VII ZR 157/24
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VII ZR 157/24 URTEIL in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein BGB § 631, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 Zur Haftung des Betreibers einer Waschstraße für die Beschädigung eines Fahrzeugs (hier verneint).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2025 - VII ZR 157/24 - LG Bonn AG Bonn ECLI:DE:BGH:2025:220525UVIIZR157.24.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in dem Schriftsätze bis zum 28. März 2025 eingereicht werden konnten, durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterinnen Graßnack und Dr. Hannamann für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 10. September 2024 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Revision trägt der Kläger. Streitwert: 1.502,86 €
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Der Kläger verlangt Schadensersatz für Schäden an seinem Personenkraftwagen nach Nutzung einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten Waschstraße. 2 Vor der Einfahrt in die Waschstraße befindet sich ein Hinweisschild "Einfahrbedingungen & Hausrecht", das auszugsweise wie folgt lautet:
"Es gelten die folgenden Benutzungshinweise:
Bedienungshinweise des Fahrzeugherstellers zur Waschstraßenbenutzung unbedingt beachten (…)
Tank- und Wartungsklappen müssen sicher verriegelt sein, Nummernschilder müssen vorschriftsmäßig und sicher befestigt sein (…)" Der Kläger nutzte die Waschstraße am 22. September 2022 mit seinem Fahrzeug der Marke BMW, Modell X 3. Das Fahrzeug ist - wie alle Fahrzeuge aus derselben Baureihe - mit einem Tankdeckel ohne Verriegelungsmöglichkeit bei der Nutzung einer üblichen vollautomatisierten Waschstraße ausgestattet. Nach dem Waschvorgang zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass der Tankdeckel des Fahrzeugs abgerissen und das Fahrzeug am Kotflügel beschädigt war.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Reparaturkosten in Höhe von 1.502,86 € netto als Schadensersatz sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen.
Das Amtsgericht hat Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch zu, auch nicht gemäß §§ 631, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung einer Schutzpflicht im Rahmen des Werkvertrags. Bei dem Vertrag über die Fahrzeugreinigung handele es sich um einen Werkvertrag. Grundsätzlich komme bei einem solchen Vertrag die Verletzung einer Schutzpflicht in Betracht, wenn der Betreiber einer Autowaschanlage gebotene Hinweise bezüglich der Benutzung nicht erteilt habe. Denn der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordere es, dass von dem Betreiber nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt werde. Vielmehr müsse er in geeigneter Weise über zu beachtende Verhaltensregeln informieren.
Diesen Anforderungen sei die Beklagte mit zwei Hinweisen im Rahmen ihrer Einfahrbedingungen nachgekommen. Sie habe in der Einfahrt darauf hingewiesen, dass die Benutzer die Bedienungshinweise des Fahrzeugherstellers zur Waschstraßenbenutzung unbedingt beachten sollten. Da das selbsttätige Öffnen des Deckels nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen eine konstruktionsbedingte Eigenheit des Fahrzeugs des Klägers sei, wäre ein Hinweis des Herstellers erforderlich gewesen. Dass ein solcher in der Bedienungsanleitung des Fahrzeugs fehle, sei nicht der Beklagten anzulasten.
Die Beklagte habe in der Einfahrt den weiteren Hinweis erteilt, dass Tankund Wartungsklappen sicher verriegelt sein müssten. Dieser Hinweis sei - sofern er befolgt werde - grundsätzlich ausreichend, um die Gefahr des Abreißens des Tankdeckels nach der Öffnung durch einen Druck auf den Deckel zu vermeiden. Weitergehende Hinweise zu einzelnen Fahrzeugtypen und gegebenenfalls Baureihen könnten von der Beklagten nicht erwartet werden.
Da es sich bei der nicht möglichen Verriegelung des Tankdeckels nicht um eine direkt wahrnehmbare konstruktionsbedingte Besonderheit gehandelt habe, könne der Beklagten insoweit lediglich ein Vorwurf gemacht werden, wenn sie positive Kenntnis davon gehabt hätte, dass das Fahrzeug des Klägers grundsätzlich nicht für die Waschstraße geeignet sei. Dann hätte sie diese Fahrzeuge bei der Einfahrt abweisen müssen. Diese positive Kenntnis der Beklagten habe der Kläger nicht nachgewiesen. Da diese konstruktionsbedingte Besonderheit auch nicht bei allen Fahrzeugen des Herstellers, sondern nur bei einer bestimmten Baureihe vorliege, könne diese Kenntnis auch nicht vermutet werden.
Eine Pflichtverletzung aufgrund einer Fehlfunktion der Waschanlage scheide aus, da nach dem Gutachten des Sachverständigen nicht von einer solchen auszugehen sei.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass es sich bei dem Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs um einen Werkvertrag handelt und sich aus einem solchen Vertrag als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Anlagenbetreibers ergibt, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren (BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 18, NJW 2025, 435; Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17 Rn. 12 m.w.N., NJW 2018, 2956). Die Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses sind zugleich Vertragspflichten; die auf den Werkvertrag bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers geht nicht weiter als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers (BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 18, NJW 2025, 435; Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17 Rn. 12 m.w.N., NJW 2018, 2956).
