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35 W (pat) 443/13

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 443/13 Verkündet am 14. April 2015

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache …

BPatG 154 05.11 betreffend das Gebrauchsmuster 20 2006 011 465 hier: Löschungsantrag hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2015 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richter Dr. agr. Huber und Dipl.-Ing. Brunn beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I vom 30. Juli 2013 aufgehoben.

Die Löschung des Streitgebrauchsmusters 20 2006 011 465 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Gründe I.

Der Gebrauchsmuster-Inhaber, Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) ist der eingetragene Inhaber des Gebrauchsmusters 20 2006 011 465 (im Folgenden: Streitgebrauchsmuster), das am 26. Juli 2006 angemeldet und am 16. November 2006 mit 3 Ansprüchen in das Register eingetragen worden ist. Es hat die Bezeichnung

„Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung zur Gülleausbringung“.

Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:

„1. Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung zum Anbau an einen Gülletankwagen, mit einem am Gülletankwagen montierbaren Traggestänge (1) mit Montagemitteln (2) zur Halterung von zwei beiderseits hinten am Gülletankwagen zu montierenden Schwenkverteilern (3) in einer mit Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse schräg rückwärts und seitwärts weisenden Orientierung, und mit einem Gülleverteilerrohr (4), das einen am Auslass des Gülletankwagens ankuppelbaren Mittelbereich (41) und zwei davon beiderseits abzweigende Zweigrohre (42) aufweist, die jeweils in einem etwa vertikal nach oben ausmündenden Düsenrohr (43) an den Positionen der beiden Schwenkverteiler (3) endigen.“

Für die nachgeordneten Schutzansprüche 2 und 3 wird Bezug genommen auf die Streitgebrauchsmuster-Schrift. Die Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters ist auf zehn Jahre verlängert worden; es ist in Kraft.

Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2011 hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) die Löschung des Streitgebrauchsmusters wegen fehlender Schutzfähigkeit i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 1 bis 3 GebrMG beantragt.

Im Zuge des Löschungsverfahrens sind die folgenden Druckschriften in das Verfahren eingeführt worden:

E1 DE 198 16 993 A 1 E2 DE 26 57 804 A 1 Dieser Antrag ist dem Antragsgegner am 5. August 2011 zugestellt worden. Sein Widerspruch dagegen ist am 6.August 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) und damit rechtzeitig eingegangen.

Im Einvernehmen mit beiden Verfahrensbeteiligten hat die Gebrauchsmuster-abteilung I über den Löschungsantrag ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden und unter dem 30. Juli .2013 beschlossen, den Löschungsantrag zurückzuweisen und der Antragstellerin die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens aufzuerlegen. Diese Entscheidung hat die Gebrauchsmusterabteilung I im Wesentlichen wie folgt begründet:

Zu der Entgegegenhaltung E1 (DE 198 16 993 A1 hat die Gebrauchsmusterabteilung I im Beschluss vom 30. Juli 2013 auf den Zwischenbescheid – dieser ist auf den 4. Juli 2012 datiert – verwiesen. In diesem Zwischenbescheid hat die Gebrauchsmusterabteilung I die Neuheit des Gebrauchsmustergegenstandes nach dem geltenden Schutzanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik nach E1 bejaht, weil in dem entgegengehaltenen Stand der Technik die Merkmale, dass die Schwenkverteiler mit Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse schräg rückwärts orientiert sind sowie dass die beiderseitig abzweigenden Zweigrohre an der Position der beiden Schwenkverteiler endigen, fehlen würden. Hinsichtlich des erfinderischen Schrittes bezüglich des Schutzanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach E1 hat die Gebrauchsmusterabteilung in ihrem Zwischenbescheid darauf hingewiesen, dass eine schräg rückwärts weisende Orientierung der Schwenkverteiler durch die E1 nicht angeregt werde, da die Schwenkverteiler an dem entgegen gehaltenen Gülletankwagen durch Drehgelenke eingezogen werden könnten und daher kein Bedarf für eine anderweitige Lösung gegeben gewesen sei. Des Weiteren beschreibe die Entgegenhaltung, dass das Gülleverteilrohr einen am Auslass des Gülletankwagens ankuppelbaren Mittelbereich und zwei davon beidseitig abzweigende Zweigrohre aufweise, die jeweils in einem Drehgelenk endigten (Sp. 1, Zeilen 65-68 der E1). Das Endigen der Zweigrohre an den Positionen der beiden Schwenkverteiler sei durch die E1 ebenfalls nicht angeregt,

da die Drehgelenke – wie im Anspruch 1 der E1 zum Ausdruck gebracht- erfindungswesentlich für den entgegengehaltenen Stand der Technik seien und daher sicher nicht durch Schwenkverteiler, die schräg rückwärts orientiert seien, ersetzt werden sollten. Somit beruhe die Lehre nach Schutzanspruch 1 auf einem erfinderischen Schritt, da sich diese für den Fachmann – dieser wird in dem maßgeblichen Zwischenbescheid als Agraringenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung und Entwicklung von Gülletankwagen definiert – nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der E1 ergebe.

Im angefochtenen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung wird die E2 (DE 26 57 804 A1) – diese Druckschrift war von der Antragstellerin erst nach Erhalt des Zwischenbescheides in das Verfahren eingeführt worden – ausführlich dahingehend bewertet, dass durch diesen Stand der Technik dem Fachmann eine Verteiler-Anordnung für Gülle bekannt geworden sei, an der ein Gülleverteilrohr mit zwei davon abzweigenden Zweigrohren, die ihrerseits jeweils in einem ausmündenden Düsenrohr an den Positionen der beiden Zweigrohre endigen, vorgesehen sei, wobei die Verteiler eine in Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse schräg rückwärts und seitwärts weisende Orientierung hätten, wozu die Gebrauchsmusterabteilung lediglich auf Fig. 1 bis 3 der E2 i. V. m. der Beschreibung verwiesen hat. Hingegen sei dieser Druckschrift nicht zu entnehmen, dass eine Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung zum Anbau an einen Gülletankwagen vorgesehen sein soll, deren bauliche Ausgestaltung so beschaffen sei, das sie mit einem am Gülletankwagen montierbaren Traggestänge mit Montagemitteln zur Halterung von zwei beiderseits hinten am Gülletankwagen zu montierenden Schwenkverteilern ausgestaltet sei, wobei auch ein vertikal nach oben ausmündendes Düsenrohr nicht vorhanden sei.

