9 W (pat) 7/15
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 7/15
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung P … (einschließlich Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren) …
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 20. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dipl.-Ing. Sandkämper beschlossen:
1. Dem Anmelder wird für die Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle 21 vom 11. August 2014 Verfahrenskostenhilfe gewährt.
BPatG 152 08.05
2. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. August 2014 aufgehoben.
Gründe I.
Der Anmelder und Antragsteller hat am 14. März 1991 eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"F…“
(als Zusatzanmeldung zur Patentanmeldung P …) eingereicht und mit Schreiben vom 29. Dezember 1997 Antrag auf Verfahrenskostenhilfe (VKH) gestellt, die – nach Durchführung eines Beschwerdeverfahrens – durch Beschluss der Patentabteilung 11 vom 3. Februar 2000 gewährt worden ist. Mit Beschluss vom 11. August 2014 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 G die Zusatzanmeldung zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Anmelder den zur Weiterführung des Verfahrens erforderlichen Antrag nicht gestellt habe. Denn die Grundlage für das Zusatzverhältnis sei entfallen, da das Verfahren in der Hauptanmeldung „negativ erledigt“ sei. Dem Anmelder sei dies mit Schreiben vom 22. September 2011 mitgeteilt worden mit dem Hinweis, dass zur Weiterbearbeitung der vorliegenden Patentanmeldung der bestehende Antrag auf Erteilung eines Zusatzpatents in einen Antrag auf Erteilung eines eigenständigen Patents umgewandelt werden müsse. Da die Frist zur Erledigung dieses Bescheides ergebnislos abgelaufen sei, erfolge die Zurückweisung gemäß § 42 Abs. 3 PatG aus den Gründen dieses Bescheides.
Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 29. August 2014, eingegangen am 2. September 2014, Beschwerde eingelegt sowie Wiedereinsetzung und hinsichtlich der Beschwerdegebühr Verfahrenskostenhilfe beantragt und seine Anträge begründet; als Anlage beigefügt war u. a. ein Schriftsatz des Anmelders vom 15. März 2014, mit welchem er auf seine Situation im Zusammenhang der Räumung seiner Wohnung hingewiesen und beantragt hat, „hinsichtlich Bescheiden, Jahresgebühren, … alle Fristen einstweilig auszusetzen. Gleichzeitig beantrage ich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“. Dieser Schriftsatz nebst der genannten Anlage ist offensichtlich nicht rechtzeitig zur inzwischen elektronisch bearbeiteten Akte gelangt.
Nach Einsicht in die Patentanmeldungsakte am 10. Oktober 2014 hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 29.Oktober 2014, eingegangen am 31. Oktober 2014, erneut Anträge gestellt, nämlich Antrag auf Weiterbehandlung und Erteilung des Patents, hilfsweise auf Erteilung eines selbständigen Patents, zudem Antrag auf VKH hinsichtlich der Jahresgebühren und der weiter anfallenden Gebühren.
Hierauf hat die Patentabteilung 21 ohne Zwischenbescheid durch Beschluss vom 20. Januar 2015, an den Anmelder versandt am 6. Februar 2015, den Antrag auf VKH für das sonstige Verfahren wegen verspäteter Einlegung zurückgewiesen, da er nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses, sondern erst am 31. Oktober 2014 eingegangen sei.
Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 28. Februar 2015, eingegangen am 3. März 2015, Beschwerde eingelegt und seine Anträge wiederholt (Antrag auf Weiterbehandlung, Wiedereinsetzung sowie Haupt- und Hilfsantrag sowie VKH für eine „gegebenenfalls zu entrichtende Beschwerdegebühr“).
Am 9. März 2015 ist ein Beschluss der Prüfungsstelle ergangen, mit dem „der Antrag auf Weiterbehandlung“ zurückgewiesen worden ist mit der Begründung, dass er nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung über die Zurückweisung der Patentanmeldung eingereicht worden sei.
Hiergegen hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 18. März 2015, eingegangen am 19. März 2015, ebenfalls Beschwerde eingelegt und seine o. g. Anträge wiederholt.
