3 Ni 6/15 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 6/15 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
25. Oktober 2016 …
In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 0 863 846 (DE 696 25 237)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Schramm, den Richter Kätker, die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg, den Richter Dipl.-Chem. Dr. Jäger und die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 863 846 wird mit Wirkung für das Hoheits-gebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 entfällt und die Rückbeziehungen der Patentansprüche 2 bis 11 auf Patentanspruch 1 in Wegfall geraten.
Die Patentansprüche12 bis 20 bleiben in ihren Rückbezügen auf die Fassung der erteilten Patentansprüche 1 bis 11 bestehen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin drei Viertel und die Beklagte ein Viertel.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 28. Juni 1996 beim Europäischen Patentamt in französischer Sprache angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents 0 863 846 (Streitpatent), das die Priorität der französischen Anmeldung FR 9507979 vom 3. Juli 1995 in Anspruch nimmt und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 696 25 237 geführt wird. Das Streitpatent, das beschränkt gemäß Hauptantrag und mit vier Hilfsanträgen verteidigt wird, trägt die Bezeichnung „Composition à base d'oxyde de zirconium et d'oxyde de cérium, procédé de préparation et utilisation“ („Zusammensetzung auf der Basis von Zirkon und Ceroxid, Verfahren zu seiner Herstellung und seine Verwendung“) und umfasst in seiner erteilten Fassung 20 Patentansprüche. Die nebengeordneten, auf eine Zusammensetzung gerichteten Patentansprüche 1 und 2 lauten in der erteilten Fassung in deutscher Sprache wie folgt:
„1. Zusammensetzung, die im Wesentlichen aus Zirkoniumoxid und aus Ceroxid besteht, dadurch gekennzeichnet, dass diese nach Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000°C eine spezifische Oberfläche über 25 m2/g besitzt und dass diese in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids in dem Zirkoniumoxid vorliegt.
2. Zusammensetzung auf der Basis von Zirkoniumoxid, welche Ceroxid und wenigstens ein Dotierungselement umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass diese nach Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000°C eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g besitzt und dass diese in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vorliegt.“
In der französischen Verfahrenssprache hat der erteilte Patentanspruch 2 folgenden Wortlaut:
„2. Composition à base d´oxyde de zirconium comprenant de l´oxyde de cérium et au moins un élément dopant, caractérisée en ce qu´après calcination 6 heures à 1000°C, elle possède une surface spécifique d´au moins 25 m2/g et elle se présente sous la forme d´une solution solide pure de l´oxyde de cérium et du dopant dans l´oxyde de zirconium.“
Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf die Patentschrift EP 0 863 846 verwiesen. Das Streitpatent ist am 28. Juni 2016 erloschen.
Die Klägerin, die das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 angreift, macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der mangelnden Ausführbarkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen im Wesentlichen auf folgende Dokumente:
N0 EP 0 863 846 B1 (Streitpatent) N1 DE 696 25 237 T2 (deutsche Version des Streitpatents) K1 Standard ASTM D 3663-78, S. 1140 bis 1144 K2 S.J. Gregg und K.S.W. Sing, „Adsorption, Surface Area and Porosity”,
1982, 2. Auflage, Academic Press, London, S. v bis xi und 1 bis 10 K3 G.H. Einarsdóttir et al., British Ceramic Proceedings, 1991, No. 47,
S. 55 - 60 K4 EP 0 605 274 A1 K4a deutsche Übersetzung der K4 K4b AU 668 236 K5 EP 0 611 192 A1 K5a deutsche Übersetzung von K5 K6 EP 0 428 753 A1 K7 M. Hirano und H. Inada, Ceramics International, 1991, Vol. 17, S. 359 bis 365 K8 EP 0 614 854 A1 K8a deutsche Übersetzung von K8 K9 Testbericht von M. Rattenbury zur Nacharbeitung von Beispiel 4 der K8 vom 19. August 2013 K10 FR 2 640 954 A1 K10a deutsche Übersetzung von K10 K12 M. Ozawa und M. Kimura, J. of the Less-Common Metals, 1991, Vol. 171,