Die Gebrauchsmusterabteilung kommt dann zu dem Schluss, dass der Fachmann keinen Hinweis erhalte, die aus der E2 bekannte Verteileranordnung in Richtung der Doppelschwenkverteiler-Anordnung gemäß Streitgebrauchsmuster umzugestalten, denn der Fachmann hätte sich in der DE 26 57 804 A1 gezielt mit der Aufgabe gemäß Seite 1 zweiter Abs. dieser Druckschrift beschäftigt, nicht eine schlichte Austragsvorrichtung wie im Streitgebrauchsmuster zu schaffen, sondern zusätzlich Verstopfungen in einer Austragsvorrichtung zu verhindern, wobei er bewusst eine zusätzliche Vorbehandlung mit den zugehörigen Verbauungen vorsehe.

Der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I ist den Verfahrensbevollmächtigten beider Verfahrensbeteiligten jeweils mit zwei verschiedenen Rechtsmittelbelehrungen zugestellt worden. Nach der jeweils einen Rechtsmittelbelehrung betrug die Beschwerdegebühr 200,00 €, nach der jeweils anderen 500,00 €. Die Antragstellerin, der der Beschluss am 9. August 2013 zugestellt worden war, legte am 5. September 2013 beim DPMA Beschwerde ein und reichte für die Zahlung der Beschwerdegebühr eine Einzugsermächtigung über 200,00 € ein. Nachdem der Rechtspfleger des Bundespatentgerichts die Antragstellerin darauf hingewiesen hatte, dass die Beschwerdegebühr für das Beschwerdeverfahren im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren 500,00 € betrug, zahlte die Antragstellerin weitere 300,00 €.

Mit ihrer Beschwerde betreibt die Antragstellerin unverändert die vollständige Löschung des Streitgebrauchsmusters.

Die Antragstellerin macht geltend, dass sowohl die Begründung im angefochtenen Beschluss als auch in dem diesem vorangegangenen Zwischenbescheid, worauf im angefochtenen Beschluss mehrfach Bezug genommen werde, nicht den gesamten Inhalt der DE 198 16 993 A1 (E1) und der DE 26 57 804 A1 (E2) berücksichtige.

Die Antragstellerin führt aus, dass es dem Streitgebrauchsmuster bereits an der erforderlichen Neuheit gegenüber dem Stand der Technik nach E1 fehle. Im Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung werde hierzu unzutreffenderweise ausgeführt, dass bei der Vorrichtung nach E1 die Schwenkverteiler in Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse nicht schräg nach rückwärts orientiert seien (entsprechend Merkmal c) der von der Antragstellerin mit Löschungsantrag vorgelegten Merkmalsgliederung) und dass die beiderseitig abzweigenden Zweigrohre nicht an den Positionen der beiden Schwenkverteiler endigten (Merkmal e)). Nachdem die Zweigrohre (6) und die Schwenkrohrarme (8) gemäß Figur der E1 in Arbeitsstellung horizontal verlaufen und an den äußeren Enden beider Schwenkrohrarme (8) jeweils in etwa vertikal nach oben gerichtete Düsenrohre (8a) vorgesehen sind, sei Merkmal e) des Schutzanspruchs 1 bereits aus E1 bekannt.

In Merkmal c) werde auf die Gülletankwagenlängsachse Bezug genommen, zu der die Schwenkverteiler schräg rückwärts und seitwärts orientiert sein sollen. Eine Bezugnahme auf eine bestimmte Achse oder Stellung des jeweiligen Schwenkverteilers fehle es indes im Merkmal c). Jedenfalls befinde sich ein Schwenkverteiler immer dann, wenn er sich nicht in seiner Mittelstellung befinde – von einer solchen sei in Merkmal c) des Anspruchs 1 nicht die Rede – in einer schräg rückwärts und seitwärts weisenden Orientierung, so dass auch dieses Merkmal durch die E1 bereits vorweg genommen werde.

Der Anspruch 1 des Streitgebrauchsmusters beruhe jedenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt. Die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Definition des einschlägigen Fachmanns als Agraringenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung und Entwicklung von Gülletankwagen sei unzutreffend, weil Agraringenieure nicht mit einem derartigen Aufgabenspektrum, das dem Fahrzeugbau zuzurechnen sei, betraut werden würden und daher ein Maschinenbauingenieur mit Kenntnissen auf dem landtechnischen Sektor als zuständiger Fachmann zu betrachten sei.

Selbst wenn man aber das Merkmal c) hinsichtlich der schräg rückwärts und seitwärts orientierten Schwenkverteiler beim Stand der Technik als nicht verwirklicht erachtet, gelange der maßgebliche Fachmann (Maschinenbauer) bereits ausschließlich auf der Grundlage der Offenbarung der E1 zu den gesamten Merkmalen des Schutzanspruchs 1, denn bei Verringerung der Breite des klappbaren Gestänges gemäß E1 würde sich eine zu große mittige Überlappung im Streubild der gerade nach rückwärts orientierten Schwenkverteiler der E1 ergeben. Schon aus diesem Grunde müssten die Schwenkverteiler eine schräg rückwärts und seitwärts weisende Orientierung aufweisen, was für den Fachmann aus der im Streitgebrauchsmuster genannten Aufgabe (Abs. 0005) auf der Hand liege.

