AK 56/25
BUNDESGERICHTSHOF AK 56/25 BESCHLUSS vom 7. August 2025 in dem Strafverfahren gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:070825BAK56.25.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidiger am 7. August 2025 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Dresden übertragen.
Gründe: I.
Der bis dahin flüchtige Angeschuldigte ist am 20. Januar 2025 aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2024 (1 BGs 22/24) festgenommen worden und befindet sich seitdem auf der Grundlage dieses Haftbefehls ununterbrochen in Untersuchungshaft. Hinsichtlich eines weiteren, andere mutmaßliche prozessuale Taten des Angeschuldigten betreffenden und in einem ursprünglich gesondert geführten Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts ergangenen Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2024 (1 BGs 121/24) ist Überhaft notiert.
Gegenstand des aktuell vollzogenen Haftbefehls vom 26. Januar 2024 ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich in der Zeit von Anfang 2018 bis jedenfalls am 14. Dezember 2019 – dabei bis zum 11. März 2018 als Heranwachsender – in L.
und anderenorts in Deutschland in mehreren Fällen als Mitglied an einer inländischen Vereinigung beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet gewesen sei, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind, und dabei in einem Fall durch dieselbe Handlung mittels gefährlicher Werkzeuge und gemeinschaftlich mit anderen Beteiligten vier andere Personen an der Gesundheit geschädigt sowie gemeinschaftlich mit anderen rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt, in einem anderen Fall durch dieselbe Handlung zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde gebraucht sowie in der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken, versucht, die Sicherheit des Straßenverkehrs durch Bereitung eines Hindernisses zu beeinträchtigen.
Der Haftbefehl vom 26. Januar 2024 nimmt insofern eine mutmaßliche Strafbarkeit des Angeschuldigten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in mehreren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung, in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und versuchtem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, § 267 Abs. 1, § 303 Abs. 1, § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB an.
Der Generalbundesanwalt hat mit Anklageschrift vom 26. Mai 2025 unter anderem wegen der den Haftbefehlen vom 26. Januar 2024 und vom 5. April 2024 zugrundeliegenden Tatvorwürfe gegen den Angeschuldigten – und sechs Mitangeschuldigte – Anklage zum Oberlandesgericht Dresden erhoben.
Das Oberlandesgericht hat über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung und die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht befunden; die Erklärungsfrist des § 201 Abs. 1 StPO läuft noch bis zum 8. August 2025. Auch eine Entscheidung über die vom Generalbundesanwalt mit Anklageerhebung beantragte Ersetzung der beiden Haftbefehle durch einen neuen Haftbefehl im Umfang der Anklage ist noch nicht ergangen.
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Vorsitzende des mit der Sache befassten 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts (4 St 2/25) mit Verfügung vom 8. Juli 2025 die Akten dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die Haftfortdauer nach § 121 Abs. 2 und 4 Satz 2 StPO vorgelegt.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, gemäß §§ 121, 122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anzuordnen.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Angeschuldigte ist der ihm mit dem Haftbefehl vom 26. Januar 2024 zur Last gelegten Taten dringend verdächtig. Die weiteren Tatvorwürfe des Haftbefehls vom 5. April 2024 sowie der Anklageschrift sind nicht Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens und haben bei der Prüfung der Haftfortdauer außer Betracht zu bleiben. Denn Gegenstand eines Haftprüfungsverfahrens gemäß §§ 121, 122 StPO ist lediglich der in diesem vorgelegte und aktuell vollzogene Haftbefehl, nicht aber zugleich ein weiterer gegen den betreffenden Beschuldigten ergangener Haftbefehl, für den allein Überhaft notiert ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2023 – AK 35/23 u. StB 34/23, BGHSt 68, 1 Rn. 17; vom
18. November 2021 – AK 47/21, juris Rn. 8; vom 28. Juli 2016 – AK 41/16, juris Rn. 8; Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 122 Rn. 12, 13).
a) Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen, der vom Haftbefehl vom 26. Januar 2024 umfasst ist:
aa) Spätestens Anfang 2018 kamen mehr als drei Personen, darunter die mittlerweile rechtskräftig verurteilte L. E. (vgl. zu dieser BGH, Urteil vom 19. März 2025 – 3 StR 173/24, juris), ihr damaliger Lebensgefährte, der Mitangeschuldigte G.
, sowie der seinerzeit in L.
studierende Angeschuldigte zu einer militant-linksextremistischen Gruppierung mit Schwerpunkt in L.
zusammen. Die Vereinigung war darauf gerichtet, gewaltsam gegen einzelne Angehörige der rechtsextremen Szene vorzugehen und so mittels massiver körperlicher Gewalt rechtsextremistische Bestrebungen zu bekämpfen. Die Angehörigen des Personenzusammenschlusses und ihre Unterstützer gehörten dem linksextremen politischen Spektrum an und hielten die Anwendung von Gewalt zur Verfolgung ihrer politischen Ziele für legitim. Es kam den Vereinigungsmitgliedern darauf an, im Rahmen eines militanten Antifaschismus fortlaufend und konzertiert aus ihrer Gruppierung heraus als Angehörige der „rechten Szene“
eingestufte Personen zu verletzen, und zwar auch unter Verwendung von Schlagwerkzeugen, um dadurch die Angegriffenen und – durch eine von den Taten ausgehende abschreckende Wirkung – weitere rechtsradikale Personen von ihrem politischen Wirken abzuhalten sowie die Opfer für ihre missbilligte politische Gesinnung abzustrafen.
