35 W (pat) 426/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 426/13
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 152 08.05 betreffend das Gebrauchsmuster 203 21 606 (hier: Kostengrundentscheidung nach § 91a ZPO)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Werner, die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig und den Richter Dipl.-Chem. Dr. Jäger beschlossen:
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen.
Gründe I. Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 203 21 606 (im Folgenden: Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung
„Beschichteter Ballonkatheter“ ,
das unter Inanspruchnahme des 26. August 2003 als Anmeldetag der Europäischen Patentanmeldung EP 03 75 0300.0 und unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 102 44 847.7 vom 20. September 2002 angemeldet und am 19. Juni 2008 in das Gebrauchsmuster-Register eingetragen worden ist. Mit Schriftsatz vom 6. September 2010 hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) die Löschung des Streitgebrauchsmusters wegen fehlender Schutzfähigkeit beantragt. Dem hat die Antragsgegnerin rechtzeitig widersprochen. In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) am 15. März 2013 hat die Antragsgegnerin das Streitgebrauchsmuster nicht mehr in der eingetragenen Fassung verteidigt, sondern nur noch in der beschränkten Fassung gemäß Schutzansprüchen 1 bis 9 nach Hauptantrag, hilfsweise mit Schutzansprüchen 1 bis 15 nach Hilfsantrag I und II, die drei vorgenannten Anträge jeweils aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2012, sowie mit Schutzansprüchen 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag III aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2013.
Schutzanspruch 1 nach dem Hauptantrag der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I am 15. März 2013 (im Folgenden: Hauptantrag) lautete:
Ballonkatheter zur Behandlung von Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel in einer wirksamen Dosis bis zu 5 g/mm2 mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haftet, wobei der von den Falten abgedeckte Bereich mit dem nach dem Auftragen getrockneten Paclitaxel bedeckt ist und wobei das Paclitaxel mit einer niedermolekularen Matrixsubstanz mit einem Molekulargewicht < 2000 D auf die Oberfläche aufgebracht ist.
Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I am 15. März 2013 lautete:
Ballonkatheter zur Behandlung von Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel in einer wirksamen Dosis von 1-5 g/mm2 mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haftet,
wobei der von den Falten abgedeckte Bereich mit dem nach dem Auftragen getrockneten Paclitaxel bedeckt ist und wobei das Paclitaxel mit einer niedermolekularen, leicht wasserlöslichen Matrixsubstanz mit einem Molekulargewicht < 2000 D auf die Oberfläche aufgebracht ist.
Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag II der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I am 15. März 2013 lautete:
Ballonkatheter zur Behandlung von Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel in einer wirksamen Dosis von 1-5 g/mm2 haftet, wobei der von den Falten abgedeckte Bereich mit dem nach dem Auftragen getrockneten Paclitaxel bedeckt ist und wobei das Paclitaxel mit einer niedermolekularen, leicht wasserlöslichen Matrixsubstanz mit einem Molekulargewicht < 2000 D auf die Oberfläche aufgebracht ist, sodass es nach Gewebekontakt in weniger als einer Minute in wirksamer Dosis an das Gewebe abgegeben wird.
Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I am 15. März 2013 lautete:
Ballonkatheter zur Behandlung von Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel in einer wirksamen Dosis bis zu 5 g/mm2 mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haftet, wobei der von den Falten abgedeckte Bereich mit dem nach dem Auftragen getrockneten Paclitaxel bedeckt ist und wobei das Paclitaxel mit einem niedermolekularen hydrophilen jodierten Röntgenkontrastmittel als Matrixsubstanz mit einem Molekulargewicht < 2000 D auf die Oberfläche aufgebracht ist.
Die Unterstreichungen markieren die jeweils hinzugekommenen Merkmale. Für die Untersprüche wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten.
Mit Beschluss vom 15. März 2013 hat die Gebrauchsmusterabteilung das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über den Hauptantrag hinausging. Die Kosten des patentamtlichen Verfahrens wurden der Antragstellerin zu 1/5 und der Antragsgegnerin zu 4/5 auferlegt.
