Paragraphen in 8 W (pat) 3/12
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 3/12 Verkündet am 31. Juli 2012
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2005 011 557 …
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Zehendner sowie den Richter Dr. agr. Huber, den Richter Kätker und die Richterin Dr.-Ing. Prasch BPatG 154 05.11 beschlossen:
-2Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Das Patent 10 2005 011 557 mit der Bezeichnung „Kraftfahrzeugsitz“ ist am 10. März 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und die Patenterteilung am 22. Juni 2006 veröffentlicht worden.
Auf einen Einspruch hat die Patentabteilung 1.14 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluss vom 16. Juli 2007 widerrufen. Die Patentabteilung hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt, dass dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der DE 27 25 001 C2 (T1) die erforderliche Neuheit fehle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Sie hat schriftsätzlich vorgetragen, dass der geltende (erteilte) Anspruch 1 neu sei, weil die T1 zumindest eine selbsttätige Nachführung der Rückenlehne nicht beschreibe oder darstelle. Auch beim Sitz nach der T2 (FR 25 24 285 A1) sei eine Nachführung der Rückenlehne bei Sitzverstellung erst nach dem Lösen einer Schraubverbindung möglich, so dass auch hier eine selbsttätige Nachführung nicht vorliege. Auch der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik könne den Patentgegenstand weder vorwegnehmen, noch in einer Zusammenschau betrachtet, nahe legen.
Die Einsprechende hat demgegenüber daran festgehalten, dass der Patentgegenstand nicht mehr neu sei. Auch die erfinderische Tätigkeit sei nicht gegeben, da die selbsttätige Lehnennachstellung bereits aus der T3 (DE 100 45 060 C1) bekannt sei.
Die einzige Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 17. Mai 2011 die Rücknahme ihres Einspruchs erklärt, da sich die Parteien vertraglich geeinigt hätten.
Zu der anberaumten mündlichen Verhandlung ist die Patentinhaberin - wie mit Schriftsatz vom 13. Juli 2012 (eingegangen am 16.7.2012) angekündigt - nicht erschienen.
Von der Patentinhaberin liegt schriftlich der - sinngemäße - Antrag vor,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent aufrecht zu erhalten.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
„Kraftfahrzeugsitz mit einem längsverstellbaren Sitzteil und einer daran schwenkbar gelagerten Rückenlehne, deren oberer Bereich über eine Anlenkung mit dem Chassis verbunden ist, die beim Verstellen des Sitzteils eine selbsttätige Nachführung der Rückenlehne ermöglicht, dadurch gekennzeichnet, dass die Anlenkung ein mit einer lösbaren Verriegelungsvorrichtung (8) zusammenwirkender Schließbügel (9) ist, der im Bereich seines der Verriegelungsvorrichtung (8) abgewandten Endes um eine horizontale, quer zur Längsverstellrichtung angeordnete Schwenkachse (12) schwenkbar gelagert ist.“
Hinsichtlich des Wortlauts der erteilten, abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 sowie weiterer Einzelheiten wird auf die Patentschrift bzw. auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet, denn der Patentgegenstand stellt keine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis § 5 dar.
a) Gegenstand des Streitpatents ist ein Kraftfahrzeugsitz.
Im Streitpatent wird gemäß Abs. 0002 der Patentschrift von einem Kraftfahrzeugsitz nach der DE 100 45 066 C1 (T3) ausgegangen, der auch die Möglichkeit biete, dass die Lehne bei einer Sitzlängsverstellung über das Sitzteil „mitgeschleppt“ werde, so dass sich die Lehnenneigung im Zuge der Verschiebebewegung des Sitzteils ändert.
Das angegriffene Patent stellt sich gemäß Abs. 0005 der Patentschrift die Aufgabe, einen gattungsgemäßen Sitz konstruktiv zu vereinfachen und gleichzeitig ein Vorklappen der Rückenlehne zu gewährleisten.
Der geltende erteilte Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß einen Kraftfahrzeugsitz mit den folgenden Merkmalen:
1. Der Kraftfahrzeugsitz weist ein längsverstellbares Sitzteil auf.
2. Der Kraftfahrzeugsitz weist eine an dem längsverstellbaren Sitzteil schwenkbar gelagerte Rückenlehne auf.
2.1. Der obere Bereich der Rückenlehne ist über eine Anlenkung mit dem Chassis verbunden.
2.1.1.
Die Anlenkung ermöglicht beim Verstellen des Sitzteils eine selbsttätige Nachführung der Rückenlehne.
2.1.2 Die Anlenkung ist ein mit einer lösbaren Verriegelungsvorrichtung zusammenwirkender Schließbügel.
2.1.2.1 Der Schließbügel ist im Bereich seines der Verriegelungsvorrichtung abgewandten Endes um eine horizontale, quer zur Längsverstellrichtung angeordnete Schwenkachse schwenkbar gelagert.
