10 W (pat) 15/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 15/13
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 11 2011 100 659.4 wegen Einleitung der nationalen Phase hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 26. August 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Kober-Dehm BPatG 152 08.05 beschlossen:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Gründe I.
Die Anmelderin reichte am 4. März 2011 unter Inanspruchnahme der Priorität von sieben US-amerikanischen Anmeldungen aus dem Jahr 2010, wobei die älteste Priorität vom 5. März 2010 datiert, sowie einer US-amerikanischen Anmeldung vom 21. Februar 2011 die internationale Anmeldung PCT/US2011/027243 mit 165 Patentansprüchen ein und gab dabei u.a. Deutschland als Bestimmungsstaat an.
Am 20. August 2012 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Unterlagen für die Einleitung der nationalen Phase der PCT-Anmeldung für die Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung „Vorrichtungs- und Implantationssystem für elektrische Stimulation von biologischen Systemen“ mit einem gegenüber der ursprünglichen internationalen Anmeldung geänderten Anspruchssatz mit 20 Ansprüchen ein. Am selben Tag entrichtete sie mittels Einzugsermächtigung die Gebühr für eine 20 Ansprüche umfassende Anmeldung in Höhe von 360,-- €.
Das DPMA stellte am 8. Oktober 2012 eine Empfangsbescheinigung über den Eingang des Antrags auf Einleitung der nationalen Phase aus und teilte der Anmelderin in einem gesonderten Bescheid vom selben Tag mit, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei und die nationale Anmeldung unter dem Aktenzeichen 11 2011 100 659.4 geführt werde.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2013 wies das DPMA die Anmelderin darauf hin, dass das Verfahren vor dem DPMA beendet sei, da sie die Anmeldegebühr nicht innerhalb der hierfür maßgeblichen Frist des Art. 22 Abs. 1 /39 Abs. 1 PCT entrichtet habe. Ferner kündigte das DPMA die Rückerstattung der bisher gezahlten Gebühr an und wies auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hin. Der Mitteilung war ein entsprechendes Merkblatt beigefügt. Dieser Bescheid ist – wie die Mitteilung vom 8. Oktober 2012 über die Einleitung der nationalen Phase - mit der Angabe „Prüfungsstelle 35.PCT“ gezeichnet. Darunter ist das Dienstsiegel angebracht, gefolgt von dem Hinweis: „Dieses Dokument wurde elektronisch erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.“
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt,
die in der Mitteilung des DPMA vom 30. Januar 2013 getroffene Feststellung, dass das Anmeldeverfahren beendet sei, aufzuheben sowie festzustellen, dass die nationale Phase vor dem DPMA anhängig und die Anmeldegebühr in der erforderlichen Höhe fristgerecht entrichtet worden sei.
Die Anmelderin ist der Auffassung, dass sich die Gebühr nach der Anzahl der Ansprüche zum Zeitpunkt der Einleitung der nationalen Phase richte. Für eine bei einem ausländischen Anmeldeamt eingereichte PCT-Anmeldung werde eine Anmeldegebühr erst mit der Einleitung der nationalen Phase fällig. Die Einleitung der nationalen Phase einer internationalen Anmeldung sei keine Einreichung einer Anmeldung, sondern ein Antrag bzw. eine sonstige Handlung i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG. Erst mit Vornahme dieser Handlung werde die Anmeldegebühr fällig. Mit der Reduzierung der Zahl der Ansprüche von 165 auf 20 habe die Anmelderin ihre Rechte aus Art. 28 PCT ausgeübt. In Bezug auf die über diese 20 hinausgehenden Ansprüche bestehe für das DPMA gemäß Art. 23 PCT ein Bearbeitungs- und Prüfungsverbot und damit auch ein Verbot, hierfür eine Anmeldegebühr zu erheben. Es entspreche außerdem dem der Einführung der anspruchsabhängigen Anmeldegebühr zugrundeliegenden Rechtsgedanken, dass eine durch eine große Zahl von Patentansprüchen verursachte Mehrarbeit sich auch in einer entsprechend höheren Gebühr niederschlagen solle, wenn bei einer Reduzierung der Ansprüche bei Einleitung der nationalen Phase die Gebühr nach der reduzierten Zahl der Ansprüche bemessen werde. Schließlich müssten internationale Anmeldungen die Anforderungen einer Vielzahl von Rechtsordnungen abdecken. Es sei daher notwendig, die Ansprüche bei Einleitung der nationalen Phase dem dafür maßgeblichen Verfahren anzupassen. Dabei könne es nicht Absicht des deutschen Gesetzgebers gewesen sein, Gebühren auf der Grundlage von Patentansprüchen zu erheben, die in einem Verfahren vor dem DPMA nicht zulässig wären und zwangsläufig gestrichen werden müssten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gegen die Mitteilung der Prüfungsstelle 35.PCT des DPMA vom 30. Januar 2013 ist nicht statthaft und daher unzulässig. Denn es liegt kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss vor.
