5 Ni 37/11 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 37/11 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL An Verkündungs Statt zugestellt am
11. Juli 2013 …
In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 449 391
-2(DE 502 12 645)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2013 durch die Richterin Martens, die Richterin Dr. Kober-Dehm sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein, Dipl.-Ing. Musiol und Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 449 391 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 27. November 2002 angemeldeten und auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 449 391 (Streitpatent), das die Bezeichnung „Verfahren für ein alternatives Mobilfunksystem und –Dienstleistungen“ trägt. Das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 502 12 645 geführte Streitpatent nimmt die Priorität der deutschen Patentanmeldung 101 58 404 vom 29. November 2001 in Anspruch. Es umfasst 9 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung (EP 1 449 391 B1) folgenden Wortlaut:
„1. Alternativ Mobil Telekommunikations-System um damit ein elektronische Bestellung und Bedienung unterstützendes, automatisiertes Telekommunikation System zu verwirklichen, bei dem drahtlose Telekommunikations-Endgeräte (CTT) zur lokalen Nutzung mit mindestens einer Basisstation über ein lokales Netzwerk LAN kommunizieren, bei dem die mindestens eine Basisstation über eine Telekommunikationsleitung mit einem Telekommunikationsanbieter verbunden ist, um Dienste des Internets zu nutzen, bei dem das jeweilige drahtlose Telekommunikationsendgerät (CTT) vor der Kommunikation an der Basisstation angemeldet wird, bei dem für einen nicht in dem Lokalen Netzwerk (LAN) registrierten Benutzer ein elektronisches Kauf-, Bestell- oder Bedienverfahren abgewickelt wird, wenn der fremde Benutzer sich mit seinem drahtlosen Telekommunikationsendgerät (CTT) in das lokale Netzwerk (LAN) eines Anbieters einbucht und einen bidirektionalen Kommunikationskanal bekommt, bei dem das lokale Netzwerk (LAN) für den fremden Benutzer geöffnet wird und er einen digitalen Zugriff bekommt, bei dem der Benutzer mit seinem Telekommunikationsendgerät (CTT) eine Ware oder Dienstleistung bestellt und den zu zahlenden Preis mittels eines über das lokale Netzwerk (LAN) Benutzerabhängig geführten Kontos bezahlt oder abbuchen lässt, bei dem die Ware oder Dienstleistung anschliessend entweder über einen Automaten oder oder mit persönlichen Diensten zugestellt bzw. ausgehändigt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Benutzer über das Internet ein Zeichen oder Signal schickt für den Internet-Service-Provider oder beliebige andere Telekommunikationsprovider in dem er die gewünschte ein oder mehrere Telefonnummern oder andere beliebige Identifikationsmerkmale angibt, mit welche er verbunden werden möchte,
weiterhin auch automatisch oder manuell seine Erreichbarkeit mitteilt und der Provider die gewünschte Verbindung entweder paketvermittelt VoIP oder leitungsvermittelt durchführt und dem Teilnehmer die Verbindungen, Anrufe weiterleitet.“
Wegen der auf Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin stützt die Nichtigkeitsklage auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung sowie auf mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstandes des Streitpatents. Zudem macht sie mangelnde Ausführbarkeit bezüglich des Gegenstandes des Patentanspruchs 8 geltend. Die Klägerin trägt darüber hinaus vor, das Streitpatent nehme die Priorität der deutschen Patentanmeldung 101 58 404 nicht wirksam in Anspruch.
Zur Begründung des Nichtigkeitsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit legt die Nichtigkeitsklägerin folgende Druckschriften vor:
NK7 Beitrag aus einem Internetforum „Wi-Fi trumps cell phones“, hierzu:
NK7a Auszüge betr. die Internetplattform www.pinoyexchange.com,
NK8 Pressemitteilung net2phone (Internetauszug), datiert 5. August 1996,
NK9 Pressemitteilung net2phone (Internetauszug), datiert 16. Juli 1996,
NK10 Pressemitteilung net2phone (Internetauszug), datiert 13. März 2000,
NK11 Pressemitteilung net2phone (Internetauszug), datiert 23. Oktober 2001,
NK12 Datenblatt zu Netvision Data Phone Spectrum 24, datiert Mai 2000,
NK13 NK14 ITU Standard H. 323 (09/99), IEEE-Publikation: Dr. Patrick L. Perini, „Wireless Applications using Internet Protocol and Voice Over IP“, 2000,
NK15 englische Offenlegungsschrift GB 2 365 709 A, NK16 Artikel aus der Zeitschrift „Network World“ vom
5. November 2011, NK17 Lee Schlesinger: „Wi-Fi trumps cell phones“, hierzu:
NK17a Wikipedia-Auszug zu ZDNet,
NK17b eidesstattliche Versicherung vom 24. Januar 2013 mit Anlagen A1 und A2,
NK18 WO 02/057869 A2,
NK19 US 2002/0075844 A1,
NK20 Request for Comments (RFC) 2543 von M. Handley et. al.: SIP: Session Initiation Protocol, März 1999,
NK21 Request for Comments (RFC) 2848 von S. Petrack et. al.:
NK22 The PINT Service Protocol, Juni 2000, Artikel: „Build Your Skills: Configure a wireless LAN connection in Windows XP“ (Internetauszug), datiert
28. Februar 2013 NK23 DE 197 24 901 A1, Spalte 4, Zeilen 40 bis 53.
Die Klägerin stützt ihr Vorbringen im Übrigen auf die folgenden Unterlagen:
NK1 Streitpatentschrift EP 1 449 391 B1, NK2 Offenlegungsschrift zum Streitpatent WO 03/047283 A2, NK3 Prioritätsunterlagen und –bescheinigung des DPMA, NK4 Registerauszug zu DE 502 12 645 NK5 Klageschrift aus dem parallelen Verletzungsverfahren O 248/11 Landgericht Hamburg, NK6 Merkmalsgliederung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 449 391 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hilfsweise verteidigt er das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 9 als Anlage zum Schriftsatz vom 31. Januar 2013, mit der Maßgabe, dass im Hilfsantrag 6 im Merkmal 1.8.1 in der dritten Zeile nach dem Wort „sich“ das Wort „anstatt“ einzufügen ist.
Der Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Das Streitpatent sei gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung nicht unzulässig erweitert, die Lehre des Patentanspruchs 8 sei ausführbar. Der Beklagte hält das Streitpatent mit der wirksam beanspruchten Priorität für rechtsbeständig. Die von der Klägerin herangezogenen Druckschriften gehörten entweder nicht zum Stand der Technik oder nähmen den Patentgegenstand weder neuheitsschädlich vorweg noch legten sie ihn dem Fachmann nahe.
Als Anlagen zu seinem Schriftsatz vom 31. Januar 2013 hat der Beklagte unter Bezugnahme auf die Entgegenhaltungen NK7 bis NK15 Merkmalsgliederungen des Anspruchs 1 des Streitpatents eingereicht.
