28 W (pat) 55/18
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 55/18
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
ECLI:DE:BPatG:2019:260919B28Wpat55.18.0 betreffend die Marke 30 2011 064 111 (hier: Löschungsverfahren S 38/17 Lösch)
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kortbein und die Richter Schwarz und Dr. Söchtig beschlossen:
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des Verfahrens wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Der Beschwerdeführer hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke 30 2011 064 111 „Erdmann & Rossi“ beantragt, die am 25. Januar 2012 in das Markenregister als Wortmarke für Waren der Klasse 12 und Dienstleistungen der Klassen 37 und 42 zugunsten der Beschwerdegegnerin eingetragen worden ist. Den Antrag hat er darauf gestützt, dass die Beschwerdegegnerin ihre Marke bösgläubig angemeldet habe, weil sie von Anfang an keine Absicht gehabt habe, diese zur Kennzeichnung der angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu benutzen, sondern allein um den Beschwerdeführer an der Benutzung seiner vorangemeldeten Marken zu hindern. Bei diesen Marken des Beschwerdeführers handelt es sich um die am 19. September 2011 angemeldete und für identische Waren und Dienstleistungen wie die angegriffene Marke eingetragene Unionsmarke 010310481 „Erdmann & Rossi“ und die am 9. März 2011 angemeldete und ebenfalls für identische Waren und Dienstleistungen eingetragene deutsche Marke
2011 013 802 „Erdmann & Rossi“, auf welche der Beschwerdeführer nach Eintragung der vorgenannten Unionsmarke verzichtet hat.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenabteilung 3.4, hat mit Beschluss vom 13. Juli 2018 den Löschungsantrag mit der Begründung, dass die gesetzlichen Löschungsvoraussetzungen nicht bestünden, zurückgewiesen und dem Beschwerdeführer die Kosten des Löschungsverfahrens mit der Begründung auferlegt, die fehlende Schlüssigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers und der Umstand, dass er gegen die jüngere Marke auch Widerspruch hätte einlegen können, stellten einen Billigkeitsgrund dar, der eine solche Kostenentscheidung ausnahmsweise rechtfertige.
Gegen diesen seinen Verfahrensbevollmächtigten am 14. August 2018 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 31. August 2018 unter Zahlung der hierfür gesetzlich bestimmten Gebühr Beschwerde eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 7. März 2019 hat der Beschwerdeführer die Aussetzung des Verfahrens mit der Begründung beantragt, gegen die beim angefochtenen Beschluss mitwirkenden Mitglieder des Deutschen Patent- und Markenamtes habe er Strafanzeige erstattet, weil der angefochtene Beschluss manipuliert worden sei, indem entgegen dem in der Verwaltungsakte enthaltenen Beratungsergebnis, demzufolge keine Kosten auferlegt werden sollten, im späteren Beschluss mit einer nach Auffassung des Beschwerdeführers abwegigen Begründung eine Kostenauferlegung ausgesprochen worden sei. Dies stehe in einer „unheilvollen Tradition“ des Deutschen Patent- und Markenamts, das jahrelang auf seiner Webseite ihn wegen seiner eigenen Markenanmeldung als „Dr. Schlitzohr“ bezeichnet habe und insoweit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung habe abgeben müssen.
Auf Bitte des früheren Berichterstatters des Senats um Mitteilung, zu welchen verfahrensrelevanten Tatsachen der Beschwerdeführer Erkenntnisse aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erwarte, hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 5. Juli 2019 ausgeführt, aus dem Ermittlungsverfahren erwarte er Erkenntnisse zu den „Weisungsverhältnissen“ vor Abfassen der angefochtenen Entscheidung und den Einzelheiten ihrer Entstehung im sogenannten „Umlaufverfahren“. Auch habe das Deutsche Patent- und Markenamt den Sachverhalt manipuliert, indem es unstreitiges Vorbringen in einer an arglistige Täuschung grenzenden Art und Weise lediglich als Vortrag des Beschwerdeführers bezeichnet und verkannt habe, dass das einzige streitbezogene Vorbringen der Beschwerdegegnerin, nämlich, dass ihr eine Benutzung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs des Beschwerdeführers nicht möglich gewesen sei, offenkundig falsch sei, da ein Widerspruch der Benutzung nicht entgegenstehe.