Die Gruppierung verfolgte zwei Agitationsstrategien: Zum einen ging es darum, zuvor nicht individuell ausgewählte Teilnehmer von Zusammenkünften der „rechten Szene“, namentlich neonazistischen Demonstrationen, bei ihrer Rückkehr von solchen Veranstaltungen zu attackieren und massiv zu verletzen; diese Aktionen wurden als „Ausfahrten“ bezeichnet. Zum anderen griffen Vereinigungsmitglieder und Unterstützer zuvor besonders ausgewählte einzelne Zielpersonen aus dem rechtsradikalen Spektrum individuell an.
Die in Verfolgung des Vereinigungszwecks verübten Gewaltakte wurden in der Regel sorgfältig geplant und vorbereitet. So wurden Zielpersonen und in Aussicht genommene Tatorte typischerweise vor den Taten intensiv ausgespäht. Der Angeschuldigte beteiligte sich im Tatzeitraum unter anderem an der Auswahl und Auskundschaftung von Tatopfern und Tatörtlichkeiten.
Bei den Angriffen, die stets mehrere maskierte Personen koordiniert durchführten, kam jedem Mitwirkenden eine zuvor festgelegte spezifische Rolle zu. Neben den unmittelbaren „Angreifern“, die mit Schlagwerkzeugen wie Teleskopschlagstöcken und Hämmern sowie mit Reizstoffsprühgeräten (Pfefferspray) ausgestattet waren, gab es eine „Überblicksperson“, deren Aufgabe es war, während der Tat die Umgebung im Auge zu behalten, Zeugen von einem Dazwischentreten abzuhalten und nach kurzer Zeit das Kommando zum Rückzug zu geben. Bei den Taten wurden wiederholt weitere Personen aus der linksextremen Szene, die keine Vereinigungsmitglieder waren, jedoch mit der Vereinigung sympathisierten, einzelfallbezogen zur Mitwirkung hinzugezogen, und zwar nicht nur als weitere „Angreifer“, sondern auch als sogenannte „Späher“ oder „Scouts“ für das Auskundschaften von Tatopfern und Tatorten.
Wesentlicher Teil der organisatorischen Vorkehrungen der Gruppierung waren sogenannte „Szenario-Trainings“. Bei diesen wurden Angriffe auf Zielpersonen, durch welche die Opfer zwar nachhaltig körperlich geschädigt, nicht aber gezielt getötet werden sollten, möglichst realitätsgetreu, insbesondere hinsichtlich des koordinierten Zusammenwirkens innerhalb der „Zugriffteams“, eingeübt und trainiert. Der Angeschuldigte, der über Kampfsporterfahrung verfügt und entsprechende körperliche Fähigkeiten besitzt, nahm seit Beginn des Jahres 2018 regelmäßig an diesen „Szenario-Trainings“ teil; dabei fungierte er auch als Anleiter.
Zudem organisierte der Angeschuldigte ein von der Vereinigung im September oder Oktober 2020 abgehaltenes mehrtägiges „Trainingsseminar“, bei dem die Teilnehmer die Vorgehensweise bei Überfällen auf Rechtsradikale erörterten und ihnen Kampftechniken vermittelt wurden. Zugleich diente das „Seminar“ der Rekrutierung weiterer Mitstreiter.
Die Mitglieder der Vereinigung trafen Vorsorge gegen eine Identifizierung einzelner Gruppenangehöriger und eine Aufdeckung der Gruppierung durch die Ermittlungsbehörden. So wurden einfache Mobiltelefone speziell für die Kommunikation im unmittelbaren Vorfeld einzelner Taten, etwa zwischen „Spähern“ und Personen des „Zugriffteams“, beschafft. Bei ihren Taten waren die Vereinigungsmitglieder und ihre Unterstützer stets maskiert. Sie trugen Handschuhe und trafen weitere Vorkehrungen, um keine Spuren, vor allem keine DNA-Spuren, an den Tatorten zu hinterlassen. Tatwerkzeuge wie Hämmer umhüllten sie zum Teil mit Plastiktüten, um eine Spurenanbringung an diese zu verhindern.
Nicht zuletzt richteten Vereinigungsmitglieder, darunter der Angeschuldigte, auf dem Dachboden eines Mehrparteienhauses in L.
ein
„Tatmitteldepot“ ein, in dem sie Utensilien für die Tatbegehungen verwahrten,
darunter Teleskopschlagstöcke und andere Schlagwerkzeuge. Dem Angeschuldigten oblag es federführend, sich um das „Tatmitteldepot“ zu kümmern.
bb) Mitglieder und Unterstützer der Vereinigung beteiligten sich in einem Zeitraum von etwa zwei Jahren an mehr als sechs Überfällen auf dem rechtsradikalen Spektrum zugeordnete Personen, wobei mindestens 17 Personen angegriffen und überwiegend ganz erheblich verletzt wurden. Eine weitere Attacke wurde im Vorbereitungsstadium abgebrochen, nachdem Vereinigungsmitglieder in Erfahrung gebracht hatten, dass die Polizei von dem Tatplan Kenntnis erlangt hatte.