Während die Merkmale 1. und 2. übliche Verstellmöglichkeiten von Kraftfahrzeugsitzen kennzeichnen, wird in den folgenden Merkmalen der Verstellmechanismus der Rückenlehne näher beschrieben und zwar derart, dass der obere Bereich der Rückenlehne über eine Anlenkung mit dem Chassis verbunden ist (Merkmal 2.1), wobei diese Anlenkung beim Verstellen des Sitzteils eine selbsttätige Nachführung der Rückenlehne ermöglicht (Merkmal 2.1.1). Unter dieser Formulierung ist - wie bereits aus der Würdigung des gattungsbildenden Standes der Technik gemäß Abs. 0002 der Patentschrift ersichtlich ist - ein insoweit passives Mitschleppen der Lehne bei Längsverstellung des Sitzteiles zu verstehen. Ähnliches lässt auch die Formulierung „selbsttätige Nachführung der Rückenlehne bei einer Längsverstellung des Sitzteils“ in Abb. 0007 sowie die Bezeichnung „Schlepplehne“ in Abs. 0024 erkennen. In den weiteren Merkmalen wird die Anlenkung in ihrer technischen Natur noch näher beschrieben, nämlich als mit einer lösbaren Verriegelungsvorrichtung zusammenwirkender Schließbügel (Merkmal 2.2.2), der im Bereich seines der Verriegelungsvorrichtung abgewandten Endes um eine horizontale, quer zur Längsverstellrichtung angeordnete Schwenkachse schwenkbar gelagert ist (Merkmal 2.1.2.1). Insbesondere durch die schwenkbewegliche Lagerung des Schließbügels am Chassis wird die Funktion der selbsttätigen Nachführung der Rückenlehne als sog. „Schlepplehne“ ermöglicht, wie in Abs. 0024 der Patentschrift ausgeführt wird. Zu diesem Zweck wirkt der Schließbügel nicht nur an der Verriegelung der Rückenlehne in ihrer Gebrauchsposition mit, sondern er übt gleichzeitig auch aufgrund seiner gelenkigen Lagerung die Funktion eines Lenkers aus (Abs. 0007).
b) Der nächstkommende Stand der Technik wird durch die DE 27 25 001 C2 (T1) gebildet. Die T1 offenbart einen Kraftfahrzeugsitz mit einem längsverstellbaren (vgl. Kurbel 6; Fig. 1, 3, 4) Sitzteil (3; Fig. 1, 3, 4) (Merkmal 1.), (vgl. Merkmalsgliederung gemäß Punkt II a)), der eine an dem längsverstellbaren Sitzteil schwenkbar gelagerte Rückenlehne (4) (vgl. Fig. 1, 3, 4) aufweist (Merkmal 2.). Auch ist der obere Teil der Rückenlehne (4) über eine Anlenkung (Kurbel 10) mit dem Chassis (über die Lagerstellen (12), die an den Seitenwänden (9) der Karosserie befestigt sind (vgl. Fig. 2; Sp. 3, Zeilen 27 bis 30)), verbunden (Merkmal 2.1), wobei die Anlenkung (Kurbel 10) ein mit einer lösbaren Verriegelungsvorrichtung (Lager 12) zusammenwirkender Schließbügel ist (Merkmal 2.1.2). Der Schließbügel (10) (vgl. auch Fig. 2) ist im Bereich seines der Verriegelungsvorrichtung (12) abgewandten Endes um eine horizontale, quer zur Längsverstellrichtung angeordnete Schwenkachse schwenkbar gelagert (vgl. Fig. 2, gerades Mittelstück des Bügels (10) zwischen und durch die Lagerstellen (11) verlaufend) (Merkmal 2.1.2.1).
Der Patentgegenstand nach Anspruch 1 unterscheidet sich vom Stand der Technik nach T1 lediglich noch in Merkmal 2.1.1, denn die Anlenkung gemäß T1 ermöglicht keine selbsttätige Nachführung der Rückenlehne (4) beim Verstellen des Sitzteils (3). Vielmehr werden zur Erlangung der in Fig. 1, 3 und 4 dargestellten Sitzpositionen immer jeweils beide Kurbeln verschwenkt (vgl. Sp. 3, Z. 34 bis 38),
um den Wechsel von einer in eine andere Benutzungsstellung vorzunehmen. Somit erfolgt bei der Ausgestaltung des in dem Ausführungsbeispiel gemäß T1 gezeigten Gegenstandes zumindest keine generelle selbsttätige Nachführung der Rückenlehne allein durch die Längsverstellung des Sitzteils.
Im Streitpatent wird jedoch bereits von einem Stand der Technik ausgegangen, bei dem die selbsttätige Nachführung der Rückenlehne bereits bekannt und technisch gelöst war (DE 100 45 066 C1, sog. T3), wenn auch dort (T3) mit anderen und sehr komplex ausgestalteten Mitteln (Schlauchelement mit Wälzkörpern). Eine selbsttätige Nachführung der Rückenlehne gehörte zudem auch schon früher zum Stand der Technik, wie die im Jahre 1974 angemeldete, im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene FR 2 295 260 A1 zeigt (Fig. 1, 3; Seite 2, Zeile 37 bis Seite 3, Zeile 9), wenngleich auch dort zu diesem Zweck wiederum andere Mittel als beim Patentgegenstand Verwendung finden.