Der Beschwerdeführer beantragt,
1. das vorliegende Verfahren bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen gegen mehrere Personen wegen des vorliegend angefochtenen Beschlusses des DPMA vom 13.07.18 auszusetzen,
2. vorsorglich, dem Beschwerdeführer zur Begründung seiner Beschwerde eine Fristverlängerung von zwei Monaten zu gewähren, berechnet ab dem diesseitigen Zugang der rechtskräftigen Entscheidung, welche das strafrechtliche Ermittlungsverfahren Staatsanwaltschaft München I,
Js 223877/18 abschließt.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
den Antrag, das vorliegende Verfahren bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen gegen mehrere Personen wegen des vorliegend angefochtenen Beschlusses des DPMA vom 13.07.18 auszusetzen, zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin trägt vor, hinter den Behauptungen des Beschwerdeführers stehe allein das Kalkül, das Verfahren zu verzögern. Seine Rüge, im angegriffenen Beschluss seien entgegen der Beratung Kosten auferlegt worden, müsse ins Leere gehen, denn ein Verfahrensbeteiligter könne aus der stets internen Beratung eines Entscheidungskörpers keine Rechte herleiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des Verfahrens ist zurückzuweisen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen.
1. Ein Aussetzungsgrund nach § 82 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 148 ZPO besteht nicht.
Nach dieser Vorschrift kann ein Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Da staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aber weder einen Rechtsstreit darstellen noch mit ihrem Abschluss ein Rechtsverhältnis festgestellt wird, da das mögliche Vorliegen eines strafbaren Verhaltens schon nicht unter den Begriff des Rechtsverhältnisses fällt und im Übrigen, auch wenn es sich bei der Staatsanwaltschaft um eine Verwaltungsbehörde handelt, nicht von dieser, sondern nach Anklageerhebung nur von den Strafgerichten festgestellt werden kann, fehlt es an jeglichen Voraussetzungen für eine Aussetzung nach dem über § 82 Abs. 1 MarkenG entsprechend heranzuziehenden § 148 ZPO.
2. Auch eine Aussetzung nach § 82 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 149 Abs. 1 ZPO scheidet vorliegend aus.
Nach dieser Vorschrift kann ein Verfahren ausgesetzt werden, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist. Ob der vom Beschwerdeführer geäußerte Verdacht eines strafbaren Verhaltens der bei der angefochtenen Entscheidung mitwirkenden Mitglieder des Deutschen Patent- und Markenamts tatsächlich erst „im Laufe des Rechtsstreits“, also im Verlauf des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und nicht schon zuvor, entstanden ist, kann dahingestellt bleiben; denn auf jeden Fall kann die vom Beschwerdeführer geschilderte Verfahrensweise des Deutschen Patent- und Markenamts, die nach seiner Darstellung den Verdacht einer Straftat oder mehrerer Straftaten begründet haben soll, auf die vom Senat zu fällende Entscheidung keinen Einfluss haben.
