VI ZR 261/64
BGHZ 45,296 Zur Rechtswidrigkeit gewerbeschädigender Werturteile im Meinungskampf. (Abweichung von BGHZ 3, 270 - Constanzc I) (»Höllenfeuer«)
BGB § 823; GG Art. 5.
VI. Zivilsenat. Urt. v. 21. Juni 1966 [ 21.06.66 ]
i. S. Verlag H. N. GmbH (Kl.) w. P.-Verlag KG u. a. (Bekl.).
VI ZR 261/64.
I. Landgericht Hamburg II. Oberlandesgericht Hamburg Die Klägerin verlegt die illustrierte Wochenzeitschrift »stern« und die Wochenzeitung »Die Zeit«. In der Ausgabe des »stern« Nr. 2162 vom 14. Januar 1962 war ein Artikel enthalten, der den Titel trug:
»Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer? Was von den Illusionen über die Einheit der Christen übrigbleibt.«
Auf diesen Artikel wies die Inhaltsübersicht auf Seite 5 der Zeitschrift mit folgenden Worten hin:
»Mit einem Federstrich beseitigte Papst Johannes XXIII. viele Illusionen über eine baldige Einheit der Christen. Wie es damit wirklich steht, lesen Sie auf Seite 22.«
Diesem Hinweis war ein Bild des Papstes Johannes XXIII. beigefügt.
In der im Verlag der Erstbeklagten erscheinenden und von der Drittbeklagten herausgegebenen Wochenzeitung »Echo der Zeit« (Nr. 3 vom 2. Januar 1962) erschien darauf ein Artikel mit der Überschrift
»Warten auf Bucerius.«
Die Klägerin ist der Ansicht, die beleidigenden Ausführungen des Artikels im »Echo der Zeit« zielten darauf ab, den »stern« verächtlich zu machen. Die unsachliche Kritik am »stern« gehe in ihrer ehrverletzenden und herabwürdigenden Form weit über das hinaus, was zur Wahrnehmung berechtigter Interessen zu sagen erlaubt sei. Die Beklagten hätten nicht das Recht, auf einen Aufsatz, dessen Tendenz und Fassung ihnen nicht zusage, mit Beschimpfungen zu antworten. Der »stern « richte sich keinesfalls nach dem »Maßstab der Straße«, vielmehr sei er ein Presseerzeugnis, das ernsthafte Bestrebungen verfolge, prominente Autoren zu seinen Mitarbeitern zähle und sich laufend bemühe, den Anschluß an das höchste internationale Niveau der Illustrierten zu finden. Mit seinen sozialkritischen Beiträgen sorge sich der »stern« um eine Hebung der allgemeinen Bildung und Moral. Indem man gewissen primitiven Leserwünschen des Publikums nachkomme, werde dieses im Wege der »Überlistung« an ein höheres Niveau herangeführt. Der beanstandete Artikel sei durch sorgfältige Studien vorbereitet worden, er sei sachlich gehalten und stelle keine Konfessionshetze dar. Die in dem Aufsatz wiedergegebenen »Thesen« seien nicht »theologisch unglaublich dreist und kirchenrechtlich falsch«, vielmehr seien in korrekter Weise Lehrmeinungen so wiedergegeben worden, wie sie in einem führenden katholischen Lehrbuch der Dogmatik dargestellt seien. Zur Kritik an der katholischen Einstellung zur sogenannten Mischehe habe begründeter Anlaß bestanden. Wenn die Kirchenlehre die Mischehe auch nicht als »Konkubinat« bezeichne, so treffe der »stern«-Artikel jedenfalls insoweit zu, als nach katholischem Recht die Mischehe verboten sei. In der katholischen Kirchenpraxis werde überdies der Ausdruck Konkubinat« gebraucht. Ebenfalls habe ein aktueller Anlaß bestanden, die unter starkem Einfluß der Kirchen erfolgte Änderung des § 48 EheG durch das Familienrechtsänderungsgesetz vom 11. August 1961 kritisch zu beleuchten. Durch diese Gesetzesänderung seien einseitig religiöse Vorstellungen über die Ehe für alle Staatsbürger verbindlich gemacht worden. Dabei habe es an einer gründlichen Beratung der Gesetzesvorlage gefehlt. Wenn der Artikel von einem Mißbrauch der Verfassung durch die Kirche spreche, so sei damit gemeint, daß die kritisierte und von den Kirchen geförderte Gesetzgebung gegen einen Grundgedanken der Verfassung. verstoße; diese gehe nämlich trotz Art. 6 GG von der Möglichkeit einer Auflösung der Ehe aus, während die Kirchen die zerstörte Ehe paralysieren wollten. Die in dem »stern«-Artikel vertretene Meinung, die katholische Kirche sei entschlossen, ihre Macht rücksichtslos auszunutzen, treffe zu und werde von der Bevölkerung überwiegend geteilt. Auch einsichtsvolle katholische Kreise hätten ähnliche Befürchtungen angemeldet, wie sie im Artikel des »stem« geäußert worden seien.
