AnwZ (Brfg) 63/18
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 63/18 BESCHLUSS vom
3. Mai 2021 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache gegen wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2021:030521BANWZ.BRFG.63.18.0 Der Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs hat am 3. Mai 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Grupp, den Richter Dr. Remmert, die Richterin Grüneberg sowie den Rechtsanwalt Prof. Dr. Schmittmann und die Rechtsanwältin Niggemeyer-Müller beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 3. Mai 2021 gegen die Präsidentin des Bundesgerichtshofs wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe: I.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 28. Juni 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof nach mündlicher Verhandlung in Abwesenheit des Klägers mit an Verkündungs statt zugestelltem Urteil abgewiesen. Der Kläger hat die Zulassung der Berufung beantragt. Der Senat hat die Berufung zugelassen und Termin zur mündlichen Verhandlung am 3. Mai 2021 anberaumt.
Mit Schriftsatz vom 26. April 2021 hat der Kläger durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten Verlegung des Termins am 3. Mai 2021 unter Hinweis auf die Pandemielage beantragt; eine Anreise aus N.
mit Übernachtung in K.
sei nicht zumutbar. Diesen Antrag hat die Präsidentin des Bundesgerichtshofs als Vorsitzende des Senats abgelehnt, dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten aber gleichzeitig in Aussicht gestellt, an der mündlichen Verhandlung in K.
mittels Bild-Ton-Übertragung teilnehmen zu können (§ 102a Abs. 1 VwGO). Der Senat hat daraufhin einen entsprechenden Beschluss gefasst.
Mit Schriftsatz vom 29. April 2021 hat der zu diesem Zeitpunkt noch anwaltlich vertretene Kläger angekündigt, das Mandatsverhältnis zu seinem Prozessbevollmächtigten zu beenden und wegen einer Erkrankung einen Verlegungsantrag zu stellen.
Mit Schriftsatz vom 30. April 2021 hat der Kläger, nachdem sein Prozessbevollmächtigter das Mandat niedergelegt hatte, erklärt, sich nunmehr selbst zu vertreten und auf einen vermeintlichen Terminverlegungsantrag vom Vortag Bezug genommen. Zudem hat er ein ärztliches Attest des Zahnarztes M. aus O.
vom 30. April 2021 überreicht, ausweislich dessen er an einem Zahnabszess mit Gesichtsschwellung leide und daher reise- und verhandlungsunfähig sei.
Mit Verfügung vom selben Tag hat die Präsidentin des Bundesgerichtshofs dem Kläger mitgeteilt, der neuerliche Schriftsatz gebe keinen Anlass zu einer Terminverlegung, da die Verhandlungsunfähigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht und die Gründe für die Beendigung des Mandatsverhältnisses zu seinem Prozessbevollmächtigten nicht hinreichend dargelegt worden seien.
Mit Gesuch vom 3. Mai 2021 lehnt der Kläger die Präsidentin des Bundesgerichtshofs L. ab. Zur Begründung führt er aus, die in der Verfügung der Präsidentin enthaltene "pauschale Verwerfung" seines Terminverlegungsgesuchs lasse ein tiefsitzendes Misstrauen ihm gegenüber erkennen. Das Verlangen, triftige Gründe für die Beendigung des Mandats seines bisherigen Prozessbevollmächtigten substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, befremde, da er sich im vorliegenden Verfahren jederzeit selbst vertreten könne. Zudem lasse die "pauschale Verwerfung" seines Antrags trotz zahnärztlichen Attests mit exakter Diagnose und attestierter Verhandlungsunfähigkeit Besorgnis an der unvoreingenommenen Verfahrensführung der Vorsitzenden Richterin erkennen. Hinzu komme, dass der Senat bis heute nicht über seine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die mittlerweile erledigte Anordnung der sofortigen Vollziehung seines Zulassungswiderrufs durch die Beklagte entschieden habe. Schließlich zeige sich die fehlende Bereitschaft der Vorsitzenden Richterin, sich mit den Besonderheiten eines zweifachen Berufsverbots während des laufenden Zulassungsverfahrens und der fast vierjährigen Verfahrensdauer auseinanderzusetzen, auch an ihrem pauschalen Hinweis auf die durch einen Vermögensverfall indizierte Gefährdung der Interessen rechtsuchender Mandanten.
Die Präsidentin des Bundesgerichtshofs hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme erklärt, sie fühle sich nicht befangen. Der Kläger hatte Gelegenheit, zu ihrer dienstlichen Stellungnahme seinerseits Stellung zu nehmen.
II.
Das Ablehnungsgesuch ist nicht begründet.