Jedenfalls bestand in der Fachwelt seit langem das Bestreben, das lange bekannte und mit unterschiedlichen, z. T. aufwendigen Mitteln gelöste selbsttätige Nachführen der Rückenlehne bei Horizontalverstellung des Sitzteils, soweit möglich, auch bei neuen Sitzkonstruktionen beizubehalten, allerdings in konstruktiv vereinfachter Form.
So erkennt ein Fachmann, ein Diplom-Ingenieur mit zumindest Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Konzeption von Fahrzeug-Inneneinrichtungen, an dem Kraftfahrzeugsitz nach der T1 bereits aufgrund seines Fachwissens, dass die im Ausführungsbeispiel der T1 dargestellte und beschriebene Anlenkung der Rückenlehne in Form eines einfachen Schließbügels nicht generell ungeeignet ist zur selbsttätigen Nachführung der Rückenlehne, sondern dass der Wechsel von der Sitzposition nach Fig. 1 zu der nach Fig. 3 und zurück nur deshalb eine selbsttätige Nachführung nicht möglich macht, weil der als Lenker wirkende Schließbügel in beiden Positionen eine nahezu horizontale Stellung einnimmt und damit gegenüber einer horizontalen Verschiebung des Sitzes in einer Art Totpunktstellung liegt. Anders ist dies bereits bei einer gedachten horizontalen Verschiebung des Sitzes aus der in Fig. 4 durch die durchgezogene Linie dargestellten Position zurück in die Position nach Fig. 3 der T1, denn bei dieser Bewegung könnte aufgrund des in diesem Falle geeigneten Anstellwinkels sowie der Positionierung des Schließbügels eine selbsttätige Nachführung des Rückenlehnenteils erfolgen. Nachdem eine selbsttätige Nachführung der Rückenlehne beim Ausführungsbeispiel nach der T1 nur bei dieser einen - nicht beschriebenen, für den Fachmann aber erkennbaren - Verstellbewegung erfolgen kann, ist das Merkmal 2.1.1 durch diese Entgegenhaltung zwar nicht als für alle Sitzpositionen generell geltend offenbart, jedoch ist ein möglicher Weg dorthin bereits angezeigt (Fig. 3, 4). So erkennt der maßgebliche Fachmann aus der Darstellung nach Fig. 3 und 4, dass es auf den Anstellwinkel bzw. die Lage des Schließbügels ankommt. Der Schließbügel muss dabei derart positioniert sein, dass er nicht in einer Art Totpunkt-Lage angeordnet ist, sondern in einer für eine Bewegbarkeit des Bügels geeigneten Lage, so dass er einer Verschiebebewegung des gesamten Sitzes in horizontaler Richtung im Rahmen eines definierten Bereiches selbsttätig folgen kann. Aufgrund seiner gelenkigen Anordnung nimmt der Schließbügel bei dieser Verschiebebewegung gleichzeitig die Funktion eines Lenkers wahr.
Dieser Zusammenhang ist dem maßgeblichen Fachmann z. B. auch aus der Winkelstellung der Hebel (34, 35) gemäß Fig. 3 und 4 der FR 2 524 285 A1 (T2), die hier lediglich gutachterlich zum Nachweis des fachmännischen Grundwissens angeführt wird, bekannt. Maßgeblich hierbei ist lediglich die Anordnung und Winkelstellung der Hebel, die ihrerseits zu einer ähnlichen technischen Wirkung führt wie eine entsprechende Positionierung und Winkelanstellung eines Schließbügels. Auch ist in diesem kinematischen Zusammenhang die Tatsache, dass bei dem Sitz nach T2 vor der Sitzverstellung erst die Feststellschraube (9) (vgl. Fig. 2) zur Arretierung des Hebels (34, 35) gelöst werden muss, ohne technischen Belang.
Jedenfalls war der maßgebliche Fachmann in seinem Bestreben, den bekannten, relativ komplex ausgestalteten Verstellmechanismus nach der T3 zu vereinfachen,
unter Zuhilfenahme seines Fachwissens vor dem Zeitrang des Streitpatents ohne Weiteres in der Lage, an Hand der Fig. 3 und 4 der T1 die grundsätzliche Eignung eines schließbügelartigen Elements auch als Lenker zur selbsttätigen Nachführung der Rückenlehne bei Längsverstellung des Sitzteils zu erkennen und zum Aufbau einer vereinfachten Vorrichtung zu nutzen. Die Übernahme eines Schließbügels nach der T1 sowie der kinematischen Verhältnisse hinsichtlich Anstellung und Positionierung gemäß Fig. 3 und 4 der T1 in einen Verstellmechanismus nach der T3 führt dabei unmittelbar zur Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.
Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der erteilte Patentanspruch 1 hat demnach keinen Bestand.
Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 in erteilter Fassung sind ebenfalls nicht bestandsfähig.
Dr. Zehendner Dr. Huber Kätker Dr. Prasch Me/Cl
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