AnwZ (Brfg) 9/22
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 9/22 BESCHLUSS vom
10. Mai 2022 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ECLI:DE:BGH:2022:100522BANWZ.BRFG.9.22.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, die Richterinnen Dr. Liebert und Ettl sowie den Rechtsanwalt Prof. Dr. Schmittmann und die Rechtsanwältin Niggemeyer-Müller am 10. Mai 2022 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das dem Kläger an Verkündungs statt am 1. Februar 2022 zugestellte Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe: I.
Der Kläger wurde erstmals 1995 und nach einem Widerruf der Zulassung erneut 2018 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 28. April 2021 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2021 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. März 2019 - AnwZ (Brfg) 66/18, juris Rn. 5).
Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung.
a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom
4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 4 und vom 7. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 55/18, juris Rn. 5; jeweils mwN).
b) Das Vorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Anwaltsgerichtshofs, dass sich der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids in Vermögensverfall befunden hat.
Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Gibt es Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids gegen ihn bestanden haben und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 5 und vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 4).
Der Anwaltsgerichtshof hat diese Grundsätze beachtet und rechtsfehlerfrei angewandt. Unzutreffend meint der Kläger, der Anwaltsgerichtshof unterscheide nicht zwischen Vermögensverfall und Liquiditätsengpass und verkenne bei der Prüfung des Vermögensverfalls sowie insbesondere auch der Frage, welche Vermögenswerte hierbei zu berücksichtigen sind, betriebswirtschaftliche und bilanzrechtliche Grundsätze. Der Anwaltsgerichtshof ist unter fehlerfreier Anwendung der für die Prüfung des Vermögensverfalls und die Berücksichtigung von Vermögenswerten geltenden Grundsätze und ohne Verstoß gegen Art. 12 GG zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vorlagen.
aa) Zutreffend ist der Anwaltsgerichtshof davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die gegen den Kläger vorliegenden Vollstreckungsaufträge einschließlich eines Antrags auf Abnahme der Vermögensauskunft wegen einer Kostenforderung der Landesjustizkasse C.
sowie wegen offener Steuerschulden Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall vorlagen. Das Vorbringen im Zulassungsantrag begründet hieran keine ernstlichen Zweifel.
Der erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz gehaltene Vortrag des Klägers, dass die im Widerrufsbescheid auf Seite 2 unter Nr. 1 aufgeführten Vollstreckungsmaßnahmen nur in zwei Fällen den Kläger betreffen würden, begründet keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der Einbeziehung der dort genannten Vollstreckungsmaßnahmen in die Beurteilung der Voraussetzungen des Vermögensverfalls. Die vom Kläger zum Beweis dieses Vortrags vorgelegte Nachricht des Obergerichtsvollziehers beim Amtsgericht S. B. vom 11. Januar 2022, der zu den ersten fünf der im Widerrufsbescheid auf Seite 2 unter 1 angegebenen Aktenzeichen andere Verfahrensbeteiligte nennt und erklärt, die beiden verbliebenen Aktenzeichen gäbe es bei ihm nicht, belegt nicht, dass die im Widerrufsbescheid auf Seite 2 unter 1 genannten Verfahren nicht den Kläger betrafen. Denn nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs waren die dort genannten Vollstreckungsmaßnahmen nicht von dem Obergerichtsvollzieher B. , sondern von der Gerichtsvollzieherin vom Amtsgericht S.
K. mitgeteilt worden. Auch die vom Kläger zu den dort genannten Vollstreckungsmaßnahmen DR und DR vorgelegten Unterlagen stammen von der Gerichtsvollzieherin beim Amtsgericht S. K. . Erst die im Widerrufsverfahren herangezogenen Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Jahr 2021 wurden bei dem Obergerichtsvollzieher B.
geführt. Die im Widerrufsbescheid auf Seite 2 unter 1 aufgeführten Vollstreckungsverfahren beziehen sich mithin nicht auf beim Obergerichtsvollzieher B.
geführte, sondern auf bei der Gerichtsvollzieherin vom Amtsgericht S.
K.
betriebene Verfahren. Somit kann auch die Aussage des Obergerichtsvollziehers B. , die im Widerspruchsbescheid auf Seite 2 unter Nr. 1 genannten Aktenzeichen beträfen andere Beteiligte beziehungsweise seien bei ihm nicht bekannt, nicht den im Widerrufsbescheid gemeinten, bei der Gerichtsvollzieherin K. unter diesen Aktenzeichen geführten Vollstreckungsmaßnahmen zugeordnet werden.