Nach der gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. März 2012 - AnwZ (B) 13/10, juris Rn. 5; vom 10. Juni 2013 - AnwZ (Brfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn. 6; vom 30. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 60/13, juris Rn. 4 und vom 20. September 2016 - AnwZ (Brfg) 61/15, juris Rn. 51 f.; BVerfG, NJW 2012, 3228; jeweils mwN).
Nach diesen Maßstäben liegt ein Ablehnungsgrund gegen die Präsidentin des Bundesgerichtshofs nicht vor.
Die Verweigerung einer beantragten Terminverlegung begründet die Besorgnis der Befangenheit nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminverlegung (§ 227 ZPO) offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (BGH, Beschlüsse vom 6. April 2006 - V ZB 194/05, NJW 2006, 2429 und vom 7. Februar 2011 - AnwZ (B) 13/10, juris Rn. 8). Daran fehlt es hier.
a) Der Hinweis der Präsidentin des Bundesgerichtshofs darauf, dass triftige Gründe für eine Beendigung des Mandats des bisherigen Prozessbevollmächtigten unter den gegebenen Umständen dargetan und glaubhaft gemacht werden müssten, entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach liegen erhebliche Gründe für eine Terminverlegung im Fall einer Mandatsentziehung nicht schon dann vor, wenn die Partei wegen der Entziehung voraussichtlich im Termin nicht vertreten sein wird. Vielmehr ist entscheidend, ob die Entziehung ihrerseits auf erheblichen Gründen beruht, auf Grund derer es der Partei ohne eigenes Verschulden nicht mehr zugemutet werden konnte, sich durch den von ihr bestellten Bevollmächtigten weiterhin vertreten zu lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 1998 - 7 B 127/98, juris Rn. 3). Im Falle einer Kündigung des Mandatsverhältnisses wegen des Verlusts des Vertrauens fehlt ein Verschulden der Partei nur dann, wenn der Anwalt den Vertrauensverlust verschuldet hat und der Grund zum Anwaltswechsel erst zu diesem Zeitpunkt im Rechtsstreit offenbar wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2008 - II ZR 251/06, NJW-RR 2008, 876 Rn. 14).
Hierzu hatte der Kläger mit seinem Terminverlegungsantrag nichts vorgetragen, sondern lediglich pauschal "unüberbrückbare Differenzen" mit seinem bisherigen Anwalt angeführt, ohne diese jedoch näher darzulegen. Soweit er weiter vorgetragen hat, sein bisheriger Anwalt stelle "ausweislich des Terminverlegungsantrags familiäre Belange offenbar bedenkenlos über die berufliche Zukunft" des Klägers, entbehrte auch dies einer inhaltlichen Substanz.
Im Übrigen ist eine Terminverlegung bei Anwaltswechsel nur dann geboten, wenn es der Partei unter Berücksichtigung aller Umstände trotz zumutbarer Bemühungen unmöglich ist, einen neuen Anwalt zu finden, der bereit und in der Lage ist, sie in dem angesetzten Termin zu vertreten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1988 - III ZR 69/88, BGHR § 227 ZPO - Anwaltswechsel 1). Das ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Soweit der Kläger geltend macht, er werde sich nun wieder selbst vertreten, sei aber aufgrund seiner Zahnerkrankung derzeit zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins nicht in der Lage, genügt dies nicht. Da ihm der Verlegungsantrag seines bisherigen Prozessbevollmächtigten und seine eigene Erkrankung sowie die daraus - nach seinem Vorbringen - voraussichtlich folgende Verhandlungsunfähigkeit ausweislich seines Schriftsatzes vom 29. April 2021 bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt waren, hätte es ihm oblegen, sich umgehend um die Mandatierung eines anderen Anwalts für seine Vertretung in dem anberaumten Termin zu bemühen. Auch dazu hatte er in seinem Verlegungsantrag vom 30. April 2021 nichts dargelegt.
b) Soweit der Kläger geltend gemacht hat, er wolle auf eine persönliche Wahrnehmung des Termins ausdrücklich nicht verzichten, um den Hintergrund seiner finanziellen Schwierigkeiten und die Neuordnung seiner finanziellen Verhältnisse persönlich vorzutragen, stellt auch dies keinen erheblichen Grund für eine Terminverlegung dar. Gewichtige Gründe, die seine persönliche Anwesenheit - neben derjenigen eines anwaltlichen Vertreters - erfordern könnten (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 30. August 1982 - 9 C 1/81, juris Rn. 11 f.), hat der Kläger nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht schon aus der Bedeutung, die die verwaltungsrechtliche Anwaltssache für den Kläger hat (vgl. Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/ Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 112c BRAO Rn. 253) und sind auch zur weiteren Klärung der Sach- und Rechtslage nicht erforderlich. Der Kläger hatte im Verfahren hinreichend Gelegenheit, zu seiner finanziellen Situation und dem Hintergrund/den Ursachen seiner finanziellen Schwierigkeiten vorzutragen. Dass er darüber hinaus neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte hätte vortragen können, ist seinen Schriftsätzen vom 29. April und vom 30. April 2021 nicht zu entnehmen.
