichst benutzerfreundlich und ohne Ablenkung bzw. Beeinträchtigung des Fahrkomforts erteilten kann. Da er der Lehre der Druckschrift D1 außerdem noch den Hinweis entnimmt, dass der Fahrer jederzeit die Möglichkeit haben soll, aktiv in das Geschehen einzugreifen, insbesondere durch die Betätigung des Gaspedals (vgl. Absatz 0024), zieht er zumindest als naheliegende Lösung in Betracht, das Steuerverhalten so zu realisieren, dass bei NichtMehr-Bestehen der Gefährdungssituation – d. h. beispielsweise, wenn der Kollisionsalarm sich als Fehlalarm herausgestellt hat, so dass die Kollisionsvermeidungssteuerung nicht aktiviert werden musste – das System vom Fahrer durch Betätigung des Gaspedals zurückgesetzt und dadurch die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung fortgesetzt wird. Die Betätigung des Gaspedals, die der Fahrer natürlicherweise mit der Beschleunigung der Vorwärtsbewegung assoziiert, im vorliegendem Fall zur Bestätigung des Nicht-Vorhandenseins einer Kollisionsgefahr zu verwenden, ist zudem sehr intuitiv und liegt somit nach Überzeugung des Senats insgesamt im Griffbereich des Fachmanns. Auch der Anmeldevertreter hat im Übrigen diesbezüglich nichts Gegenteiliges geltend gemacht (Merkmal M7).
Völlig anders als der Systemzustand gemäß Merkmal M7, bei dem der Betriebsmodus der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung lediglich durch einen Kollisionsalarm bzw. durch die Vorbereitung des Bremsbetriebs ergänzt wird, ist dagegen der Fall erhöhter Kollisionswahrscheinlichkeit zu bewerten, bei der die Bremse möglicherweise sogar mit maximaler Bremskraft betätigt wird (vgl. in Absatz 0004, Zeilen 60 bis 63: „Stufe 3“). Davon ausgehend wäre eine unmittelbare Rückkehr zur Zwischenfahrzeugabstandssteuerung nicht nur nicht sinnvoll, sondern in der Regel sogar gefährlich. Beispielsweise könnte ein unbeabsichtigtes Reaktivieren der zuvor eingestellten Sollwerte der Zwischenfahrzeugabstandssteuerung und damit ein Beschleunigen des Fahrzeugs auf die eingestellte Sollgeschwindigkeit, nachdem durch eine Vollbremsung die Kollision mit einem langsamen oder stehenden Objekt verhindert werden konnte, doch noch zu einem Unfall führen.
Nachdem die Druckschrift D1 in Absatz 0044 lehrt, dass in einer Situation mit derartig erhöhter Kollisionswahrscheinlichkeit sogar vom System gelieferte Beschleunigungsanforderungssignale zu ignorieren sind, wird der Fachmann nicht wie im Falle des Kollisionsalarms auf die Betätigung des Gaspedals oder ein ähnliches,
möglicherweise durch eine versehentliche Fahrerreaktion auslösbares Signal zurückgreifen, um die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung zu reaktivieren. Vielmehr ist es zur Überzeugung des Senats ebenfalls dem selbstverständlichen Handeln des Fachmanns zuzuordnen, die Zwischenfahrzeugabstandssteuerung erst durch erneute Betätigung des eigens zum Einstellen und Einschalten bei jedem ACC-System vorhandenen Einschalters zu reaktivieren (Rest von Merkmal M8).
Somit ergibt sich das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag unter Berücksichtigung des Wissens und Könnens des Fachmanns in naheliegender Weise aus der Kenntnis der Druckschrift D1. Das Fahrzeug-Steuersystem nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht mithin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.3 Die auf den unabhängigen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 teilen dessen Schicksal, zumal sie keine Besonderheiten nennen, die aus Sicht des Senats zur Grundlage einer gewährbaren Anspruchsfassung hätten werden können. Auch die Beschwerdeführerin hat Derartiges nicht geltend gemacht.
Nachdem sich nach Überzeugung des Senats die Gegenstände der Patentansprüche nach Hauptantrag als nicht patentfähig erwiesen haben, war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Dr. Haupt pR