Die konfessionell gebundenen Zeitschriften maßten sich in letzter Zeit in steigendem Umfang das Recht an, die deutschen Illustrierten abfällig zu kritisieren. Sie müßten es dann aber hinnehmen, daß sich die Illustrierten ihrerseits mit kirchlichen Angelegenheiten kritisch befaßten. Indem darauf mit Beschimp- [ Beschimpfungen ] fungen geantwortet werde, sei der öffentlichen Diskussion der angeschnittenen Fragen nicht gedient. Ohne Grund sei in dem Artikel des »Echo der Zeit« Dr. B. persönlich scharf angegriffen und in die Diskussion über den »stern« und den kritisierten »stern «-Aufsatz einbezogen worden.
Die Klägerin sieht in dem Artikel des »Echo der Zeit« einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff der Beklagten in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Sie ist darüber hinaus der Auffassung, die Beklagten hätten mit dein Abdruck der Angriffe gegen den »stern« in Wettbewerbsabsicht gehandelt; es sei ihnen nämlich darum gegangen, Leser vom »stern« abzuwerben und sie für ihre Zeitung oder andere Erzeugnisse der eng zusammenarbeitenden katholischen Presse zu gewinnen. Zwischen den Parteien bestehe auch deshalb ein Wettbewerbsverhältnis, weil bei der Klägerin die Wochenzeitschrift »Die Zeit« erscheine. Das lege eine Wettbewerbsabsicht ohne weiteres nahe.
Im ersten Rechtszug hat die Klägerin beantragt, es den Beklagten durch ein Unterlassungsurteil zu verbieten, über den »stern« die Behauptung zu verbreiten:
Sein Maßstab ist die Straße. Ihr unterwirft sich die auflagenstärkste deutsche Illustrierte seit Jahren.
Die Beklagten vertreten die Auffassung, die im »Echo der Zeit« ausgesprochene Kritik stelle eine rechtlich zulässige Ausübung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung dar. Die scharfe Form der Kritik erkläre sich aus dem kritisierten Gegenstand, nämlich dem an Gehässigkeit kaum zu überbietenden Artikel des »stern« , Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer? Was von der Illusion über die Einheit der Christen übrigbleibt«. Der »stern« habe mit diesem Artikel keine ernsthafte Diskussion über theologische Probleme oder kirchliche Fragen herbeiführen wollen. Der Artikel sei vielmehr darauf angelegt gewesen, das bevorstehende Konzil lächerlich zu machen, Einigungs- und Versöhnungsbestrebungen als unglaubwürdig zu kennzeichnen und die Verkündigung der katholischen Kirche als lügnerisch hinzustellen. Soweit der Artikel theologische Probleme anspreche, seien diese in mehrfacher Weise falsch darge- [ dargestellt ] stellt worden. Dem Autor sei es offenbar darum gegangen, die Leser durch Erörterung ihnen fremder Probleme gegen die katholische Kirche voreingenommen zu machen, damit dann die weitere Kritik auf fruchtbaren Boden falle. Als besonders verletzend sei der die Auseinandersetzung über die Natur des Höllenfeuers abschließende Satz des Artikels empfunden worden:
»Es wird schwerfallen, das wohl einzig mögliche salomonische Urteil zu fällen: in Europa und Amerika etwa das Höllenfeuer ausgehen zu lassen, während die Seelen der Afrikaner und Papuas weiter rösten müssen.«
Wer sich in solch hämischer Weise mit angeblich »vorrangigen« theologischen Problemen befasse, und dabei eine breite Öffentlichkeit anspreche, müsse sich eine harte Kritik gefallen lassen. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, die Kritik auf eine »unterkühlte« Stellungnahme zu beschränken, da dann der Kritik die Wirkung genommen und die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde. Die offenbaren Entgleisungen des unter Vernachlässigung der journalistischen Sorgfaltspflicht geschriebenen Aufsatzes seien auch in anderen Zeitungen als solche gekennzeichnet worden. Gegenüber den Tendenzen des Artikels, der von einem gegenreformatorischen Angriff spreche, sei der Ausdruck »Konfessionshetze« nicht unangemessen. Was die allgemeine Kritik an der Haltung und am Niveau des »stern« angehe, so müsse berücksichtigt werden, daß der »stern« wiederholt in weiten Kreisen Anstoß erregt habe (Hinweis auf-einen Aufsatz in »Christ und Welt«). Der Artikel im »Echo der Zeit« sei, wie sich aus seinem Inhalt ergebe, in ehrlicher Sorge um den Politiker Dr. B. und sein Verhältnis -zur CDU, seiner damaligen Partei, geschrieben worden. Nur hieraus erkläre sich die Anspielung auf die Zeitung »Die Zeit«. Wettbewerbliche Beweggründe hätten bei der Veröffentlichung keine Rolle gespielt; es sei den Beklagten ausschließlich um die von ihnen in dem Artikel vertretene S a c h e gegangen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin den Antrag erweitert. Sie hat beantragt, den Beklagten durch ein Unterlassungsurteil die Verbreitung folgender Außerungen zu verbieten: I. Der Titel »Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?« im »stern« 2/62 sei »eine auf Dummenfang abzielende Überschrift« gewesen.