Der Beklagte hatte am 14. November 2011 einen Antrag auf Streitwertherabsetzung nach § 144 PatG gestellt, zu dessen Substantiierung er auf die zum Prozesskostenhilfegesuch eingereichten Unterlagen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bezug genommen hatte. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin Zweifel geäußert, wie der Beklagte vor dem Hintergrund seiner Einkommens- und Vermögenslage die Jahresgebühren für seine erteilten Schutzrechte bzw. die Patentanmeldungen, über die sie eine Aufstellung eingereicht hat, finanziere. Der Beklagte, der diese Aufstellung als korrekt bezeichnet, hat zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des § 144 eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, zu der die Klägervertreter nicht Stellung nehmen wollten.
Mit Beschluss des Senats vom 28. Juni 2012 war dem Beklagten Verfahrenskostenhilfe für das Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht bewilligt worden unter gleichzeitiger Beiordnung seines Patentanwalts, der mit Schriftsatz vom 19. Februar 2013 Vertretung und Beiordnung niedergelegt hat.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1 PatG vom 18. Dezember 2012 sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt allen Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die Klage, mit der u. a. der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m. Art. 52 bis Art. 57 EPÜ) geltend gemacht wird, ist zulässig und in vollem Umfang begründet. Daher war das Streitpatent für nichtig zu erklären. Es hat mangels Patentfähigkeit auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen, soweit diese eine zulässige Beschränkung des Streitpatents darstellen, keinen Bestand.
I. Zur erteilten Fassung des Streitpatents
1. Das in deutscher Sprache veröffentlichte Streitpatent betrifft eine alternative Mobil-Telekommunikation und ein System zur elektronischen Bestellung und Bedienung bei Telekommunikationsverfahren. Dabei werden Kommunikation, Bestellung und Bezahlung von Waren und/oder Dienstleistungen direkt über ein drahtloses Local Area Netzwerk (LAN) vor Ort bzw. mit den drahtlosen Telekommunikations-Endgeräten der Kunden abgewickelt, die mit den LANs eines Anbieters kommunizieren (vgl. Streitpatent, Absatz [0001]).
Das Streitpatent beschreibt einleitend bekannte Lösungen für sogenannte eCommerce-Anwendungen, also den Einsatz von Telekommunikationstechniken in Verkaufs- bzw. Dienstleistungsvorgängen (vgl. Streitpatent, Absätze [0002], [0003], [0011] und [0013]).
Weiter benennt das Streitpatent Stand der Technik, welcher bestehende Telekommunikationssysteme beschreibt. Dieser zerfällt in die Technologiegruppen Kurzdistanz-Funksysteme (wie DECT und Bluetooth; vgl. Streitpatent, Absätze [0006] und [0014]), terrestrische Zellularsysteme (wie GSM oder UMTS; vgl. Streitpatent, Absätze [0007] und [0014]), klassische WLAN-Lösungen (Hot Spots; vgl. Streitpatent, Absatz [0008]) und Kombinationen der vorgenannten miteinander oder mit anderen Technologiegruppen (vgl. Streitpatent, Absätze [0004], [0005], [0012] und [0015]).
Das Streitpatent verweist weiter auf Nachteile der klassischen WLAN-Lösungen, die insbesondere darin bestünden, dass zum einen zu wenige Hot Spots (drahtlose Zugangspunkte zum Telekommunikationsnetz) existierten und diese (wenigen) Zugangspunkte nur für die Benutzung des Internets und für das Senden und Empfangen von E-Mails benutzt würden und nicht zur direkten Kommunikation zwischen Anbieter und Kunde, um einen einfachen und guten Informationsfluss zwischen Anbieter und Kunde zu gewährleisten (vgl. Streitpatent, Absatz [0009]). Ein weiterer Nachteil bei den existierenden Hot Spots sei die notwendige umständliche Anmeldung mit Benutzername und PIN, so dass dieser Dienst nicht so einfach funktioniere, wie z. B. bei den GSM-Netzen (vgl. Streitpatent, Absatz [0010]).
Das Streitpatent stellt sich die Aufgabe, ein alternatives System und ein alternatives Verfahren für den elektronischen Einkauf, die Bestellung und die Durchführung von Dienstleistungen mittels eines geeigneten Telekommunikationssystems vorzusehen, das ähnlich wie (zellulare) Mobiltelefon-Netzwerke arbeitet und den Benutzern ermöglicht, sich ggfls. ohne Anmeldung an ein lokales drahtloses Netzwerk anzuschließen. Weiterhin sollen über dieses alternative System mittels eines lokalen drahtlosen Netzwerks Waren gekauft und bezahlt werden (vgl. Streitpatent, Absatz [0016]).
Gelöst sieht das Streitpatent diese Aufgabe durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 (vgl. Streitpatent Absatz [0017]).
Der erteilte Patentanspruch 1 lässt sich – in Anlehnung an die von Klägerin wie Beklagtem verwendete Merkmalsgliederung - in folgende Merkmale gliedern:
1.1 Alternativ Mobil Telekommunikations-System, um damit ein elektronische Bestellung und Bedienung unterstützendes, automatisiertes Telekommunikation System zu verwirklichen.
1.2 Bei dem Mobil Telekommunikations-System kommunizieren drahtlose Telekommunikations-Endgeräte (CTT) zur lokalen Nutzung mit mindestens einer Basisstation über ein lokales Netzwerk LAN.
1.3 Bei dem Mobil Telekommunikations-System ist die mindestens eine Basisstation über eine Telekommunikationsleitung mit einem Telekommunikationsanbieter verbunden, um Dienste des Internets zu nutzen.
1.4 Bei dem Mobil Telekommunikations-System wird das jeweilige drahtlose Telekommunikationsendgerät (CTT) vor der Kommunikation an der Basisstation angemeldet.
1.5 Bei dem Mobil Telekommunikations-System wird für einen nicht in dem Lokalen Netzwerk (LAN) registrierten Benutzer ein elektronisches Kauf-, Bestell- oder Bedienverfahren abgewickelt, wenn der fremde Benutzer sich mit seinem drahtlosen Telekommunikationsendgerät (CTT) in das lokale Netzwerk (LAN) eines Anbieters einbucht und einen bidirektionalen Kommunikationskanal bekommt.
1.6 Bei dem Mobil Telekommunikations-System wird das lokale Netzwerk (LAN) für den fremden Benutzer geöffnet und er bekommt einen digitalen Zugriff.
1.7 Bei dem Mobil Telekommunikations-System bestellt der Benutzer mit seinem Telekommunikationsendgerät (CTT) eine Ware oder Dienstleistung und bezahlt den zu zahlenden Preis mittels eines über das lokale Netzwerk (LAN) benutzerabhängig geführten Kontos oder lässt ihn abbuchen.
1.8 Bei dem Mobil Telekommunikations-System wird die Ware oder Dienstleistung anschließend entweder über einen Automaten oder mit persönlichen Diensten zugestellt bzw. ausgehändigt.