Umso mehr werde der Schutzgegenstand des Anspruchs 1 durch die Hinzunahme des Standes der Technik nach E2 nahegelegt, denn in dem angefochtenen Beschluss erkenne auch die Gebrauchsmusterabteilung an, dass die aus E2 bekannte Verteiler-Anordnung ein Gülleverteilrohr mit zwei davon beiderseits abzweigenden Zweigrohren aufweise, die jeweils in einem ausmündenden Düsenrohr an den Positionen der beiden Zweigrohre endigen und die Verteiler eine in Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse schräg rückwärts und seitwärts weisende Orientierung hätten. Die Gebrauchsmusterabteilung komme in unzutreffender Weise zu dem Schluss, dass das Streitgebrauchsmuster bestandsfähig sei, weil sich die E2 nicht mit der Aufgabenstellung des Streitgebrauchsmusters beschäftige, was aber für die Beurteilung des Standes der Technik unerheblich sei. Vielmehr werde dem Fachmann durch die Fig. 2 und 7 der E2 die gegensinnig nach außen weisende Orientierung der Verteiler geradezu aufgezwungen. Die Tatsache, dass normale unbewegliche Flachverteiler jeder Zeit auch durch (bewegliche) Schwenkverteiler ersetzt werden können, werde bereits durch die E1 gelehrt (vgl. Sp. 2, Z. 24 bis 29).

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2015 aufzuheben, die Löschung des Streitgebrauchsmusters anzuordnen und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen; hilfsweise: Die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil – nach Auffassung des Antragsgegners – nach den Vorgaben der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Fachmann keine Veranlassung hatte, die Offenlegungsschrift 26 57 804 (E2) hinzuzuziehen.

Zur Begründung hat der Antragsgegner im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

Hinsichtlich der Entgegenhaltung 1 (DE 198 16 993 A1) stellt der Antragsgegner fest, dass bei diesem Gülletankwagen die beiden Schwenkverteiler eine genau rückwärts weisende Orientierung und nicht etwa eine rückwärts und seitwärts weisende Orientierung wie beim Streitgebrauchsmuster hätten, so dass schon aus diesem Grunde die Neuheit des Schutzgegenstandes gegeben sei. Auch die Pendelbewegung der Schwenkverteiler vermöchte die Orientierung der Schwenkverteiler nach E1 nicht in einer schräg rückwärts und seitwärts ausgerichteten Position zu definieren, denn im Schutzanspruch 1 werde von der Orientierung des Schwenkverteilers als gesamtem Baukörper gesprochen und nicht ausschließlich von dessen allein pendelfähigem Prallteller. Nach dem Verständnis des Fachmanns lege nämlich nicht die mögliche Schwenkfähigkeit des Pralltellers um einen bestimmten Winkelbetrag die Orientierung des Schwenkverteilers fest, sondern die Grundorientierung jedes Schwenkverteilers insgesamt und damit auch die Orientierung des Pralltellers in dessen Mittelstellung.

Die Anordnung nach E1 bedürfe zudem der weit über die Wagenbreite überstehenden Verlängerungsrohre, die zur Gülleausbringung den notwendigen Abstand zwischen den genau nach rückwärts weisenden Schwenkverteilern schaffen. Dadurch entstehe ein erhebliches zusätzliches Gewicht, wobei der Hebelarm der langen Verlängerungsrohre, an deren Ende das Gewicht der Schwenkverteiler ruht, ein erhebliches Drehmoment erzeuge, das zu beherrschen sei. Diese Nachteile suche das Streitgebrauchsmuster zu vermeiden und zwar sowohl hinsichtlich des großen Aufwandes der durch das zum Transport hochschwenkbare und arretierbare Rohrwerk entstehe und als auch hinsichtlich des Gefährdungspotentials, das von einem hochgeklappten Verlängerungsrohr mit einem Schwenkverteiler an dessen Ende ausgehe.

Aus der Entgegenhaltung 1 ergebe sich darüber hinaus auch keine Anregung für den Durchschnittsfachmann auf die technische Lehre des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters hin, insbesondere im Hinblick auf eine Änderung der genau rückwärts weisenden Orientierung der Schwenkverteiler sowie auf eine Verringerung des seitlichen Abstandes der beiden Schwenkverteiler voneinander.

Hierzu könne auch die Entgegenhaltung 2 (DE 26 57 804 A1) keinen Beitrag leisten, denn diese offenbare einen Gülletankwagen, der überwiegend zum Einbringen von Gülle in den Boden mit Hilfe von in den Boden eingreifenden Verteilerwerkzeugen vorgesehen sei. Insoweit durch die E2 auch überirdisch arbeitende Verteiler-Anordnungen beschrieben seien, liege dieser Stand der Technik vom Gegenstand des Streitgebrauchsmusters weiter ab, denn die Verteiler seien hier weiter unten als bei der Anordnung nach dem Streitgebrauchsmuster angeordnet und die Verteiler seien so konstruiert, dass die Gülle – anders als bei den mit einem Auswurfwinkel von ca. 45° nach oben arbeitenden Schwenkverteilern des Streitgebrauchsmusters – nicht nach oben, sondern als flacher Fächer nach unten abgeleitet werde. Hierzu sei die Prallplatte in einem in etwa 45°-Winkel zum Boden hin ausgerichtet, wobei hier nur relativ schmale Prallbleche Verwendung finden, die über waagrecht liegende Rohre mit ebenfalls waagrecht liegenden Aus- lassöffnungen angeströmt würden. Daher bestehe das Konzept nach der E2 darin, den Sprühfächer auf den Boden hin auszurichten, um eine bodennahe Gülleausbringung zu erreichen, deren Ziel nicht darin bestehe, große Verteilbreiten zu erlangen. Damit offenbare die E2 ein völlig anderes Konzept der Breitstreuung und Verteilung von Gülle als das Streitgebrauchsmuster. Somit bestehe keine fachmännische Veranlassung, den Stand der Technik nach E2 im Hinblick auf eine Verbesserung der Verteil-Anordnung nach E1 in Betracht zu ziehen, denn die E2 befasse sich nicht mit dem Erhalt oder der Vergrößerung einer gegebenen Verteilbreite. Vielmehr liege der E2 eine andere Aufgabe zugrunde, die dahin gehe, Verstopfungen in der Austragsvorrichtung zu vermeiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

A. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere hat die Antragstellerin die Beschwerde rechtzeitig eingelegt und die fällige Beschwerdegebühr von 500,00 € rechtzeitig gezahlt. Die maßgebliche Beschwerdefrist folgt hier aus § 47 Abs. 2 Satz 3 PatG i. V. m. § 18 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GebrMG und beträgt ein Jahr nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses bei der Antragstellerin. Denn die der Antragstellerin zusammen mit dem angegriffenen Beschluss zugestellten zwei einander widersprechenden Rechtsmittelbelehrungen stellten unrichtige Belehrungen i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 3 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG dar. Für die Beurteilung der Richtigkeit oder der Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung ist nur auf den objektiven Gehalt der zugegangenen Belehrung abzustellen, nicht dagegen auch auf den jeweiligen Empfängerhorizont, hier: der anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin (vgl. Busse/Brandt PatG 7. Auflage 2013, § 47 Rdnr. 47 und Benkard/Schäfers, Patentgesetz

10. Auflage 2006, § 47 Rdnr. 15 ff.). Die Beschwerde der Antragstellerin ist innerhalb der Jahresfrist von § 47 Abs. 2 Satz 3 PatG und damit rechtzeitig beim DPMA eingegangen. Bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 3 PatG wird nur für die Einlegung der Beschwerde eine andere, längere Beschwerdefrist von einem Jahr begründet, nicht dagegen für die fällige Beschwerdegebühr (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, Patentgesetz 9. Auflage 2014, § 47 Rdnr. 45; Busse/Brandt a. a. O., § 47 Rdnr. 48), mit der Folge, dass es jedenfalls genügt, wenn die Beschwerdegebühr – wie hier von der Antragstellerin – in der vollen Höhe von 500,00 € im Laufe des Beschwerdeverfahrens und noch vor Erlass der abschließenden Entscheidung gezahlt wird.

B. Die Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg, denn das Streitgebrauchsmuster ist nicht schutzfähig i. S. v. §§ 1 bis 3 GebrMG. Zwar ist der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters neu i. S. v. § 1 Abs. 1, § 3 GebrMG, er beruht jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt i.S.v. § 1 Abs. 1 GebrMG. Deswegen war der angegriffene Beschluss antragsgemäß aufzuheben und die Löschung des Streitgebrauchsmusters anzuordnen.

1. Gegenstand des Streitgebrauchsmusters ist eine Doppel-SchwenkverteilerAnordnung zur Gülleausbringung.

Die beanspruchte Anordnung arbeitet gemäß Abs. 0002 der Streitgebrauchsmusterschrift DE 20 2006 011 465 U1 mit an sich bekannten Gülle-Schwenkverteilern, die einen automatisch um einen gewissen Winkelbereich hin und her pendelnden Prallteller aufweisen, der einen vertikal nach oben aus einem Düsenrohr austretenden Güllestrahl flach ausbreitet und nach rückwärts umlenkt, wobei der Güllestrahl selbst zum Antrieb der Schwenkbewegung genutzt wird. Derartige Schwenkverteiler erreichen eine Arbeitsbreite von 12 bis 15 m.

Nach Abs. 0003 ist daher eine Aufgabe des Schutzgegenstandes des angegriffenen Gebrauchsmusters, auf einfache Weise beim Fahren mit einem Gülletankwagen eine wesentlich größere Arbeitsbreite zu erzielen. Gemäß Abs. 0004 der Beschreibung wurde bereits versucht, die Arbeitsbreite durch die Verwendung von zwei Schwenkverteilern zu erhöhen, was jedoch aufwendige klappbare Gestängekonstruktionen erforderlich machte, denn der seitliche Abstand zwischen den paarweise angeordneten Schwenkverteilern war erheblich größer zu bemessen als die Breite des Güllefahrzeugs, so dass die gesamte Gestängekonstruktion zum Erreichen der Straßentransportbreite mit Hilfe von Hydraulikzylindern als Schwenkantrieb einklappbar gestaltet werden musste. Dies führte u. a. auch dazu, dass die entsprechenden Anordnungen ein hohes Gewicht aufgewiesen hatten.

Eine weitere Aufgabe des Schutzgegenstandes wird gemäß Abs. 0005 daher darin gesehen, eine große Arbeitsbreite mit einer Schwenkverteiler-Doppelanordnung ohne ein solches schweres aufwendiges klappbares Gestänge zu erreichen.

2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters eine Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung zum Anbau an einen Gülletankwagen mit folgenden Merkmalen – diese entsprechen der von der Antragstellerin und Beschwerdeführerin vorgelegten Merkmalsgliederung – vor:

Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung zum Anbau an einen Gülletankwagen, mit a) einem am Gülletankwagen montierbaren Traggestänge (1),

b) Montagemitteln (2) zur Halterung von zwei beiderseits hinter dem Gülletankwagen zu montierenden Schwenkverteilern (3),

c) die Schwenkverteiler (3) weisen eine in Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse schräg rückwärts und seitwärts weisende Orientierung auf,

d) einem Gülleverteilerrohr (4), das einen am Auslass des Gülletankwagens ankuppelbaren Mittelbereich (41) und zwei davon beiderseits abzweigende Zweigrohre (42) aufweist, und e) die Zweigrohre (42) endigen jeweils in einem etwa vertikal nach oben ausmündenden Düsenrohr (43) an den Positionen der beiden Schwenkverteiler (3).

