3 ZA 1/24
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS ZA 1/24 vom
3. April 2025 in dem Verfahren über die Anordnung von Unterbringungsgewahrsam gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 3 HSOG betreffend
- Betroffene und Antragstellerin - hier: Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beteiligte Behörde: Polizeipräsidium Südhessen ECLI:DE:BGH:2025:030425B3ZA1.24.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. April 2025 beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts Darmstadt vom 26. Januar und 18. April 2024 wird abgelehnt.
Gründe: I.
Die Antragstellerin und Betroffene begehrt Verfahrenskostenhilfe für eine von ihr beabsichtigte Rechtsbeschwerde. Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Am 31. Januar 2022 trafen Polizeibeamte die Betroffene um 16 Uhr in der D. er Innenstadt an und erteilten ihr einen Platzverweis. Um diesen durchzusetzen, nahmen sie die Betroffene in Gewahrsam. Mit Beschluss desselben Tages (501 XIV 34/22 L) hat das Amtsgericht Darmstadt festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme gemäß §§ 31, 32 Abs. 1 Nr. 3 des Hessischen Polizeigesetzes (HSOG) rechtmäßig gewesen sei. Den Antrag der Polizeibehörde, die Fortdauer der Freiheitsentziehung bis um 22 Uhr anzuordnen, hat es zurückgewiesen und die Betroffene um 18.30 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen.
Gegen diese Entscheidung hat die Betroffene Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung feststellen zu lassen. Mit Beschluss vom 26. Januar 2024 hat das Landgericht Darmstadt die Beschwerde zurückgewiesen (5 T 719/23). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen einer Freiheitsentziehung nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HSOG hätten vorgelegen. Es hat der Betroffenen eine Rechtsmittelbelehrung dahin erteilt, gegen den Beschluss sei gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG binnen eines Monats das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zulässig.
Der Beschluss ist der Betroffenen am 6. Februar 2024 zugestellt worden. Am 12. Februar 2024 hat sie beim Landgericht eine Gehörsrüge erhoben. Diese hat die Zivilkammer am 18. April 2024 als unzulässig verworfen. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung unter Verweis auf § 321a Abs. 1 ZPO näher dargelegt, dass und warum weder der Rechtsweg erschöpft noch Sachvortrag der Betroffenen unberücksichtigt geblieben sei.
Mit Schreiben vom 15. August 2024 hat die Betroffene beim Bundesgerichtshof beantragt, ihr für das beabsichtigte Rechtsbeschwerdeverfahren „gegen den Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 18. April 2024“ Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Inhaltlich hat sie unter anderem dargelegt, das Landgericht habe einen irreführenden Hinweis erteilt und dadurch ihr rechtliches Gehör verletzt. Sie begehre vorsorglich „Wiedereinsetzung“, um die Möglichkeit zu erhalten, das Beschwerdeverfahren beim Landgericht fortzuführen und ihre Beschwerde dort näher zu begründen. Im Übrigen hat die Betroffene zur Sache ausgeführt.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gemäß §§ 76 ff. FamFG ist zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Betroffene bisher nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist. Zwar besteht nach § 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG vor dem Bundesgerichtshof grundsätzlich die Pflicht zur Vertretung durch einen solchen. Die genannte Vorschrift nimmt hiervon indes das Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe nach §§ 76 ff. FamFG ausdrücklich aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Mai 2021 – 3 ZB 1/21, juris Rn. 4; vom 21. April 2021 – 3 ZB 4/20, juris Rn. 2).
2. Der Antrag dringt jedoch in der Sache nicht durch. § 76 Abs. 1 FamFG verweist für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf die Normen der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe. Danach kann Verfahrenskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine positive Erfolgsprognose ist zu stellen, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für die begehrte Rechtsfolge spricht. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Das gilt sowohl für den Fall, dass die Betroffene tatsächlich gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 18. April 2024 vorgehen möchte, als auch für ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Zivilkammer vom 26. Januar 2024.
a) Sollte die Betroffene – wie es dem Wortlaut ihres Antrags entspricht – beabsichtigen, sich gegen die Zurückweisung ihrer Gehörsrüge zu wenden, wäre eine Rechtsbeschwerde unstatthaft. § 44 Abs. 4 Satz 3 FamFG bestimmt, dass entsprechende Entscheidungen unanfechtbar sind. Über § 69 Abs. 3 FamFG findet diese Vorschrift auch im Beschwerdeverfahren Anwendung. Im Übrigen bestünde in der Sache kein Anlass für eine „Wiedereinsetzung“.
b) Sollte der Antrag der Betroffenen dagegen dahin zu verstehen sein, dass sie eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 26. Januar 2024 erheben will, wäre ein solches Rechtsmittel ebenfalls unzulässig. Denn in diesem Fall ginge es ihr letztlich darum, die Rechtswidrigkeit des amtsgerichtlichen Beschlusses feststellen zu lassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. August 2021 – 3 ZB 2/21, juris Rn. 8; vom 21. April 2021 – 3 ZB 4/20, juris Rn. 5; vom 13. November 2023 – 3 ZB 2/22, juris Rn. 7; BeckOK FamFG/Obermann, 53. Ed., § 70 Rn. 40).
Das Amtsgericht hat aber seinerseits keine (weitere) Ingewahrsamnahme der Antragstellerin, sondern vielmehr deren umgehende Freilassung angeordnet. Aus diesem Grund steht hier nicht die Rechtmäßigkeit einer gerichtlich, sondern allein der behördlich angeordneten Freiheitsentziehung in Rede, konkret derjenigen zwischen 16 und 18.30 Uhr am 31. Januar 2022. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2, 3 FamFG nicht eröffnet. Denn nach § 70 Abs. 4 FamFG findet sie gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests nicht statt. Darunter fällt auch die behördlich angeordnete Freiheitsentziehung zum Zweck der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung über den Gewahrsam nach den Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts (zu Einzelheiten s. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2020 – StB 23/18, juris Rn. 11 ff. mwN; s. auch BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 – 3 ZB 4/21, juris Rn. 7; Drews in Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl., § 428 Rn. 11; Sternal/Göbel, FamFG, 21. Aufl., § 428 Rn. 12; MüKoFamFG/Wendtland, 3. Aufl., § 428 Rn. 10).
So liegt es hier. Bei verständiger Auslegung ficht die Betroffene den Beschluss nur insoweit an, als er den polizeilichen Gewahrsam betrifft, zumal die Entscheidung des Amtsgerichts sie im Übrigen nicht beschwert.
c) Es kommt danach nicht mehr darauf an, dass die Betroffene den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe außerdem nicht innerhalb der Einlegungsfrist des § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG gestellt hat, was für eine Wiedereinsetzung und damit für die Erfolgsaussicht einer entsprechenden Rechtsbeschwerde aber nötig gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2021 – 3 ZB 4/20, juris Rn. 6 mwN). Die Betroffene hat auch keine Gründe für die Fristversäumnis vorgetragen.
3. Nachdem die Antragstellerin dem Bundesgerichtshof seit September 2024 vielfach mitgeteilt hat, sie werde kurzfristig zusätzliche Unterlagen zusammenstellen und einen weiteren „Begründungsschriftsatz“ einreichen, ist ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung nicht mehr angezeigt.
Schäfer Berg Erbguth Kreicker Munk Vorinstanzen: AG Darmstadt, Entscheidung vom 31.01.2022 - 501 XIV 34/22 L LG Darmstadt, Entscheidung vom 26.01. und 18.04.2024 - 5 T 719/23 -