8 W (pat) 5/10
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 5/10
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 199 49 058 …
BPatG 152 08.05 hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Zehendner und den Richter Dipl.-Ing. Rippel, die Richterin Grote-Bittner und den Richter Dipl-Ing. Brunn beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass das Einspruchsverfahren und das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache erledigt sind.
2. Der Antrag der Einsprechenden auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Gegen das Patent 199 49 058 mit der Bezeichnung „Schaltvorrichtung für ein Automatikgetriebe“, dessen Erteilung am 15. Mai 2008 veröffentlicht worden ist, hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 14. August 2008, eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Als Widerrufsgrund hat sie fehlende Patentfähigkeit angegeben und sich hierbei auf fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit gestützt. Die Einsprechende hat sich auf folgende Druckschriften bezogen: E1. DE 36 34 309 A1 E2: US 3068 717 E3: Zeichnung des Produkts (Tastenschalter) vom 31. August 1992 (eine Seite) E4: perspektivische Darstellung des Produkts (Tastenschalter) mit Einzelheiten der Tastenschieberanordnung (eine Seite) E5: Skizze einer Prinzipdarstellung des Eingriffs zwischen Tastenschieberanordnung und Sperrschieber (eine Seite) E6: Rechnung/Lieferschein über eine Lieferung des Produkts (eine Seite).
Mit Beschluss vom 16. Oktober 2009 hat die Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit den Unterlagen Patentanspruch Nr. 1 (Hilfsantrag 2), eingegangen am 13. Oktober 2009, ansonsten gemäß Patentschrift, beschränkt aufrechterhalten. Sie hat u. a. ausgeführt, dass die Druckschriften E3 bis E6 entgegen der Darstellung der Einsprechenden nicht einem identischen Gegenstand zugeordnet werden könnten, weil den Zeichnungen E4 und E5 jede Angabe zur Identifikation und zum Erstellungsdatum fehle. Außerdem würden die Zeichnungen keinerlei Sperrfunktion in dem behaupteten Produkt offenbaren. Gegen diesen Beschluss, der ihr am 30. November 2009 zugestellt worden ist, hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2009, eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt.
Das Streitpatent ist wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr mit Wirkung zum 1. Mai 2015 erloschen, was im Patentregister eingetragen worden ist.
Der Einsprechenden ist mit Bescheid vom 3. Juli 2015 Gelegenheit gegeben worden, ein Rechtsschutzinteresse an einem rückwirkenden Widerruf des Patents geltend zu machen. Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 16. Juli 2015 ausdrücklich erklärt, dass ein solches Rechtsschutzinteresse nicht bestehe.
Die Einsprechende beantragt weiterhin,
die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Sie meint, dass das Einspruchsverfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Verfahrensfehler, nämlich der Verletzung rechtlichen Gehörs, leide, da das Patentamt ihrem im Schriftsatz vom 15. September 2009 gestellten und sodann in der Anhörung wiederholten Antrag auf Inaugenscheinnahme eines bereitgehaltenen Musters des von ihr produzierten Tastenschalters mit der allgemeinen Produktnummer 623 übergangen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch sowie die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde sind statthaft und auch im Übrigen zulässig.
1. Sowohl das Einspruchsverfahren wie auch das Beschwerdeverfahren sind in der Hauptsache erledigt. Das Streitpatent ist mit Wirkung für die Zukunft erloschen. Wegen des Erlöschens des Streitpatents ist ein Interesse der Allgemeinheit am Widerruf eines zu Unrecht erteilten Patents nicht mehr gegeben, so dass eine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens wie auch des Beschwerdeverfahrens von Amts wegen nicht mehr zulässig ist (vgl. BGH GRUR 2012, 1071 f. – Sondensystem; GRUR 1997, 615, 617 - Vornapf). Eine Fortführung der Verfahren kommt auch nicht im Hinblick auf ein Rechtsschutzbedürfnis der Einsprechenden an einem rückwirkenden Widerruf des Streitpatents in Betracht (vgl. zum Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses: BGH GRUR 2012, 1071 f. – Sondensystem). Ein solches Rechtsschutzinteresse der Einsprechenden besteht nach ihren eigenen Angaben nicht.
Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist die Erledigung des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens im Interesse der Verfahrensbeteiligten und Dritter durch einen förmlichen Beschluss auszusprechen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u. a. Beschlüsse vom 24. Juni 2014, Az.: 8 W (pat) 16/09; vom 30. Juli 2014, Az.: 8 W (pat) 19/11, 8 W (pat) 25/10; vom 4. November 2014, Az.: 8 W (pat) 8/11, jeweils zu finden in juris; vgl. auch BPatG GRUR 2010, 363 - Radauswuchtmaschine).
2. Der zulässige Antrag der Einsprechenden auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Dabei steht der Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht entgegen, dass das Streitpatent zwischenzeitlich infolge Nichtzahlung der Jahresgebühr gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 PatG erloschen ist und sich dadurch das Einspruchs- und das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache erledigt haben. Dies ergibt sich aus den Regelungen in § 80 Abs. 4 und Abs. 3 PatG, nach denen trotz Rücknahme eines Einspruchs oder einer Beschwerde oder Verzichts auf das Patent die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden kann.
Nach § 80 Abs. 3 PatG kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierfür müssen Umstände vorliegen, die es unbillig erscheinen lassen, die Beschwerdegebühr einzubehalten, weil der Beschwerdeführer durch eine sachliche Fehlbeurteilung oder einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß des Patentamts genötigt worden ist, Beschwerde einzulegen und die Beschwerdegebühr zu entrichten (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., 80, Rn. 112, 113, § 73, Rn. 135 ff. m. w. N.; Busse, PatG, 7. Aufl., § 80. Rn. 90). Entgegen der Auffassung der Einsprechenden liegt ein Verfahrensfehler des Patentamts nicht vor. Die Patentabteilung hat bei ihrer Entscheidung sämtliche von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen, insbesondere sämtliche von der Einsprechenden eingereichten Druckschriften, berücksichtigt. Da das von der Einsprechenden zur Inaugenscheinnahme angebotene Produktmuster nach ihrem eigenen Vortrag keine weiteren über die vorgelegten Druckschriften hinausgehende Informationen zum Stand der Technik vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents bieten sollte und das Muster selbst auch erst nach dem Prioritätstag des Streipatents hergestellt worden ist, ist ein Vorbringen der Einsprechenden nicht übergangen und daher rechtliches Gehör nicht verletzt worden. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, obwohl die Einsprechende Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat. Bei der Entscheidung allein über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 128 Abs. 3 ZPO im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, insoweit gehen diese Regelungen als Sonderbestimmungen § 78 PatG vor (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 78, Rn. 17 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der Ausspruch zur Erledigung des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens erfolgt, wie ausgeführt wurde, lediglich aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.
Zehendner Rippel Grote-Bittner Brunn Me