S. 195 bis 212 K14 Experimenteller Bericht von Dr. C. Wang und Dr. L. P. Stubbs zur Nacharbeitung der K3 vom 16. April 2013 K15 Eidesstattliche Versicherung von Dr. Philip Llewellyn vom 17. Mai 2013 K17 Schriftsatz der Nichtigkeitsklägerin als Verletzungsbeklagte im parallelen Verletzungsklageverfahren vor dem LG Düsseldorf (4b O 82/14) vom 26. Juni 2015 K18 WO 89/08611 A1 K19 Experimenteller Bericht von Szu Hwee Ng (weitere Nacharbeitung der K3) vom 13. Juli 2016 K20 DE 689 13 223 T2 (deutsche Übersetzung der EP 0 337 809 B1) K21 US 4,678,770 B1a S. Lowell und J.E. Shields, „Powder Surface Area and Porosity“, 1984, 2. Auflage, Chapman and Hall, London, S. 44 bis 53 sowie die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anlagen:
Anlage 1 V. Perrichon et al., Applied Catalysis A: General, 129, 1995, S. 69 bis 82 Anlage 2 Vergleich zwischen Verfahren gemäß Anlage K3 und dem Verfahren nach Anspruch 15 des Streitpatents Anlage 3 Vergleich zwischen Verfahren gemäß Anlage K6 und dem Verfahren nach Anspruch 12 des Streitpatents Anlage 4 EP 1 729 883 B1 Anlage 5 Beschluss des Landgerichts Düsseldorf zum Aktenzeichen 4b O 8/16 Anlage 6 vom 3. März 2016 Zeichnung zu Einarsdóttir Repeat Experiments – Reactor Profile Die Klägerin begründet das fortbestehende Rechtsschutzinteresse an der Teilvernichtung des im Laufe des Nichtigkeitsverfahrens erloschenen Patents mit einer von der Patentinhaberin im Jahr 2014 vor dem Landgericht Düsseldorf erhobenen Klage, mit der die Nichtigkeitsklägerin wegen Verletzung der Patentansprüche 1 bis 11 des Streitpatents in Anspruch genommen wird.
Die Klägerin vertritt ferner die Auffassung, dass es sich bei der nach den erteilten Patentansprüchen 1 und 2 erforderlichen Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000°C nicht um ein verfahrenstechnisches Merkmal handele, das bei der Herstellung der patentgemäßen Zusammensetzungen einzuhalten sei, sondern vielmehr um eine Testbedingung, unter der die patentgemäßen Zusammensetzungen eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g als inhärente Eigenschaft aufwiesen. Zudem seien die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 2 betreffend die spezifische Oberfläche nach der Kalzinierung sowie die geforderte Einphasigkeit der Zusammensetzung voneinander unabhängig. Demzufolge sei es nicht erforderlich, dass die patentgemäßen Zusammensetzungen nach der Kalzinierung einphasig vorlägen.
Des Weiteren sei der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche nicht ausführbar offenbart. Dies gelte einerseits für das Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche der patentgemäßen Zusammensetzungen. So könne mit der im Streitpatent in Bezug genommenen BET-Methode ausschließlich die spezifische Oberfläche von Zusammensetzungen bestimmt werden, die Stickstoffadsorptionsisothermen vom Typ II oder IV aufwiesen. Nicht alle beanspruchten Cer/Zirkonium-Mischoxide besäßen jedoch Isothermen dieses Typs. Andererseits sei die patentgemäße Lehre nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar, da die erteilten Patentansprüche 1 und 2 durch die Angabe der spezifischen Oberfläche von wenigstens 25 m2/g einen nach oben offenen Bereich umfassten, wohingegen mit den Beispielen des Streitpatents nur die Bereitstellung von Zusammensetzungen mit spezifischen Oberflächen im Bereich bis zu 51 m2/g belegt werde.
Weiter macht die Klägerin geltend, dass die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche nicht neu seien. Hierzu führt sie die Druckschrift K3 mit den ihrer Auffassung nach ordnungsgemäßen Nacharbeitungen K14 und K19, die Druckschriften K5/5a, K7, die Druckschrift K8/8a samt deren Nacharbeitung K9 sowie die Druckschrift K20 an. Aus jeder der Druckschriften bzw. aus der Nacharbeitung der darin offenbarten Verfahren ergäben sich zwangsläufig Produkte, die alle Merkmale der patentgeschützten Erzeugnisse aufwiesen.