(Oberbegriff)
1.9 Der Benutzer schickt über das Internet ein Zeichen oder Signal für den Internet-Service-Provider oder beliebige andere Telekommunikationsprovider in dem er die gewünschte ein oder mehrere Telefonnummer(n) oder andere beliebige Identifikationsmerkmale angibt, mit welche(n) er verbunden werden möchte.
1.10 Der Benutzer teilt weiterhin auch automatisch oder manuell seine Erreichbarkeit mit.
1.11 Der Provider führt die gewünschte Verbindung entweder paketvermittelt VoIP oder leitungsvermittelt durch.
1.12 Der Provider leitet dem Teilnehmer die Verbindungen, Anrufe weiter.
(Kennzeichen)
Bezüglich der abhängigen Ansprüche 2 bis 9 wird auf das Streitpatent verwiesen.
2. Das Streitpatent wendet sich seinem sachlichen Inhalt nach an einen Diplomingenieur der Nachrichtentechnik mit Hochschulausbildung, der schwerpunktmäßig mit der Mobilfunktelekommunikation befasst ist und über Kenntnisse der Standardisierungsvorschriften verfügt, die bei der Entwicklung und Inbetriebnahme von mobilen Funkgeräten und den zugehörigen Backbone-Netzen, sowie dem Einsatz der zur Anwendung kommenden Übertragungsverfahren zu berücksichtigen sind.
3. Zur Auslegung des erteilten Patentanspruchs 1
3.1 Einige Begriffe des Patentanspruches 1 bedürfen der Auslegung. Der Senat geht von folgendem den einzelnen Begriffen zugrunde zu legenden fachmännischen Verständnis und Bedeutungsinhalt aus:
Soweit in den Patentansprüchen von einem „elektronische Bestellung und Bedienung unterstützendes, alternatives automatisiertes Mobil Telekommunikations-System“ die Rede ist, schränkt das Adjektiv „alternativ“ das in Rede stehende Mobil Telekommunikations-System technisch nicht ein, dies insbesondere deshalb, als weder im Anspruch noch sonst für den Fachmann ersichtlich eine „Al- ternative“ genannt ist, gegen die sich das System abgrenzen könnte. Somit ist mit diesem Merkmal zunächst jedes Telekommunikations-System umfasst, das eine Kommunikation unter Verwendung wenigstens eines nicht-leitungsgebundenen (eben mobilen) Endgerätes ermöglicht. Da jedes derartige TelekommunikationsSystem eine elektronische Bestellung und Bedienung wenigstens unterstützt (was in dieser Allgemeinheit schon erfüllt ist, wenn der Nutzer bei einem Versandhändler anruft und eine Ware zur Lieferung per Nachnahme bestellt oder sich telefonisch eine Auskunft geben lässt), kann auch dieses Teilmerkmal das Telekommunikations-System technisch nicht ausbilden. Das Adjektiv „automatisiert“ grenzt das Telekommunikations-System lediglich gegen Systeme ab, bei denen der Verbindungsaufbau und die weitere Verbindungsbehandlung zur Gänze ohne Unterstützung durch die Netzinfrastruktur erfolgen. Die Notwendigkeit eines teilweisen manuellen Eingreifens ist unschädlich, auch das Streitpatent sieht eine manuelle Anmeldung vor (vgl. dort Absatz [0023]).
Aus fachmännischer Sicht bedeutet „lokale Nutzung“ zunächst lediglich eine räumlich beschränkte Zone der Nutzung, ohne deren Größe auf ein vorgegebenes Maß zu beschränken. Das Streitpatent liefert zur Bedeutung einer „lokalen Nutzung“ nur eine negative Definition dergestalt, als nach seiner Beschreibung GSModer UMTS-Systeme ob ihrer ausgestrahlten Leistung und des sich dadurch ergebenden „elektrischen Smog“ nachteilhaft seien und deswegen die Kommunikation mit Radiowellen in den lokalen Bereichen bei möglichst kurzen Übertragungsstrecken und mit möglichst niedriger Belastung für die Umgebung zu leisten sei (vgl. Streitpatent, Absatz [0007]). Somit ist unter einer lokalen Nutzung gemäß Streitpatent jedenfalls eine solche zu verstehen, die in ihrer Reichweite unter der von GSM- oder UMTS-Systemen üblicherweise bereitgestellten bleibt, also beispielsweise eine Nutzung vergleichbar der lokaler Netzwerke in DECT-, Bluetoothoder WLAN-Systemen. Einen Anhaltspunkt bezüglich der Größenordnung liefert das Streitpatent im Absatz [0006], in dem es von Radien von 50 m bis 500 m für die vorgenannten Systeme spricht. Dies ist für den Fachmann auch vereinbar mit den ihm bekannten Wirkradien von (funkbasierten) lokalen Netzwerken (WLANs).
Der Begriff „drahtloses Telekommunikations-Endgerät“ umfasst die funktionalen Anteile jedes nicht drahtgebundenen Teilnehmerendgerätes, welches an den Diensten eines mobilen Telekommunikations-Systems teilnehmen kann. Das Streitpatent nennt eine Vielzahl möglicher Ausprägungen von drahtlosen Telekommunikations-Endgeräten (vgl. Streitpatent, Absatz [0083]).
Der Begriff „Basisstation“ umfasst alle funktionalen Anteile auf der Infrastrukturseite eines Funknetzes, die dem Betrieb und der unmittelbaren Steuerung der Funkschnittstelle zu einem oder mehreren drahtlosen Telekommunikations-Endgeräten zuzuordnen sind. Im GSM-System beispielsweise entspricht eine Basisstation dem Subsystem Base Station, bestehend aus Base Transceiver Station (BTS) und Base Station Controller (BSC), im DECT-System der DECT-Feststation und in einem WLAN-Netz dem WLAN-Access Point.
Eine „Anmeldung“ bei einem Netzwerk erfolgt gemäß Streitpatent beispielsweise dann, wenn ein Nutzer durch Angabe seines Benutzernamens und seiner PIN Zugang zu einem Hot Spot erlangt (vgl. Streitpatent, Absatz [0010]). Das Streitpatent lässt manuelle wie automatische Anmeldungen mittels des Endgerätes des Nutzers zu (vgl. Streitpatent, Absatz [0023]). Die automatische Anmeldung (und Identifikation) kann aufgrund einer SIM-Karte oder Mac-Adresse durchgeführt werden. Es kann aber auch jedes andere Verfahren, auch ein Voice-Control-Verfahren angewendet werden (vgl. ebenda und Absatz [0047]). Das Streitpatent unterscheidet nicht konsequent zwischen angemeldet und registriert, so wird im Streitpatent (Absatz [0034]) ausgeführt: „Das Verfahren kann einen mobilen VolP-Service bereitstellen, in dem sich die CTT-Endgeräte in einem W-LAN (Wireless Local Area Network) als fremde Benutzer anmelden und in dem LAN oder außerhalb des LANs verwaltet und registriert werden,…“ bzw. „Es ist erkannt worden, dass das alternative Mobil-Telekommunikationssystem verwirklicht werden kann, wenn der Benutzer mit oder ohne Anmeldung/Registrierung einen bidirektionalen Kommunikationskanal im lokalen Netzwerk (LAN) erhält, indem er an die private Basisstationen angeschlossen wird. Dadurch wird das lokale Netzwerk für den nicht registrierten Benutzer mit einer manuellen oder automatischen Anmeldung geöffnet und der Benutzer erhält einen Zugriff zu dem Netzwerk (PTSN), so dass der Benutzer ein Telefongespräch und/oder eine Datenübertragung mittels dieses Endgeräts zur Telekommunikation (CTT) sogar ohne Registrierung durchführen kann.“ (Absatz [0018]).