Die beanspruchte Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung soll dabei nach Abs. 0011 der Beschreibung des angegriffenen Gebrauchsmusters zwei an den beiden Fahrzeugseiten des Gülletankwagens angeordnete Schwenkverteiler aufweisen. Nach dem Wortlaut des eingetragenen Anspruchs 1 soll dabei ein Traggestänge am Gülletankwagen montierbar sein (Merkmal a)) „mit Montagemitteln zur Halterung von zwei beiderseits hinten am Gülletankwagen zu montierenden Schwenkverteilern“ (Merkmal b)). In Merkmal c) wird die Orientierung der Schwenkverteiler als in Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse schräg rückwärts und seitwärts weisend angegeben. Hierunter ist die Montage der Schwenkverteiler z. B. in einem – wie in Abs. 0012 beschrieben – etwa 45° betragenden Winkel zur Fahrzeuglängsachse oder jedenfalls nicht in paralleler Ausrichtung zu dieser zu verstehen, wobei die Montageposition aus fachmännischer Sicht gleichsam eine „Nullstellung“ darstellt, um die der Verteiler dann durch seine hin und her Bewegung pendeln kann. Eine derartige Ausrichtung der Montageplatte für die Schwenkverteiler i. S. v. Merkmal c) ist zudem auch aus Fig. 2 der Gebrauchsmusterschrift ersichtlich.

Die Anordnung weist nach Merkmal d) ferner ein Gülleverteilerrohr auf, das einen am Auslass des Gülletankwagens ankuppelbaren Mittelbereich und zwei davon beiderseits abzweigende Zweigrohre aufweist.

Nach Merkmal e) endigen die Zweigrohre jeweils in einem etwa vertikal nach oben ausmündenden Düsenrohr an den Positionen der beiden Schwenkverteiler. Mit der in Schutzanspruch 1 definierten Lehre soll jedenfalls nach Abs. 0007 erreicht werden, dass lediglich ein starres Gestänge im Rahmen der Fahrzeugbreite zur Halterung der Schwenkverteiler erforderlich ist, welches durch die Schrägposition der Schwenkverteiler nur noch einen geringen seitlichen Abstand zwischen diesen notwendig macht. Damit können aber dennoch Gesamtarbeitsbreiten von über 20 m erreicht werden.

3. Der zuständige Fachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitgebrauchsmusters und für die Beurteilung des Standes der Technik ankommt, ist nach Auffassung des Senats ein Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus bzw. ein Agraringenieur der Fach-richtung Landtechnik mit jeweils zumindest Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Fahrzeugen und Geräten zur Ausbringung von Düngemitteln.

4. Ob der Gegenstand von Schutzanspruch 1 gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik neu ist i. S. v. §§ 1 und 3 GebrMG, kann dahinstehen, weil der Gegenstand des Schutzanspruch 1 jedenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG beruht.

Die E1 (DE 198 16 993 A1) offenbart eine Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung zum Anbau an einen Gülletankwagen, denn die einzige Abbildung in dieser Entgegenhaltung lässt bereits einen Gülletankwagen mit einem Güllefass (1) und Rädern (2) zumindest schematisch erkennen. Ein derartiges Fahrzeug ist auch Gegenstand der Beschreibung des Ausführungsbeispiels (vgl. Sp. 1, Z. 45 ff. der E1). An den Enden der Rohre dieses Gülletankwagens sind in der Zeichnung der E1 ferner Flachverteiler (12) erkennbar, die gemäß Sp. 2, Z. 24 bis 29 auch als Schwenkverteiler ausgebildet sein können, wobei die Gülleverteilvorrichtung nach E1 gemäß Sp. 1, Z. 27, 28 mit zwei (Breitstrahl)verteilern arbeiten soll. Damit liegt bei der E1 auch eine Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung vor.

Ein am Gülletankwagen montierbares Traggestänge, wie in Merkmal a) des Schutzanspruchs 1 beschrieben (vgl. hierzu Merkmalsgliederung gemäß Punkt II. B 2.) ist in der Zeichnung der E1 in Form eines Rahmens (10) – dieser Rahmen (10) ist gemäß Sp. 2, Z. 15 an der rückwärtigen Stirnseite des Güllefasses (1) angebracht – und in Form der ebenfalls Halte- und Tragfunktion ausführenden Hydraulikzylinder (9) erkennbar. Über die Rohre werden auch die Montagemittel zur Halterung der Schwenkverteiler vom Haltegestänge getragen (Merkmal b)).

Die Schwenkverteiler (12) weisen bei dem Gülletankwagen nach E1 jedoch keine in Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse schräg rückwärts und seitwärts weisende, sondern eine gerade nach rückwärts gerichtete Orientierung auf, so dass sich der Schutzgegenstand nach Anspruch 1 in diesem Merkmal (Merkmal c)) vom Stand der Technik nach der E1 unterscheidet, wie auch die Gebrauchsmusterabteilung bereits im entsprechenden Zwischenbescheid festgestellt hat. Die Orientierung der Flachverteiler (12) ist in der E1 gemäß Sp. 2, Z. 21 bis 24 derart ausgeführt, dass sie den aus dem Düsenrohr (8a) nach oben austretenden Güllestrahl in einen flachen fächerförmigen Strahl nach rückwärts umlenken, was auch aus der Zeichnung der E1 ersichtlich ist.

In Übereinstimmung mit Merkmal d) des Schutzgegenstandes weist auch die entgegengehaltene Anordnung nach E1 ein Gülleverteilrohr auf, das einen am Auslass des Gülletankwagens ankuppelbaren Mittelbereich (4) und zwei davon beiderseits abzweigende Zweigrohre (6) aufweist (vgl. Fig.).