Darüber hinaus bestanden auch bei Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens jedenfalls auf Grund der im Widerrufsbescheid auf Seite 3 im letzten Absatz genannten Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Jahr 2021 (DR und DR
), des Antrags auf Abnahme der Vermögensauskunft durch die Landesjustizkasse C.
vom 13. April 2021 (DR
) und der offenen Steuerforderungen in Höhe von zumindest 85.288,26 € hinreichende Beweisanzeichen, die den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zuließen.
Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Berücksichtigung der Steuerforderung der Finanzverwaltung in Höhe von zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids jedenfalls noch 85.288,26 € mit dem Argument, dass der diesbezügliche Steuerbescheid nicht rechtskräftig gewesen sei, weil er hiergegen Rechtsbehelfe eingelegt habe. Der Kläger hat schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt und nachgewiesen, sondern lediglich behauptet, dass er gegen den Steuerbescheid Einspruch eingelegt hat. Unabhängig davon sind auch nicht bestandskräftige Steuerbescheide und die dort enthaltenen Steuerforderungen in die Prüfung des Vermögensverfalls einzubeziehen, wenn die Vollziehung der den Forderungen zugrundeliegenden Steuerbescheide nicht ausgesetzt ist, wobei die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids und die Berechtigung der entsprechenden Steuerforderung im Verfahren über den Widerruf der Zulassung nicht zu prüfen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 6/19, juris Rn. 27 mwN). Demnach hat der Anwaltsgerichtshof die Steuerforderung zu Recht berücksichtigt. Denn der Kläger hat weder behauptet noch nachgewiesen,
dass die Vollziehung des Steuerbescheids ausgesetzt war. Ohne eine Aussetzung der Vollziehung war der im Steuerbescheid festgesetzte Betrag indes zur Zahlung fällig und vollstreckbar (vgl. § 361 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 Satz 1 AO). Dementsprechend wurde ausweislich des vom Kläger vorgelegten Schreibens des Finanzamts S.
vom 3. November 2021 am 2. März 2021 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung bezüglich des Kontos des Klägers bei der D.
erlassen und von dieser als Drittschuldnerin in der Folge Zahlungen auf die Steuerschulden geleistet.
Die Einlassung des Klägers, durch die Berücksichtigung der Steuerschuld werde er gegenüber Rechtsanwälten, die in einer Partnerschaftsgesellschaft oder einer GmbH organisiert seien und bei denen primär die Gesellschaft Steuerschuldner sei, ungleich benachteiligt, ist nicht durchgreifend. Schon mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte scheidet eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aus.
Nicht erheblich ist der - überdies unbelegte - Vortrag des Klägers, die offenen Forderungen des Finanzamtes seien zwischenzeitlich erledigt. Diese nach dem Erlass des Widerspruchsbescheids eingetretenen Umstände wären nach den obigen Grundsätzen gegebenenfalls in einem Wiederzulassungsverfahren zu berücksichtigen.
bb) Nachdem mithin hinreichende Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Vermögensverfalls vorlagen, hatte der Kläger nach oben genannten Grundsätzen darzulegen, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids gegen ihn bestanden haben und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte. Hieran fehlt es.
(1) Zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof hierbei das bereits im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids existierende Immobilienvermögen nicht berücksichtigt. Vermögenswerte sind nur dann von Bedeutung, wenn sie liquide sind (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 6). Immobilienvermögen ist dementsprechend nach ständiger Rechtsprechung des Senats, an der auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Zulassungsantrag festgehalten wird, nur von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 3. November 2021 - AnwZ (Brfg) 29/21, juris Rn. 9; vom 10. November 2020 - AnwZ (Brfg) 29/20, juris Rn. 11 und vom 29. April 2019 - AnwZ (Brfg) 21/19, juris Rn. 8). Der Vortrag des Klägers lässt Rückschlüsse auf eine solche Liquidität nicht zu. Nicht hinreichend ist insbesondere, dass - wie der Kläger vorbringt - die Grundstücke jederzeit veräußert oder im Wege der Zwangsvollstreckung durch die Gläubiger belastet oder sonst verwertet werden könnten; denn alleine die Veräußerbarkeit und die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung bewirken nicht das Vorhandensein von liquiden Mitteln im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids.
