XI ZB 26/21
BUNDESGERICHTSHOF XI ZB 26/21 BESCHLUSS vom 21. Juni 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:210622BXIZB26.21.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Dr. Grüneberg, die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt, den Richter Dr. Schild von Spannenberg und die Richterin Ettl am 21. Juni 2022 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. September 2021 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: bis 30.000 €
Gründe: I.
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank die Rückabwicklung eines mit ihr geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrags. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16. März 2021 begründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genüge. In der Berufungsbegründung werde nicht dargestellt, aus welchen Gründen das landgerichtliche Urteil angefochten werde. Vielmehr erschöpfe sie sich gegenüber den tragenden Erwägungen des Landgerichts zur Verfristung eines klägerischen Widerrufsrechts in der vollständig wörtlichen und inhaltlich unveränderten Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags. Dementsprechend setze sie sich mit der Begründung des angefochtenen Urteils mit keinem Wort auseinander und gehe auf die vom Landgericht gegebene Begründung, warum im Einzelnen die streitgegenständlichen Vertragsunterlagen der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen genügten und das Widerrufsrecht der Klägerin verfristet sei, nicht ein. Es werde zwar die Begründung des Landgerichts berichtet, aber nicht dargelegt, in welchen Punkten und aus welchen Gründen die Klägerin das landgerichtliche Urteil für unrichtig halte.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Erforderlich und ausreichend ist die Mitteilung der Umstände, die aus der Sicht des Berufungsklägers den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden; die Vorschrift stellt keine besonderen formalen Anforderungen hierfür auf (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 228/02, WM 2003, 1581, 1582 mwN, insoweit in BGHZ 155, 199 nicht abgedruckt). Für die Zulässigkeit der Berufung ist auch ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - VI ZB 7/20, WM 2020, 1945 Rn. 7 mwN). Zur Bezeichnung des Umstands, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, genügt regelmäßig die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem des angefochtenen Urteils führt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 228/02, aaO mwN). Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen. Dabei ist aber stets zu beachten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weitergehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2018 - I ZB 57/17, NJW 2018, 2894 Rn. 10, vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 und vom 8. Juni 2021 - VI ZB 22/20, WM 2021, 1354 Rn. 6 mwN).
2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin gerecht. Sie lässt hinreichend erkennen, welche Gründe die Klägerin den Erwägungen des Landgerichts entgegensetzt.
Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass die Berufungsbegründung im Wesentlichen wortgleich mit der Klageschrift und dem Schriftsatz vom 16. Oktober 2020 ist. Ihr lässt sich aber gleichwohl in ausreichender Weise entnehmen, welche bestimmten Erwägungen in dem angefochtenen Urteil die Klägerin beanstandet und welche rechtlichen Gründe sie ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall der Sachverhalt zwischen den Parteien in tatsächlicher Hinsicht unstreitig ist und ausschließlich Rechtsfragen zur Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation und der sonstigen Pflichtangaben in Streit stehen. Aufgrund dessen hat auch das Landgericht seine Entscheidung ausschließlich auf rechtliche Erwägungen gestützt. In der Berufungsbegründung wird von der Klägerin beanstandet, dass das landgerichtliche Urteil in zahlreichen Punkten auf einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung beruhe, wobei sie im Einzelnen - etwa im Hinblick auf die Angaben des Tageszinses, der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, der Auszahlungsbedingungen und der Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen sowie zum Kaskadenverweis - und unter zutreffender Wiedergabe der einschlägigen Passagen in der streitgegenständlichen Darlehensvertragsurkunde darlegt, warum nach ihrer Ansicht einzelne Pflichtangaben von der Beklagten nicht oder fehlerhaft erteilt worden seien und deshalb das von ihr ausgeübte Widerrufsrecht nicht verfristet sei. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, welche Gründe die Klägerin insoweit den Erwägungen des Landgerichts entgegensetzt.
III. 7 Das Berufungsgericht hat die Berufung daher rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen. Die Sache ist zur Entscheidung über die Begründetheit des Rechtsmittels an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Grüneberg Menges Schild von Spannenberg Derstadt Ettl Vorinstanzen: LG Stuttgart, Entscheidung vom 14.01.2021 - 12 O 380/20 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 14.09.2021 - 6 U 55/21 -