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5 StR 113/25

BUNDESGERICHTSHOF StR 113/25 BESCHLUSS vom 10. September 2025 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

ECLI:DE:BGH:2025:100925B5STR113.25.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 23. Oktober 2024 im Maßregelausspruch aufgehoben und im Adhäsionsausspruch dahin ergänzt, dass im Übrigen von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen wird.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen und sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, ein Berufsverbot gegen ihn angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, das Landgericht habe § 250 StPO verletzt, weil es entgegen § 255a Abs. 1 iVm § 251 Abs. 4 StPO die BildTon-Aufzeichnung der polizeilichen Vernehmung der Nebenklägerin ohne vorherige Anordnung des Gerichts in der Hauptverhandlung vorgeführt hat, ist die Rüge jedenfalls unbegründet.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Am ersten Hauptverhandlungstag beschloss die Jugendkammer, die persönliche Vernehmung der Nebenklägerin gemäß § 255a Abs. 2 StPO durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung zu ersetzen. Die audiovisuell dokumentierte Vernehmung wurde anschließend in der Hauptverhandlung vorgeführt. Noch am selben Tag wurde eine Polizeibeamtin über die von ihr geführte, ebenfalls in Bild und Ton festgehaltene polizeiliche Vernehmung der Nebenklägerin vernommen. Ergänzend ordnete die Vorsitzende der Jugendkammer die Vorführung der audiovisuellen Aufzeichnung dieser Vernehmung an.

b) Entgegen der Revision liegt kein Verfahrensverstoß vor.

Nach § 250 Satz 2 StPO darf die Vernehmung eines Zeugen nicht durch die Verlesung des Protokolls über eine frühere Vernehmung oder eine – zu Beweiszwecken erstellte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 1 StR 350/07, NStZ-RR 2008, 48; Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl., § 250 Rn. 8; LR-Cirener/Sander, StPO, 27. Aufl., § 250 Rn. 8) – Erklärung des Zeugen ersetzt werden. Nur bei Vorliegen der Voraussetzungen eines der Ausnahmetatbestände der §§ 251 ff. StPO ist eine Durchbrechung des Ersetzungsverbots zulässig. Wird der Zeuge hingegen in der Hauptverhandlung vernommen, ist daneben die vernehmungsergänzende Verwertung seiner protokollarisch oder in einer schriftlichen Erklärung festgehaltenen Äußerungen im Wege des Urkundsbeweises zulässig, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 250 Satz 2 iVm §§ 251 ff. StPO ankommt (BGH, Beschluss vom 1. April 2025 – 3 StR 608/24 Rn. 9; Urteil vom 17. Juli 2025 – 4 StR 298/24 Rn. 8).

Diese Grundsätze gelten auch für die Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen von Zeugenvernehmungen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2025 – 3 StR 608/24 Rn. 9). Denn nach § 255a Abs. 1 StPO sind hierauf die §§ 251, 252, 253 und § 255 StPO entsprechend anzuwenden. Die aufgezeichnete und durch Vorspielen in die Hauptverhandlung eingeführte Vernehmung ist mithin grundsätzlich so zu behandeln, als sei der Zeuge unmittelbar in der Hauptverhandlung selbst gehört worden (BGH, Beschluss vom 1. April 2025 – 3 StR 608/24 Rn. 8). In der Sache handelt es sich mithin um einen Beweis des Aussageinhalts durch Augenschein, der unter den für Vernehmungsvorschriften geltenden Voraussetzungen des Urkundsbeweises erhoben wird (LR-Mosbacher, aaO, § 255a Rn. 2). Daraus folgt zum einen, dass der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO nur dann berührt ist, wenn die Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung durch die Inaugenscheinnahme der audiovisuellen Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2008 – 4 StR 449/07, BGHSt 52, 148, 150), zum anderen, dass daneben die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer früheren Vernehmung der Beweisperson ohne weiteres zulässig ist, soweit sie lediglich vernehmungsergänzenden Charakter hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2004 – 1 StR 566/03, BGHSt 49, 68, 70 f.; vgl. hierzu auch LR-Cirener/Sander, aaO, Rn. 17).

Gemessen daran liegt der gerügte Verfahrensverstoß nicht vor. Die Ersetzung der Vernehmung der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung nach § 255a Abs. 2 StPO wurde durch gerichtlichen Beschluss nach § 255a Abs. 1 iVm § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO angeordnet. Ihre audiovisuell festgehaltene polizeiliche Vernehmung wurde hingegen lediglich ergänzend zu den Bekundungen der Vernehmungsbeamtin in Augenschein genommen. Insoweit war das Ersetzungsverbot des § 250 Satz 2 StPO nicht berührt, ein gerichtlicher Beschluss zu dessen Durchbrechung nach § 255a Abs. 1 iVm § 251 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO nicht geboten.

2. Die auf die Sachrüge gebotene materiell-rechtliche Nachprüfung des Urteils führt zur Aufhebung des Berufsverbots und einer Ergänzung der Adhäsionsentscheidung.

a) Das Landgericht hat dem Angeklagten für immer verboten, als Erzieher oder Betreuer von weiblichen Personen unter 16 Jahren beruflich tätig zu sein. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass der Jugendkammer bei der Anordnung des Berufsverbots nach § 70 StGB ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Er hat folgendes ausgeführt:

Die Jugendkammer hat die Verhängung des lebenslangen Berufsverbots unter anderem darauf gestützt, dass der Angeklagte die Taten bestritten und die Nebenklägerin der Lüge bezichtigt habe; in seiner Einlassung manifestiere sich seine mangelnde Einsicht, weshalb eine Gefahrenabwendung durch Selbsterkenntnis fernliege (UA S. 26). Damit hat sie dem Angeklagten zulässiges Verteidigungsverhalten angelastet. Dies ist allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Hinblick auf die Gefährlichkeitsprognose beim Berufsverbot rechtsfehlerhaft (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Februar 2001 – 5 StR 544/00, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 2003 – 2 StR 411/02, juris Rn. 20, und vom

13. März 2018 – 2 StR 286/17, Rn. 5; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 534). Die Anordnung kann deshalb keinen Bestand haben.

Dem schließt sich der Senat an.

Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.

b) Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend hat der Senat den Adhäsionsausspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ergänzt.

Cirener Resch RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist im Urlaub und kann nicht unterschreiben.

Cirener von Häfen Köhler Vorinstanz: Landgericht Itzehoe, 23.10.2024 - 7 KLs 317 Js 7600/20 jug. (2)

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Häufigkeit Paragraph
7 255 StPO
6 251 StPO
5 250 StPO
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2 354 StPO
1 70 StGB
1 4 StPO
1 252 StPO
1 253 StPO
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