Das Merkmal e) des Schutzanspruchs 1 ist – anders als dies die Gebrauchsmusterabteilung bewertet hat – ebenfalls nicht geeignet, einen Unterschied zum Stand der Technik nach E1 zu kennzeichnen. Der Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist in ihrer in der Beschwerdebegründung vom 9. Februar 2015 sowie in dem Schriftsatz vom 6. November 2012 (auf den in der Beschwerdebegründung Bezug genommen wird) dargelegten Auffassung zuzustimmen, dass die Zweigrohre i. S. d. Schutzgegenstandes diejenigen Rohrleitungen sind, die jeweils von einem Auslass des Gülletankwagens zu den Schwenkverteilern hin verlaufen. Die Bezeichnung der entsprechenden Rohre in der einzigen Fig. der E1 als „Zweigrohre 6“, die an der Verzweigung des Auslassrohres (5) ihren Ausgang nehmen und an dem Drehgelenk (7) endigen (vgl. auch Sp. 1, Z. 65 bis 68), um dann als „Schwenkrohrarme 8“ nach dem Drehgelenk (7) bis zum Düsenrohr (8a) und zum Flachverteiler (12) (Schwenkverteiler) fortgesetzt zu werden, ist lediglich als rein philologische Definition der besonderen Ausgestaltung dieser Rohre gemäß E1 zu werten, nämlich um die Verschwenkbarkeit der Außenteile zu beschreiben. Funktional jedoch ist das Zweigrohr i. S. d. Schutzgegenstandes die Rohrverbindung zwischen dem Auslass des Gülletankwagens und dem Schwenkverteiler, also beim Stand der Technik nach E1 der Rohrabschnitt (6) („Zweigrohr“) zusammen mit dem Rohrabschnitt (8) („Schwenkrohrarm“). Diese Sichtweise findet auch in der Gebrauchsmusterschrift bereits insoweit ihre Stütze, als allgemein zum Stand der Technik mit einschwenkbarem Verteilergestänge in Abs. 0004 (letzter Satz) ausgeführt wird: „Da der jeweilige Schwenkverteiler stets ganz außen an dem jeweiligen schwenkbaren Schenkel des Verteilergestänges angeordnet sein muss, und da auch das Güllezufuhrrohr dann mit einem entsprechenden Drehgelenk ausgebildet sein muss, ist die ganze Anordnung nicht nur sehr schwer, …“. Auch im Falle einer Anordnung mit einschwenkbarem Verteilergestänge, wie sie aus dem Stand der Technik bekannt war, spricht das Streitgebrauchsmuster selbst von einem einzigen Güllezufuhrrohr (vgl. das Güllezufuhrrohr) zu dem jeweiligen Schwenkverteiler, welches bei dem bekannten Stand der Technik mit einem Drehgelenk zum Zwecke der Verschwenkbarkeit versehen sein muss. Trotz dieser konstruktiven Besonderheit der Trennung in zwei Rohrteile durch ein dazwi- schen liegendes Drehgelenk betrachtet auch das Streitgebrauchsmuster selbst bereits das gesamte Zuführrohr als funktionale Einheit. Nach alledem endigen auch die Zweigrohre (6, 8) gemäß E1 als funktionale Einheit i. S. d. Schutzgegenstandes jeweils in einem etwa vertikal nach oben ausmündenden Düsenrohr (8a) an den Positionen der beiden Schwenkverteiler (12) (vgl. Fig. der E1), so dass das Merkmal e) des Schutzanspruchs 1 durch diesen Stand der Technik vorweg genommen wird.

Der Schutzgegenstand nach dem eingetragenen Anspruch 1 unterscheidet sich vom Stand der Technik nach E1 somit in Merkmal c). Daher kann zwar die E1 dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters – anders als die Antragstellerin vorträgt – nicht neuheitsschädlich entgegenstehen. Die E1 bildet jedoch den nächstkommenden Stand der Technik, von dem bei der Frage nach dem erfinderischen Schritt auszugehen ist.

Durch den Stand der Technik nach E1 sind die Merkmale a), b) d) und e) (vgl. Merkmalsgliederung nach Punkt II.B 2.) einer Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung zum Anbau an einen Gülletankwagen bekannt geworden (vgl. obige Ausführungen).

Der hier maßgebliche Fachmann ist stets mit der allgemeinen und übergeordneten Aufgabe konfrontiert, bestehende bekannte technische Lösungen unter Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit technisch einfacher, gewichtsmäßig leichter und darüber hinaus kostengünstiger zu gestalten. Bezogen auf den Stand der Technik nach E1 bedeutet dies, dass nach Lösungen zu suchen ist, die geeignet sind die mithilfe des klappbaren Rohrgestänges nach E1 erreichbaren großen, insbesondere auch für Lohnunternehmen zweckmäßigen Arbeitsbreiten zu erhalten oder zu übertreffen, wobei gleichzeitig auf aufwendige, bauteilintensive Verteiler-Anordnungen weitgehend verzichtet werden kann. Auf der Suche nach diesbezüglichen Anregungen gelangt der Fachmann dabei auch auf den Stand der Technik nach E2 (DE 26 57 804 A1), der ebenfalls ein Fahrzeug zur Ausbringung von Gülle kennzeichnet und damit zu dem hier maßgeblichen technischen Fachgebiet gehört.

Durch den Stand der Technik nach E2 ist eine Verteiler-Anordnung zum Anbau an einem Gülletankwagen bekannt geworden (vgl. Fig. 1, 2, 7, 8), die über zwei verschiedene Verteilorgane verfügt, nämlich einmal über an der Frontseite des Gülletankwagens angeordnete, in den Boden eingreifende Injektoren (124 bzw. 223) (vgl. Fig. 2 bzw. 8) und andererseits über Verteiler (75 bis 78 bzw. 207, 208), die oberhalb der Bodenoberfläche (vgl. Fig. 2) angeordnet sind. Lediglich die letzteren, über dem Boden arbeitenden Verteiler (75 bis 78) bzw. (207 und 208) sind im Hinblick auf eine Verbesserung der Anordnung nach E1 relevant. Wie aus Fig. 1, 2 und 7 der E2 ersichtlich ist, verlaufen die Zuführrohre (79, 80, 90, 91; vgl. Fig. 1, 2 bzw. 209 und 210; vgl. Fig. 7) im Wesentlichen horizontal und „parallel zur Behälterunterseite“ (S. 24, 2. Abs. der handschriftlichen Seiten-Nummerierung der E2). Der Güllestrahl trifft dann auf die Prallplatten (131) und wird daraufhin zum Boden hin abgelenkt, wie auf S. 21, 3. Abs. der E2 für die Verteiler 75 bis 79 gemäß Fig. 1, 2 erläutert wird. Zur Einstellung der fächerartigen Verteilung kann die Stellung der Prallplatten (131) in Bezug auf die Auslassöffnungen der Rohre durch Schwenken des Armes (133) um die Achse (134) der Träger (132) geändert werden (S. 18, 2, Abs. und S. 21, 2. Abs., Fig. 2). Die lediglich zwei Verteiler (205, 206) bei dem Gülletankwagen nach Fig. 7 arbeiten nach demselben Prinzip (S. 27, 1. Abs.). Um Schwenkverteiler i. S. d. Schutzgegenstandes nach dem eingetragenen Anspruch 1 handelt sich bei den Verteilern (75 bis 78 bzw. 205, 206) gemäß der E2 nicht, denn die bei diesem Stand der Technik verwendeten Verteiler sind starr ausgerichtet und führen während des Ausbringvorgangs der Gülle keine um einen Mittelpunkt herum ablaufende Schwenkbewegung durch.