1. Gemäß § 73 Abs. 1 PatG findet die Beschwerde an das Patentgericht gegen die Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des Patentamts statt. Ob ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist nicht nach der äußeren Form oder Bezeichnung der Entscheidung zu beurteilen, sondern nach ihrem materiellen Gehalt. Ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift ist danach eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 73 Rn. 23). Allerdings muss das betreffende Schreiben in formeller Hinsicht den in § 47 Abs. 1 PatG genannten Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Beschluss zumindest insoweit entsprechen, dass es den Entscheidungsträger erkennen lässt. Bei der Aktenführung in Papierform wird insoweit verlangt, dass das betreffende Schriftstück die Unterschrift des Prüfers trägt, der die Entscheidung getroffen hat, weil anderenfalls nicht auszuschließen ist, dass es sich lediglich um einen unverbindlichen Entwurf oder um eine rein formularmäßige Mitteilung handelt (BPatG, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 10 W (pat) 19/02, BPatGE 47, 10, 11 – Formularmäßige Mitteilung; Beschluss vom 14. August 2008 – 11 W (pat) 16/08, BlPMZ 2009, 130 Unterschriftsmangel; Beschluss vom 10. August 2006 – 10 W (pat) 61/05, BlPMZ 2006, 415 – Paraphe; Schulte, a. a. O., § 47 Rn. 8). Ist – wie im Streitfall – die Mitteilung im Rahmen der elektronischen Aktenführung elektronisch erstellt worden, ist dementsprechend anstelle der eigenhändigen Unterschrift des Entscheidungsträgers eine elektronische Signatur nach § 5 Abs. 2 EAPatV erforderlich, damit einem Dokument die Qualität eines Beschlusses zuerkannt werden kann.
Die Mitteilung vom 30. Januar 2013 erfüllt diese Voraussetzung nicht. Sie nennt lediglich die zuständige Organisationseinheit und erwähnt nicht einmal in Maschinenschrift den Namen eines Bearbeiters, der für die Mitteilung verantwortlich zeichnen soll.
Auch von ihrem Inhalt her geht die Mitteilung vom 30. Januar 2013 nicht über einen bloßen formularmäßigen Hinweis hinaus. Zwar wird der Anmelderin darin mitgeteilt, dass ihr Verfahren vor dem DPMA beendet sei. Dies geschieht allerdings unter Verwendung eines standardisierten Textes, in dem unter Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen des PCT darauf hingewiesen wird, dass die Wirkung der internationalen Anmeldung beendet sei, da die Anmelderin innerhalb der hierfür maßgeblichen Frist die Anmeldegebühr nicht entrichtet habe. Die Mitteilung ist so abgefasst, dass sie sämtliche im Zusammenhang mit der nicht fristgerechten Zahlung der nationalen Gebühr denkbare Fallkonstellationen abdeckt. So erfasst der Wortlaut sowohl den Fall, dass die Anmeldegebühr überhaupt nicht entrichtet wurde, als auch den Fall, dass die Anmeldegebühr zwar in korrekter Höhe, aber nicht innerhalb der hierfür maßgeblichen Frist gezahlt wurde. Schließlich ist die Mitteilung auch für die Konstellation verwendbar, dass die Anmeldegebühr zwar innerhalb der Frist, aber nicht in voller Höhe entrichtet wurde. Damit erfasst die Mitteilung zwar auch den dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem die Anmelderin innerhalb der Frist zwar eine Gebühr, jedoch – jedenfalls nach Auffassung des DPMA - nicht in ausreichender Höhe bezahlt hat. Allerdings fehlen nähere Ausführungen zum konkreten Fall gänzlich. Insbesondere setzt sich die Mitteilung nicht mit der die Besonderheit des Streitfalls ausmachenden und zwischen der Anmelderin und dem DPMA strittigen Frage nach der Bemessungsgrundlage für die nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung gemäß Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG auseinander. Damit weist die Mitteilung vom 30. Januar 2013 nicht den Charakter einer Entscheidung in der Sache auf und entspricht damit auch nicht den Anforderungen, die in materieller Hinsicht für eine Einordnung einer amtlichen Mitteilung als beschwerdefähigen Beschluss gelten.