Im Einzelnen schildert der Haftbefehl vom 26. Januar 2024 folgende Taten der Vereinigung, wobei dieser dem Angeschuldigten zum einen eine eigene Mitwirkung als Angreifer an einem am 14. Dezember 2019 durchgeführten Überfall als tateinheitlich zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung verübtes Körperverletzungs- und Sachbeschädigungsdelikt zur Last legt (nachfolgend II. 1. a) bb) (5)), zum anderen ihm eine im Zuge der Flucht von diesem Tatort begangene Tat der Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an der kriminellen Vereinigung vorwirft (nachfolgend II. 1. a) bb) (6)):
(1) Am 2. Oktober 2018 passten vier Mitglieder oder Unterstützer der Vereinigung einen zur „rechten Szene“ in L.
gehörenden Geschädigten, der für die NPD als Kommunalpolitiker aktiv gewesen war, beim Verlassen seines Wohnhauses in L.
ab und schlugen ihn nieder. Sie traten auf den zu Boden gebrachten Geschädigten ein; unter anderem versetzten sie ihm mindestens einen Fußtritt in das Gesicht. Zudem besprühte einer der Angreifer ihn mit Pfefferspray.
Das Tatopfer erlitt erhebliche Verletzungen, darunter eine Kniegelenkfraktur.
(2) Am 30. Oktober 2018 wurde ein regionaler Akteur der rechten Szene von vier oder fünf maskierten Mitgliedern oder Unterstützern der Vereinigung an seinem Wohnort in W.
überfallen und zu Boden gebracht. Die Täter schlugen – unter anderem mit einem Teleskopschlagstock – und traten mit Füßen auf ihn ein. Das Opfer erlitt potentiell lebensbedrohliche Verletzungen, darunter Kopfplatzwunden und zwei Lendenwirbelfrakturen.
(3) Am 8. Januar 2019 wurden Angehörige der Vereinigung darauf aufmerksam, dass ein Kanalarbeiter, der in L.
seiner Arbeit nachging, eine Mütze eines unter Rechtsradikalen verbreiteten Mode-Labels trug.
Spontan entschlossen sie sich, den Arbeiter anzugreifen und körperlich erheblich zu misshandeln, weil sie ihn – irrtümlich – wegen seiner Kopfbedeckung für einen „Nazi“ hielten und sein vermeintlich offenes Auftreten als solcher in dem von der linken Szene als „ihr Gebiet“ erachteten Stadtteil als inakzeptable Provokation empfanden. Der Geschädigte erhielt zunächst einen wuchtigen Fausthieb gegen das rechte Jochbein. Sodann wurde er durch weitere Schläge zu Boden gebracht. Dort wurde auf das Opfer, das zeitweilig bewusstlos war, weiter eingeschlagen und eingetreten, vorwiegend auf den Kopf und in den Rücken. Der Geschädigte wurde schwer verletzt; neben einer Vielzahl von Kopfplatzwunden erlitt er multiple Mittelgesichtsfrakturen.
(4) In den frühen Morgenstunden des 19. Oktober 2019 überfielen elf vermummte Personen in Verfolgung des Vereinigungszwecks ein als Treffpunkt des örtlichen rechtsradikalen Spektrums bekanntes Lokal in Ei.
, das von einer überregional als Führungsfigur der rechtsextremen Szene von Ei.
bekannten und daher von der Vereinigung als Zielperson ausgewählten Person betrieben wurde. Diese und die anwesenden Gäste des Lokals sollten nachhaltig verletzt werden. Ursprünglich hatte dieser Überfall bereits am 27. September 2019 stattfinden sollen; an diesem Tag wurde die Tat allerdings noch im Vorbereitungsstadium abgebrochen, weil zwei als „Späher“ eingesetzte Vereinigungsmitglieder in eine Polizeikontrolle geraten waren.
Kurz nach Mitternacht am 19. Oktober 2019 betraten sieben der Angreifer das Lokal, während die weiteren vier Personen aus der Gruppe draußen vor der Gaststätte zur Absicherung der Tat Stellung bezogen. Der Gastwirt und fünf weitere anwesende Personen wurden mit Teleskopschlagstöcken und Pfefferspray aus einem Reizstoffsprühgerät attackiert und verletzt. Es entwickelte sich eine tumultartige Auseinandersetzung, in deren Verlauf die Angreifer Gaststätteninventar zerstörten. Es entstand Sachschaden in Höhe von etwa 2.000 €.
(5) Da der Gastwirt – die primäre Zielperson – bei dem Angriff am 19. Oktober 2019 nur leicht verletzt worden war, erachtete die Gruppierung diesen Überfall als Fehlschlag. Deshalb passten Vereinigungsmitglieder, unter ihnen der Angeschuldigte, und Unterstützer ihn in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 2019 bei seiner Rückkehr aus der Gaststätte nach Hause auf der Straße vor seinem Wohnhaus in Ei.
ab und attackierten ihn dort unter Einsatz von Schlagwerkzeugen und Pfefferspray. Zudem wurden drei weitere Personen mit den Schlagwerkzeugen und dem Pfefferspray körperlich angegriffen und erheblich verletzt, die den Gastwirt mit einem Auto nach Hause gebracht hatten, den Überfall auf ihn bemerkten und ihm zu Hilfe kommen wollten. Im Zuge des Tatgeschehens beschädigten die Angreifer, darunter der Angeschuldigte, überdies mutwillig das Fahrzeug der Tatopfer, indem sie die Scheiben einschlugen und mit Schlagstöcken auf die Karosserie einwirkten.