Gleichwohl entfaltet die Anordnung nach E2 im Hinblick auf die Vergrößerung der Arbeitsbreite von Gülletankwagen unter Verwendung vereinfachter technischer Mittel hohe Relevanz, denn im Ausführungsbeispiel nach Fig. 1 und 2 dieser Entgegenhaltung werden Gülletankwagen mit vier im Wesentlichen nach hinten ge- richteten Verteilern (75 bis 78) dargestellt, während aber ein ähnliches Ergebnis offenbar auch mit lediglich zwei Verteilern (205, 206) zu erreichen ist, wie Fig. 7 zeigt. Bereits aus dem Vergleich dieser Anordnung gemäß Fig. 1, 2 mit der insoweit weiter entwickelten Ausführungsform nach Fig. 7 ist für den Fachmann ersichtlich, dass eine angestrebte Arbeitsbreite mit nahe an dem Gülletankwagen angeordneten Verteilern jedenfalls maßgeblich alleinig durch die Orientierung der Verteiler erreichbar ist, Die Verteiler (205, 206) sind – wie aus Fig. 7 ersichtlich – innerhalb der Fahrzeugbreite angeordnet, aber weisen eine in Bezug auf die Gülletankwagenlängsachse (229) schräg rückwärts und seitwärts weisende Orientierung auf. Die Verteiler sind mit den Enden der Zuführrohre in einem Winkel von etwa 30° zur Längsmittelachse des Fahrzeugs ausgerichtet (S. 24, 2. Abs.). Bei der Lektüre dieser Entgegenhaltung ist dem maßgeblichen Fachmann dabei ohne weiteres klar, dass die in E2, Fig. 7 dargestellte Orientierung der hier starren und nicht schwenkbar ausgestalteten Verteiler umso mehr bei schwenkbaren Verteilern nach der E1 zur erfolgreichen Vergrößerung der Arbeitsbreite bei gleichzeitiger Verminderung der Baubreite bzw. Transportbreite der Anordnung führen muss, denn die einzigen verbliebenen Verteiler (205, 206) gemäß Fig. 7 der E2 sind ebenfalls noch innerhalb der Transportbreite für die Fahrt im Straßenverkehr angeordnet und liegen sogar noch innerhalb der äußeren Begrenzungslinie der Laufräder.

Die Verteiler sind bei dem Gülletankwagen nach E2 – anders als der Antragsgegner vorträgt – nicht tiefer angeordnet als beim Streitgebrauchsmuster, denn die Seitenansicht gemäß Fig. 2 der E2 lässt eine Anordnung der rückwärtigen Verteiler oberhalb der Achsen der Laufräder (13, 14) erkennen, wie dies auch bei der Anordnung gemäß Streitgebrauchsmuster (vgl. dort Fig. 1) der Fall ist.

Dem Antragsgegner ist jedoch darin zuzustimmen, dass die Verteiler gemäß der E2 keine Schwenkverteiler sind und auch ein anderes Wurfbild erzeugen als etwa die wahlweise als starre Flachverteiler oder als Schwenkverteiler ausgestalteten Verteilorgane nach der E1 oder auch die Schwenkverteiler nach dem Streitge- brauchsmuster, denn die Prallplatten der Verteiler nach E2 werden horizontal angeströmt und leiten den Sprühfächer in einem etwa 45° Winkel nach unten zu Boden hin ab, während die vertikal von unten angeströmten Verteiler gemäß E1 oder dem Streitgebrauchsmuster einen in einem etwa 45° Winkel nach oben ausgeworfenen Sprühfächer erzeugen. Dies mag dazu führen, dass durch die Wahl der Verteiler im Falle der E2 nicht so große Gesamtarbeitsbreiten (Verteilbreiten) wie im Falle der E1 oder des Streitgebrauchsmusters zu erreichen sind, wie auch der Antragsgegner vorträgt. Hierauf kommt es jedoch bei der vorliegenden Betrachtung der Lehre der E2 nicht an. Vielmehr besteht die wesentliche Lehre der E2, die dem Fachmann durch die Fig. 1 und die Fig. 7 vermittelt wird, darin, dass eine erwünschte Gesamtarbeitsbreite, die durch vier (starre) Verteiler erreicht wird (Fig. 1) auch durch lediglich zwei Verteiler erreichbar ist, wenn diese nur eine schräg rückwärts und seitwärts weisende Orientierung aufweisen (Fig. 7). Mit anderen Worten besagt die Gegenüberstellung von Fig. 1 und Fig. 7 der E2, dass es lediglich zweier Verteilorgane bedarf, die auch innerhalb der für den Straßenverkehr zulässigen Transportbreite liegen können, um eine erwünschte Gesamtarbeitsbreite zu erreichen, wenn die Verteilorgane eine schräg rückwärts weisende Orientierung erhalten.