Es waren u. a. folgende Entgegenhaltungen im Verfahren:
D01 US 5 370 614 A D04 WO 00/45744 A1 D06 WO 00/21584 A1 D08a EP 1 372 737 B1 (= älteres Recht) D10 WO 2004/028582 A1 (= Stammanmeldung) D36 EP 1 666 070 B1 (= älteres Recht) D37 EP 1 521 603 B1 (= älteres Recht) D38 US 2002/0098278 A1.
Die Entscheidung hat die Gebrauchsmusterabteilung I im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausführbar, schutzfähig und in den ursprünglich eingereichten Unterlagen der Stammanmeldung offenbart sei. So unterschieden sich die Schutzgegenstände der älteren Rechte nach D36 und D08a, weil sich in D36 u. a. keine Angaben zur Dosis oder einer Trocknung des Wirkstoffs fänden und D08a eine Zubereitung und nicht einen Ballonkatheter zum Gegenstand habe. Auch gegenüber der D06 sei der nur noch beschränkt verteidigte Gegenstand des Streitgebrauchsmusters neu,
weil diese Druckschrift nicht auf die Verwendung von niedermolekularen Polymeren hinweise. Vielmehr ziele die D06 auf eine langsame Freisetzung ab und das Polymer solle bevorzugt eine größere Menge Wirkstofflösung absorbieren.
Gegen den in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2013 verkündeten Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I, dessen schriftliche, begründete Fassung die Gebrauchsmusterabteilung ohne erkennbaren Grund auf den 5. April 2013 datiert hat, hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt mit dem Ziel einer vollständigen Löschung des Streitgebrauchsmusters. Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren zuerst mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2013, Bl. 30 der Gerichtsakte, beantragt, „die Beschwerde zurückzuweisen und das Gebrauchsmuster auf der Basis der geltenden Ansprüche 1-9 (gemäß Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I vom 5. April 2013) zu bestätigen“. Im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2014, Bl. 57 der Gerichtsakte, heißt es am Ende: „Die geltenden Anträge werden daher unverändert aufrecht erhalten“.
In der Sache ist die Antragsgegnerin dem Vorbringen der Antragstellerin in allen Punkten entgegengetreten. Sie hielt die Ansprüche des Streitgebrauchsmusters für bestandsfähig und hat die Offenbarung der beiden strittigen Merkmale durch die Stammanmeldung D10 als gegeben angesehen. Durch das Merkmal "mit darauf getrocknetem Paclitaxel" werde ein dauerhaftes strukturelles Merkmal des streitgebrauchsmustergemäßen Ballonkatheters beschrieben. Die Dokumente D08a, D36 und D37 beanspruchten entweder eine Zubereitung und damit keinen Ballonkatheter oder unterschieden sich so deutlich vom beanspruchten Gegenstand, dass von einer Wesensgleichheit keine Rede sein könne. Der beanspruchte Gegenstand sei auch gegenüber der D06 neu, da diese Druckschrift keine niedermolekulare Matrix offenbare und die Lehre dieser Druckschrift sogar von der Anwendung niedermolekularer Matrixsubstanzen wegführe. Schließlich sei nicht erkennbar, wie der Fachmann in Zusammenschau von D04 und D38 zum Schutzgegenstand des Streitgebrauchsmusters kommen könnte. Denn die D04 beträfe einen Ballonkatheter mit einer Barriereschicht, die bei der Dilatation des Ballons aufplatzen soll, und die D38 beziehe sich auf eine medizinische Vorrichtung, wobei sich Ausführungsbeispiele ausschließlich mit beschichteten Stents und nicht mit Ballonkathetern befassten.
Mit richterlicher Verfügung vom 6. Juni 2014 hat die Vorsitzende die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, dass das Streitgebrauchsmuster inzwischen mit Wirkung vom 1. September 2013 nach Ablauf der maximalen Laufzeit von 10 Jahren erloschen war, und hat die Verfahrensbeteiligten um Stellungnahme zu der Frage nach dem verfahrensrechtlichen Fortgang des Beschwerdeverfahrens gebeten. Daraufhin hat die Antragstellerin zunächst mit Schriftsatz vom 18. Juni 2014 ein Rechtsschutzinteresse an der Fortsetzung des Verfahrens als Feststellungsverfahren geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2014 hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass keine Einwände gegen eine mögliche Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache bestünden. Nachdem die Antragsgegnerin mit weiterem Schriftsatz vom 21. Juli 2014 erklärt hatte, gegenüber der Antragstellerin abschließend und verbindlich auf alle etwa bestehenden Ansprüche aus dem Streitgebrauchsmuster zu verzichten, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22. September 2014 das Löschungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dieser Schriftsatz ist der Antragsgegnerin gegen Empfangsbekenntnis am 29. September 2014 mit dem Hinweis zugestellt worden, dass der Senat nach § 91a ZPO verfahren werde, wenn die Antragsgegnerin der Erledigungserklärung der Antragstellerin nicht binnen 2 Wochen widerspräche. Auf diese Zustellung hin hat sich die Antragsgegnerin verschwiegen.