(6) Sechs der Angreifer, darunter der Angeschuldigte, flüchteten nach der vorgenannten Tat in einem Pkw, an dem sie zur Tarnung nicht für dieses Fahrzeug ausgegebene, zuvor anderweitig entwendete Kennzeichenschilder angebracht hatten, über die Autobahn in Richtung He. . Sie wurden jedoch von einem Streifenwagen der zwischenzeitlich alarmierten Polizei verfolgt. Um die Fortsetzung der polizeilichen Verfolgung zu unterbinden und damit ihre Identifi- zierung als Täter des Überfalls auf den Gastwirt und seine Begleiter zu verhindern, warfen der Angeschuldigte und seine Mittäter bei hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn größere Plastiktüten aus ihrem Fahrzeug. Dadurch wollten sie die Windschutzscheibe des Polizeiwagens bedecken und so die Polizeibeamten aufgrund der Sichtbeeinträchtigung zwingen, die Verfolgungsfahrt abzubrechen. Das Vorgehen begründete die konkrete und hohe Gefahr, dass der Fahrer des Streifenwagens die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und dadurch Personen und bedeutende Sachwerte zu Schaden kamen. Der Polizeibeamte konnte jedoch reaktionsschnell ausweichen und so eine Sichtbehinderung vermeiden. Es gelang ihm dabei, trotz der hohen Fahrgeschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug zu behalten; nur durch einen glücklichen Zufall verunfallte der Streifenwagen nicht. Letztlich konnte die Polizei das Fahrzeug der Täter zwar stoppen, indes gelang dem Angeschuldigten, der einen Unfall des Polizeiwagens und eine Schädigung der Fahrzeuginsassen sowie erhebliche Sachschäden billigend in Kauf genommen hatte, eine weitere Flucht zu Fuß.
28
(7) Am 15. Februar 2020 fand in D.
anlässlich des 75. Jahrestages der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg eine als „Trauermarsch“ bezeichnete Demonstration rechtsextremer Personen statt. Angehörige der Vereinigung hatten sich entschlossen, in Umsetzung des Vereinigungszwecks von der Veranstaltung zurückkehrende Teilnehmer nach ihrem Ausstieg aus einem aus D. kommenden Zug am Bahnhof von W. abzupassen, unter Einsatz von Schlagwerkzeugen zu attackieren und zu verletzen.
29 Am Bahnhof von W.
verließen gegen 19.30 Uhr sechs vom „Trauermarsch“ zurückkehrende Personen den Zug, die durch ihre Bekleidung und eine mitgeführte Reichskriegsflagge ohne Weiteres als Angehörige des rechtsextremen Spektrums erkennbar waren. Nachdem die arglosen Personen um das Bahnhofsgebäude herumgegangen waren, stürmten die vermummten Angreifer,
die mit Schlagstöcken und einem Reizgassprühgerät bewaffnet hinter einer Gebäudeecke in Deckung gegangen waren, auf sie zu und griffen sie an. Während zwei der Angegriffenen unverletzt fliehen konnten, wurden die vier weiteren Opfer mit Schlagstöcken, Fausthieben und Pfefferspray attackiert, wobei sie unter anderem jeweils potentiell lebensbedrohliche Schläge gegen den Kopf erhielten. Auf ein Kommando hin beendeten die Angreifer schließlich ihre konzertierte und koordinierte Einwirkung auf die Opfer. Die vier körperlich misshandelten Tatopfer erlitten jeweils signifikante Verletzungen, darunter Kopfplatzwunden.
(8) Im Frühsommer 2020 entschloss sich die Vereinigung zu einem körperlichen Angriff auf einen L. er Rechtsreferendar, der zur rechtsextremen Szene gehörte und als Teilnehmer an „rechten“ Kampfsportveranstaltungen sowie den als „
“ bezeichneten Ausschreitungen Rechtsextremer in dem L. er Stadtteil am 11. Januar 2016 in Erscheinung getreten war. Das in Aussicht genommene Tatopfer sollte im Anschluss an einen Klausurtermin der zweiten juristischen Staatsprüfung vor seiner Wohnung abgepasst und zusammengeschlagen werden. In Vorbereitung der Tat spähten Vereinigungsmitglieder Anfang Juni 2020 die Wohnanschrift des Opfers sowie von diesem zurückzulegende Wege aus. Der Angriff selbst sollte am 8. Juni 2020 durchgeführt werden. Das Vorhaben wurde indes kurzfristig durch einen am Prüfungsort eingesetzten „Späher“ der Gruppierung abgebrochen, nachdem diesem aufgefallen war, dass der Rechtsreferendar an diesem Tag zu seinem Schutz von Einsatzkräften der Polizei begleitet wurde.
b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) beruht auf Folgendem:
aa) In Bezug auf die kriminelle Vereinigung um die bereits rechtskräftig verurteilte L. E. , die Mitgliedschaft des Angeschuldigten in dieser und die einzelnen Überfälle der Gruppierung auf dem rechtsextremen Spektrum zugeordnete Personen ergibt sich der dringende Tatverdacht insbesondere aus den durch Observationsmaßnahmen, Durchsuchungen sowie Auswertungen von Datenträgern gewonnenen Erkenntnissen sowie aus Aussagen von Zeugen, namentlich Bekundungen des früheren Mitbeschuldigten Do.