Ferner mangele es den Gegenständen der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 11 an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit. Im Streitpatent würden für die Herstellung der patentgemäßen Zusammensetzungen übliche Standardverfahren, wie z. B. in der Druckschrift K3 beschrieben, verwendet, so dass nach den Grundsätzen der BGH-Entscheidung „Leflunomid“ auch die mit diesen Verfahren erhaltenen Zusammensetzungen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Auch das im patentgemäßen Anspruch 2 geforderte Dotierungsmittel könne keine erfinderische Tätigkeit begründen, denn der Fachmann könne sowohl der K4 als auch der K5 entnehmen, dass die spezifische Oberfläche von Mischoxiden aus Cer und Zirkonium durch die Zugabe eines Dotierungsmittels erhöht werden könne. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 2 basiere daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber K3 in Kombination mit K4 oder K5. Weiter seien die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche auch aus einer Kombination der Druckschriften K6 mit K10 sowie K20 mit K21 nahegelegt.
Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 eingereichten Hauptund Hilfsanträge rügt die Klägerin als verspätet. Im Übrigen seien sie mangels Offenbarung unzulässig oder deren Gegenstände jedenfalls nicht patentfähig.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 863 846 im Umfang der Ansprüche 1 bis 11 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent im angegriffenen Umfang die Fassung des Hauptantrags, hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 4, sämtliche gemäß Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 erhält, und die nicht angegriffenen Patentansprüche 12 bis 20 in ihren Rückbeziehungen auf das Streitpatent in der erteilten Fassung bestehen bleiben.
Gemäß Hauptantrag wird der erteilte Patentanspruch 1 gestrichen, so dass der erteilte Patentanspruch 2 (nunmehr Patentanspruch 1) darin als einziger nebengeordneter Erzeugnisanspruch verbleibt. Die Nummerierung und die Rückbezüge der weiteren angegriffenen Patentansprüche werden entsprechend angepasst.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, mit dem Unterschied, dass die darin genannte „… spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g …“ durch „… eine spezifische Oberfläche im Bereich von 25 m2/g bis 55 m2/g …“ ersetzt wird.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, mit dem Unterschied, dass folgendes Merkmal angefügt wird: „… und erhältlich ist durch Kalzinierung bei einer Temperatur zwischen 300 und 1000° C“.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag mit dem Unterschied, dass folgendes Merkmal angefügt wird: „… und dass diese erhältlich ist nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 11 oder 14“.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass die Obergrenze für die spezifische Oberfläche von „55 m2/g“ darin auf „51 m2/g“ herabgesetzt wird.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie verweist auf folgendes Dokument:
B1 S. Lowell und J.E. Shields, „Powder Surface Area and Porosity“, Kapitel 4, „Langmuir and BET Theories”, 1991, S. 15 bis 29.
Nach Auffassung der Beklagten ist der erteilte Patentanspruch 2 dahingehend auszulegen, dass die darin geforderte reine feste Lösung ein Synonym für die Einphasigkeit der Lösung sei, die auch nach der Kalzinierung noch bestehe.
Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin seien die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche ferner ausführbar offenbart. Die im Streitpatent angegebene BET-Methode sei universell einsetzbar und liefere daher auch bei anderen Materialien als solchen mit Adsorptionsisothermen des Typs II oder IV Ergebnisse, die - worauf es entscheidend ankomme - reproduzierbar seien.
Die Erfindung sei auch über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar offenbart. Das Streitpatent enthalte mehrere Ausführungsbeispiele, die die Herstellbarkeit anspruchsgemäßer Produkte aufzeigten. Die von der Klägerin angeführte BGH-Entscheidung „Thermoplastische Zusammensetzung“ mit ihrem Sonderfall von zwei entgegenwirkenden, noch dazu physikalischen und nicht - wie vorliegend - strukturellen Parametern sei nicht einschlägig.
Die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche seien zudem neu. Die Neuheit könne durch die Druckschrift K3 nicht in Frage gestellt werden, die selbst angebe, dass das Produkt nach einer Kalzinierung bei 1000° C für 2 Stunden mehr als eine Phase aufweise und zudem keine dotierten Ce/Zr-Mischoxide offenbare.
Daran ändere auch die in den Dokumenten K14 und K19 beschriebene Nacharbeitung der in K3 offenbarten Lehre nichts.
Bei der Druckschrift K5 handele es sich ebenfalls nicht um neuheitsschädlichen Stand der Technik, da darin weder dotierte Ce/Zr-Mischoxide offenbart seien, die nach einer Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000° C eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g besäßen, noch lägen die darin beschriebenen Zusammensetzungen in Form einer einphasigen festen Lösung vor.