Für die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verfahrensakten in beiden Rechtszügen.
II. 1. Das Löschungsverfahren ist in der Hauptsache erledigt, § 91a Abs. 1 ZPO. Die Erledigungserklärung der Antragstellerin vom 22. September 2014 ist der Antragsgegnerin ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 29. September 2014 zusammen mit der Mitteilung, dass der Senat nach § 91a ZPO verfahren würde, wenn die Antragsgegnerin dem nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung widerspräche, zugestellt worden. Die Antragsgegnerin, die bereits mit Schriftsatz vom 1. Juli 2014 mitgeteilt hatte, dass gegen eine mögliche Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache keine Einwände bestünden, hat sich auf diese Zustellung hin verschwiegen. Damit ist das Löschungsverfahren in der Hauptsache erledigt.
2. Bei dieser Verfahrenslage ist jetzt nur noch gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese Entscheidung bezieht sich auf die Kosten des gesamten Rechtsstreits, also beider Rechtszüge (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Auflage, 2014, § 91a Rndr. 30).
Die Kostenentscheidung ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Danach sind - in Anlehnung an § 91a ZPO - die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil die Beschwerde der Antragstellerin voraussichtlich Erfolg gehabt hätte und das Streitgebrauchsmuster bei Fortsetzung des Löschungsverfahrens als Feststellungsverfahren vollständig gelöscht worden wäre.
3. Da die Antragsgegnerin keine Anschlussbeschwerde eingelegt hat, ist die teilweise Löschung des Streitgebrauchsmusters, die die Gebrauchsmusterabteilung I in dem angegriffenen Beschluss angeordnet hat, bestandskräftig geworden. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bis zum Eintritt der Erledigung des Löschungsverfahrens in der Hauptsache war daher an erster Stelle das Streitgebrauchsmuster in der Fassung nach dem Hauptantrag, den die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2013 gestellt hat und in dessen Umfang der Löschungsantrag zurückgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wäre das Streitgebrauchsmuster bereits deswegen vollständig zu löschen gewesen, weil sein Gegenstand auf keinem erfinderischen Schritt beruht, wie ihn § 1 Abs. 1 GebrMG verlangt.
Dem Streitgebrauchsmuster liegt die Aufgabe zu Grunde, einen Ballonkatheter für eine auf bestimmte Gewebebereiche oder Organteile begrenzte Arzneimittelabgabe von Paclitaxel bereitzustellen, die ohne schädigenden Einfluss auf gesundes Gewebe eine starke therapeutische Wirkung ausübt, den Patienten nur wenig belastet und mit geringem Aufwand angewendet und hergestellt werden kann (vgl. Streitgebrauchsmusterschrift S. 3/11 Abs. [0011] i. V. m. S. 2/11 Abs. [0001] und Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag).
Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch einen Ballonkatheter mit folgenden Merkmalen:
1. Ballonkatheter zur Behandlung von Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen,
2. wobei an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel 3. in einer wirksamen Dosis bis zu 5 g/mm2 4. mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe haftet, 5. wobei der von den Falten abgedeckte Bereich mit dem nach dem Auftragen getrockneten Paclitaxel bedeckt ist und 6. wobei das Paclitaxel mit einer niedermolekularen Matrixsubstanz mit einem Molekulargewicht < 2000 D auf die Oberfläche aufgebracht ist.