, der Mitglied der Vereinigung war, sich allerdings aus der militant-linksextremistischen Szene losgesagt und umfassend mit den Ermittlungsbehörden kooperiert hat. Indiziellen Wert für die Annahme der Mitgliedschaft des Angeschuldigten in der verbreitet aufgrund der typischen Tatwerkzeuge als „Hammerbande“ bezeichneten Gruppierung hat nicht zuletzt eine Tätowierung des Angeschuldigten, die – ebenso wie eine entsprechende Tätowierung des Mitangeschuldigten G.
– ein von Ehrenlaub umkränztes Wappenschild mit zwei gekreuzten Hämmern und den Initialen „HB“ – naheliegend eine Abkürzung für „Hammerbande“ – zeigt.
bb) Hinsichtlich der gegen den Angeschuldigten erhobenen Vorwürfe mitgliedschaftlicher Beteiligungsakte, namentlich des Vorwurfs der Mitwirkung an dem Angriff am 14. Dezember 2019 in Ei.
, ergibt sich der dringende Tatverdacht maßgeblich aus Angaben des früheren Mitbeschuldigten Do.
.
Gestützt wird der dringende Tatverdacht der Beteiligung des Angeschuldigten an dieser Tat zudem durch ihm zuzuordnende DNA-Spuren an mutmaßlich zur Spurenvermeidung von einem der Täter bei dem Überfall getragenen Handschuhe.
Die politische Einstellung des Angeschuldigten und seine Bereitschaft, zur Bekämpfung rechtsextremistischer politischer Bestrebungen mit massiver Gewalt gegen Angehörige der rechtsextremen Szene vorzugehen, manifestiert sich zudem in einer von ihm im Rahmen seines Studiums angefertigten Seminararbeit mit dem Titel „Faschistische Gewalt als vigilante Gewalt“, in der er die These vertrat, staatliche Stellen seien nicht in der Lage, rechtsextremen Bestrebungen effektiv entgegenzuwirken. Hieraus zog er, wie ein weiteres von ihm verfasstes Papier deutlich macht, den Schluss, dass es deshalb insofern privater – auch gewaltsamer – Aktivitäten bedürfe.
Wegen der Einzelheiten zu den bisherigen Beweisergebnissen, die den dringenden Tatverdacht begründen, wird auf den Haftbefehl vom 26. Januar 2024 und die Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Mai 2025 Bezug genommen.
2. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls wegen gefährlicher Köperverletzung in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und mit Sachbeschädigung sowie wegen – vollendeten und nicht nur versuchten – schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und mit Urkundenfälschung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4, § 267 Abs. 1, § 303 Abs. 1, § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b, § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB, § 1 Abs. 1 und 2, § 105 Abs. 1 JGG strafbar gemacht hat.
a) Bei der Gruppierung, als deren Mitglied der Angeschuldigte hochwahrscheinlich tätig wurde, handelte es sich um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 und 2 StGB (vgl. hierzu bereits BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2025 – AK 49/25, juris; vom 15. Mai 2025 – AK 29/25, juris Rn. 33 ff.; Urteil vom 19. März 2025 – 3 StR 173/24, juris Rn. 55 ff.).
aa) Eine Vereinigung ist nach § 129 Abs. 2 StGB ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zu- sammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses (vgl. BT-Drucks. 18/11275 S. 11). Danach müssen ein organisatorisches, ein personelles, ein zeitliches und ein interessenbezogenes Element gegeben sein (vgl. im Einzelnen BGH, Urteile vom 19. März 2025 – 3 StR 173/24, juris Rn. 55; vom 12. September 2023 – 3 StR 306/22, MMR 2024, 175 Rn. 39; vom 2. Juni 2021 – 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 19; s. zudem BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2022 – 3 StR 403/20, StV 2023, 739 Rn. 9; vom 2. Juni 2021 – 3 StR 61/21, BGHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 8; vom 2. Juni 2021 – 3 StR 33/21, NStZ 2022, 159 Rn. 5; MüKoStGB/ Anstötz, 5. Aufl., § 129 Rn. 14a ff.). Notwendig ist insbesondere das Tätigwerden in einem übergeordneten gemeinsamen Interesse. Dieses muss über die bezweckte Begehung der konkreten Straftaten und ein Handeln um eines persönlichen materiellen Vorteils willen hinausgehen (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2025 – 3 StR 173/24, juris Rn. 55; vom 12. September 2023 – 3 StR 306/22, MMR 2024, 175 Rn. 41; Beschluss vom 28. Juni 2022 – 3 StR 403/20, StV 2023, 739 Rn. 11; Urteil vom 2. Juni 2021 – 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 21; Beschlüsse vom 2. Juni 2021 – 3 StR 61/21, BGHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 9; vom 2. Juni 2021 – 3 StR 33/21, NStZ 2022, 159 Rn. 7; MüKoStGB/Anstötz, 5. Aufl., § 129 Rn. 22; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 40 f.).