Auch die K7 sei nicht neuheitsschädlich, da darin für Yttrium-dotierte Ce/ZrMischoxide angegeben werde, dass diese Systeme 2-phasig aufgebaut seien.
Die K8 offenbare keine einphasigen Ce/Zr/Al-Systeme. Auch in der von der Klägerin vorgelegten Nacharbeitung des Beispiels 4 der K8 würden die kristallinen Eigenschaften des Ce/Zr/Al-Systems nicht bestimmt. Daher stehe die K8 selbst in Kombination mit der Nacharbeitung K9 den patentgemäßen Zusammensetzungen nicht neuheitsschädlich entgegen.
Produkte in Form einer reinen festen Lösung von Ceroxid und Dotierungsmittel in Zirkoniumoxid offenbare auch die K20 nicht unmittelbar und eindeutig.
Die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche beruhten nach Ansicht der Beklagten auch auf erfinderischer Tätigkeit. Zum einen stimme das Verfahren der K3 nicht mit den im Streitpatent angegebenen Verfahren überein. Zum anderen könne auch eine Kombination der K3 mit K4 und/oder mit K10 die Erfindung nicht nahelegen, zumal die letztgenannten Druckschriften völlig andere Systeme beträfen. Der ebenfalls ein abweichendes Herstellungsverfahren beschreibenden K6 sei kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass das Vorliegen eines einphasigen Systems in einem Ce/Zr-Mischoxid von Bedeutung sei, so dass sie die Erfindung auch nicht in Kombination mit der reines Ceroxid betreffenden K10 nahelegen könne. Dies gelte ebenso für die umgekehrte Kombination beider Druckschriften. Auch die Druckschrift K20, die keine einphasigen Systeme beschreibe, liefere dem Fachmann keine Anregungen, die in Richtung der patentgemäßen Lösung weisen würden. Entsprechendes gelte für eine Kombination der K20 mit der K21.
Entscheidungsgründe I.
1. Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 b) EPÜ) sowie der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin trotz inzwischen abgelaufener Schutzdauer des Streitpatents ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung, da sie aus dem angegriffenen Teil des Streitpatents auf Rechnungslegung, Rückruf und wegen Feststellung der Schadensersatzpflicht verklagt worden ist (vgl. Klageschrift vom 31. Juli 2014, von der Klägerin im Parallelverfahren 3 Ni 5/15 vorgelegt als Anlage N4 i. V. m. K17 aus dem vorliegenden Verfahren). Der Rechtsstreit ist derzeit ausgesetzt (vgl. in der mündlichen Verhandlung als Anlage 5 vorgelegter Aussetzungsbeschluss des LG Düsseldorf vom 3. März 2016) und damit noch anhängig. Somit besteht ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81, Rdn. 41 a), b)).
2. Soweit das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt wird, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 – Carvedilol II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 82 Rdn. 119 m. w. Nachw.; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rdn. 127). In der mit Hauptantrag verteidigten Fassung hat das Streitpatent hingegen Bestand, so dass die Klage in diesem Umfang abzuweisen war.
II.
1. Das Streitpatent betrifft im Umfang der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 11 Zusammensetzungen mit einer großen spezifischen Oberfläche, die in Form einer reinen festen Lösung von Ceroxid in Zirkoniumoxid vorliegen.
Im Streitpatent wird ausgeführt, dass Ceroxid und Zirkoniumoxid zwei besonders wichtige Bestandteile in den bei der Behandlung von Auspuffgasen verwendeten „Drei-Wege-Katalysatoren“ sind. Um wirksam zu sein, müssen derartige Katalysatoren den Angaben im Streitpatent zur Folge aber selbst bei erhöhter Temperatur eine große spezifische Oberfläche aufweisen. Darüber hinaus ist es von Bedeutung, dass die Katalysatoren in Form von gemischten Oxiden oder festen Lösungen verwendet werden. Das Streitpatent weist jedoch darauf hin, dass im Stand der Technik bisher keine durch Cer stabilisierten Zirkoniumoxide bekannt sind, die diese für die Katalyse wichtigen Bedingungen erfüllen (vgl. N1, S. 1 bis S. 2, 1. Abs.).