Ballonkatheter werden im Allgemeinen eingesetzt, um Lumen, d. h. den Innenraum von Hohlorganen, im Körper zu weiten. Handelt es sich dabei um Adern, kann der Einsatz wegen der dabei erforderlichen Unterbrechung des Blutstroms nur kurzzeitig erfolgen. Aus diesem Grund ist auch die Arzneimittelabgabe von entsprechend beschichteten Ballonkathetern im gewünschten Sinne, d. h. direkt an das Gewebe, nur während des Zeitraums möglich, in dem ein direkter Kontakt der Ballonoberfläche mit der Aderinnenwand besteht, folglich während eines zeitlich sehr begrenzten, kurzen Zeitraums.
Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe, darunter auch von Paclitaxel (= Taxol), waren dem Fachmann vor dem Prioritätstag bekannt, wie aus der Druckschrift D04 zu ersehen ist. Der in diesem Dokument beschriebene Ballonkatheter stellt den Ausgangspunkt im vorliegenden Fall dar. Denn es wird ein Ballonkatheter zur Medikamentenabgabe, u. a. auch von Taxol beschrieben, mit dem der Wirkstoff bereits gezielt an den für ihn vorgesehenen Ort gebracht werden kann. Die D04 offenbart auch die Verwendbarkeit der Ballonkatheter zur Behandlung von Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen, da die Ballonkatheter zur Behandlung der vaskulären Gefäßwand bei Kontakt mit der äußeren Ballonoberfläche angepasst sind (vgl. D04 Patentansprüche 1, 3, 6 und 30 bis 34 i. V. m. Beschreibung S. 3/4 und S. 6/7 jeweils übergreifender Abs.). Dafür ist jedoch gemäß D04 zwingend eine zweite Beschichtung auf der den Wirkstoff enthaltenden Schicht erforderlich, um das nicht erwünschte frühzeitige Lösen des Medikaments während der Positionierung des Katheters im Körper zu vermeiden (vgl. D04 S. 3/4, S. 4/5 und S. 5/6 jeweils übergreifender Abs., S. 12 Abs. 2). Der Wirkstoff kann auf der Oberfläche des Ballons in Anwesenheit oder auch in Abwesenheit einer polymeren Matrix aufgetragen sein (vgl. D04 S. 4/5 und S. 6/7 jeweils übergreifender Abs.). Wird eine Matrix verwendet, kann es sich bei den dazu eingesetzten Polymeren um hydrophile Substanzen handeln, wie zum Beispiel Polylactide, Polyglycolsäure oder Polycaprolactone (vgl. D04 Patentanspruch 10 sowie S. 4 Abs. 2 und S. 5 Abs. 2).
Damit unterscheidet sich der Ballonkatheter gemäß Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmuster in der verteidigten Fassung nach Hauptantrag insofern von diesem Stand der Technik, als nur Matrixsubstanzen mit einem Molekulargewicht < 2000 D zum Einsatz kommen. Zudem ist er anhand der Wirkstoffdosierung weiter charakterisiert und das zwingende Vorhandensein einer Schutzschicht für die Wirkstoffschicht ist nicht erforderlich. Ferner wird in der D04 expressis verbis kein Trockenschritt nach dem Auftrag des Wirkstoffs offenbart.
Welche zusätzlichen Maßnahmen der Fachmann im Hinblick auf D04 zu ergreifen hat, um einen wirkstoffbeschichteten Ballonkatheter mit den streitgebrauchsmustergemäßen Merkmalen und angestrebten Vorteilen in die Hand zu bekommen, vermittelt die Entgegenhaltung D38. Denn diese Druckschrift geht ebenfalls davon aus, eine medizinische Vorrichtung, die unter anderem zur Arzneimittelabgabe in den Körper eingeführt wird, bereitstellen zu wollen, die ohne schädigenden Einfluss auf gesundes Gewebe eine starke therapeutische Wirkung ausübt und die mit geringem Aufwand hergestellt und angewendet werden kann. Angestrebt werden daher medizinische Vorrichtungen, mit der die üblicherweise als Matrices verwendeten Polymeren vermieden werden können, die aber trotzdem keine zusätzliche Schutzschicht über der Arzneimittelschicht benötigen und den Wirkstoff an die für diesen vorgesehene Stelle transportieren, ohne dass dieser bereits während der Einführung abgebaut wird (vgl. D38 S. 1 re. Sp. Abs. [0010] bis S. 2 li. Sp. Abs. [0012]).