bb) Hieran gemessen war die Gruppierung eine Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB. Denn sie bestand aus mehr als drei Personen (personelles Element) und war auf eine längere, nicht befristete Existenz angelegt (zeitliches Element). Die Vereinigung hatte, wie nicht zuletzt die umfangreichen Vorplanungen einzelner Angriffe, die „Szenario-Trainings“, das vorherige Ausspähen von Tatopfern und Tatorten, die sorgfältige Koordination des Tathandelns und das strukturierte arbeitsteilige Vorgehen bei den Angriffen zeigen, einen erheblichen Organisationsgrad (organisatorisches Element). Schließlich verfolgte die Gruppierung, deren Mitglieder und Unterstützer eine militant-linksextremistische Gesinnung teilten, mit dem Ziel, durch gewaltsame Angriffe auf dem rechten politischen Spektrum zugeordnete Personen rechtsextreme und neonazistische Kräfte zu bekämpfen, ein übergeordnetes gemeinsames (politisches) Interesse (interessenbezogenes Element).
cc) Der Zweck und die Tätigkeit der Vereinigung waren auf die Begehung von Taten der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB und damit auf Straftaten gerichtet, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind (§ 129 Abs. 1 Satz 1 StGB; vgl. zu den Anforderungen dieses Tatbestandsmerkmals BGH, Urteil vom 12. September 2023 – 3 StR 306/22, MMR 2024, 175 Rn. 47; Beschluss vom 11. Juli 2023 – AK 35/23 u. StB 34/23, BGHSt 68, 1 Rn. 33; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 64).
dd) Die Ausrichtung von Zweck und Tätigkeit der Vereinigung auf die vorgenannten Taten bedeutete eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und war insofern von einigem Gewicht (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 12. September 2023 – 3 StR 306/22, MMR 2024, 175 Rn. 60; Beschlüsse vom 28. Juni 2022 – 3 StR 403/20, StV 2023, 739 Rn. 16; vom 2. Juni 2021 – 3 StR 61/21, NJW 2021, 2979 Rn. 12; MüKoStGB/Anstötz, 5. Aufl., § 129 Rn. 40; LK/Krauß, StPO, 13. Aufl., § 129 Rn. 53 ff.).
ee) Die Begehung von Körperverletzungsdelikten war für die Vereinigung nicht nur von untergeordneter Bedeutung im Sinne des § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 – 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 55 f.; MüKoStGB/Anstötz, 5. Aufl., § 129 Rn. 72 f.; LK/Krauß, StPO, 13. Aufl., § 129 Rn. 78 ff.). Vielmehr waren gewaltsame Angriffe gegen Personen aus dem rechtsextremen Spektrum alleiniges Ziel und ausschließlicher Zweck des Personenzusammenschlusses.
b) Der Angeschuldigte war hochwahrscheinlich Mitglied der Vereinigung und beteiligte sich als solches gemäß § 129 Abs. 1 StGB an ihr, weil er sich einvernehmlich in sie eingliederte und sie durch organisationsbezogene Tätigkeiten von innen her förderte (vgl. zu den Anforderungen etwa BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207; MüKoStGB/Anstötz, 5. Aufl., § 129 Rn. 82 f.; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 96 ff.).
c) Durch seine Beteiligung an dem Überfall auf den Gastwirt in Ei. am 14. Dezember 2019 hat sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit tateinheitlich (§ 52 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 StGB – und zwar in den Varianten der Tatbegehung durch Beibringung von Gift (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB), mittels gefährlicher Werkzeuge (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und gemeinschaftlich mit anderen Beteiligten (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) – und Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Das zum Einsatz gebrachte Pfefferspray ist als Gift im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB einzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2025 – AK 49/25, juris; NK-StGB/Paeffgen/Böse/Eidam, 6. Aufl., § 224 Rn. 9; Jesse, NStZ 2009, 364, 365; s. auch BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2024 – 5 StR 382/24, NJW 2024, 3735 Rn. 13 ff.). Die Verwendung von Hämmern und eines Reizstoffsprühgerätes stellt eine Tatbegehung mittels gefährlicher Werkzeuge dar (zur Einordnung eines Reizstoffsprühgeräts als gefährliches Werkzeug vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2019 – 2 StR 85/19, NStZ 2020, 355 Rn. 7; vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 37 Rn. 13; vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308; MüKoStGB/Hardtung,
4. Aufl., § 224 Rn. 26; TK-StGB/Sternberg-Lieben, 31. Aufl., § 224 Rn. 13; Jesse, NStZ 2009, 364, 366; s. ferner BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2024 – 5 StR 382/24, NJW 2024, 3735 Rn. 18 ff.). Die Tatvarianten des § 224 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sind in der vorliegenden Konstellation nebeneinander verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2024 – 5 StR 382/24, NJW 2024, 3735 Rn. 21). Da der Angeschuldigte konzertiert mit anderen Mitstreitern auf die Tatopfer einwirkte, ist zudem die Tatvariante der gemeinschaftlichen Tatbegehung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllt.