2. In dem Aufsatz »Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?« seien »unglaublich dreiste theologisch und kirchenrechtlich falsche Thesen über den Papst, das Verhältnis der kirchlichen Konfessionen zueinander und das bevorstehende Konzil an den Mann gebracht worden.«
3. »Man täte dem »stern« zu viel Ehre an, von ihm eine fundierte Meinung in religiösen und politischen Fragen zu erwarten. - Sein Maßstab ist die Straße. Ihr unterwirft sich die auflagenstärkste deutsche Illustrierte seit Jahren.«
4. »Meinungsfreiheit? Für den »stern« heißt das: leichtfertige Verfälschung oder Unkenntnis der Fakten, Konfessionshetze . . . .«
Die Klägerin hat weiter beantragt, es den Beklagten zu verbieten, im Zusammenhang mit den zu 1 bis 4 gekennzeichneten Außerungen den Namen des Dr. B. zu erwähnen.
Das Oberlandesgericht hat die Beklagten bei Vermeidung von Strafen verurteilt, im Zusammenhang mit dem in der Wochenillustrierten »stern« unter dem Titel »Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?« erschienenen Bildbericht zu behaupten und zu verbreiten:
1. Der Titel sei eine auf Dummenfang abzielende Überschrift,
2. die in dem Bericht enthaltenen Thesen über den Papst, das Verhältnis der kirchlichen Konfessionen zueinander und das bevorstehende Konzil seien unglaublich dreist;
3. für den »stern« heiße Meinungsfreiheit: leichtfertige Verfälschung oder Unkenntnis der Fakten und Konfessionshetze.
Im übrigen hat das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Klägerin zurück und wies auf die Anschlußrevision der Beklagten die Klage in vollem Umfang ab.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Beklagten mit der Veröffentlichung des Artikels »Warten auf B.« nicht in der Absicht gehandelt haben, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern. Die Rüge der Revision gegen diese Feststellung greift nicht durch. Die Revision beruft sich auf den in der Rechtsprechung häufig angeführten Erfahrungssatz, ein bestehendes Wettbewerbsverhältnis zwischen zwei Parteien lege es zunächst nahe, daß eine gewerbeschädigende Außerung des einen Teils über den anderen in Wettbewerbsabsicht verbreitet worden sei (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsund Warenzeichenrecht, 9. Aufl. , RdNr. 195 zu Einl. UWG 11). Dieser Erfahrungssatz wird schwerlich dann Geltung beanspruchen können, wenn ein Presseorgan, das eine bestimmte politische oder weltanschauliche Richtung vertritt, sich in polemischer Weisen mit einem anderen Presseorgan auseinandersetzt, das diese Richtung angegriffen hat. Solche Pressefehden liegen in der Regel nicht auf wettbewerblichem Gebiet, sondern auf dem Gebiet des Kampfes um die öffentliche Meinungsbildung, bei der die Presse eine führende Rolle spielt (vgl. OLG München, Betriebsberater 1963, 746). Eines näheren Eingehens auf diese Frage bedarf es nicht; denn jedenfalls ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht unter sorgfältiger Würdigung der Entstehung und der Art der h i e r vorliegenden Auseinandersetzung die Überzeugung gewonnen hat, es sei den Beklagten n i c h t um einen Vorsprung im Wettbewerb, sondern darum gegangen, einen Angriff auf die von ihnen vertretenen Anschauungen abzuwehren und die öffentliche Meinungsbildung in ihrem Sinne zu beeinflussen (vgl. BGH LM GG Art. 5 Nr. 17). Wird in einem Buch, auf das sich die Klägerin bezieht, die Meinung vertreten, die »Kirche versuche unter Aufbietung aller wirtschaftlichen Mittel, die konfessionell nicht gebundene Presse vom Markt zu verdrängen«, so brauchte sich das Berufungsgericht hierdurch nicht in seiner Überzeugung beeinflussen zu lassen, welche Motive im vorliegenden Fall für die Beklagten in ihrer Polemik gegen den »stern« leitend waren.