Mit der Beschwerde ist die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Löschungsbegehren des Beschwerdeführers in vollem Umfang auf das Bundespatentgericht übergegangen (vgl. BGH GRUR 2019, 766, Rn. 13 – „Abstandsberechnungsverfahren“ für das patentrechtliche Registerbeschwerdeverfahren). Dieses hat daher aus eigener Zuständigkeit und ungeachtet der Ausführungen der mit der Sache zuvor befassten Verwaltungsbehörde über das Begehren des Beschwerdeführers zu entscheiden. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sind mithin dessen Antrag auf Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke und die hierfür von ihm vorgetragenen Tatsachen, welche, da sie den Verfahrensgegenstand bilden, den zur Entscheidung gestellten Verfahrensstoff sowohl für das Deutsche Patent- und Markenamt als auch für das Bundespatentgericht begrenzen (vgl. BGH GRUR 2016, 500, Rn. 12 – Fünf-Streifen-Schuh). Dabei hat der Senat sämtliche von den Beteiligten im vorangegangenen Verwaltungs- und im anhängigen Beschwerdeverfahren vorgebrachten und von ihm ggf. im Rahmen des Vortrags der Beteiligten selbst ermittelten tatsächlichen Umstände seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Der Senat ist mithin anders als die Rechtsbeschwerdeinstanz weder an die Bewertung der im angefochtenen Beschluss berücksichtigten Tatsachen gebunden, noch darauf beschränkt, allein die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung auf der Grundlage der unter Beachtung der maßgeblichen Verfahrensvorschriften ordnungsgemäß festgestellten Tatsachen überprüfen zu können. Vielmehr hat der Senat sowohl die von den Beteiligten behaupteten Tatsachengrundlagen, soweit dies ihm möglich ist, selbst festzustellen als auch ihre rechtliche Bewertung im Hinblick auf den gestellten Löschungsantrag eigenständig vorzunehmen. Diese vollumfängliche Entscheidungszuständigkeit des Bundespatentgerichts besteht dabei nicht nur für die Hauptsache selbst – hier also den Löschungsantrag –, sondern auch für die von der Verwaltungsbehörde getroffenen Nebenentscheidungen, sofern sie mit der Beschwerde oder, soweit sie den Beschwerdegegner beschweren, ggf. mit der Anschlussbeschwerde angefochten und damit beschwerdegegenständlich sind; daher ist vorliegend auch die vom Deutschen Patent- und Markenamt getroffene Kostenentscheidung Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Eine abweichende Entscheidung des Senats ist dabei nicht davon abhängig, ob die Erwägungen des Deutschen Patent- und Markenamts, wie der Beschwerdeführer meint, „abwegig“ sind, sondern auch dann möglich und geboten, wenn der Senat das Vorliegen eines Löschungsgrundes für die Hauptsacheentscheidung oder eines Billigkeitsgrundes für die Kostenentscheidung schlicht anders beurteilt als das Deutsche Patent- und Markenamt.
Wegen dieser umfassenden Überprüfungszuständigkeit des Bundespatentgerichts kommt es für seine Entscheidung nicht darauf an, wie der angefochtene Beschluss zustande gekommen ist, insbesondere nicht ob und ggf. von wem und in welcher Form auf die getroffene Entscheidung Einfluss genommen worden sein sollte. Vielmehr ist die Frage, ob der Senat die vorliegende Sach- und Rechtslage ebenso wie das Deutsche Patent- und Markenamt einschätzt und aus diesem Grund die Beschwerde zurückweisen oder im umgekehrten Fall unter teilweiser oder vollständiger Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Löschung der Eintragung der angefochtenen Marke ganz oder teilweise anordnen wird, vom Gegenstand und Ergebnis des Ermittlungsverfahrens völlig unabhängig. Denn die vom Senat bei einer Entscheidung über die Beschwerde zu beantwortenden Fragen, ob die Eintragung der angegriffenen Marke wegen Bestehens des behaupteten Löschungsgrundes zu löschen oder die Beschwerde mangels Vorliegens eines Löschungsgrundes zurückzuweisen und ob die Kosten des Verwaltungsund des Beschwerdeverfahrens einem Beteiligten aufzuerlegen sind oder nicht, stellen sich im Ermittlungsverfahren erst gar nicht, da hiervon die Feststellung des Vorliegens der vom Beschwerdeführer behaupteten Straftaten nicht abhängt. Daher hat es für die Senatsentscheidung keinerlei Bedeutung, ob sich der Verdacht des Beschwerdeführers über strafbares Verhalten im Ermittlungsverfahren bewahrheitet, zu einer Anklageerhebung (§ 170 Abs. 1 StPO) und ggf. zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führt oder ob das Ermittlungsverfahren nach §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird.