Der Generalbundesanwalt hat mit Anklageerhebung das besondere öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung der Sachbeschädigung bejaht (§ 303c StGB).
d) Durch die Flucht vom Tatort am 14. Dezember 2019 mit einem Pkw, an dem zur Tarnung nicht für dieses Fahrzeug ausgegebene Kennzeichenschilder angebracht waren, sowie das Unterfangen, den verfolgenden Polizeibeamten durch Plastikfolien die Sicht zu nehmen und damit zu einem Abbruch der Verfolgung zu zwingen, hat sich der Angeschuldigte hochwahrscheinlich ebenfalls in Tateinheit zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB wegen schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1, § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b, § 25 Abs. 2, § 52 StGB strafbar gemacht (zum Schuldspruch im Fall der Qualifikation nach § 315 Abs. 3 StGB vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2023 – 4 StR 227/23, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff 10 Rn. 6; MüKoStGB/Pegel, 4. Aufl., § 315 Rn. 108). Es ist der dringende Tatverdacht dahin zu bejahen, dass die Tathandlungen, mit denen der Angeschuldigte und die weiteren Fahrzeuginsassen sich bemühten, das ihnen nacheilende Polizeifahrzeug von einer weiteren Verfolgung abzuhalten, die Sicherheit der Polizeibeamten und des Streifenwagens derart stark beeinträchtigten, dass es im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ nur noch vom Zufall abhing, ob die betreffenden Rechtsgüter verletzt wurden oder nicht (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 20. Mai 2025 – 4 StR 168/25, juris Rn. 7; vom 20. März 2019 – 4 StR 517/18, NStZ 2020, 225, 226).
e) Die hochwahrscheinliche Strafbarkeit des Angeschuldigten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB, die sämtliche Beteiligungsakte des Angeschuldigten an der Vereinigung im Rahmen einer tatbestandlichen Bewertungseinheit erfasst, vermag den Tatkomplex der als mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt begangenen Einwirkung auf den Gastwirt am 14. Dezember 2019 (tateinheitliche Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung) sowie den gleichfalls als Beteiligungshandlung an der Vereinigung verwirklichten Tatkomplex des Fluchtgeschehens (tateinheitliche Strafbarkeit wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Urkundenfälschung) nicht zu einer einzigen Tat im materiellrechtlichen Sinne zu verklammern. Denn sowohl die Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung als auch die wegen schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hat angesichts der einschlägigen Strafrahmen deutlich höheres Gewicht als die der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (vgl. insofern BGH, Urteil vom 14. November 2024 – 3 StR 189/24, NJW 2025, 456 Rn. 11 ff.; s. ferner BGH, Urteil vom 19. März 2025 – 3 StR 173/24, juris Rn. 66 ff.; Beschluss vom 5. März 2025 – 3 StR 35/24, juris Rn. 19 f.; Urteil vom 9. Januar 2025 – 3 StR 111/24, juris Rn. 59).
3. Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts sowie die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Haftbefehls ergeben sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 74a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 GVG. Der Fall hat eine die Ausübung von Strafgerichtsbarkeit des Bundes legitimierende besondere Bedeutung im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GVG in Verbindung mit § 74a Abs. 2 GVG (vgl. in Bezug auf den hiesigen Tatkomplex BGH, Beschlüsse vom 10. August 2023 – StB 45+46/23, juris Rn. 15; vom 20. Juli 2022 – StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 10; vom 25. August 2021 – AK 42/21, juris Rn. 12; vom 2. Juni 2021 – AK 33/21, juris Rn. 69). Denn es handelte sich bei der Vereinigung nicht nur um eine länderübergreifend tätig gewordene Gruppierung (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 GVG), sondern vor allem auch um einen politisch motivierten Personenzusammenschluss. Die Taten, auf deren Begehung die Vereinigung abzielte, waren gekennzeichnet durch eine Negierung des staatlichen Gewaltmonopols und die Anmaßung eines Rechts, gewaltsam gegen Personen vorzugehen, deren politische Haltung missbilligt wurde. Es ging der Gruppierung darum, jenseits des staatlichen Instrumentariums zur Wahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Akt der Selbstjustiz mit brutaler körperlicher Gewalt einzelne ausgewählte Personen für ihre rechtsextreme politische Haltung abzustrafen. Taten wie die aus der hier inmitten stehenden Vereinigung heraus begangenen sind geeignet, den friedlichen politischen Meinungskampf in Frage zu stellen und eine gewaltsame Eskalation der politischen Auseinandersetzung zu befördern. Diese Umstände verleihen dem Fall, der in der Öffentlichkeit und in der politischen Debatte über legitime Mittel zur Bekämpfung staatsfeindlicher rechtsextremistischer Bestrebungen hohe Aufmerksamkeit gefunden hat, gesamtstaatliche Bedeutung (vgl. zum diesbezüglichen Beurteilungsmaßstab BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2020 – AK 62/19, juris Rn. 19; vom 22. September 2016 – AK 47/16, juris Rn. 23; vom 10. Dezember 2016 – StB 33/16, juris Rn. 25; vom 13. Januar 2009 – AK 20/08, BGHSt 53, 128 Rn. 33 ff.; Schmitt/Köhler/ Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 120 GVG Rn. 3a). Angesichts der Zielrichtung und des Gewichts des hochwahrscheinlichen Tathandelns des Angeschuldigten stellt sich seine Tätigkeit in der Vereinigung als schwerwiegend und damit besonders bedeutsam im Sinne des § 120 Abs. 2 GVG dar.
4. Es sind die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie – bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 2022 – StB 15/22, juris Rn. 11 f.; vom 24. Januar 2019 – AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) – der Schwerkriminalität gegeben. Es ist wahrscheinlicher, dass sich der Angeschuldigte – sollte er auf freien Fuß gelangen – dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird.