Aus den genannten Stellen schließt der Fachmann auf einen Bedeutungsgehalt der streitpatentgemäßen Lehre, demgemäß ein Nutzer in seinem Heimnetzwerk registriert und ggfls. angemeldet ist (vgl. im GSM das home directory), sich in einem Fremdnetzwerk aber ohne vorbereitende Tätigkeiten anmelden kann (vgl. GSM, ein eingeschränkter Notrufdienst ist stets verfügbar; auch das im GSM-System bekannte Roaming-Verfahren). Auf einen solchen Bedeutungsgehalt verweist auch Absatz [0043]: „Der im LAN nicht registrierte Benutzer kann sich mit seinem CTT-Endgerät, welches in diesem Fall ein einfaches DECT-Heimfunktelefon ist oder auch ein mit beliebigen anderen Frequenzen arbeitendes Gerät sein kann, welches immer und ausschließlich nur in den Heimfunknetzen angemeldet arbeitet, jetzt auch in einem fremden LAN eines Gastgebers anmelden.“ Die Vergleichbarkeit mit den aus GSM-Netzen bekannten Mechanismen belegt dabei Absatz [0087]: „Die privaten Zugangspunkte werden als Basisstationen verwendet, indem sich alle Teilnehmer automatisch anmelden, sich Einbuchen können genauso wie bei den GSM-Netzen, und die Basisstationen oder der Access Point werden von den AMTS Mobilen Switching Center (MSC) zu dem AMTS Authentication Center (AC) weitergeleitet, kontrolliert, in dem AMTS Home Location Register (HLR) und AMTS Visitor Location Register (VLR) je nach Aufenthaltsort registriert und je nach Bedarf mit den gewünschten Netzen und dessen Teilnehmer verbunden, genauso wie in den GSM- und UMTS-Netzen.“
Ein elektronisches Kauf-, Bestell- oder Bedienverfahren im Sinne des Streitpatents ist jedes Verfahren, mittels welchem der Nutzer entweder eine Ware erwerben kann (Kaufverfahren) oder mit dessen Hilfe er einer Dienstleistung teilhaft werden kann (Bestell- oder Bedienverfahren; vgl. auch Streitpatent, Absatz [0031]: „Der Benutzer kann dabei auch eine Information bekommen oder bzgl. einer Ware identifiziert, autorisiert werden oder es kann bei einem Ticketverkauf das Ticket di- gital zugeschickt werden oder ein Einlasssystem kann benutzt werden.“). Auch eine bereitgestellte Telekommunikationsdienstleistung ist streitpatentgemäß explizit vom Dienstleistungsbegriff umfasst (vgl. Streitpatent, Absätze [0018] und [0019]).
Ein bidirektionaler Kommunikationskanal ist ein Kanal, auf dem der Informationstransport (in welcher Art auch immer) in zwei Richtungen (nicht notwendigerweise gleichzeitig) erfolgen kann.
Ein „über das lokale Netzwerk benutzerabhängig geführtes Konto“ stellt ein Konto dar, welches einem Benutzer zugeordnet ist und dessen Be- oder Entlastung unter Nutzung des lokalen Netzwerkes (und ggfls. weiterer Netzwerke) bewerkstelligt werden kann. Der Begriff „benutzerabhängig“ wird in diesem Kontext im Streitpatent dergestalt verwendet, als dass durch eine Identifikation des angemeldeten Benutzers (z. B. über eine SIM-Card; vgl. [0023]) eine Zuordnung der zu erbringenden Dienstleistung bzw. der verkauften Ware zu einer Person möglich wird. Dies steht streitpatentgemäß in Abgrenzung zu einer Identifikation lediglich über die Rufnummer eines Anschlusses (vgl. [0059]), die bei dem streitpatentgemäßen Gegenstand offensichtlich insuffizient wäre.
3.2 Die Formulierung des erteilten Patentanspruch 1 ist – neben seiner Begrifflichkeit - in einigen Merkmalen nicht präzise und daher auslegungsbedürftig. Insbesondere ist das beanspruchte Telekommunikations-System teils nicht durch räumlich-körperliche Merkmale, sondern nur durch mit ihm durchführbare Verfahrensschritte definiert (vgl. insbesondere Merkmale 1.4 bis 1.12). Dies ist grundsätzlich zulässig, schränkt das beanspruchte System jedoch nur insoweit ein, als es eingerichtet sein muss, die beanspruchten Verfahrensschritte durchführen zu können bzw. zu unterstützen.
Im Einzelnen:
Das Merkmal 1.5 stellt die Bedingung, dass für den Benutzer ein elektronisches Kauf-, Bestell- oder Bedienverfahren abgewickelt wird, wenn er sich eingebucht hat und einen Kanal bekommt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieses Verfahren automatisch, ohne manuelle Zwischenschritte, abläuft. So erläutert beispielsweise der im Streitpatent (vgl. dort Abschnitt [0020]) beschriebene Ablauf, dass der Benutzer nach der Anmeldung einen Gesprächskanal zum Anbieter erhält und nun ein Wechselspiel zwischen Kunden und Anbieter auf dem „Kommunikationskanal für Gegensprechverkehr“ abläuft, was im Rahmen eines üblichen Telefonates stattfinden kann. Schließlich „gibt der Verkäufer die Ware aus oder der Dienstleistungsbetrieb führt die bestellte Dienstleistung durch“ (vgl. ebenda) – auf welchem Weg auch immer dies geschieht, eine Nutzung des Netzwerks ist hierfür jedenfalls nicht zwingend notwendig.
Soweit das Merkmal 1.7 bezüglich der Entgeltung fordert, dass der Benutzer den zu zahlenden Preis entweder mittels eines über das lokale Netzwerk (LAN) benutzerabhängig geführten Kontos bezahlt oder ihn abbuchen lässt, sind dem Fachmann hiermit zwei Alternativen mitgeteilt, von denen die zweite („Abbuchen lassen“) jedenfalls dann erfüllt ist, wenn der Nutzer (wie auch immer) dem zu Entgeltenden die Möglichkeit einräumt, den geschuldeten Betrag von einem (nicht näher spezifizierten) Konto abzubuchen.