Am 7. Juli 2015 hat das Patentamt die Beschwerde des Anmelders vom 2. September 2014 in die elektronische Akte aufgenommen. Das Beschwerdeoriginal ist nach Vorlage der elektronischen Akte am 18. März 2015 bei Neuanlage der Gerichtsakte im Senat in der Akteninnenlasche vorgefunden worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die vom Anmelder am 2. September 2014 eingelegte Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 11. August 2014 ist zulässig. Zwar hat der Anmelder die erforderliche Beschwerdegebühr nicht fristgerecht entrichtet, dafür aber in der Beschwerdefrist einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde gestellt und hierzu entsprechende Unterlagen eingereicht.
Diese Beschwerde nebst dem dazugehörigen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe hätte dem Senat zur Entscheidung vorgelegt werden müssen. Denn die Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenskostenhilfe in der Beschwerde obliegt dem Senat. Gemäß § 136 Abs.1 PatG i. V. m. §§ 119 Abs. 1, 127 Abs. 1 S. 2 ZPO ist die Verfahrenskostenhilfe für jeden Rechtszug von dem jeweiligen Gericht gesondert zu bewilligen (vgl. BPatG Blatt für PMZ 1991, 392; vgl. auch Schulte/ Schell, PatG, 9. Aufl. 2014, § 130 Rdn., 58; § 135 Rdn. 10; § 2 PatKostG, Rdn. 9). Einer weiteren Begründung zur Bewilligung bedarf es nicht, da bei Gewährung von Verfahrenskostenhilfe die Entscheidung gemäß § 135 Abs. 3 PatG unanfechtbar ist (vgl. auch Schulte/Schell, a. a. O., § 135 Rdn. 14). Sie ergibt sich aber ohne weiteres daraus, dass der Anmelder, dem bereits im patentamtlichen Erteilungsverfahren Verfahrenskostenhilfe gewährt worden ist, mit seinem Antrag entsprechende Unterlagen zu seiner finanziellen Bedürftigkeit beigefügt hat und seine Beschwerde offensichtlich begründet ist.
Denn der angegriffene Beschluss geht ersichtlich von falschen Voraussetzungen aus, wenn darauf verwiesen wird, dass die Hauptanmeldung negativ erledigt sei und der Anmelder nicht die erforderliche Erklärung zur Umwandlung der Zusatzanmeldung abgegeben habe. Dieser Erklärung des Anmelders bedurfte es nicht, da die Hauptanmeldung nicht negativ erledigt ist. In dem Beschluss sind auch keine sonstigen Umstände aufgeführt, aus denen sich etwas anderes ergeben könnte. Wie dem Registerauszug zur Hauptanmeldung vom 14. Oktober 2015 zu entnehmen ist, war und ist diese immer noch anhängig. Als Verfahrensstand ist dort angegeben: „Die Anmeldung befindet sich in der Vorprüfung“.
Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.
Damit haben sich aber auch die weiteren Beschwerdeverfahren des Anmelders erledigt.
Der nach der am 2. September 2014 eingelegten Beschwerde gestellte Antrag vom 29. Oktober 2014 auf Weiterbehandlung ist durch die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses obsolet geworden, da in der Weiterbehandlung kein weitergehendes Begehren liegt. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die Anträge auf Weiterbehandlung und dazugehörige Verfahrenskostenhilfe verspätet waren.
Dasselbe gilt für die beantragte Verfahrenskostenhilfe für das sonstige Verfahren. Nachdem der angegriffene Beschluss aufgehoben worden ist, wirkt die vom Patentamt bewilligte Verfahrenskostenhilfe für das sonstige Verfahren fort.
Ohnehin müssen die nach Einlegung der ersten Beschwerde gestellten Anträge und Beschwerden im Kontext der Anmelderperspektive betrachtet werden; denn der Anmelder musste nach seiner Akteneinsicht den Eindruck haben, dass seine erste Beschwerde im Patentamt nicht angekommen ist, was ihn vermutlich dazu veranlasst hat, weitere Anträge zur Weiterverfolgung seiner Zusatzanmeldung zu stellen. Hierzu wäre es wohl nicht gekommen, wenn die erste Beschwerde ordnungsgemäß der Amtsakte zugeführt worden und bei der Akteneinsicht verfügbar gewesen wäre.
Hilber Bork Paetzold Sandkämper Ko