(2) Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof auch die vom Kläger behaupteten offenen Forderungen gegen Mandanten nicht als berücksichtigungsfähig angesehen. Der Vortrag des Klägers, er habe offene und fällige Forderungen gegen Mandanten in Höhe von 484.025,32 €, sowie die Vorlage einer Offene-PostenListe, die zum 12. November 2021 summierte Rechnungsbeträge aus dem Zeitraum seit 1. Januar 2019 in dieser Höhe und einen offenen Betrag von 375.098,38 € aufweist, genügen den Anforderungen an eine schlüssige und nachvollziehbare Darlegung, dass diese zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids als liquide Mittel zur Verfügung standen und damit eine Tilgung der Verbindlichkeiten bewirkt werden konnte, nicht, was aber erforderlich wäre, um diese berücksichtigen zu können (vgl. nur Senat, Beschluss vom 6. April 2020
- AnwZ (Brfg) 6/20, juris Rn. 9 mwN). Abgesehen davon, dass die in der OffenePosten-Liste angegebene Gesamtsumme offener Beträge von 375.098,38 € nicht nachvollziehbar ist, nachdem die Addition der dort im Einzelnen genannten offenen Positionen einen Betrag von lediglich rund 22.000 € ergibt, lassen sich dieser Auflistung keine Angaben über die Fälligkeit und Realisierbarkeit der Forderungen entnehmen. Entgegen der Auffassung des Klägers kann beides nicht ohne weiteres für den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids unterstellt werden, zumal die bei den aufgeführten Positionen genannten Daten (ab 26. Oktober 2021 bis 10. November 2021) deutlich nach Erlass des Widerspruchsbescheids liegen.
Nicht relevant ist der Vortrag im Zulassungsantrag zum durchschnittlichen Umsatz von Anwälten. Denn dieser besagt über die Umsätze des Klägers, die Höhe seiner Mandantenforderungen und deren Realisierbarkeit sowie insgesamt über seine finanzielle Lage, die für die Frage des Vermögensverfalls entscheidend ist, nichts.
(3) Im Hinblick auf die oben dargelegten Grundsätze zum Vorliegen eines Vermögensverfalls genügt - entgegen der im Zulassungsantrag vertretenen Auffassung - die Erklärung des Klägers, dass er die offenen Forderungen bedienen werde und er einen Steuerberater mit der Prüfung der Ansprüche des Finanzamts beauftragt habe, nicht, um von geordneten Vermögensverhältnissen im maßgeblichen Zeitpunkt ausgehen zu können.
c) Das Vorbringen des Klägers begründet auch keine ernsthaften Zweifel an der Annahme des Anwaltsgerichtshofs, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden vorlag. Auch insoweit steht die Entscheidung im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats.
Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere ergeben sich solche entgegen der Auffassung des Klägers weder wegen der von ihm behaupteten weiteren umfangreichen Tätigkeit, die sich in den offenen Forderungen gegen seine Mandanten zeigten, noch wegen der fortlaufenden Bedienung der Infrastrukturkosten der Kanzlei, der nach seinem Vortrag tadellosen Führung der Kanzlei oder der Geringfügigkeit der offenen Forderungen, die im Übrigen im Hinblick auf die entgegen der Auffassung des Klägers zu Recht berücksichtigte Steuerforderung ohnehin nicht vorliegt.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben,
wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 5. April 2019 - AnwZ (Brfg) 2/19, juris Rn. 13 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Zur schlüssigen Darlegung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 5. April 2019, aaO; vom 12. März 2015 - AnwZ (Brfg) 82/13, juris Rn. 24; jeweils mwN).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht dargetan. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich im vorliegenden Verfahren nicht, vielmehr beruht die Entscheidung auf der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Zulassungsantrag festhält.
Die durch den Kläger aufgeworfenen Fragen sind überwiegend bereits nicht entscheidungserheblich. Durchgehend ist zudem nicht schlüssig dargelegt, dass die Fragen klärungsbedürftig sind und warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich sein soll.
Dies gilt zum einen, soweit der Kläger meint, ein Einzelanwalt werde bei Berücksichtigung nicht rechtskräftiger Steuerforderungen ungleich schlechter behandelt als ein in einer Gesellschaft organsierter Rechtsanwalt und dies müsse vom Bundesgerichtshof geklärt werden. Weder liegt - wie oben ausgeführt - eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor noch ist mit diesem Vorbringen eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgezeigt.