II. Das Berufungsgericht sieht in der Außerung, der Titel über dem kritisierten »stern «-Aufsatz sei eine auf Dummenfang abzielende Überschrift, eine unrichtige gewerbeschädigende Tatsachenbehauptung, gegen deren drohende Wiederholung die Klägerin gemäß § 824 in Verbindung mit § 1004 BGB Rechtsschutz durch ein Unterlassungsurteil beanspruchen könne. Dagegen enthalten die übrigen beanstandeten Außerungen des Aufsatzes im »Echo der Zeit« nach der Auffassung des Berufungsgerichtes abfällige W e r t u r t e i l e über den »stern«; ihnen gegen- [ gegenüber ] über stehe der Klägerin nur dann ein Unterlassungsanspruch zu, wenn die Beklagten mit ihrer Kritik den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin rechtswidrig beeinträchtigt hätten (§ 823 Abs. 1 BGB). Einen rechtswidrigen Übergriff dem Kritik im Sinne der Überschreitung des rechten Maßes und einer unnötigen und gehässigen Schimpferei nimmt das Berufungsgericht nur insoweit an, als die Beklagten den Vorwurf erhoben haben, die in dem »stern«-Aufsatz vertretenen »Thesen« seien »unglaublich dreist« und für den »stern« heiße Meinungsfreiheit: leichtfertige Verfälschung oder Unkenntnis der Fakten und Konfessionshetze. Im übrigen müsse, so meint das Berufungsgericht, die Klägerin die scharfe Polemik der Beklagten hinnehmen, die weitgehend als »Gegenschlag« auf den »stern«-Artikel über das Höllenfeuer zu verstehen sei. Dieser Artikel habe durch seine saloppe Fassung und seine Tendenz in kirchlichen Kreisen Anstoß erregen können. Die Kritiker aus diesen Kreisen hätten das Recht, ihre Ansicht zu den Sachfragen des Artikels, zur Art der Problembehandlung durch den »stern« und zum allgemeinen Niveau der angegriffenen Zeitschrift auch in scharfer Sprache zum Ausdruck zu bringen. Eine Zeitschrift wie der »stern«, die einen sehr weitreichenden Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung in Deutschland ausübe, habe sich auch einer scharfen polemischen Stellungnahme derer zu stellen, die über die Art dieser Einflußnahme und die vom »stern« vertretene Richtung anderer Ansicht seien.
III. Mit Erfolg macht die Anschlußrevision geltend, daß die abwertende Außerung über den T i t e l der »stern«-Reportage nicht als eine unwahre Tatsachenbehauptung im Sinne des § 824 BGB verstanden werden kann. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes sagt die Außerung, wenn diese ihres aggressiven Tones entkleidet wird, der »stern« habe den Artikel mit einer Überschrift versehen, die nicht dessen Inhalt entspreche, aber durch ihre reißerische Wirkung das Publikum anlocke. Tatsächlich befasse sich der Artikel in seinem ersten Teil mit dem Titelthema, während er in den weiteren Teilen auch andere Themen behandele und die Haltung der katholischen Kirche zu diesen Themen angreife. Die Überschrift sei also nicht völlig falsch. Es sei auch nicht zu beanstanden, e i n Problem eines Artikels, das einen erheblichen Raum in der Erörterung einnehme und sich durch zugkräftige Schlagworte auszeichne, blickfanggemäß dadurch in den Vordergrund zu schieben, daß man es als Überschrift für den gesamten Artikel wähle. Ein einwandfreier, den vollen Inhalt des Artikels erschöpfender Titel werde bei der Heterogenität der Themen notwendig farblos bleiben und gerade für eine illustrierte Zeitung schlecht geeignet sein. Der Titel »Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?« sei sachlich nicht s o v e r f e h l t, daß die Bezeichnung »Dummenfang« zutreffe.
Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß der Charakter der Außerung erst aus dem Zusammenhang der Gesamtpolemik richtig verstanden werden kann. Auch das Berufungsgericht geht bei der Gesamtwürdigung des Artikels davon aus, daß es den Beklagten darum zu tun war, ihre subjektive Einstellung zu der Tendenz des kritisierten Artikels, zu der Art der Behandlung theologischer Fragen und zum allgemeinen Niveau des »stern« in aggressiver Form zur Geltung zu bringen. Dabei steht die subjektive Wertung so im Vordergrund, daß der substanzarme tatsächliche Gehalt einer einzelnen Außerung ganz zurücktritt (vgl. BGH NJW 1955, 311 zu einer Außerung über das »Adenauer-Regime«; ferner BGH LM BGB § 1004 Nr. 75 und GG Art. 5 Nr. 17). Auch wenn die Titelwahl vom Standpunkt des R i c h t e r s nicht als sachlich verfehlt zu bezeichnen ist, kann es einem Kritiker nicht versagt werden, aus seiner Sicht eine andere Beurteilung vorzutragen. Die Auffassungen darüber, ob man mit einer »reißerischen« Überschrift der hier vorliegenden Art Leser zur Lektüre eines auf ernste Probleme eingehenden Aufsatzes verlocken soll, können auseinandergehen. Dabei brauchen aus der Sicht eines kritischen Beurteilers die »Dummen« nicht nur diejenigen zu sein, die sich nach der Überschrift mehr vom Inhalt des Artikels versprechen, als er hält. Vielmehr können auch diejenigen gemeint sein, die sich überhaupt durch den reißerischen Titel zur Lektüre eines Aufsatzes verleiten lassen, dem sie ohne den Titel keine Beachtung geschenkt hätten. Die Frage, ob es einen gezielten »Dummenfang« darstellt, einen solchen Titel über einen auf theologische Fragen eingehenden Aufsatz zu stellen, ist einer objektiven Klärung nicht zugänglich. Die abwertende Außerung über den Höllenfeuer-Titel liegt da- [ daher ] her auf der gleichen Ebene wie die übrigen Außerungen des Aufsatzes im »Echo der Zeit«, nämlich auf dem Gebiet der abfälligen Kritik. Die betont scharfe und unfreundliche F o r m der Beurteilung rechtfertigt noch nicht die Anwendung dem § 824 BGB.
IV. Die Revision beanstandet ihrerseits, das Berufungsgericht habe zu Unrecht § 824 BGB insoweit nicht angewandt, als dem »stern« der Vorwurf gemacht werde, er habe theologisch und kirchenrechtlich falsche Thesen über den Papst, das Verhältnis der kirchlichen Konfessionen zueinander und das bevorstehende Konzil verbreitet.
Die Rüge ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, daß die im Gewande populärwissenschaftlicher Darstellung vorgetragenen Außerungen des »stern « zu den angesprochenen Fragen für eine gerichtliche Überprüfung nicht geeignet seien. Aller Wahrscheinlichkeit würden der katholischen Kirche nahestehende Leser zu einer anderen Einschätzung der Haltbarkeit der vom »stern« vorgetragenen Auffassungen kommen als Leser, die der Kirche kühl und ablehnend gegenüberständen. Selbst wenn der »stern« eine h e r r s c h e n d e Meinung zu den behandelten Fragen wiedergegeben habe, sei es niemandem verwehrt, zu diesen Fragen eine abweichende Meinung für wahr zu halten und sie unter »Abqualifizierung« der Ansichten des »stern« öffentlich zu vertreten.
Dieser Beurteilung ist zuzustimmen. Der beantragten Beweiserhebung über die offizielle katholische Lehre bedurfte es um so weniger, als es sich bei dem »stern«-Artikel um eine an der Oberfläche bleibende Problembehandlung handelte und die angeschnittenen Fragen auch auf katholischer Seite stark in Bewegung gekommen sind.