c) Kein Grund, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Präsidentin des Bundesgerichtshofs zu begründen, ist auch, dass sie das vom Kläger vorgelegte zahnärztliche Attest für nicht ausreichend erachtet und ihm die Vorlage eines amtsärztlichen Attests aufgegeben hat. Da der Verlegungsantrag so kurzfristig vor dem Termin gestellt wurde, dass eine Anordnung der Glaubhaftmachung nicht mehr möglich war, waren die geltend gemachten Gründe sogleich substantiiert dazulegen und gleichzeitig glaubhaft zu machen (vgl. BFH/NV 2006, 1490 Rn. 6 mwN). Im Übrigen muss die Erkrankung oder sonstige Verhinderung des Prozessbeteiligten schlüssig aus dem vorgelegten Attest hervorgehen; die Bescheinigung muss so substantiiert sein, dass das Gericht auf ihrer Grundlage in der Lage ist, die Frage der behaupteten Verhandlungsunfähigkeit selbst zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2017 - 2 B 69/16, juris Rn. 9 mwN). Diesen Anforderungen genügte das vom Kläger vorgelegte zahnärztliche Attest vom 30. April 2021 nicht. Darin wird lediglich bescheinigt, dass der Kläger an einem "ausgeprägten Abszess" eines Zahnes mit einer sehr starken Gesichtsschwellung leide und aufgrund dessen vom 30. April bis 3. Mai 2021 arbeitsunfähig sei. Aufgrund der Entzündung könne die Extraktion des Zahnes frühestens am 3. Mai 2021 erfolgen. Außerdem wird pauschal seine Reise- und Verhandlungsunfähigkeit attestiert. Daraus ließ sich nicht entnehmen, dass der Kläger am Verhandlungstag am 3. Mai 2021 vor der erneuten zahnärztlichen Vorstellung nicht in der Lage ist bzw. war, an der auf eine Stunde (9.30 Uhr bis 10.30 Uhr) anberaumten Verhandlung per Video-Übertragung aus dem Landgericht O.
teilzunehmen.
Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Präsidentin des Bundesgerichtshofs in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass im Hinblick auf die durch einen Vermögensverfall indizierte Gefährdung der Interessen der rechtsuchenden Mandanten strenge Anforderungen an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung zu stellen sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. Februar 2019 - AnwZ (Brfg) 76/18, juris Rn. 14; vom 20. November 2017 - AnwZ (Brfg) 41/17, juris Rn. 16; vom 12. Oktober 2017 - AnwZ (Brfg) 39/17, juris Rn. 13; vom 7. Mai 2013 - AnwZ (Brfg) 8/13, juris Rn. 3; vom 8. Dezember 2011 - AnwZ (Brfg) 15/11, juris Rn. 12; vom 4. Juli 2009 - AnwZ (B) 14/08, juris Rn. 12). Gerade in diesen Fällen kommt dem Schutz der Interessen der Rechtsuchenden im Hinblick auf die bis zum Abschluss des Verfahrens fortbestehende Anwaltszulassung entscheidende Bedeutung zu.
d) Soweit der Kläger sein Ablehnungsgesuch schließlich auch darauf stützt, dass seine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die mittlerweile erledigte Anordnung der sofortigen Vollziehung seines Zulassungswiderrufs durch die Beklagte noch nicht entschieden worden sei, ist eine solche Klage im vorliegenden Verfahren nicht aktenkundig geworden. Danach haben die Parteien das Eilverfahren über die sofortige Anordnung übereinstimmend für erledigt erklärt, so dass nunmehr nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist.
e) Insgesamt rechtfertigt es unter diesen Umständen nicht die Besorgnis der Befangenheit, dass die Präsidentin des Bundesgerichtshofs den Verlegungsanträgen unter Hinweis auf die bisherige Verfahrensdauer und der durch den Vermögensverfall - nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers - zu besorgenden Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht entsprochen hat. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet der Senat in der sich aus § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 VwGO, § 45 ZPO analog ergebenden Besetzung.
Grupp Schmittmann Remmert Grüneberg Niggemeyer-Müller Vorinstanz: AGH Celle, Entscheidung vom 10.08.2018 - AGH 18/17 (II 16/1) -