Da mithin von vornherein ausgeschlossen ist, dass das Ermittlungsverfahren irgendeinen Einfluss auf die vom Senat zu treffende Beschwerdeentscheidung haben kann, liegt ein Aussetzungsgrund nach § 82 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 149 Abs. 1 ZPO nicht vor, so dass auch aus diesem Grund dem Aussetzungsantrag des Beschwerdeführers nicht nachgekommen werden kann.
3. Der „vorsorglich“ gestellte weitere Antrag des Beschwerdeführers auf Fristverlängerung von zwei Monaten, beginnend mit dem „rechtskräftigen“ Abschluss des Ermittlungsverfahrens, ist von der vorliegenden Zurückweisung seines Aussetzungsantrags mit umfasst. Denn dieser anscheinend formal nur auf Fristverlängerung gerichtete Antrag läuft inhaltlich auf dasselbe Ziel wie der Aussetzungsantrag hinaus. Dabei ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer für die von ihm beantragte Fristberechnung allein auf den mit einer Einstellung oder einer Anklageerhebung verbundenen Abschluss des Ermittlungsverfahrens, das ausnahmslos nicht der Rechtskraft fähig ist, nicht aber auf den rechtskräftigen Abschluss eines nach einer – derzeit nicht absehbaren – Anklageerhebung durchzuführenden gerichtlichen Strafverfahrens, das allein rechtskraftfähig sein kann,
abstellen möchte. Da sich, wenn diesem „vorsorglich“ gestellten Antrag stattgegeben würde, dann aber das Verfahren im selben Stand befände wie im Fall einer vom Beschwerdeführer vorrangig beantragten Aussetzung, ist dieser „vorsorglich gestellte“ Antrag zu 2 mit dem vorrangigen Antrag zu 1 inhaltsgleich, so dass er als bloße Wiederholung des Antrags zu 1 anzusehen ist. Mit der Zurückweisung des Antrags auf Aussetzung ist mithin auch dieser Antrag mit erfasst, ohne dass es hierzu eines gesonderten Ausspruches bedarf.
Da es für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht keinen Begründungszwang für das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten gibt, bedarf es im Rahmen des vorliegenden Beschlusses auch keiner Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag. Das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 2 MarkenG, Art. 103 Abs. 1 GG) wird vielmehr bereits durch die bloße Gelegenheit zur Äußerung gewahrt. Hierfür ist eine Fristsetzung zwar zulässig, aber nicht zwingend erforderlich. Da vorliegend beide Beteiligte bereits Hilfsanträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt haben, so dass diese unumgänglich ist (§ 69 Nr. 1 MarkenG), wird dem Anspruch auf rechtliches Gehör vorliegend durch die aufgrund dieser Anträge zwingend anzuberaumenden mündlichen Verhandlung Genüge getan. Die Anberaumung der mündlichen Verhandlung kann dabei ggf. mit der Anordnung ihrer schriftlichen Vorbereitung – ggf. auch mit einer Fristsetzung – verbunden sein (vgl. § 129 Abs. 2 ZPO und BGH GRUR 2010, 859 – Malteserkreuz III). Eine solche Verfahrensweise ist seitens des Senats in absehbarer Zeit beabsichtigt.
4. Da eine Anfechtung von Entscheidungen des Bundespatentgerichts nur möglich ist, sofern das Markengesetz sie ausdrücklich vorsieht (§ 82 Abs. 2 MarkenG) und das Gesetz – abgesehen vom Kostenfestsetzungsverfahren – eine Anfechtung nur einer Beschwerdeentscheidung in der Hauptsache kennt (§ 83 Abs. 1 MarkenG), ist die vorliegende Entscheidung unanfechtbar (s.a. Koch in: Kur/ v. Bomhard/Albrecht, BeckOK Markenrecht, 18. Edition, Stand 01.07.2019, § 83, Rn. 6 f.; Knoll in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 83, Rn. 6).
Prof. Dr. Kortbein Schwarz Dr. Söchtig Fa