2. Da die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist, weil kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss ergangen ist, kann nicht geprüft werden, ob die Beschwerde begründet ist. Wenn die Anmelderin an einer gerichtlichen Entscheidung über die Frage, wonach sich die nationale Gebühr gemäß Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG bemisst, interessiert ist, wird sie zunächst das DPMA zum Erlass eines beschwerdefähigen Beschlusses veranlassen müssen. Insoweit weist der Senat jedoch darauf hin, dass er mit Beschluss vom 25. Juli 2013 - 10 W (pat) 2/13, dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, entschieden hat, dass sich die Höhe der nationalen Gebühr, die der Anmelder eines Patents nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. den Vorschriften des Patentkostengesetzes zu zahlen hat, nach der Anzahl der Patentansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung der internationalen Anmeldung richtet.
3. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist nicht geboten.
Bei einer unzulässigen Beschwerde fehlt es nicht per se an einem Rechtsgrund, da auch eine unzulässige Beschwerde eine existente Beschwerde ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 122).
Zwar kann nach § 80 Abs. 3 PatG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr – auch ohne entsprechenden Antrag - angeordnet werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Davon ist nach ständiger Rechtsprechung dann auszugehen, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung ein Beschluss nicht ergangen wäre und damit die Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (Schulte, a. a. O., § 80 Rn. 111 f., § 73 PatG Rn. 124). Das ist hier indessen nicht der Fall. Das DPMA hat der Anmelderin zwar am 8. Oktober 2012 noch mitgeteilt, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei, und die Anmelderin erst in der nunmehr angefochtenen Mitteilung vom 30. Januar 2013 darauf hingewiesen, dass das Verfahren mangels ausreichender Gebührenzahlung beendet sei. Eine verfahrensfehlerhafte Sachbehandlung durch das DPMA, die die Rückzahlung der Beschwerdegebühr geboten erscheinen ließe, kann darin jedoch nicht gesehen werden. Wie im Beschluss vom 25. Juli 2013 - 10 W (pat) 2/13 ausgeführt, ist die Mitteilung vom 8. Oktober 2012 im Zusammenhang mit der Mitteilung des Aktenzeichens lediglich als formularmäßiger Hinweis darauf zu verstehen, dass nunmehr die Prüfung der Anmeldung durch das DPMA beginne. Eine verbindliche und abschließende Entscheidung darüber, dass die Voraussetzungen für die Einleitung der nationalen Phase vorlägen und insbesondere der von der Anmelderin eingezahlte Betrag als vollständige Gebührenzahlung anzusehen sei, ist damit nicht verbunden. Diese Mitteilung konnte daher weder bei der Anmelderin einen Vertrauenstatbestand in dem Sinne begründen, dass sie von einer ordnungsgemäßen Einleitung der nationalen Phase und insbesondere einer ausreichenden Gebührenzahlung ausgehen durfte, noch hat sie das DPMA in der Weise gebunden, dass dieses seine Auffassung zur Bemessungsgrundlage der nationalen Gebühr im Laufe des Verfahrens nicht hätte noch ändern können. Dass die Prüfungsstelle des DPMA für die Mitteilung über die Verfahrensbeendigung nicht sogleich die Form eines beschwerdefähigen Beschlusses gewählt hat, ist nicht zu beanstanden, hätte sie sich doch anderenfalls dem Vorwurf ausgesetzt, die Anmelderin zur Einlegung einer Beschwerde zu zwingen, ohne ihr vorher Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. Es wäre vielmehr an der Anmelderin gewesen, sich zunächst formlos gegen die Mitteilung vom 30. Januar 2013 zu wenden und so die Prüfungsstelle zum Erlass eines beschwerdefähigen Beschlusses zu veranlassen.
4. Da die Beschwerde wegen fehlender Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen war, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 79 Abs. 2 Satz 2 PatG).
Rauch Püschel Kober-Dehm prö