Im Hinblick auf das fachmännische Bestreben, die den nächstkommenden Stand der Technik bildende Doppel-Schwenkverteiler-Anordnung an einen Gülletankwagen nach der E1 konstruktiv zu vereinfachen und unter Berücksichtigung der eingangs genannten allgemeinen und übergeordneten Aufgabe der Bereitstellung kostengünstiger, gewichtsreduzierter und funktionssicherer technischer Lösungen war der maßgebliche Fachmann veranlasst, den Stand der Technik nach E2 in Betracht zu ziehen, dessen technische Lehre darauf abstellt, dass die gesamte Arbeitsbreite eines Gülleverteilfahrzeugs – auch weit über die Fahrzeugbreite hinaus – mit lediglich zwei Verteilern abgedeckt werden kann, die sich ihrerseits im Rahmen der für den Straßenverkehr zulässigen Baubreite des Fahrzeugs befinden können, aber hierzu schräg rückwärts und seitwärts orientiert sein müssen. Eine Hinzuziehung der E2 unter diesem Aspekt steht nicht entgegen, dass dort textlich eine andere Aufgabe (Vermeidung von Verstopfungen in der Austragsvorrichtung) angegeben ist, als die Optimierung der Verteilung der Gülle bzw. der Verteilbreite, denn die gesamte Offenbarung eines Dokumentes – mithin auch die der Zeichnungen - ist maßgeblich auch jenseits einer textlichen Fokussierung auf eine bestimmte andere und vom Offenbarungsgehalt der Zeichnungen abweichende Lösungskombination. Auch ist die Anordnung und Orientierung der Verteiler bei dem Stand der Technik nach E2 aus der Zeichnung (z. B. Fig. 7) für einen Fachmann auch im Hinblick auf den damit erzielbaren technischen Erfolg ohne weiteres ersichtlich und bedarf keiner weiteren textlichen Erläuterung.

Eine Übertragung der Lehre der E2 auf eine Anordnung nach E1 führt dabei zwangsläufig zu Merkmal c) des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters, also zu der rückwärts und seitwärts weisenden Orientierung der Verteiler. Diese einfache Übertragungsmaßnahme aus einem zum gleichen Fachgebiet gehörenden Stand der Technik ist dem Fachmann vor dem Zeitrang des Streitgebrauchsmusters ohne weiteres möglich gewesen, wobei deren Ergebnis vorhersehbar war. Auch führt die Beibehaltung der übrigen konstruktiven Verhältnisse der E1 einschließlich ihrer von unten angeströmten Schwenkverteiler zu einer Verteiler-Anordnung mit großer, durch die aus E1 bekannten Schwenkverteiler erwirkter Arbeitsbreite, wobei die Schwenkverteiler dann innerhalb der Fahrzeugbreite verbleiben können und es daher hochklappbarer Schwenkrohrarme einschließlich einer Hydraulikeinrichtung zur Hochstellung der Seitenteile nicht mehr bedarf.

Nach alledem ist das in Schutzanspruch 1 beschriebene technische Handeln nicht geeignet, einen erfinderischen Schritt gegenüber den entgegen gehaltenen Stand der Technik nach E1 und E2 zu begründen.

Auch die Merkmale der auf Schutzanspruch 1 rückbezogenen Schutzansprüche 2 und 3 sind bereits durch den entgegen gehaltenen Stand der Technik bekannt geworden, denn die Montagemittel in Form von Montageplatten nach Anspruch 2 sind aus der E1 bekannt, während die Winkelanordnung der Schwenkverteiler zur Gülletankwagenlängsachse von etwa 45° gemäß Anspruch 3 bereits im Bereich der in E2 offenbarten Orientierung der Verteiler liegt.

Mit der vorliegenden Entscheidung ist das Bundespatentgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt als die Gebrauchsmusterabteilung. Dies liegt zum einen daran, dass die Gebrauchsmusterabteilung den Stand der Technik nach E1 insoweit dem Schutzgegenstand weniger nahekommend bewertet, als sie – anders als der erkennende Senat – auch das Merkmal e), welches das Endigen der Zweigrohre jeweils in einem etwa vertikal nach oben ausmündenden Düsenrohr an den Positionen der beiden Schwenkverteiler kennzeichnet, im Stand der Technik gemäß E1 als nicht verwirklicht ansieht, weil sie die Erstreckung der Zweigrohre i. S. d. Schutzgegenstandes des Streitgebrauchsmusters bereits an der gelenkigen Verbindung zum anschließenden Schwenkrohr als beendet erachtet. Im Hinblick auf die E2 betrachtet die Gebrauchsmusterabteilung lediglich die Ausführungsform gemäß Fig. 1 bis 3 und kommt zu der Schlussfolgerung, dass der Fachmann hieraus keine Hinweise auf eine Umgestaltung der aus E2 bekannten Verteileranordnung in Richtung auf eine Doppelschwenkverteiler-Anordnung gemäß Streitgebrauchsmuster erhalte, weil sich die E2 mit einer vollkommen anderen Aufgabenstellung befasse, während der Senat in der Entwicklung, die aus dem Ausführungsbeispiel nach Fig. 1 zu dem nach Fig. 7 hinführt, die Vorbeschreibung der Lehre des Streitgebrauchsmusters hinsichtlich der Orientierung der Verteilorgane (Merkmal c)) erkennt, wobei in fachmännischer Zusammenschau mit dem Stand der Technik nach E1 dann alle Merkmale des Schutzanspruchs 1 als durch den Stand der Technik bekannt und nahe gelegt erachtet werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

6. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil dafür keine der in § 100 Abs. 2 Nr. 1 und 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 4 GebrMG genannten Gründe festgestellt werden konnten. Der Senat stimmt mit dem Antragsgegner darin überein, dass die Senate des Bundespatentgerichts bei ihren Entscheidungen die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen haben. Anders als der Antragsgegner meint der Senat jedoch, dass seine Beurteilung, wonach der Fachmann Veranlassung hatte, die E2 hinzuziehen, im Einklang steht mit den dafür maßgebenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs.

III.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.

Werner Dr. Huber Brunn Pr

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