Der Angeschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung ungeachtet des Umstandes, dass die ihm mit dem Haftbefehl vom 26. Januar 2024 zur Last gelegten Taten bereits geraume Zeit zurückliegen, nicht zuletzt wegen der großen Brutalität, mit der die Vereinigung ihre Ziele verfolgte, mit einer erheblichen unbedingten Freiheitsstrafe zu rechnen. Dies gilt umso mehr, wenn man die weiteren ihm mit der Anklageschrift des Generalbundesanwalts zur Last gelegten Taten, darunter zwei Fälle des versuchten Mordes im Zuge gewaltsamen Vorgehens gegen Teilnehmer der neonazistischen Veranstaltung „Tag der Ehre“ in B.
im Februar 2023, in die Betrachtung einbezieht.
Dem von der signifikanten Straferwartung ausgehenden großen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Insofern gilt, dass die Annahme von Fluchtgefahr kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen erfordert; es genügt derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 2022 – AK 27/22, juris Rn. 36; vom 5. Oktober 2018 – StB 43 u. 44/18, juris Rn. 37).
Der Angeschuldigte ist – wie nicht zuletzt Solidaritätsbekundungen im Internet zeigen – in der linksextremistischen Szene fest verankert, in der seine Strafverfolgung als ungerechtfertigter Akt staatlicher Repression gewertet wird. Daher ist anzunehmen, dass er im Fall einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens mit vielfältiger Unterstützung von einem größeren Kreis Gleichgesinnter aus der linksextremistischen Szene rechnen kann. Hierfür spricht auch, dass er vor seiner Verhaftung fast zwei Jahre flüchtig gewesen ist und offenbar mit Unterstützung seines Umfeldes in Deutschland hat untertauchen können. Der Umstand, dass der Angeschuldigte hochwahrscheinlich eingebunden ist in ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten, die ihm sehr wahrscheinlich auch bei einem erneuten Untertauchen logistische und finanzielle Unterstützung leisten würden, begründet einen signifikanten Fluchtanreiz (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2022 – AK 40-43/22, juris Rn. 62). Demgegenüber sind berufliche oder soziale Bindungen, die fluchthemmend wirken könnten, nicht ersichtlich.
Der Umstand, dass der Angeschuldigte sich am 20. Januar 2025 selbst den deutschen Strafverfolgungsbehörden gestellt hat, steht der Annahme von Fluchtgefahr nicht entgegen. Denn wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat vom 10. Juli 2025 zutreffend ausgeführt hat, ist dies im Zuge einer koordinierten Selbststellung mehrerer mutmaßlicher Vereinigungsmitglieder geschehen. Es hat sich mithin wahrscheinlich nicht um eine eigeninitiative Entscheidung des Angeschuldigten gehandelt, sondern eine kollektive des Kreises seiner Gesinnungs- und Tatgenossen. Dadurch wird nicht nur seine fortdauernde Einbindung in die gewaltaffine linksextremistische Szene deutlich, sondern auch, dass er in seiner Haltung gegenüber der ihn betreffenden Strafverfolgung nicht unabhängig ist. Es besteht daher die Gefahr, dass er – beeinflusst durch sein Umfeld – seine Entscheidung, sich dem Strafverfahren zu stellen, revidieren wird.
Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO erreicht werden.
5. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
Die Ermittlungen sind besonders umfangreich gewesen; die Akten umfassen derzeit 400 Ordner. Es sind in großem Umfang Auswertungen sichergestellter Asservate, darunter Datenträger, erforderlich gewesen. Zeugenvernehmungen haben sich als außergewöhnlich aufwändig erwiesen, weil Beweispersonen aus der linken Szene nicht kooperationsbereit gewesen sind und sich teilweise erst mit Zwangsmitteln zu einer Aussage haben bewegen lassen. Zudem sind Ende 2024 und Anfang 2025 mehrere mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer der kriminellen Vereinigung verhaftet worden, gegen die wegen der Identität beziehungsweise Überlagerung der Tatvorwürfe sachgerecht nur ein einheitliches Verfahren geführt werden kann. Die größere Zahl von Beschuldigten begründet gleichfalls einen besonderen Verfahrensaufwand.
Ende Mai 2025, also vier Monate nach der Verhaftung des Angeschuldigten und damit angesichts des Umfangs der Ermittlungen hinreichend zeitnah zu dieser, hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen abschließen können und Anklage gegen den Angeschuldigten und sechs mutmaßliche weitere Mitstreiter zum Oberlandesgericht Dresden erhoben. Der Vorsitzende des dortigen Staatsschutzsenats hat am 2. Juni 2025 die Zustellung der Anklageschrift mit einer Stellungnahmefrist von zunächst vier Wochen verfügt, die er auf Antrag des Verteidigers des Angeschuldigten bis zum 8. August 2025 verlängert hat. Es ist damit zu rechnen, dass nach Ablauf der Erklärungsfrist umgehend über die Eröffnung des Hauptverfahrens befunden und bei einer positiven Eröffnungsentscheidung alsbald mit der Hauptverhandlung begonnen werden wird. Somit wird das Verfahren durchgängig mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt.
6. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Berg Anstötz Kreicker