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VIa ZR 601/23

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIa ZR 601/23 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:180325UVIAZR601.23.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2025 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterinnen Möhring, Dr. Vogt-Beheim, die Richter Messing und Dr. F. Schmidt für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. März 2023 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für die Revision wird auf bis 16.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

Er erwarb im November 2020 einen gebrauchten Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4Matic, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug unterlag einem Rückruf wegen der vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als unzulässig eingestuften Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR). Außerdem erfolgt die Abgasrückführung temperaturgesteuert.

Der Kläger hat von der Beklagten mit seinen Hauptanträgen die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangt. Für den Fall der Unzulässigkeit des Feststellungsantrags hat er insoweit hilfsweise Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie die Feststellung des Annahmeverzugs und der Pflicht zum Ersatz weiterer Schäden begehrt. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB. Hinsichtlich beider Abschalteinrichtungen fehle es jedenfalls an Anhaltspunkten für eine Sittenwidrigkeit, insbesondere sei nicht hinreichend dargelegt, dass sie prüfstandsbezogen arbeiteten. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV scheide aus, selbst wenn man annehmen wollte, die Vorschriften schützten auch die Einzelinteressen des individuellen Käufers gegenüber dem Fahrzeughersteller. Der Beklagten könne kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Insofern genüge es, dass die zuständige Aufsichtsbehörde die Rechtsfrage zugunsten der Beklagten beantwortet hätte. Dies sei hinsichtlich des Thermofensters der Fall, weil dem KBA die Funktionsweise seit Jahren bekannt sei, ohne dass es Anlass zur Beanstandung gesehen hätte. Für die Verwendung der KSR gelte im Ergebnis - trotz des angeordneten Rückrufs - nichts anderes. Die Auffassung der Beklagten, die KSR sei zulässig, müsse zum maßgeblichen Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs als (noch) rechtlich vertretbar angesehen werden. Dies insbesondere deshalb, weil die KSR nur bei einem geringen Teil der Fahrzeuge der Beklagten grenzwertkausal sei.

II.

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen der Verwendung des Thermofensters oder der KSR mit der Begründung abgelehnt hat, der Kläger habe einen zumindest fahrlässigen Verstoß der Beklagten gegen diese Vorschriften nicht substantiiert dargetan.

a) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

b) Zwar hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers nach § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV unterstellt. Seine weitere Annahme, deliktische Ansprüche scheiterten jedenfalls daran, dass es sich von einem mindestens fahrlässigen Verstoß der Beklagten gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht überzeugen könne, ist jedoch von Rechtsfehlern beeinflusst.

Das Verschulden des Fahrzeugherstellers wird innerhalb des § 823 Abs. 2 BGB im Fall des - vom Berufungsgericht unterstellten - objektiven Verstoßes gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV vermutet. Dementsprechend muss der Fahrzeughersteller, wenn er eine Übereinstimmungsbescheinigung trotz der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegeben und dadurch § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verletzt hat, im Fall der Inanspruchnahme nach § 823 Abs. 2 BGB Umstände darlegen und beweisen, die sein Verhalten zum maßgeblichen Zeitpunkt ausnahmsweise nicht als fahrlässig erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 59, 61 mwN; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, NJW 2023, 3796 Rn. 13). Beruft sich der Fahrzeughersteller auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum, muss er sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums darlegen und erforderlichenfalls beweisen (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 25. September 2023, aaO, Rn. 13 f.; Urteil vom 16. Oktober 2023 - VIa ZR 1511/22, juris Rn. 12; Urteil vom 16. April 2024 - VIa ZR 1080/22, juris Rn. 12).

Diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht nicht gerecht geworden. Es hat keine Feststellungen dazu getroffen, sämtliche Repräsentanten der Beklagten hätten sich im maßgeblichen Zeitpunkt in einem Rechtsirrtum befunden. Erst im Anschluss an die Darlegung und den Nachweis dieser Umstände kann Bedeutung gewinnen, ob eine festgestellte Abschalteinrichtung in all ihren für die Bewertung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten von der damit befassten nationalen Behörde genehmigt war oder genehmigt worden wäre.

III.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer Möhring Vogt-Beheim Messing F. Schmidt Vorinstanzen: LG Trier, Entscheidung vom 04.02.2022 - 5 O 235/21 OLG Koblenz, Entscheidung vom 30.03.2023 - 2 U 362/22 - Verkündet am: 18. März 2025 Wendt, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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Häufigkeit Paragraph
6 823 BGB
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2 27 BGB
2 31 BGB
2 826 BGB
2 563 ZPO
1 561 ZPO
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