Endlich ist mit Recht in der scharfen Kritik am allgemeinen Niveau des »stern« keine Tatsachenbehauptung, sondern eine reine Kritik gesehen worden. Der Überprüfung, ob das negative Urteil über das Niveau des »stern « überhaupt vertretbar sei, bedurfte es nicht. Die Stellungnahme wird in hohem Maße von der Einstellung des Beurteilers dazu abhängen, wie er den Bildungswert der Illustrierten und anderer Massenmedien grund- [ grundsätzlich ] sätzlich einschätzt und ob er die von den deutschen Illustrierten vielfach praktizierte Art der Anreizung und »Überlistung« der Leserschaft in dem Maß positiv beurteilt, wie es in den Schriftsätzen der Klägerin geschieht. Auch hier steht es einem Kritiker - ähnlich wie bei der Beurteilung künstlerischer Leistungen - grundsätzlich frei, seine eigene Meinung öffentlich selbst dann zu vertreten, wenn es eine Außenseiter-Meinung sein sollte. Der Tatbestand des § 824 BGB scheidet aus.
V. Die für die Beurteilung des Rechtsstreits entscheidende Frage ist dahin zu stellen, ob die abfällige Kritik über die rechtlich gesetzten Grenzen hinausgegangen ist, indem sie die gewerbliche Betätigung der Klägerin in rechtlich unstatthafter Weise beeinträchtigt hat (§ 823 Abs. 1 BGB).
In dieser Frage vertritt die Revision den Standpunkt, die Grenze müsse nach den Grundsätzen des sogenannten Constanze-Urteils (BGHZ 3, 270 - Constanze I-) festgesetzt werden. Der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) entfalle daher schon dann, wenn die Polemik unnötig scharf sei und über eine sachliche Kritik hinausgehe. Der Rechtfertigungsgrund setze voraus, daß die in Rede stehende Außerung zur Wahrnehmung rechtlich geschützter Interessen o b j e k t i v erforderlich sei. Das sei bei keiner der von der Klägerin beanstandeten Außerungen der Fall. Das Berufungsgericht habe eine solche objektive Erforderlichkeit zum Teil sogar ausdrücklich abgelehnt.
Nun sind in der Tat in dem Constanze-Urteil des früheren I. Zivilsenats, der damals für das Rechtsgebiet zuständig war, die Grenzen für die Verbreitung geschäftsschädigender Werturteile auch dann sehr eng gezogen, wenn eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung ausscheidet. Zwar erscheint es nach den Grundsätzen dieses Urteils nicht ausgeschlossen, bei der vorzunehmenden Güterund Pflichtenabwägung zu berücksichtigen, daß die Sprache bei der Abwehr eines Angreifers auf eine bestimmte Person, Einrichtung oder Gesinnung schärfer sein darf, als sie sonst zu vertreten wäre. Aber das Constanze-Urteil geht doch grundsätzlich davon aus, daß gewerbeschädigende Werturteile, die den Boden der s a c h l i c h e n Kritik verlassen, nur dann der Widerrechtlichkeit entkleidet sind, wenn sie nach Inhalt, Form und Begleitumständen zur Wahrnehmung rechtlich geschützter Interessen objektiv erforderlich sind. Dabei wird erläuternd ausgeführt, es sei das kleinste Rechtsübel, das schonendste Mittel zu wählen. Es sei ferner Voraussetzung der Rechtfertigung, daß der Täter auch subjektiv besonders sorgfältig geprüft habe, ob die »Rechtsverletzung« nach Schwere und Ausmaß zur sachgemäßen Interessenwahrnehmung erforderlich sei (BGHZ 3, 270, 280 ff.). Indem nach dein Vorbild der »klassischen« Rechtsgutverletzungen des § 823 Abs. 1 BGB das Schema der indizierten Rechtswidrigkeit und der ausnahmsweisen Rechtfertigung auf den Tatbestand der Beeinträchtigung des eingerichteten Gewerbebetriebes übernommen wird, zeigt sich auch in der methodischen Behandlung die Tendenz, einer negativen Kritik keinen allzu großen Spielraum zu geben, wenn gewerbliche Belange berührt werden.
Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil BGHZ 36, 77 [83] - Waffenhändler - Bedenken geltend gemacht, ob bei gewerbeschädigenden Werturteilen an dem Erfordernis des mildesten Mittels als Voraussetzung der Rechtfertigung festgehalten werden kann. Der erkennende Senat ist ferner in zunehmendem Maße dazu übergegangen, bei dem in der Rechtsprechung her- ausgebildeten »Auffangtatbestand« der rechtswidrigen Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit und bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Rechtswidrigkeit erst aus der zu mißbilligenden Art der Schädigung abzuleiten, so daß es der Berufung des Täters auf einen besonderen Rechtfertigungsgrund jedenfalls nicht immer bedarf (vgl. BGHZ 29, 65; 36, 19; 36, 77; VI ZR 175/64 vom 11. Januar 1966 = MDR 1966, 309; LM GG Art. 5 Nr. 9 und 17; vgl. hierzu von Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, Festschrift für den Deutschen Juristentag 1960, Bd. II S. 49 [91]; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Besonderer Teil, 7. Aufl. , § 66 I d und e; Fikentscher, Schuldrecht, 1960 § 103 111). Die weitere Rechtsentwicklung auf diesem Gebiet ist sodann entscheidend durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Tragweite des Art. 5 GG und zum Einfluß dieses Grundrechts auf die Auslegung privat-rechtlicher Normen beeinflußt worden (BVerfGE 7, 198 - Lüth -;12, 113 - Schmid.Spiegel -). Schon deshalb bedarf das in dem Urteil BGHZ 3, 270 behandelte Problem des Verhältnisses der freien Meinungsäußerung zur Beeinträchtigung gewerblicher Interessen einer erneuten Überprüfung. - Der Senat geht mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, daß die Vermutung für die Zulässigkeit der »freien Rede« streitet, wenn es sich um einen Beitrag zum g e i s t i g e n M e i n u n g s k a m p f in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten handelt. Um die f r e i e Diskussion gemeinschaftswichtiger Fragen zu sichern, kann es nach den Umständen des Einzelfalls geboten sein, den Schutz privater Rechtsgüter zurücktreten zu lassen. Gerade in Auseinandersetzungen, die über einzelpersönliche Bezüge hinausgehen und eine Thematik von großer Tragweite für das Gemeinschaftsleben ansprechen, erfordert es die Bedeutung des Art. 5 GG, daß auch in der A r t der Meinungsäußerung von Rechts wegen große Freiheit gewährt und in der Bejahung einer Beleidigungsabsicht oder einer rechtswidrigen Störung gewerblicher Belange Zurückhaltung geübt wird (vgl. Ridder, JZ 1961, 537, 539). Die strengen Sorgfaltspflichten, die die Rechtsprechung mit Recht stellt, wenn die Presse ehrenrührige Tatsachen über einen Bürger verbreitet, sind nicht in gleicher Weise am Platz, wenn Wertungen in Fragen allgemeiner Bedeutung, mögen sie auch einem einzelnen abträglich sein, vorgetragen werden. Mißt das Grundgesetz der rechtlichen Sicherung der Freiheit der Meinungsäußerung eine überragende Bedeutung bei, so liegt dem die Vorstellung zugrunde, daß der mündige und zum eigenen Urteil im Kampf der Meinungen aufgerufene Bürger in der freiheitlichen Demokratie selbst fähig ist, zu erkennen, was von einer Kritik zu halten ist, die auf eine Begründung -verzichtet und in hämisch-ironischer oder schimpfend-polternder Art die Gegenmeinung angreift. Gegenüber diesem »Wagnis der Freiheit« (Adolf Arndt, NJW 1964, 1312, 1313) ist es hinzunehmen, daß das Recht dem Betroffenen nicht gegenüber jeder unangemessen scharfen Meinungsäußerung Schutz gewährt. Dabei sind solche Einschränkungen des Rechtsschutzes besonders dann zu vertreten, wenn es dem Kritiker darum geht, einen Angriff auf die von ihm vertretene Auffassung abzuwehren, den er aus seiner Sicht nach Tendenz und Aufmachung als unangemessen oder anstößig empfinden konnte (vgl. BVerfGE 12, 113).
Dieser Bedeutung des Art. 5 GG werden die Ausführungen des Berufungsurteils nicht in allem gerecht. Zwar erkennt dar Berufungsgericht, daß nicht schon aus jeder unnötigen Schärfe die Rechtswidrigkeit einer gewerbeschädigenden Kritik abgeleitet werden kann. Andererseits kommt das Berufungsgericht bei den von ihm beanstandeten Außerungen zur Bejahung der Rechtswidrigkeit, indem es rügt, es habe an einer sorgfältigen Abwägung der widerstreitenden Interessen gefehlt, die Beklagten hätten die von ihnen vertretenen Ansichten über den »stern« auch in anderer (nämlich mehr schonender) Weise zum Ausdruck bringen können, sie hätten sich nicht zu unnötigen gehässigen Schimpfereien hinreißen lassen dürfen, auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Angriffs sei das »rechte Maß« nicht immer eingehalten.
Die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung sind in einer solchen Auseinandersetzung weiter zu ziehen.