2. Ausgehend davon liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Mischoxid auf der Basis von Zirkoniumoxid bereitzustellen, in dem das Ceroxid in fester Lösung vorliegt und welches bei höheren Temperaturen eine große spezifische Oberfläche aufweist (vgl. N1, S. 2, zweiter und dritter Abs.).
3. Zuständiger Fachmann ist ein promovierter Chemiker mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Katalyse, der mit der Entwicklung von Abgaskatalysatoren befasst ist.
4. Die Aufgabe wird durch die Zusammensetzung des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag (erteilter Patentanspruch 2) mit folgenden Merkmalen gelöst:
(1) Zusammensetzung auf der Basis von Zirkoniumoxid, die Ceroxid (2) und wenigstens ein Dotierungselement umfasst,
(3) die nach Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000°C eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g besitzt und
(4) in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und des Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vorliegt.
III.
1. Die angegriffenen Patentansprüche haben im Umfang des Hauptantrags Bestand. Der mit Schriftsatz der Beklagten vom 17. Oktober 2016 eingereichte Hauptantrag war nicht nach § 83 Abs. 4 PatG als verspätet zurückzuweisen. Mit dem neuen Hauptantrag wird der erteilte Patentanspruch 1 gestrichen, so dass der erteilte Patentanspruch 2 als einziger nebengeordneter Erzeugnisanspruch im Hauptantrag verbleibt. Im Hinblick auf seine Nebenordnung war die Klägerin jedoch gehalten, ihren Antrag auf teilweise Nichtigerklärung des Streitpatents von Anfang an auch hinsichtlich des erteilten Patentanspruchs 2 zu begründen. Dies hat sie bereits in der Klageschrift, sowie in ihrem weiteren schriftsätzlichen Vorbringen getan (vgl. Klageschrift vom 16. März 2015, Rn. 53, 57, 59, 64, 65, 79, 84, 90, 104 jew. mit ausdrücklichen Bezugnahmen auf Patentanspruch 2). Auch in der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin ausführlich zur Bestandsfähigkeit der angegriffenen Patentansprüche nach der Fassung gemäß Hauptantrag vom 17. Oktober 2016 geäußert. Eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung war damit nicht erforderlich, so dass die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 83 Abs. 4 PatG schon deshalb nicht vorliegen.
2. Nachdem die Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag den erteilten, mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüchen 2 bis 11 im Wortlaut entsprechen, ist die Anspruchsfassung nach Hauptantrag aus formalen Gründen nicht zu beanstanden.
3. Vor der Beurteilung der Patentfähigkeit ist zunächst der Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag auszulegen. Zum einen lässt der Wortlaut des Patentanspruchs den Zweck der darin genannten Kalzinierung nicht zweifels- frei erkennen und zum anderen besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten Uneinigkeit darüber, ob die beanspruchten Zusammensetzungen auch nach der Kalzinierung in Form einer reinen festen Lösung vorliegen.
Um den Sinngehalt des geltenden Patentanspruchs 1 ermitteln zu können, sind dessen Merkmale hierfür funktionsorientiert auszulegen. Das heißt, dass Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs so zu deuten sind, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 14 Rdn. 30). Von der Maßgeblichkeit der Patentansprüche ausgehend wird der Fachmann einen Patentanspruch daher stets unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen auslegen (vgl. § 14 S. 2 PatG). Dabei wird er berücksichtigen, dass die Patentansprüche und der sie erläuternde Beschreibungstext eine zusammengehörige Einheit bilden, die der Durchschnittsfachmann als sinnvolles Ganzes so zu interpretieren sucht, dass sich Widersprüche nicht ergeben (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 14 Rdn. 11 und 20 m. w. H.).