Die mit Merkmal 1.8 adressierte Zustellung bzw. Aushändigung von Waren oder Dienstleistungen über Automaten oder persönliche Dienste ist weit auszulegen. Da auch bereitgestellte Telekommunikationsdienstleistungen streitpatentgemäß explizit vom Dienstleistungsbegriff umfasst sind (vgl. oben), kann der Automat auch ein Telekommunikationsserver sein, der eine Telekommunikations-Verbindung bereitstellt. Soweit eine Zustellung der Ware mit persönlichen Diensten beansprucht ist, gestaltet dies das beanspruchte System nicht aus, denn diese Vorgänge (beispielsweise das Liefern der telefonisch bestellten Pizza mittels Boten auf Motorroller) liegen außerhalb des Telekommunikations-Systems.
Soweit das Merkmal 1.10 fordert, dass der Benutzer seine Erreichbarkeit automatisch oder manuell mitteilt, ist dies jedenfalls dann gegeben, wenn innerhalb des Systems automatisch ein Verzeichnis des Aufenthaltsortes geführt wird, was darin bestehen kann, dass die Information ausgewertet wird, an welcher Basisstation sich das drahtlose Endgerät zuletzt (gemäß Merkmal 1.4) angemeldet hat. Derartige Mechanismen kennt das GSM-System (dies bestätigt auch das Streitpatent in Absatz [0087]).
Gemäß Merkmal 1.4 ist ein Anmelden „vor der Kommunikation“ obligatorisch. Aufgabengemäß jedoch soll es Benutzern ermöglicht werden, sich ggfls. ohne Anmeldung an ein lokales drahtloses Netzwerk anzuschließen (vgl. Streitpatent, Absatz [0016]). Jedenfalls insoweit wird die subjektive Aufgabe des Streitpatents nicht erfüllt.
4. Die Klägerin macht mit ihrer Klage geltend, das Streitpatent nehme die Priorität der deutschen Patentanmeldung 101 58 404 vom 29. November 2001 nicht wirksam in Anspruch (vgl. Klageschrift, Abschnitt IV, Seiten 9 und 10). Sie begründet dies damit, dass die Offenbarung der Prioritätsanmeldung (vgl. Anlage NK3) sich auf einen anderen Gegenstand, nämlich auf Zahlverfahren mittels Guthabenspeicher in einem Mobiltelefon beziehen würde. Dieser Argumentation ist zuzustimmen – jedenfalls die Merkmale 1.3, 1.4, 1.5, 1.9 und 1.10 gehen aus der Prioritätsanmeldung nicht hervor. Der Beklagte tritt diesem Vortrag auch nicht entgegen (vgl. hierzu auch Schriftsatz vom 16. November 2011, dort Seite 22, Abschnitt IV). Damit kommt dem Streitpatent lediglich der Zeitrang des internationalen Anmeldetages (27. November 2002) zu.
5. Dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag steht die Druckschrift WO 02/057869 A2 (im folgenden NK18 genannt) neuheitsschädlich entgegen.
Die Druckschrift NK18 beschreibt ein Mobil-Telekommunikations-System (vgl. Seite 7, 1. Absatz), mit dem ein elektronische Bestellung und Bedienung unterstützendes, automatisiertes Telekommunikationssystem verwirklicht ist (vgl. Seite 8, vierter Absatz und Seite 20, die letzten vier Absätze) (Merkmal 1.1).
Bei dem mit der Druckschrift NK18 beschriebenen Telekommunikations-System kommunizieren drahtlose Telekommunikations-Endgeräte zur lokalen Nutzung mit mindestens einer Basisstation über ein lokales Netzwerk LAN (vgl. Fig. 1 i. V. m. Seite 13, zweiter Absatz; Seite 9, zweiter Absatz und Seite 19, letzter Absatz; Merkmal 1.2).
Bei dem Telekommunikations-System gemäß der Druckschrift NK18 ist die mindestens eine Basisstation über eine Telekommunikationsleitung mit einem Telekommunikationsanbieter verbunden, um Dienste des Internets zu nutzen (vgl. Fig. 1 i. V. m. Seite 13, erster Absatz i. V. m. Seite 6, zweiter Absatz; Merkmal 1.3).
Auch bei dem Telekommunikations-System gemäß der Lehre der Druckschrift NK18 wird das jeweilige drahtlose Telekommunikationsendgerät vor der Kommunikation an der Basisstation angemeldet (vgl. Seite 14, letzter Absatz und Seite 15, erster Absatz; Merkmal 1.4) und für einen nicht in dem lokalen Netzwerk registrierten Benutzer ein elektronisches Bedienverfahren abgewickelt, wenn der fremde Benutzer sich mit seinem drahtlosen Telekommunikationsendgerät in das lokale Netzwerk eines Anbieters einbucht und einen bidirektionalen Kommunikationskanal bekommt (vgl. Seite 7, erster Absatz: „...the members may be notified and allowed to modify the preferences...“ und Seite 19, zweiter Absatz; Merkmal 1.5).
Weiter lehrt die Druckschrift NK18, dass bei dem von ihr gelehrten Telekommunikations-System das lokale Netzwerk für den fremden Benutzer geöffnet wird und er einen digitalen Zugriff bekommt (vgl. Seite 14, letzter Absatz, insb. „...establish the physical link in step 202.“; Merkmal 1.6).
Bei dem mit der Druckschrift NK18 beschriebenen Telekommunikations-System bestellt der Benutzer mit seinem Telekommunikationsendgerät eine Ware oder Dienstleistung und lässt den zu zahlenden Preis abbuchen (vgl. Seite 9, erster Absatz; Seite 12, dritter Absatz: „Provide VOIP service...“; Seite 19, zweiter und dritter Absatz, insb. „...“This will require the client ... to provide billing info...“ sowie Seite 20, letzter Absatz (Bezug eines Videofiles); Merkmal 1.7). Die Ware oder Dienstleistung wird anschließend über einen Automaten zugestellt (vgl. ebenda; Merkmal 1.8).
Gemäß der Lehre der Druckschrift NK18 schickt der Benutzer über das Internet ein Zeichen oder Signal für den Internet-Service-Provider, in dem er die gewünschte Telefonnummer angibt, mit welcher er verbunden werden möchte (vgl. Seite 19, letzter Satz übergreifend auf Seite 20; im Übrigen eine Voraussetzung für den Aufbau eines VOIP-Rufes, vgl. Seite 12, dritter Absatz; Merkmal 1.9), auch teilt der Benutzer (mittels des Systems) automatisch seine Erreichbarkeit mit (vgl. Seite 9, dritter Absatz; Seite 18, letzter Absatz bis Seite 20, erster Absatz, dort insb. der Ablauf des Übergabeverfahrens [handover]; Merkmal 1.10).