VI. Der Senat ist zu einer abschließenden Entscheidung der Sache in der Lage, weil der Tatrichter den für die rechtliche Würdigung maßgebenden Sachverhalt einwandfrei festgestellt hat. Es bedarf auch keiner weiteren Auslegung der Außerungen unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten, die nur der Tatrichter prüfen und wägen könnte. Wie den grundsätzlichen Rechtsausführungen unter V. zu entnehmen ist, stimmt der Senat dem Berufungsurteil zu, soweit dieses einen rechtswidrigen Übergriff der Kritik verneint und die Klage abgewiesen hat.
Dagegen kann dem Berufungsgericht nicht zugestimmt werden, soweit es die Beklagten zur Unterlassung verurteilt hat. Bei der Würdigung der im »Echo der Zeit« geführten Polemik muß ins Gewicht fallen, daß die Angehörigen der christlichen Kirchen, insbesondere die der katholischen Kirche, die im »saloppen« Ton vorgetragenen Auffassungen des »stern«-Artikels als Herausforderung ansehen konnten. Die Verkündigung der katholischen Lehre über Hölle und Fegefeuer wurde in diesem Artikel in ironischer Weise kritisiert und als wenig glaubwürdig herausgestellt. Die Zwischenüberschriften des Artikels » S t a t t T h e o l o g i e - h a n d f e s t e r S c h r e c k e n « und » D i e K a t h o l i s i e r u n g d e s P r o t e s t a n t i s m u s « mußten bei denen Anstoß erwecken, die die angesprochenen Fragen in anderer Sicht sahen. Der Artikel enthielt sodann schwerwiegende Vorwürfe, die von der religiösen auf die politische Ebene übergingen (gegenreformatorischer Angriff auf die Mischehen; Mißbrauch der Verfassung durch die Kirchen und ihre Angehörigen; Begehung des gefährlichen Weges, das Kirchenrecht über das Grundgesetz zu stellen; Hinweis auf die Gefahr, daß mit einer »Heimführung« der übrigen Kirchen vieles gefährdet werden könne, was das 19. und 20. Jahrhundert an Meinungs-, Gewissens- und Willensfreiheit gebracht habe). Gegenüber solchen Vorwürfen kann auch ein sehr drastisches Zurückschlagen der Betroffenen vom Recht nicht verboten werden. Daran ändert nichts, daß der Verfasser des »stern«-Artikels seine Ausführungen in ernster Sorge um eine Klerikalisierung und Konfessionalisierung des öffentlichem Lebens geschrieben haben mag und subjektiv an die Berechtigung seiner Vorwürfe glaubte. Die Antikritik gegenüber dem Höllenfeuer-Artikel ist zwar, wie zuzugeben ist, sehr hart, indem sie gegenüber dem »stern« den Vorwurf des gezielten »Dummenfangs «, der »Konfessionshetze« und der »leichtfertigen Verfälschung oder Unkenntnis der Fakten« erhebt. Unter Würdigung des politisch-gesellschaftlichen Gehalts der Auseinandersetzung und der vorangegangenen Herausforderung kann eine solche Polemik, die auch in ihrer Schärfe nur durch eine völlig andere Grundeinstellung zu erklären ist, noch nicht als böswillige oder gehässige Schmähkritik gewertet werden, deren Wiederholung mit Rücksicht auf die hierdurch beeinträchtigte gewerbliche Tätigkeit der Klägerin rechtlich verboten wäre. Bei der Gesamtabwägung muß auch berücksichtigt werden, daß der »stern« infolge seiner weiten Verbreitung und die hierdurch gegebenen Einflußmöglichkeiten auf die Meinungsbildung nicht schutzlos gegenüber scharfen Angriffen ist, die aus einem anderen Lager gegen ihn erhoben werden. Es liegt auch keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Geschäftsführer des klagenden Verlages vor. Entgegen der Auffassung der Revision durften die Beklagten im Zusammen- [ Zusammenhang ] hang mit der Kritik am »stern« und am Höllenfeuer-Artikel die Frage öffentlich zur Erörterung stellen, ob der Verleger des »stern Dr. B. als CDU-Abgeordneter tragbar sei, wenn er sich nicht vom »stern« löse. Dabei ist es gleichgültig, wie innerhalb der Klägerin die Befugnisse der beiden Geschäftsführer Dr. B. und H. N. abgegrenzt waren und ob Dr. B. dem Chefredakteur Einzelanweisungen für die Gestaltung des »stern« geben konnte. Es würde eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Pressefreiheit bedeuten, wenn die öffentliche Erörterung des angesprochenen Themas durch Gerichtsurteil verboten werden könnte.