Die D38 erreicht dieses Ziel mit einer medizinischen Vorrichtung, auf deren aufgerauter oder strukturierter Oberfläche der Wirkstoff, bei dem es sich bevorzugt um Paclitaxel handelt, gelöst in Ethanol durch Besprühen oder Tauchen aufgetragen wird und die so behandelte Oberfläche sodann einer Trocknung unterzogen wird. Als bevorzugte medizinische Vorrichtungen nennt die D38 dabei vaskuläre Stents, also Stents für Blutgefäße. Für Paclitaxel wird im Zusammenhang der Beschichtung eines Stents eine Konzentration von 0,2 bis ungefähr 20 g/mm2, bevorzugt 2 bis 6 g/mm2 angegeben. Der Auftrag des Wirkstoffs kann ferner in Kombination mit hydrophilen, niedermolekularen Substanzen erfolgen, wobei jodierte Kontrastmittel beispielhaft angeführt werden (vgl. D38 Patentansprüche 1 bis 3, 5, 7 bis 9 und 12 i. V. m. S. 2 Abs. [0013] bis [0015], S. 3 Abs. [0024] und [0025], S. 4 Abs. [0034], S. 5 Abs. [0040] und [0041], S. 5/6 Abs. [0049], S. 6 Abs. [0052] (letztes Drittel) und [0056], S. 6/7 Abs. [0058] und S. 7 Abs. [0059]). Erzielt wird mit dieser Vorgehensweise nicht nur eine medizinische Vorrichtung, die mit geringem Aufwand angewendet und hergestellt werden kann, sondern auch eine medizinische Vorrichtung, die den Wirkstoff nur an den dafür vorgesehenen Ort abgibt und somit den Patienten nur wenig belastet (vgl. D38 S. 2 Abs. [0017] 1. und 2. Satz, S. 4 Abs. [0030] und S. 8 Abs. [0076] le. Satz).
Mit der D38 bekommt der Fachmann somit nicht nur den Hinweis vermittelt, welche Maßnahmen er zu ergreifen hat, um einen Wirkstoff festhaftend auf die Oberfläche einer medizinischen Vorrichtung ohne Zuhilfenahme einer inerten Matrix und einer darüber liegenden Schutzschicht aufzutragen. Er erhält zusätzlich den Hinweis, mit welcher Dosierung er in diesem Fall den Wirkstoff einsetzen muss, um die angestrebte therapeutische Wirkung zu erzielen. Die in der D38 genannten Maßnahmen zur Lösung der vorliegenden Aufgabe auch für einen Ballonkatheter ins Auge zu fassen, liegt – entgegen der Auffassung der Gebrauchsmusterinhaberin – nahe. Denn nachdem in der D38 durchgehend explizit darauf hingewiesen wird, dass die dort beschriebene Oberflächenbeschichtung für jegliche medizinische Vorrichtung geeignet sei, die zur Einführung in einen Körper vorgesehen ist, und auf S. 8 Abs. [0076] im Zusammenhang mit einem Adhäsionstest zudem Kombinationen aus Stent und Ballonkatheter zur Anwendung kamen, wobei die Beschichtung erst nach der Montierung der Stents erfolgte, hatte der Fachmann eine Veranlassung, die in diesem Dokument beschriebenen Maßnahmen ebenfalls im Hinblick auf Ballonkatheter zur Lösung der dem Streitgebrauchsmuster zugrunde liegenden Aufgabe in Betracht zu ziehen. Dies trifft auch zu, weil es sich bei einem Stent und einem Ballonkatheter um zwei Vorrichtungen handelt, die üblicherweise zusammen eingesetzt werden, sei es zur Neusetzung des Stents oder aber auch zur Weitung bereits im Körper vorhandener Stents durch einen Ballonkatheter. Der Fachmann wird daher arzneimittelabgebende Oberflächenbeschichtungen eines üblicherweise zum permanenten Verbleib bestimmten Stents ohne weiteres auch für einen zum gleichen Zweck, aber nur temporär eingeführten Ballonkatheter als geeignet erachten. Probleme wird er auch deshalb nicht sehen, weil beide medizinische Vorrichtungen aus dem gleichen Material gefertigt sein können (vgl. D38 S. 2/3 Abs. [0019] und S. 4/5 Abs. [0039] sowie Streitgebrauchsmusterschrift S. 3/11 Abs. [0015]). Die mit den im Streitgebrauchsmuster genannten Maßnahmen erzielten Vorteile, insbesondere auch die bessere Haftung des Wirkstoffs aufgrund der aufgerauten oder texturierten Oberfläche und die starke therapeutische Wirkung waren daher in Kenntnis von D38 für den Fachmann von vornherein zu erwarten gewesen.
Das Merkmal, Paclitaxel in einer niedermolekularen Matrix aufzutragen, kann keinen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit leisten. Die Druckschrift D04 lehrt den Fachmann bereits, durch das Aufbringen einer hydrophilen Matrix auf die Oberfläche eines Ballons die Löslichkeit eines Wirkstoffs und dessen Übertragung auf das Gewebe zu verbessern (vgl. D04 S. 10 Z. 6 bis 21). Im Zusammenhang damit sodann einen bestimmten Molekulargewichtsbereich auszuwählen, stellt eine Optimierung dar und bedarf keiner Überlegungen erfinderischer Art. Dies trifft umso mehr zu, als dem Fachmann im Zusammenhang mit der Oberflächenbeschichtung von Ballonkathetern zur Behandlung von Plaques und von Stenosen in Adern zudem aus D01 bekannt war, dass niedermolekulare hydrophile Substanzen die Wirkstoffübertragung verbessern (vgl. D01 Patentanspruch 1 i. V. m. Sp. 1 Z. 63 bis Sp. 2 Z. 26 und Sp. 3 Z. 38 bis 54). Darüber hinaus werden gemäß D38 hydrophile niedermolekulare Substanzen, wie z. B. jodiertes Kontrastmittel, zusammen mit Paclitaxel auf die Oberfläche der dort beschriebenen medizinischen Vorrichtungen aufgetragen, womit auch diese eine Matrix bilden. Nichts anderes wird gemäß Streitgebrauchsmuster gemacht (vgl. Streitgebrauchsmusterschrift S. 4/11 Abs. [0024] i. V. m. Bsp. 5 und 7).
Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters nach Hauptantrag wurde daher durch eine Kombination der Lehren der Druckschriften D04 und D38 nahegelegt und beruht deswegen nicht auf einem erfinderischen Schritt. Er ist folglich nicht schutzfähig i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG.
Die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 9 des Streitgebrauchsmusters nach Hauptantrag lassen keine Merkmale erkennen, die ihrerseits einen erfinderischen Schritt begründen könnten. Dazu hat die Antragsgegnerin auch nichts vorgetragen.
4. Ob die Antragsgegnerin zur Verteidigung des Streitgebrauchsmusters auch im Beschwerdeverfahren die Hilfsanträge I bis III stellen wollte, die sie in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung am 15. März 2013 gestellt hatte, kann offenbleiben, weil der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters auch in diesen Fassungen nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhen würde, das Streitgebrauchsmuster bei einer Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich also auch insoweit gelöscht worden wäre.
Denn die jeweils hinzugenommenen Merkmale 1 g/mm2 für die wirksame Paclitaxel-Dosis, „leichte Wasserlöslichkeit der Matrixsubstanz" (Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I), „sodass es nach Gewebekontakt in weniger als einer Minute in wirksamer Dosis an das Gewebe abgegeben wird" (Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag II) und "hydrophiles jodiertes Röntgenkontrastmittel als Matrixsubstanz" (Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III) sind aus dem Stand der Technik nach D04 und D38 bekannt. Für die Gegenstände der jeweiligen Schutzansprüche 1 dieser Hilfsanträge gilt daher dieselbe Argumentation wie für den Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag, so dass auch diese Gegenstände und mit ihnen die jeweils nachgeordneten Schutzansprüche durch eine Kombination der Lehren der Druckschriften D04 und D38 nahegelegt sind, also auf keinem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruhen und deswegen nicht schutzfähig sind i. S. v. §§ 1 – 3 GebrMG.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Werner Dr. Proksch-Ledig Dr. Jäger Bb