Der Provider führt die gewünschte Verbindung entweder paketvermittelt VoIP oder leitungsvermittelt durch (vgl. Seite 19, zweiter Absatz; Merkmal 1.11) und leitet dem Teilnehmer die Verbindungen und Anrufe weiter (vgl. Nachweise zu Merkmal M1.10; Merkmal 1.12).
Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausführte, die Druckschrift NK18 beschreibe keine „e-commerce-Lösung“ für beliebige Waren, kann dies schon deshalb nicht durchgreifen, als Patentanspruch 1 der erteilten Fassung eine Bestellmöglichkeit beliebiger Waren nicht beansprucht.
Auch der Vortrag des Beklagten, aus der NK18 gehe keine kostenpflichtige, kommerzielle Voice-over-IP (VoIP)-Lösung hervor, kann nicht überzeugen, denn die Druckschrift NK18 verweist zum Einen auf dem Fachmann bekannte kommerziell bereitgestellte Services (vgl. nur Seite 12, 3. Absatz, dort ist beispielsweise „Net2phoneTM“ genannt), als auch generell auf die Verwendbarkeit des mit der Druckschrift NK18 gelehrten Verfahrens für eine kostenfreie Zurverfügungstellung auf Tauschbasis (vgl. Seite 9, erster Absatz, vorletzter Satz: „This link is provided free of charge in return for reciprocal roaming rights.“), wie auch für kommerzielle gebührenpflichtige Lösungen (vgl. Seite 9, erster Absatz, letzter Satz).
Letztlich geht auch der Vortrag des Beklagten, in der Druckschrift NK18 sei keine Dienstleistungserbringung am Ort einer Warenauslieferung („point-of-sale“) angelegt, ins Leere, da mit der Druckschrift NK18 die Verknüpfung von Kauf und Lieferung einer Ware mit der orts- und zeitgleichen Lieferung einer Dienstleistung gelehrt wird (vgl. nur Seite 20, letzter Absatz: Lieferung und Bezahlung von Benzin bei gleichzeitigem Download eines Videofilms i. V. m. Fig. 7, dort: LAN wird u. a. von Tankstelle bereitgestellt).
Ein Gegenstand mit den Merkmalen des verteidigten Patentanspruchs 1 geht im Übrigen auch aus der Lehre der Druckschrift NK19 (US 2002/0075844 A1) hervor. Diesbezüglich kann auf den schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 31. Januar 2013 (vgl. dort die Seiten 21 bis 32) verwiesen werden, mit der Ergänzung, dass Absatz [0052] mit dem dort geschilderten Anmeldeangebot die Bereitstellung einer Dienstleistung zeigt (zu Merkmal 1.5) und dass gemäß den Ausführungen auf Seite 4 (linke Spalte, oben) der „Erstzugang“ unbedingt ist („…simply accept the link requests…“; zu Merkmal 1.6). Zudem wird in Absatz [0052] dezidiert auf die Verwendung einer credit card reflektiert (zu Merkmal 1.7).
6. Mit dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben.
Dass in den abhängigen Patentansprüchen 2 bis 9 – soweit sie nicht für die Gestaltung von Hilfsanträgen herangezogen wurden – eigenständige erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat der Beklagte weder geltend gemacht noch ist dies für den Senat ersichtlich.
7. Unter den gegebenen Umständen war eine Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung ebenso entbehrlich wie über die gerügte mangelnde Ausführbarkeit bezüglich des Gegenstandes des Patentanspruchs 8.
II. Zu den hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents Das Gebot der Deutlichkeit (Klarheit) von Patentansprüchen gemäß Art. 84 EPÜ ist auch bei der Formulierung beschränkter Patentansprüche in Patentnichtigkeitsverfahren zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2010 - Xa ZR 54/06 – Proxyserversystem). Ein europäisches Patent kann somit im Nichtigkeitsverfahren nicht mit Patentansprüchen beschränkt verteidigt werden, die dem Erfordernis einer deutlichen (klaren) und knappen Anspruchsfassung nicht genügen. Ist mit der beschränkten Verteidigung des Streitpatents im Nichtigkeitsverfahren keine inhaltliche Änderung der Patentansprüche verbunden, beispielsweise bei bloßer Zusammenziehung des Hauptanspruchs mit einem abhängigen Unteranspruch, so löst dies keine Überprüfung der Klarheit nach Art. 84 EPÜ aus (vgl. BPatG, Urteil vom 27. März 2012 – 4 Ni 24/10 (EU)). Die Überprüfung der Gegenstände der Hilfsanträge 2, 3, 4, 7 und 8 beschränkt sich daher auf die verfahrensgegenständlichen Nichtigkeitsgründe.
Zu den Hilfsanträgen im Einzelnen:
1. Zum Hilfsantrag 1 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sieht ein Alternativ Mobil Telekommunikations-System vor, das gegenüber den Merkmalen des Patentanspruchs 1 der erteilten Fassung um folgendes Merkmal 1.8.1 ergänzt ist:
b) Mit Hilfsantrag 1 kann der Beklagte das Streitpatent nicht in zulässiger Weise verteidigen. Dem geänderten Patentanspruch 1 mangelt es schon an der nach Art. 84 EPÜ zu fordernden Deutlichkeit und Klarheit (BGH, Urteil vom 18. März 2010 - Xa ZR 54/06 - GRUR 2010, 709 Tz. 55 - Proxyserversystem).
Zwar sind die in den Anspruch aufgenommenen Merkmale an einen Absatz der Beschreibung angelehnt (vgl. Absatz [0082] der Streitpatentschrift), aber schon die dortige Offenbarung ist nicht hinreichend deutlich und klar. So ist für den Fachmann schon nicht ersichtlich, in welcher Weise von dem beanspruchten Alternativ Mobil Telekommunikations-System (AMTS) Voice-Portal-Lösungen abzweigen könnten und was unter einem Wireless Server Selling System verstanden werden soll. Selbst wenn mit letzterem das in Absatz [0082] der Streitpatentschrift genannte „Wireless Selling Services System“ gemeint sein sollte, wüsste der Fachmann nicht, in welcher Art und Weise dieses von dem beanspruchten Alternativ Mobil Telekommunikations-System (AMTS) abzweigen könnte.
Die im verteidigten Patentanspruch 1 vorgenommenen Änderungen sind folglich unzulässig, da sie das Erfordernis der Klarheit nicht erfüllen (Art. 84 EPÜ).
Zudem gestaltet das Merkmal 1.8.1 (wie auch die ursprünglich offenbarte Lehre des Absatzes [0082], soweit verständlich) das beanspruchte Alternativ Mobil Telekommunikations-System (AMTS) selbst nicht aus und kann somit nichts zur Beurteilung dessen Patentfähigkeit beitragen.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben.
