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V ZR 128/24

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES V ZR 128/24 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:230525UVZR128.24.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterinnen Haberkamp, Laube und Dr. Grau für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 13. Zivilkammer - vom 6. Juni 2024 aufgehoben. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) vom 12. Mai 2023 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Kläger.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Ihre Wohnung befindet sich unterhalb der Wohnung Nr. 8. Durch Beschluss vom 8. September 2022 wurde deren Eigentümer gestattet, auf seinem Balkon ein näher bezeichnetes Klimasplitgerät auf eigene Kosten zu installieren; beschrieben wird das Gerät in dem Beschluss unter anderem wie folgt: „[…] Außengerät Schalldruckpegel: 50 dBA - im Regelbetrieb deutlich leiser. Die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz wird eingehalten. Diese besagt: In reinen Wohngebieten darf der Nachbarschaftslärm tagsüber höchstens 50 Dezibel erreichen. Nachts dürfen es maximal 35 Dezibel sein […]“

Das Amtsgericht hat die gegen diesen Beschluss gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht den Beschluss für ungültig erklärt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, möchte die beklagte GdWE die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung unter anderem in ZWE 2024, 378 veröffentlicht ist, widerspricht der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung. Es bestehe das Risiko einer unbilligen Benachteiligung der Kläger i.S.d. § 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG. Insoweit seien nicht nur die sich aus der baulichen Veränderung selbst, sondern auch die mit ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung verbundenen Nachteile - wie mögliche, in dem Beschluss mit 50 dbA angegebene Geräuschemissionen - zu berücksichtigen. Da Klimageräte gerichtsbekannt nicht anderweitig gesteuert würden, sei davon auszugehen, dass der nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) in Wohngebieten nachts maßgebliche Grenzwert von 35 Dezibel überschritten werden könne. Ordnungsmäßiger Verwaltung hätte der Beschluss nur entsprochen, wenn zugleich durch einen flankierenden Nutzungsbeschluss sichergestellt worden wäre, dass es zu keiner unbilligen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer komme.

II.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass die Kompetenz der Wohnungseigentümer, einem Sondereigentümer eine bauliche Veränderung - hier: den mit Bohrungen durch die im Gemeinschaftseigentum stehende Außenfassade und die Regenrinne verbundenen Einbau des Klimageräts - durch Beschluss zu gestatten, aus § 20 Abs. 1 WEG folgt (näher zur Beschlusskompetenz Senat, Urteil vom 9. Februar 2024 - V ZR 244/22, NJW 2024, 1030 Rn. 12 ff.). Beschließen die Wohnungseigentümer die Gestattung einer baulichen Veränderung, die ein Wohnungseigentümer verlangt, ist der Beschluss auf die Klage eines anderen Wohnungseigentümers nur für ungültig zu erklären, wenn die beschlossene Maßnahme die Wohnanlage grundlegend umgestaltet (§ 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG) bzw. einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt (§ 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG) oder der Beschluss an einem anderen (allgemeinen) Beschlussmangel leidet. Ob ein Anspruch auf die Gestattung - nach § 20 Abs. 2 oder Abs. 3 WEG - bestand, ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen dem Verlangen eines Wohnungseigentümers stattgebenden Beschluss ohne Bedeutung (vgl. Senat, Urteil vom 9. Februar 2024 - V ZR 33/23, NJW 2024, 1419 Rn. 9).

2. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine unbillige Benachteiligung der Kläger i.S.d. § 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG aber nicht bejaht werden.

a) Gemäß § 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG dürfen bauliche Veränderungen, die einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen und gestattet und auch nicht verlangt werden. Eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers setzt voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte (vgl. Senat, Urteil vom 9. Februar 2024 - V ZR 244/22, NJW 2024, 1030 Rn. 44 mwN). Demgegenüber genügt es nicht schon, dass sich ein verständiger Durchschnittseigentümer nach der Verkehrsanschauung nachvollziehbar durch die bauliche Veränderung beeinträchtigt fühlen kann. Auch Umstände, die zwangsläufig mit der Maßnahme verbunden sind, können für sich allein nicht zur Bejahung eines unbilligen Nachteils führen. Maßgeblich ist insoweit eine objektive Sicht (vgl. Senat, Urteil vom 11. Oktober 2024 - V ZR 22/24, NJW-RR 2025, 13 Rn. 16 f.). Letztlich muss die bauliche Veränderung zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führen, indem die Nachteile einem oder mehreren Wohnungseigentümern in größerem Umfang zugemutet werden als den übrigen (BT-Drucks. 19/18791 S. 66).

