10 W (pat) 45/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 45/14 BESCHLUSS Verkündet am 16. Juni 2015 Findler Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2006 041 251 …
hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Großmann und Dipl.-Ing. Richter BPatG 154 05.11 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 26 des Deutschen Patent-und Markenamtes vom 22. November 2010 (mit Gründen versehene Fassung vom 2. Dezember 2010) aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag, - übrige Unterlagen wie Patentschrift.
Gründe I.
Gegen das am 2. September 2006 angemeldete Patent 10 2006 041 251, dessen Erteilung am 17. Dezember 2009 veröffentlicht worden ist, ist am 20. Februar 2010 Einspruch erhoben worden.
Die Einsprechende hat den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach § 21 (1) S. 1 PatG geltend gemacht und ihr Vorbringen auf die Druckschriften D1: Sick AG: Betriebsanleitung - Muting mit Schaltgerät UE 403, Druckvermerk 8 010 853/02-05-05 D1a: Auftragsbestätigung und Lieferschein zu Auftragsnr. 920985, UE 403 D1b: Stückliste Zubehör UE 403 D2: Sick AG: Betriebsanleitung – Sicherheits-Laserscanner S3000,
Druckvermerk 8009937/PA46/25-08-05 D2a: Rechnung zu Auftragsnr. 1023287 S3000 D2b: Stückliste Zubehör S30A - S3000M D3: EP 1 408 318 A1 D4: DE 10 2005 049 483 A1 (nachveröffentlicht) D5: DE 198 05 606 A1 D6: EP 1 300 657 A2 D7: DE 103 16 885 A1 gestützt; die Dokumente D1a, D1b bzw. D2a und D2b sollen dabei die offenkundige Vorbenutzung der Gegenstände nach der D1 bzw. D2 belegen.
Mit Erklärung vom 21. Juli 2010 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen und ist damit nicht mehr am Verfahren beteiligt (s. Schulte/Moufang, Patentgesetz, 9. Auflage, § 59 PatG, Rdn. 140).
Die Patentabteilung hat das Einspruchsverfahren entsprechend § 61 (1) S. 2 PatG fortgesetzt und am 22. November 2010 das Patent widerrufen, da der Patentgegenstand gemäß der erteilten Fassung nicht neu gegenüber dem Gegenstand der Druckschrift D1 sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19. Januar 2011 eingegangene Beschwerde der Patentinhaberin. Sie reicht in der Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 4 gemäß einem neuen Hauptantrag ein und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Patent in diesem Umfang beschränkt aufrechtzuerhalten.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
„Vorrichtung (1) mit wenigstens einem Sensor (3) zur Erfassung von Objekten innerhalb eines einer Maschine (2) oder Anlage zugeordneten Überwachungsbereichs (4), dadurch gekennzeichnet, dass mit der Maschine (2) oder Anlage wenigstens ein Konfigurationsmodul (9) mit einer Speichereinheit fest verbunden ist, in welcher Konfigurationsdaten für den wenigstens einen Sensor (3) abgespeichert sind, welche für die jeweils zugeordnete Maschine (2) oder Anlage spezifische Informationen enthalten, wobei bei Anschluss des Sensors (3) an das wenigstens eine Konfigurationsmodul (9) die Konfigurationsdaten von diesem in den wenigstens einen Sensor (3) einlesbar sind, so dass bei Austausch eines alten Sensors (3) gegen einen neuen Sensor (3) die Konfigurationsdaten des alten Sensors vom neuen, an das Konfigurationsmodul (9) angeschlossenen Sensor (3) durch Auslesen der Konfigurationsdaten aus dem Konfigurationsmodul (9) übernommen werden, wobei eine feste mechanische Zuordnung des Konfigurationsmoduls zur Maschine oder Anlage dadurch realisiert ist, dass das Konfigurationsmodul (9) in einem Kabel (6) integriert ist und das Kabel (6) direkt an die Maschine (2) angeschlossen ist.“
Hieran schließen sich die Ansprüche 2 bis 4 an, die folgenden Wortlaut haben:
„2. Vorrichtung (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass während des Betriebs eines an das Konfigurationsmodul (9) angeschlossenen Sensors (3) von diesem Konfigurationsdaten in diesen einlesbar sind.
3. Vorrichtung (1) nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Konfigurationsdaten von sensorspezifischen Parameterwerten gebildet sind.
4. Vorrichtung (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor (3) als optischer Sensor ausgebildet ist.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 73 PatG zulässig. Die Beschwerde ist auch erfolgreich, da sie zur antragsgemäßen, beschränkten Aufrechterhaltung des Patents führt.
