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X ZR 47/23

BUNDESGERICHTSHOF X ZR 47/23 Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL in dem Rechtsstreit ja nein ja ja Verkündet am: 26. November 2024 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ZPO § 545 Abs. 2; AEUV Art. 267 Abs. 3 Das Revisionsgericht hat die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts zu überprüfen, wenn diese von der Auslegung einer klärungsbedürftigen Frage des Unionsrechts abhängt und das Berufungsgericht eine eigene Pflicht zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union deshalb verneint hat, weil es die Revision zugelassen hat (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426).

Brüssel Ia-VO Art. 18 Abs. 1 Fall 2 Die internationale und örtliche Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 Fall 2 Brüssel Ia ist gegeben, wenn ein Verbraucher einen Reiseveranstalter nach Abschluss eines Pauschalreisevertrags vor dem Gericht des Mitgliedstaats verklagt, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat, und die Vertragspartner beide in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind, das Reiseziel aber im Ausland liegt (Anschluss an EuGH, Urteil vom 29. Juli 2024 - C-774/22, NJW 2024, 2823 Rn. 29 ff. - FTI).

BGH, Urteil vom 26. November 2024 - X ZR 47/23 - OLG Koblenz LG Mainz ECLI:DE:BGH:2024:261124UXZR47.23.1 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis 24. Oktober 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Hoffmann und Dr. Deichfuß und die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 31. März 2023 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises in Anspruch.

Der Kläger buchte bei der Beklagten, die ein Reisebüro betreibt, eine Kreuzfahrt von Bremerhaven nach Island und zu den Färöer-Inseln vom 8. bis 24. September 2021 zum Preis von 17.998 Euro. Die Kreuzfahrt wurde am Abend des 21. September 2021 abgebrochen.

Der Kläger hat die im Bezirk des Landgerichts Hanau ansässige Beklagte vor dem für seinen Wohnsitz zuständigen Landgericht Mainz auf Zahlung von 5.961,64 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Der Senat hat das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-774/22 ausgesetzt. Der Gerichtshof hat in jener Sache durch Urteil vom 29. Juli 2024 entschieden. Die Parteien haben daraufhin einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht ist dem Landgericht darin beigetreten, dass die örtliche Zuständigkeit für die Klage nicht auf Art. 18 Abs. 1 Fall 2 der Verordnung Brüssel Ia gestützt werden könne, weil es an dem für die Anwendung der Verordnung erforderlichen Auslandsbezug fehle.

II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts unterliegt im Streitfall trotz der Regelung in § 545 Abs. 2 ZPO der revisionsrechtlichen Überprüfung.

a) Nach § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

Eine Überprüfung der erstinstanzlichen Zuständigkeit ist danach auch dann ausgeschlossen, wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung dieser Frage zugelassen hat (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. März 2011 - VIII ZR 341/09, NJW-RR 2011, 72 Rn. 2).

b) Der Bundesgerichtshof hat zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in § 549 Abs. 2 ZPO a.F. entschieden, dass die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt, wenn daneben die internationale Zuständigkeit in Streit ist und beide Zuständigkeiten von derselben Voraussetzung abhängen (BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397, juris Rn. 13 ff.).

Diese Konstellation ist, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, im Streitfall nicht gegeben.

Im Streitfall hängt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht davon ab, ob Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia anwendbar ist. Wenn diese Frage mangels des erforderlichen Auslandsbezuges zu verneinen wäre, ergäbe sich die internationale Zuständigkeit schon daraus, dass beide Parteien in Deutschland ansässig sind.

c) Die Frage, ob das Landgericht gemäß Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia örtlich zuständig ist, unterliegt im Streitfall aber deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung, weil sie bei Einlegung des Rechtsmittels einer Entscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union bedurfte.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ungeachtet des § 545 Abs. 2 ZPO der revisionsrechtlichen Überprüfung.

Dieses Gesetzesverständnis trägt dem Umstand Rechnung, dass der internationalen Zuständigkeit deutlich größeres Gewicht zukommt als der örtlichen, sachlichen, funktionellen oder sonstigen innerstaatlichen Zuständigkeit. Es gewährleistet zudem die Wahrung der Pflichten zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (BGH, Urteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426, juris Rn. 13 f.).

bb) Im Streitfall ist eine revisionsrechtliche Überprüfung unter dem zuletzt genannten Aspekt geboten.

Anders als unter der Geltung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ; dazu BGH, Urteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426, juris Rn. 14) können Fragen zur Auslegung der Verordnung Brüssel Ia dem Gerichtshof der Europäischen Union zwar schon durch das erst- oder zweitinstanzliche Gericht vorgelegt werden. Die in Art. 267 Abs. 3 AEUV normierte Regelung, dass das in letzter Instanz entscheidende Gericht zur Vorlage verpflichtet ist, liefe aber leer, wenn der Bundesgerichtshof eine gebotene Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union nicht herbeiführen könnte, nachdem das Berufungsgericht eine eigene Pflicht zur Einholung einer Vorabentscheidung deshalb verneint hat, weil es die Revision zugelassen hat. In der genannten Konstellation ist eine revisionsrechtliche Überprüfung der klärungsbedürftigen Zuständigkeitsfrage deshalb zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts geboten.

Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Frage, ob Art. 18 Abs. 1 Fall 2 Brüssel Ia in der Konstellation des Streitfalls anwendbar ist, zu Recht als klärungsbedürftig angesehen. Eine eigene Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union hat es im Hinblick auf die Zulassung der Revision verneint. Folglich ist eine revisionsrechtliche Überprüfung der Frage geboten, um die erforderliche Klärung herbeizuführen.

2. Das Landgericht Mainz ist für die Klage gemäß Art. 18 Abs. 1 Fall 2 Brüssel Ia örtlich zuständig.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die internationale und örtliche Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 Fall 2 Brüssel Ia gegeben ist, wenn ein Verbraucher einen Reiseveranstalter nach Abschluss eines Pauschalreisevertrags vor dem Gericht des Mitgliedstaats verklagt, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat, und die Vertragspartner beide in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind, das Reiseziel aber im Ausland liegt (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2024 - C-774/22, NJW 2024, 2823 Rn. 29 ff. - FTI).

Im Streitfall ist die Zuständigkeit danach gegeben, weil der Kläger im Bezirk des Landgerichts Mainz seinen Wohnsitz hat und das Ziel der gebuchten Pauschalreise im Ausland liegt.

III. Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Das Berufungsgericht wird gemäß § 538 Abs. 1 ZPO über die Begründetheit der Klage zu entscheiden haben. Ein Antrag auf Zurückverweisung an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ist ausweislich des angefochtenen Urteils nicht gestellt.

Bacher Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm Marx Vorinstanzen: LG Mainz, Entscheidung vom 12.04.2022 - 9 O 393/21 OLG Koblenz, Entscheidung vom 31.03.2023 - 8 U 804/22 -

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3 545 ZPO
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