Nicht erheblich und nicht klärungsbedürftig ist weiter die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob offene und fällige Forderungen an Mandanten im Rahmen der Prüfung des Vermögensverfalls zu berücksichtigen sind. Die Rechtslage hierzu ist geklärt. Die Frage ist hier auch nicht erheblich, denn die Nichtberücksichtigung der vom Kläger behaupteten Mandantenforderungen beruht darauf, dass der Kläger das Bestehen, die Fälligkeit und die Realisierbarkeit der behaupteten Außenstände nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen hat.
Geklärt ist - wie oben ausgeführt - auch, wann von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszugehen ist und unter welchen Voraussetzungen diese verneint werden kann. Einer weiteren Grundsatzentscheidung bedarf es hierzu nicht; insbesondere muss entgegen der Auffassung des Klägers nicht unter Festlegung von "Schwellenwerten" entschieden werden, "wann der Zeitpunkt eingetreten ist, dass von einem Vermögensverfall auf eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden [!] geschlossen werden kann".
3. Schließlich liegt auch kein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel (§ 112e Satz 2 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vor.
Insbesondere hat der Anwaltsgerichtshof nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem er die mündliche Verhandlung nicht wegen des Vorbringens im Schriftsatz des Klägervertreters vom 14. Januar 2022 nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wiedereröffnet hat. Denn der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz gab hierzu schon deshalb keine Veranlassung, weil das dortige Vorbringen nicht entscheidungserheblich war. Ein Vermögensverfall lag nämlich - wie oben ausgeführt - auch dann vor, wenn der dort gehaltene neue Vortrag, dass nur zwei der im Widerrufsbescheid auf Seite 2 unter Nr. 1 genannten Vollstreckungsmaßnahmen den Kläger betroffen hätten, zutreffend wäre. Abgesehen davon genügte diese Behauptung unter Vorlage einer Auskunft des für diese Verfahren nicht zuständigen Gerichtsvollziehers ohnehin nicht den Anforderungen an einen hinreichenden Vortrag des Klägers.
Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, dass der Anwaltsgerichtshof dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Akteneinsichtsgesuch des sich erst zu diesem Zeitpunkt legitimierenden Klägervertreters dadurch stattgegeben hat, dass er ihm die Akten zugleich mit der Zustellung des Urteils übersandt hat. Dem Kläger wurde hierdurch weder unter Verstoß gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens die Möglichkeit verwehrt, seine rechtlichen Gesichtspunkte anwaltlich vortragen zu lassen, noch wurde er in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Der Kläger hatte sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren erster Instanz hinreichend Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern, und hat hiervon auch Gebrauch gemacht. Mit der Ladung wurde dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme gesetzt unter Hinweis auf die Möglichkeit, dass nach Fristablauf vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel nach § 87b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen werden können. Der Kläger hat sowohl schriftsätzlich vor als auch persönlich in der mündlichen Verhandlung Stellung zur Sache genommen. Einen Schriftsatznachlass hat er dort nicht beantragt, obwohl er als Rechtsanwalt wissen musste, dass nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung weiteres Vorbringen ansonsten regelmäßig nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund war der Anwaltsgerichtshof nicht gehalten, wegen des nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Akteneinsichtsgesuchs mit der Zustellung des in diesem Zeitpunkt bereits an die Geschäftsstelle übermittelten Urteils zu warten und noch vor Zustellung des Urteils dem Klägervertreter die Akten zu übersenden und dem Kläger erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen.
Ohnehin läge keine Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Verfahrensfehler vor. Denn der Kläger hat keinen entscheidungserheblichen Vortrag aufgezeigt, der im Falle einer Aktenübersendung und hierauf beruhenden erneuten Stellungnahme nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gehalten worden wäre. Weder das Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägervertreters vom 14. Januar 2022 noch der Vortrag im Zulassungsantrag stellen die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs in Frage.
Entgegen der Auffassung des Klägers, der insbesondere einen Verstoß gegen Art. 3 GG und Art. 12 GG geltend macht, werden durch die zutreffende, dem Gesetz entsprechende und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats stehende Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und durch den Widerruf der Zulassung auch dessen Grundrechte nicht verletzt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Grupp Liebert Ettl Schmittmann Niggemeyer-Müller Vorinstanz: AGH Stuttgart, Entscheidung vom 01.02.2022 - AGH 18/21 (I) -