2. Zum Hilfsantrag 2 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sieht ein Alternativ Mobil Telekommunikations-System vor, das gegenüber den Merkmalen des Patentanspruchs 1 der erteilten Fassung um folgendes Merkmal 1.8.2 ergänzt ist:
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht in Ansehung der Lehre der Druckschrift NK19 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen der Merkmale 1.1 bis 1.8 und 1.9 bis 1.12 wird auf die obigen Ausführungen zur erteilten Fassung verwiesen. Bezüglich des Merkmals 1.8.2 ist festzustellen, dass die Druckschrift NK19 auf Seite 4, linke Spalte, Zeilen 5 – 12 in einschlägigem Zusammenhang die Verwendung der MAC-Adresse des mobilen Endgerätes als Identifizierungsmerkmal zur Verwendung während des Anmeldeprozesses lehrt und somit das Merkmal 1.8.2 in dieser Ausprägung vorwegnimmt.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 2 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben, da sein Gegenstand nicht patentfähig ist.
3. Zum Hilfsantrag 3 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 sieht ein Alternativ Mobil Telekommunikations-System vor, das gegenüber den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 um folgendes Merkmal 1.8.3 ergänzt ist:
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruht in Ansehung der Lehre der Druckschrift NK19 jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen der Merkmale 1.1 bis 1.8 und 1.9 bis 1.12 wird auf die obigen Ausführungen zur erteilten Fassung verwiesen. Bezüglich des Merkmals 1.8.3 ist festzustellen, dass die Druckschrift NK19 in Absatz [0052] beschreibt, dass dem Nutzer auf seinem Endgerät eine Registrierungs-Webseite („registration page“) angezeigt wird und er in diese Webseite Profildaten (dort genannt z. B. seine Kreditkartennummer) eingeben kann und diese hierbei dargestellt wird. Auch auf den Absatz [0121] der Druckschrift NK19 wird in diesem Zusammenhang hingewiesen (Anzeige der voraussichtlichen Kosten einer Verbindung am Endgerät und damit einer Größe, die in unmittelbarem Bezug zu einem Verbindungsaufbau-Angebot besteht, wenn nicht dieses selbst darstellt).
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist dem Fachmann daher mit der Druckschrift NK19 jedenfalls nahe gelegt.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 3 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben, da sein Gegenstand nicht patentfähig ist.
4. Zum Hilfsantrag 4 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 sieht ein Alternativ Mobil Telekommunikations-System vor, das gegenüber den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 um folgendes Merkmal 1.8.4 ergänzt ist:
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruht in Ansehung der Lehren der Druckschrift NK18 und der Druckschrift NK23, welche die Klägerin unter alleiniger Berufung auf den Inhalt der Spalte 4, Zeilen 41 bis 53 in der mündlichen Verhandlung eingeführt hat und zu welcher sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingelassen hat, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen der Merkmale 1.1 bis 1.8 und 1.9 bis 1.12 wird auf die obigen Ausführungen zur erteilten Fassung verwiesen. Bezüglich des Merkmals 1.8.4 ist festzustellen, dass die Druckschrift NK18 die systemseitige Überprüfung der Kreditwürdigkeit beschreibt (vgl. S. 15, letzter Absatz und Seite 16, erster Absatz). Die im Vorabsatz genannte Stelle der Druckschrift NK23 belegt, dass dem Fachmann die gemeinsame Nutzung einer elektronischen Geldbörse (als Chipkarte) in GSM- und Festnetzen bekannt war. Die Verwendung einer derartigen im mobilen Endgerät implementierten elektronischen Geldbörse im vorliegenden Zusammenhang eines Mobil Telekommunikations-Systems zur Unterstützung elektronischer Bestell- und Bedienvorgänge und damit im lokalen drahtlosen Netz, liegt im unmittelbaren Griffbereich des Fachmanns.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist dem Fachmann daher mit der Druckschrift NK18 wenigstens nahe gelegt.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 4 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben, da sein Gegenstand nicht patentfähig ist.
5. Zum Hilfsantrag 5 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 sieht ein Alternativ Mobil Telekommunikations-System vor, das gegenüber den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 um folgendes Merkmal 1.8.5 ergänzt ist:
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 beruht in Ansehung der Lehre der Druckschrift NK18 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen der Merkmale 1.1 bis 1.8 und 1.9 bis 1.12 wird auf die obigen Ausführungen zur erteilten Fassung verwiesen. Dahingestellt, ob die Inklusion des Merkmals 1.8.5 zu einem klaren Anspruch führt (Art. 84 EPÜ) und es sich bei dem Merkmal 1.8.5 um ein Merkmal handelt, das einen technischen Beitrag zu einer technischen Lösung leistet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12 – Routenplanung), beruht der Anspruchsgegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. So lehrt die Druckschrift NK18 auf Seite 18, zweiter Absatz, die Zurverfügungstellung eines „public Bluetooth node“ in einem öffentlichen Café („Starbucks“; vgl. auch Fig. 7) und auf Seite 20, letzter Absatz, den Download einer Videodatei während eines Tankvorgangs an einer Tankstelle, also am Point of Sale. Diese Kombinationen von Verkauf und Bereitstellung einer Dienstleistung per lokalem Netzwerk bilden jedenfalls ein Customer Relationship Management aus. Die Preisgestaltung liegt hierbei in der Wahlfreiheit des Betreibers und stellt jeden- falls kein Merkmal dar, das einen technischen Beitrag leistet, ist also bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 5 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben, da sein Gegenstand nicht patentfähig ist.
6. Zum Hilfsantrag 6 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 sieht in der mit Schriftsatz vom 31. Januar 2013 eingereichten Fassung ein Alternativ Mobil Telekommunikations-System vor, das gegenüber den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 um folgendes Merkmal 1.8.6 ergänzt ist:
b) Mit dem Hilfsantrag 6 in der im Vorabschnitt dargelegten Fassung kann das Streitpatent nicht wirksam verteidigt werden, da das Merkmal 1.8.6 zu einer unzulässigen Änderung des Anspruchsgegenstandes führt. Die Lehre des Streitpatents (vgl. Absatz [0069] der Streitpatentschrift wie auch den hiermit korrespondierenden zweiten Absatz auf Seite 14 der Offenlegungsschrift) spricht davon, dass statt der bekannten Kontaktaufnahme über die Mobilfunkbetreiber durch Anrufen einer bestimmten Nummer direkt das LAN der Anbieter erreicht werden kann. Damit findet der nunmehr beanspruchte Passus „…indem man sich über die Mobilfunkprovider…“ keine Stütze in der ursprünglichen Offenbarung und dem Streitpatent, verkehrt diese vielmehr in das Gegenteil.
c) Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eine Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6 zur Diskussion gestellt hat, in welcher die Worte „... indem man sich...“ durch die Worte „... indem man sich anstatt...“ als Behebung eines nach dem Verständnis des Beklagten offensichtlichen Schreibversehens ersetzt werden, beruht ein solcher Gegenstand in Ansehung der Lehre der Druckschrift NK18 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen der Merkmale 1.1 bis 1.8 und 1.9 bis 1.12 wird auf die obigen Ausführungen zur erteilten Fassung verwiesen. Bezüglich des Merkmals 1.8.6 ist festzustellen, dass ein Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens so nicht stattfinden kann, da eine Vorrichtung beansprucht ist. Legt man das Merkmal 1.8.6 dem folgend dergestalt aus, dass ein kombinierter Einsatz der beanspruchten Vorrichtung mit Kunden-Bediensystemen beansprucht wird, so bildet dieses Merkmal die beanspruchte Vorrichtung nicht weiter. Eine direkte Zugänglichkeit des lokalen Netzes des Anbieters lehrt die NK18 unmittelbar (vgl. Fig. 7, dort die Versorgung des Nutzers durch die lokalen Netze von „Starbucks“ bzw. die „Gas Station“). Hierbei einen Zugang über ein Voice-Portal und somit bei der anspruchsgemäß intendierten Nutzung eines mobilen Endgeräts zwangsläufig über einen Mobilfunkprovider unter Vorgabe einer dezidierten Service-Nummer vorzusehen, liegt ebenso in der Wahlfreiheit des Fachmanns bezüglich der technischen Umsetzung wie die Preisgestaltung. Letzteres stellt dabei kein Merkmal dar, das einen technischen Beitrag leistet.
d) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 6 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben, da sein Gegenstand nicht patentfähig ist.
7. Zum Hilfsantrag 7 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 sieht ein Alternativ Mobil Telekommunikations-System vor, das gegenüber den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 um folgendes Merkmal 1.8.7 ergänzt ist:
a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 7 beruht in Ansehung der Lehre der Druckschrift NK18 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen der Merkmale 1.1 bis 1.8 und 1.9 bis 1.12 wird auf die obigen Ausführungen zur erteilten Fassung verwiesen. Bezüglich des Merkmals 1.8.7 ist festzustellen, dass die Druckschrift NK18 auf Seite 8, letzter Absatz und Seite 9, erster Absatz lehrt, dass sich die Nutzer ihre Netzanschlüsse unentgeltlich oder entgeltlich gegenseitig zur Verfügung stellen können. Eine entsprechende Lehre geht auch aus der Druckschrift NK19 hervor (vgl. dort Absätze [0010], [0121] und [0122]). Damit ist dem Fachmann nahegelegt, das System so auszubilden, dass die Anschlusseinheiten gegenseitig zur Verfügung gestellt werden können und diese Nutzung abgerechnet werden kann.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 7 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben, da sein Gegenstand nicht patentfähig ist.
8. Zum Hilfsantrag 8 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 sieht ein Alternativ Mobil Telekommunikations-System vor, das gegenüber den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 um folgendes Merkmal 1.8.8 ergänzt ist:
b) Zunächst ist festzustellen, dass eine bestimmte Art und Weise, das anspruchsgemäße System einzusetzen, nur insoweit eine technische Ausbildung des Systems bestimmen kann, als es sich für diesen Einsatzzweck eignen muss.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 8 ist im Streitpatent jedoch nicht in einer Weise offenbart, die es dem Fachmann ermöglichen würde, das beanspruchte Mobile Telekommunikations-System in einer Weise auszubilden, die es erlaubt, das System mit jedem beliebigen Verkaufs- und Kunden-Bedienungssystem und Automaten kombiniert einzusetzen. Das Patent offenbart die beanspruchte Lehre daher nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könnte (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. b), Art. 83 EPÜ).
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 8 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben.
9. Zum Hilfsantrag 9 a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 vereint die Merkmale der Patentansprüche 1 der erteilten Fassung wie in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 8.
b) Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 leidet somit an der Summe der zu den Hilfsanträgen 1 bis 8 aufgezeigten Mängel.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag 9 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben.
10. Unter den gegebenen Umständen konnte es dahingestellt bleiben, ob mit den Hilfsanträgen 2 bis 5 sowie 7 und 8 jeweils in zulässiger Weise beschränkte Gegenstände verfolgt werden.
III.
Als Unterlegener hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.
Seine Verpflichtung zur Zahlung der Gerichtskosten bemisst sich jedoch nicht nach dem in der mündlichen Verhandlung erstmals festgesetzten Streitwert in Höhe von 5 000 000,-- €, sondern nach dem der wirtschaftlichen Lage des Beklagten angepassten Teilstreitwert von 50 000,-- € gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 5 PatKostG, den der Senat auf den zulässigen (§ 144 Abs. 2 PatG) Antrag des Beklagten vom 14. November 2011 im Termin ebenfalls festgesetzt hat. Die Streitwertherabsetzung bewirkt nach § 144 Abs. 1 Satz 3 PatG, dass der Beklagte die vom Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seiner Vertreter aus diesem Teilstreitwert zu erstatten hat.
In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens hat der Senat dem Antrag des Beklagten nach § 144 PatG stattgegeben und einen angemessenen Teilstreitwert festgesetzt. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag einer Partei anordnen, dass sich ihre Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtskosten nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass durch die Belastung mit den Kosten des Nichtigkeitsverfah- rens nach dem vollen Streitwert eine erhebliche Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage eintreten werde.
Zwar ist dem Beklagten für das Nichtigkeitsverfahren Verfahrenskostenhilfe gewährt worden. Dies schließt eine Reduzierung des Streitwerts für den Begünstigten jedoch nicht aus. Zur Glaubhaftmachung nach § 144 Abs. 1 PatG sind auch grundsätzlich diejenigen Unterlagen geeignet, die der Antragsteller im Bewilligungsverfahren nach § 129 PatG zur Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat. Da diese Unterlagen im vorliegenden Fall jedoch nur den Zeitraum bis August 2011 umfassen, hat der Beklagte in seiner im Termin abgegebenen eidesstattlichen Erklärung versichert, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse hätten sich demgegenüber nicht geändert. Die Jahresgebühren für seine Patente bzw. Anmeldungen zahle er selbst aus seinem Nettoeinkommen in Höhe von 2 500,-- €. Sonstiges verwertbares Vermögen besitze er nicht. In Ergänzung hierzu hat der Beklagte erklärt, die Ausgaben für die Aufrechterhaltung seiner Schutzrechte beliefen sich derzeit jährlich auf insgesamt 3 500,-- €. Damit hat der Beklagte glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO), dass die Belastung mit den Prozesskosten des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens nach dem vollen Streitwert seine wirtschaftlichen Lage erheblich gefährden würde. Schon allein die gegnerischen Anwaltskosten aus dem Teilstreitwert wären mit mindestens 6 000,-- € anzusetzen und stellen damit ein deutliches Kostenrisiko dar. Der Senat hat im Übrigen keine Anhaltspunkte für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Antragstellung, so dass der Teilstreitwert als in dieser Höhe angemessen festzusetzen war. Er entspricht im Übrigen dem Wert des Streitgegenstandes, den der Beklagte als Kläger im parallelen Patentverletzungsverfahren vor dem Landgericht Hamburg angegeben hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.
Martens Richterin Kober-Dehm ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert.
Martens Gottstein Musiol Albertshofer Pü