Paragraphen in VI ZR 279/18
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
2 | 103 | GG |
1 | 320 | ZPO |
1 | 544 | ZPO |
Sortiert nach dem Alphabet
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
2 | 103 | GG |
1 | 320 | ZPO |
1 | 544 | ZPO |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 279/18 vom 16. April 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:160419BVIZR279.18.0 Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. April 2019 durch die Richterin von Pentz als Vorsitzende, die Richterinnen Dr. Roloff und Müller und die Richter Dr. Allgayer und Böhm beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 31. Mai 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 30.000 €
Gründe: I.
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Unterlassung einer Bildberichterstattung in Anspruch. Die Beklagte verlegt die Illustrierte DAS NEUE BLATT. Diese veröffentlichte am 1. Juli 2015 unter der Überschrift "Unglaublich, sie planen ihre kirchliche Hochzeit" unter anderem ein Foto des Wohnhauses der Kläger
("das Foto"). In dem Begleittext heißt es "Neues Zuhause [Kläger] zog bei [Klägerin] und den beiden Söhnen in [G.] ein".
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 6. August 2018 hat es sein Urteil auf einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten hin berichtigt. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht ist unter entscheidungserheblichem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu der Annahme gelangt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger die schutzwürdigen Interessen der Beklagten überwiege.
1. Das Berufungsgericht hat - soweit hier erheblich - ausgeführt, in der Veröffentlichung des Fotos liege ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger. Ein umfriedetes Grundstück sei jedenfalls dann der Privatsphäre zuzurechnen, wenn es - wie vorliegend - dem Nutzer die Möglichkeit gebe, frei von öffentlicher Beobachtung zu sein; der Schutz entfalle nicht deshalb, weil Vorbeikommende Grundstücksteile einsehen könnten. Die Veröffentlichung des Fotos greife in die Privatsphäre ein. Die Anonymität des Anwesens werde aufgehoben. Die Abbildung werde den Klägern zugeordnet und gewinne einen zusätzlichen Informationsgehalt. Hierdurch entstehe die Gefahr, dass das Grundstück in seiner Eignung als Rückzugsort für die Kläger beeinträchtigt werde. Die Kläger müssten den Eingriff nicht hinnehmen. Zwar leiste die nicht angegriffene Textberichterstattung einen Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses. Angesichts der politischen Bedeutung der vom Kläger zu 1 ausgeübten Staatsämter sowie der von den Klägern immer wieder gewährten tiefen Einblicke in ihr Eheleben habe ihre Versöhnung Nachrichten- und Informationswert. Das Wohnhaus könne aber anhand des Bildes für einen hinreichend großen Kreis von Personen lokalisiert werden. Die Kläger seien in gesteigertem Maße schutzbedürftig, da eine erhöhte Gefahr bestehe, dass sie und die in dem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder belästigt oder angegriffen würden. Am 27. Januar 2018 sei bei den Klägern eingebrochen worden. Am 31. Januar 2018 habe eine Person in Polizeiuniform die Haustür aufgestoßen und zu dem älteren Sohn gesagt, dass er dessen Mutter, der Klägerin zu 2, ein Messer an die Kehle setzen würde und deren Ehemann, den Kläger zu 1 ebenfalls umbringen würde. Diese Vorfälle zeigten, dass eine erhöhte konkrete Gefahr bestehe, dass die Familie der Kläger in ihrem Wohnhaus Opfer von Straftaten werde. Bei der Abwägung komme dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kläger daher überwiegende Bedeutung zu. Das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse müsse zurücktreten.
Mit Berichtigungsbeschluss vom 6. August 2018 hat das Berufungsgericht sein Urteil gemäß § 320 ZPO dahin berichtigt, dass nach dem bestrittenen Vortrag der Kläger am 27. Januar 2018 bei den Klägern eingebrochen, sowie nach dem bestrittenen Vortrag der Kläger am 31. Januar 2018 eine Person in Polizeiuniform die Haustür aufgestoßen und die oben wiedergegebenen Äußerungen getätigt habe.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht das - erhebliche - Bestreiten der Beklagten im Hinblick auf die von den Klägern behaupteten Geschehnisse am 27. und 31. Januar 2018 nicht berücksichtigt hat.
a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 70, 288, 293; BVerfGE 86, 133, 145 f.; Senat, Beschluss vom 15. September 2015 - VI ZR 431/14, ZMGR 2015, 409; juris Rn. 8).
b) Solche Umstände hat die Nichtzulassungsbeschwerde hier aufgezeigt. Das Berufungsgericht ist bei der Begründung seines Urteils davon ausgegangen, dass der Vortrag der Kläger, am 27. Januar 2018 sei bei ihnen eingebrochen worden, sowie am 31. Januar 2018 habe eine Person in Polizeiuniform die Haustür aufgestoßen und habe die oben wiedergegebenen Äußerungen getätigt, unstreitig ist. Es hat diese Geschehnisse maßgeblich in die von ihm vorgenommene Abwägung eingestellt. Dabei hat es übergangen, dass die Beklagte den Vortrag der Kläger bestritten hat. Das ergibt sich daraus, dass es auf den Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten mit Beschluss vom 6. August 2018 die Worte "nach dem bestrittenen Vortrag der Kläger" nachträglich in die Urteilsgründe eingefügt hat.
c) Der Gehörsverstoß ist auch erheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es das Bestreiten der Beklagten berücksichtigt hätte.
von Pentz Roloff Müller Allgayer Böhm Vorinstanzen: LG Berlin, Entscheidung vom 10.11.2016 - 27 O 125/16 KG Berlin, Entscheidung vom 31.05.2018 - 10 U 140/16 -
Urheber dieses Dokuments ist der Bundesgerichtshof. Nach § 5 UrhG geniessen Entscheidungen und Gesetze keinen urheberrechtlichen Schutz. Auflagen des Gerichts können aber die kommerzielle Verwertung einschränken. In Anlehnung an Creative Commons Lizenzen ist die Nutzung mit einer CC BY-NC-SA 3.0 DE Lizenz vergleichbar. Bitte beachten Sie, dass diese Entscheidung urheberrechtlich geschützte Abbildungen enthalten kann. Vor einer Nutzung - über die reine Wiedergabe der Entscheidung hinaus - sind in solchen Fällen entsprechende Nutzungsrechte bei den jeweiligen Rechteinhabern einzuholen.
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
2 | 103 | GG |
1 | 320 | ZPO |
1 | 544 | ZPO |
Häufigkeit | Paragraph | |
---|---|---|
2 | 103 | GG |
1 | 320 | ZPO |
1 | 544 | ZPO |
Der nachfolgende Link führt Sie zum originalen Dokument. Aufgrund der technischen Natur des Internets ist es möglich, dass der Link zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gültig ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir nicht alle Links einer ständigen Prüfung unterziehen können.
Öffnen