b) Wie der Senat - allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils und entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - entschieden hat, sind bei der Beurteilung, ob eine mehrheitlich gestattete bauliche Veränderung einen Wohnungseigentümer i.S.d. § 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG gegenüber anderen unbillig benachteiligt, im Grundsatz nur die unmittelbar mit der baulichen Veränderung verbundenen Auswirkungen - wie etwa Verschattungen -, nicht aber Auswirkungen des späteren Gebrauchs zu berücksichtigen. Anders kann es nur sein, wenn bereits bei der Gestattung für die Wohnungseigentümer evident ist, dass der spätere Gebrauch zwangsläufig mit einer unbilligen Benachteiligung eines oder mehrerer Wohnungseigentümer einhergehen wird, was bei hierzulande zugelassenen Klimageräten indes typischerweise nicht der Fall ist (Senat, Urteil vom 28. März 2025 - V ZR 105/24, juris Rn. 11, 23). Dem liegt unter anderem zugrunde, dass die Bestandskraft eines Beschlusses, mit dem einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung gestattet wird, gegen den Bauwilligen gerichtete Abwehransprüche anderer Wohnungseigentümer wegen Immissionen im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums infolge der späteren Nutzung der baulichen Veränderung nicht ausschließt (ausführlich Senat, Urteil vom 28. März 2025 - V ZR 105/24, juris Rn. 14).

c) Auch hindert ein bestandskräftiger Gestattungsbeschluss die GdWE nicht daran, die Nutzung der baulichen Veränderung auf der Grundlage der für die Hausordnung eingeräumten Beschlusskompetenz (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 WEG) auch später noch zu regeln. Derartige Nutzungsregelungen müssen nicht, wie das Berufungsgericht meint, zugleich mit der Gestattung beschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 28. März 2025 - V ZR 105/24, juris Rn. 18).

III.

1. Das der Berufung der Kläger stattgebende Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Frage, ob bereits bei der Gestattung für die Wohnungseigentümer evident war, dass der spätere Gebrauch zwangsläufig mit einer unbilligen Benachteiligung eines oder mehrerer Wohnungseigentümer einhergehen wird, hat sich das Berufungsgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - zwar nicht gestellt. Der Senat kann aber gleichwohl in der Sache selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Feststellungen bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist die Berufung gegen das die Anfechtungsklage abweisende erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

a) Eine für die anderen Wohnungseigentümer bei Beschlussfassung evidente Benachteiligung der Kläger durch den späteren Gebrauch des hier gestatteten Klimageräts ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Der Gestattungsbeschluss ist nächstliegend so auszulegen, dass das gestattete Klimagerät grundsätzlich geeignet ist, die nach Tag- und Nachtstunden differenzierenden Grenzwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) einzuhalten. Davon geht auch das Landgericht aus. Es begründet seine Einwände nämlich nicht mit der Beschaffenheit des Geräts, sondern mit dem (vermuteten) späteren Nutzerverhalten; es lässt sich entscheidend von der Befürchtung leiten, das Gerät werde in der Nacht ebenso gesteuert werden wie tagsüber. Die Grenzwerte der TA Lärm können im Wohnungseigentumsrecht - und gerade bei der Überlegung, ob einem einzelnen Wohnungseigentümer der Einbau eines Klimageräts gestattet werden soll bzw. darf - als Anhaltspunkt herangezogen werden (vgl. Senat, Urteil vom 28. März 2025 - V ZR 105/24, juris Rn. 23).

b) Ist das Gerät im Prinzip dazu geeignet, unter Einhaltung der Grenzwerte der TA Lärm betrieben zu werden, ist nicht evident, dass seine spätere Nutzung wegen unbilliger Benachteiligung der Kläger (als der Wohnungseigentümer, deren Einverständnis fehlt) insgesamt unterbleiben muss. Sollte sich nach dem Einbau herausstellen, dass das Klimagerät - der Befürchtung des Berufungsgerichts entsprechend - auch zur Nachtzeit im Tagbetrieb genutzt wird mit der Folge einer nicht hinnehmbaren nächtlichen Lärmbelastung der Nachbarn, könnten dem - trotz bestandskräftiger Gestattung - sowohl die Kläger als auch die GdWE entgegentreten (s.o. Rn. 8 f.).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO (Revision) und § 97 ZPO (Berufung).

Brückner Göbel Haberkamp Laube Grau Vorinstanzen:

AG Friedberg (Hessen), Entscheidung vom 12.05.2023 - 2 C 783/22 (23) LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 06.06.2024 - 2-13 S 48/23 - Verkündet am: 23. Mai 2025 Langendörfer-Kunz, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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