1. Die geltenden Ansprüche gemäß Hauptantrag sind zulässig.
Der Anspruch 1 ist dadurch gebildet worden, dass in den erteilten Anspruch 1, der auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 7 basiert, die Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 9 und 2 sowie das im Beschreibungsabsatz 12 der Offenlegungsschrift offenbarte Merkmal, dass „eine feste mechanische Zuordnung des Konfigurationsmoduls zur Maschine oder Anlage dadurch realisiert ist, dass das Konfigurationsmodul in einem Kabel integriert ist“, aufgenommen worden sind. Die letztgenannte Merkmalsgruppe ist dabei noch in der Weise klargestellt worden, dass „das Kabel direkt an die Maschine angeschlossen ist“, was sich aus den ersten beiden Sätzen des Beschreibungsabsatzes 15 der Offenlegungsschrift ergibt oder auch aus dem ursprünglichen Anspruch 4 abgeleitet werden kann (s. a. Abs. 17 bzw. Anspruch 4 der PS).
Die abhängigen Unteransprüche 2 bis 4 entsprechen inhaltlich den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 6, 8 und 10.
Somit sind die geltenden Ansprüche 1 bis 4 ursprünglich offenbart und nicht unzulässig erweitert.
2. Die zweifellos gewerblich anwendbare Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 ist patentfähig (§§ 1, 3, 4 PatG).
Als Fachmann wird im vorliegenden Fall ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit mehreren Jahren Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von elektronischen Überwachungsvorrichtungen angesehen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist bereits deshalb neu, da aus dem Stand der Technik keine gattungsgemäße Vorrichtung bekannt ist, bei der eine feste mechanische Zuordnung eines Konfigurationsmoduls an eine Maschine in der Weise erfolgt, dass das Konfigurationsmodul in ein Kabel, das direkt an die Maschine angeschlossen ist, integriert ist.
Eine derartige Zuordnung des Konfigurationsmoduls an die Maschine ist auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
So offenbart die nächstkommende Druckschrift D2 einen Sicherheits-Laserscanner, bei dem der Konfigurationsspeicher in einem Systemstecker integriert ist (siehe Seite 14, Kapitel 3.1, drittletzter Aufzählungspunkt). Dieser Systemstecker ist über ein Kabel fest mit der Maschine verbunden und stellt die Verbindung zwischen dem Sensor und der Anlage her (siehe S. 17, Abb. 5 i. V. m. Kap. 3.2.4, letzter Gliederungspunkt, sowie Seite 68, Kapitel 5.2, insb. vorletzter Absatz).
In der D1 wird ein Zusatzgerät UE403 für eine Mehrstrahl-Sicherheitslichtschranke M 4000 beschrieben, das einen Konfigurationsspeicher für die Konfigurationsdaten des M 4000-Empfängers beinhaltet (vgl. S. 48, Kap. 9.2) und auch direkt an der Anlage montiert werden kann (vgl. S. 39, Kapitel 6.2, 1. Satz).
Eine Veranlassung oder Anregung dahingehend, bei den vorgenannten gattungsgemäßen Vorrichtungen das Konfigurationsmodul vom Stecker oder aus dem Schaltgerät heraus in das Kabel zu verlegen, ergibt sich weder aus den vorgenannten Druckschriften noch dem übrigen genannten Stand der Technik.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der D6, bei der die Speichereinheit eines Sensors einer Meßvorrichtung unter anderem auch im Anschlusskabel integriert sein kann (siehe Figur 1 und Anspruch 3). Diese Anordnung ist bei der D6 jedoch dadurch veranlasst, dass der Sensor auch bei rauhen Umgebungsbedingungen eingesetzt werden kann, welche der empfindlichen Speichereinheit des Sensors schaden würden (vgl. Zusammenfassung). Aufgrund dieser von den patentgemäßen abweichenden Problemstellung kann die D6 dem Fachmann ebenfalls keine Veranlassung dahingehend liefern, bei den Vorrichtungen nach der D1 oder D2 das Konfigurationsmodul mit seinen anlagenspezifischen Parametern in das Kabel zu verlegen.
Da entsprechend den o. g. Ausführungen die geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen gemäß D1 bzw. D2 die Patentfähigkeit nicht in Frage stellen, erübrigt sich auch ein näheres Eingehen auf den von der Patentinhaberin angezweifelten ausreichenden Nachweis einer offenkundigen Vorbenutzung.
Der geltende Anspruch 1 ist daher gewährbar.
3. Mit dem gewährbaren Patentanspruch 1 haben auch die hierauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 Bestand.
III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4 ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Lischke Eisenrauch Dr. Großmann Richter Ko