2. Für Fahrzeugschäden während des Waschvorgangs haftet der Betreiber einer Waschanlage im Grundsatz nur bei Vorliegen einer von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung (BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 22 m.w.N., NJW 2025, 435). Ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien - für die hier keine Anhaltspunkte bestehen - kann nicht davon ausgegangen werden, dass er dem Kunden verschuldensunabhängig garantieren will, dass sein Fahrzeug nicht beschädigt wird (BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 22 m.w.N., NJW 2025, 435).
3. Derjenige, der eine Gefahrenlage - wie durch den Betrieb einer Waschanlage - schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der Betreiber einer Waschanlage hat dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge seiner Kunden nicht beschädigt werden. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann (BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 20, NJW 2025, 435).
Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher genügt es, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Betreiber von Waschanlagen - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier die Kunden - vor Schäden zu bewahren, und die dem Verkehrssicherungspflichtigen den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 21, NJW 2025, 435; Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17 Rn. 17 f. m.w.N., NJW 2018, 2956).
Im Rahmen dieser Sorgfaltspflichten hat der Anlagenbetreiber über die mit der Nutzung der Anlage einhergehenden Gefahren in geeigneter, ihm zumutbarer, ausreichend deutlicher und verständlicher Weise zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17, Rn. 25, NJW 2018, 2956; Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03, MDR 2005, 335, juris Rn. 24).
4. Dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung einen Schaden verursacht hat, trägt grundsätzlich der Gläubiger, hier der Kläger beziehungsweise der Kunde der Waschanlage, die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 24, NJW 2025, 435; Urteil vom 22. Oktober 2008 - XII ZR 148/06 Rn. 15, NJW 2009, 142). Dies gilt auch bei der Verletzung einer Schutzpflicht, so dass es - ohne Vorliegen besonderer Umstände - nicht genügt, wenn der Gläubiger lediglich nachweist, dass ihm im Zusammenhang mit der Durchführung eines Vertrags ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 24, NJW 2025, 435; Urteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04, BGHZ 163, 53, juris Rn. 8).
Nur wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Schuldners, hier des Anlagenbetreibers, liegen, muss abweichend von den vorstehenden Grundsätzen der Schuldner darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft (BGH, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 39/24 Rn. 25, NJW 2025, 435; Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17 Rn. 14 m.w.N., NJW 2018, 2956).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Vorinstanzen sind übereinstimmend und von der Revision unangegriffen davon ausgegangen, dass der mit der Klage geltend gemachte Schaden auf einem selbsttätigen Öffnen des Tankdeckels durch Druck auf den Deckel während des Waschvorgangs beruht und diese Öffnung des Tankdeckels ihre Ursache darin hat, dass das Fahrzeug des Klägers aufgrund seiner baureihenspezifischen technischen Ausstattung über keine Verriegelungsmöglichkeit bei der Nutzung einer vollautomatisierten Waschstraße verfügt. Dieses spezifische technische Ausstattungsmerkmal fällt nicht in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers.
5. Der hiernach ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast für eine Pflichtverletzung der Beklagten ist der Kläger, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht hinreichend nachgekommen.
a) Auszuschließen ist eine Pflichtverletzung wegen einer Fehlfunktion der Anlage. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts funktionierte die Anlage "regelkonform".
b) Auch die Verletzung einer Hinweispflicht scheidet aus, weil die Beklagte mit dem Hinweis "Tank- und Wartungsklappen müssen sicher verriegelt sein" über die mit der Nutzung der Anlage einhergehende Gefahr der Öffnung des Tankdeckels in der Anlage in geeigneter, zumutbarer sowie ausreichend deutlicher und verständlicher Weise informiert hat. Sowohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als auch nach dem Verständnis des durchschnittlichen Waschstraßenkunden in der Situation vor der Einfahrt in die Waschstraße bedeutet "sicher verriegelt" jedenfalls mehr als lediglich "geschlossen". Ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass das Fahrzeug andernfalls beschädigt werden kann, ist nicht erforderlich, weil dies im gegebenen Zusammenhang selbstverständlich ist.
Für den Umstand, dass das Fahrzeug des Klägers - wie nach den außer Streit stehenden Feststellungen des Berufungsgerichts alle Fahrzeuge aus dieser Baureihe - über keine Verriegelungsmöglichkeit des Tankdeckels bei der Nutzung einer vollautomatisierten Waschstraße verfügt, trifft den Anlagenbetreiber grundsätzlich keine Hinweispflicht. Es ist vielmehr Sache des Kunden, entweder den Hinweis vor Einfahrt in die Waschstraße umzusetzen und sicherzustellen, dass dies bei seinem Fahrzeug möglich ist, oder andernfalls von der Nutzung der Anlage Abstand zu nehmen.
Ob Abweichendes dann gilt, wenn der Anlagenbetreiber - zum Zeitpunkt der Waschstraßennutzung durch den Kunden - die fehlende Verriegelungsmöglichkeit des Tankdeckels an Fahrzeugen wie demjenigen des Klägers positiv kennt, kann dahinstehen, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Kläger eine positive Kenntnis der Beklagten zum maßgeblichen Schadenszeitpunkt nicht nachgewiesen hat. Die hiergegen erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.
c) Sonstige Umstände, die eine Pflichtverletzung begründen könnten, hat der Kläger nicht dargelegt.
III. 29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Pamp Graßnack Halfmeier Hannamann Jurgeleit Vorinstanzen: AG Bonn, Entscheidung vom 20.02.2024 - 112 C 123/22 LG Bonn, Entscheidung vom 10.09.2024 - 5 S 13/24 - Verkündet am: 22. Mai 2025 Kilian, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle