XII ZB 616/24
BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 616/24 BESCHLUSS vom 13. August 2025 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2025:130825BXIIZB616.24.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. August 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Recknagel beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bayreuth vom 18. November 2024 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Eine Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.
Gründe: I.
Das Amtsgericht ordnete nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Beschluss vom 27. April 2023 für die im Jahr 1966 geborene Betroffene eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge, Behörden-, Rentenund andere Sozialleistungsangelegenheiten, Entscheidung über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post, Gesundheitssorge, Grundstücksangelegenheiten und Versicherungsangelegenheiten“ an und bestellte den Beteiligten zu 1 zum berufsmäßigen Betreuer.
Im Juli 2024 hat der Beteiligte zu 1 bei dem Amtsgericht einen Betreuerwechsel angeregt. Er hat geltend gemacht, dass mit der sachgerechten Führung der Betreuung - auch im Hinblick auf zahlreiche von der stark verschuldeten Betroffenen geführten Rechtsstreitigkeiten - ein Aufwand verbunden sei, welcher die Kapazitäten seines Büros übersteige. Zudem bestünden Differenzen in Bezug auf die von dem Betreuer für notwendig erachtete und bereits aufwendig vorbereitete Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Das Amtsgericht hat die Betreuung nach Einholung einer Stellungnahme der Betreuungsbehörde mit Beschluss vom 18. Oktober 2024 aufgehoben, weil die Betroffene geschäftsfähig sei und sich eigenständig um ihre Angelegenheiten kümmere. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die Betroffene weiterhin gegen die Aufhebung der Betreuung.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass ein objektiver Betreuungsbedarf nicht mehr bestehe. Die Betroffene habe durch ihre eigenen Tätigkeiten - wie die Mandatierung neuer Anwälte oder das Eröffnen eines Kontos bei einer litauischen Direktbank - belegt, dass sie ausreichend in der Lage sei, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Der Betreuer sei über die Tätigkeiten der Betroffenen oftmals erst im Nachgang informiert worden. Hinzu komme, dass die Betroffene nach dem im Bestellungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten vom 8. April 2023 geschäftsfähig sei und der Betreuer - wovon man hier ausgehen könne - bei der Führung der Betreuung den Wünschen der Betroffenen zu entsprechen habe. Auf die Frage, ob eine Betreuung deswegen nicht erforderlich sei, weil damit keine günstige Änderung der Situation der Betroffenen herbeigeführt werden könne, komme es nicht mehr an.
2. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellungen. Die Rechtsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Beschwerdegericht nicht von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen hätte absehen dürfen.
a) Zwar erfasst die von § 294 Abs. 1 FamFG für das Verfahren der Aufhebung einer Betreuung angeordnete Verweisung nicht die Vorschrift des § 278 Abs. 1 FamFG, der die persönliche Anhörung des Betroffenen vorschreibt. Gleichwohl kann nach Maßgabe des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) auch im Aufhebungsverfahren eine persönliche Anhörung des Betroffenen im Einzelfall erforderlich sein, um dem Gericht dadurch einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. April 2025 - XII ZB 290/24 - FamRZ 2025, 1231 Rn. 5 mwN). Auf das Verfahrensergebnis kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
b) Nach diesen Maßstäben musste die Betroffene vor der Entscheidung über die Aufhebung der Betreuung angehört werden.
Zwar ist im vorliegenden Aufhebungsverfahren kein (neues) Sachverständigengutachten eingeholt worden. Das Beschwerdegericht hat sich indessen für seine entscheidungstragende Feststellung, dass die Betroffene geschäftsfähig sei, auf die nach § 30 Abs. 1 FamFG iVm § 411 a ZPO verwerteten Ausführungen in dem Gutachten des Sachverständigen V. vom 8. April 2023 aus dem Bestellungsverfahren bezogen. Eine Anhörung der Betroffenen konnte nicht deshalb unterbleiben, weil die Betroffene in diesem Bestellungsverfahren nach Gutachtenserstattung durch das Betreuungsgericht angehört wurde. Eine Anhörung der Betroffenen zu diesem Gutachten war im Aufhebungsverfahren unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 26 FamFG jedenfalls deshalb geboten, weil die Betroffene seinerzeit mit der Einrichtung der Betreuung einverstanden war und sich deshalb im Bestellungsverfahren für das Gericht keine Fragen nach einem freien Willen der Betroffenen bezüglich der Anordnung der Betreuung und erst recht keine Fragen nach ihrer Geschäftsfähigkeit stellten.
3. Unabhängig davon beschränken sich die Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Wegfall des Betreuungsbedarfs offensichtlich auf Angelegenheiten der Vermögenssorge. Sie vermögen bereits nicht die Beurteilung zu tragen, dass der objektive Betreuungsbedarf auch im Aufgabenbereich der Gesundheitssorge fortgefallen wäre.
4. Die angegriffene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 74 Abs. 2 FamFG), weil das Beschwerdegericht zur Frage der Unbetreubarkeit - aus seiner Sicht auch folgerichtig - keine weiteren Feststellungen mehr getroffen hat. Die Beschwerdeentscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht gleichzeitig die Gelegenheit, sich gegebenenfalls auch die Frage nach der erforderlichen Kausalität zwischen dem medizinischen Befund und einer gerade aus diesem Befund resultierenden subjektiven Betreuungsbedürftigkeit vorzulegen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Guhling Krüger Klinkhammer Recknagel Botur Vorinstanzen: AG Bayreuth, Entscheidung vom 18.10.2024 - 2 XVII 262/23 LG Bayreuth, Entscheidung vom 18.11.2024 - 51 T 163/24 -