3.1 Den erteilten Verfahrensansprüchen 12 und 15 entnimmt der Fachmann, dass bei der Herstellung der patentgemäßen Zusammensetzungen als letzter Schritt eine Kalzinierung vorgesehen ist. Im Gegensatz dazu lehrt die Beschreibung der Streitpatentschrift den Fachmann, dass das patentgemäße Herstellungsverfahren mit der Gewinnung des Niederschlags am Ende der Reifung beendet ist, da der daran anschließende Schritt der Kalzinierung in der Beschreibung nur mehr als optionaler Schritt beschrieben wird (vgl. N1, S. 10, erster vollständiger Abs., erster Satz). Um diesen Widerspruch aufzuklären, wird der Fachmann die Beschreibung der Streitpatentschrift eingehender studieren. Dabei erfährt er, dass das Streitpatent mit der finalen Kalzinierung eine Art Simulation derjenigen Bedingungen beabsichtigt, denen die patentgemäßen Zusammensetzungen während ihrer praktischen Verwendung später ausgesetzt sind. Dies ist daraus ersichtlich, dass das Streitpatent die Kalzinierung als eine Möglichkeit erachtet, die es gestattet, sowohl die Kristallinität als auch die spezifischen Oberflächen der patentgemäßen Zusammensetzungen vorab entwickeln bzw. einstellen zu können, um so eine nachträgliche Veränderung der Kristallstruktur bei den patentgemäßen Zusammensetzungen während ihres späteren technischen Einsatzes vermeiden zu können (vgl. N1, S. 10, erster vollständiger Abs.). Auch bei der Angabe eines für die Kalzinierung geeigneten Temperaturbereichs orientiert sich das Streitpatent an den Bedingungen, denen die patentgemäßen Zusammensetzungen in der Praxis ausgesetzt sind (vgl. N1, S. 10, dritter Abs.). Ergänzend dazu entnimmt der Fachmann den in der Beschreibung der Streitpatentschrift gezeigten Ausführungsbeispielen 1 bis 6, dass eine kurze Kalzinierungsdauer von 1 bis 2 Stunden nicht den Praxisbedingungen entspricht, da die Kristallstruktur sowie die spezifischen Oberflächen in den Ausführungsbeispielen erst dann bestimmt werden, wenn die Produkte 6 Stunden kalziniert wurden (vgl. N1, S. 13 bis 15, Bsp. 1 bis 6). Aus der Summe dieser Informationen ergibt sich für den Fachmann somit, dass es sich bei dem im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag genannten Schritt der Kalzinierung nicht um einen Herstellungsschritt, sondern um eine Art Test- oder Präkonditionierungsschritt handelt.
3.2 Im Hinblick auf die Frage, ob die patentgemäßen Zusammensetzungen auch nach der Kalzinierung als reine feste Lösung vorliegen, ist zunächst festzustellen, dass der Patentanspruch 1 des Hauptantrags inhaltlich dem in französischer Sprache erteilten Patentanspruch 2 entspricht, so dass – anders als von der Klägerin angenommen - nach wie vor die französische Version des Patentanspruchs die maßgebliche Fassung für dessen Interpretation darstellt (vgl. Schulte, 9. Auflage, PatG, § 14 Rdn. 19). Der französische Wortlaut lässt erkennen, dass die patentgemäßen Zusammensetzungen nach einer Kalzinierung bei 1000° C für 6 Stunden nicht nur eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g aufweisen, sondern außerdem in Form einer reinen festen Lösung vorliegen. Dies ergibt sich aus der Satzsemantik. Denn die beiden im kennzeichnenden Teil genannten Personalpronomen „elle“ können sich nur auf die im Oberbegriff genannte „composition“ beziehen, da der Patentanspruch ausschließlich deren Definition dient und der Oberbegriff kein weiteres weibliches Substantiv enthält. Einen entsprechenden Sinngehalt vermittelt im Übrigen auch die englische Version dieses Patentanspruchs (vgl. N0, Sp. 12, Anspruch 2 und Sp. 15, Anspruch 2).
Das Vorliegen der patentgemäßen Zusammensetzungen als reine feste Lösung nach der Kalzinierung ergibt sich überdies aus den Ausführungsbeispielen der Streitpatentschrift. So wird in allen sechs Beispielen erst im letzten Satz eines jeden Beispiels auf die reine Feststofflösungs-Phase der erhaltenen Mischoxide hingewiesen (vgl. N1, S. 13 bis 15, Bsp. 1 bis 6). Die Platzierung dieser Aussage am Ende eines jeden Beispiels sowie die Tatsache, dass in den Beispielen nur eine einzige Röntgenstrahlbeugungsanalyse vorgesehen ist, machen deutlich, dass die Kristallstruktur der Zusammensetzungen nach Beendigung sämtlicher, in den Beispielen genannter verfahrenstechnischer Maßnahmen und damit erst nach der Kalzinierung bei 1000° C für 6 Stunden ermittelt werden. Hinzu kommt, dass – wie bereits zuvor unter Gliederungspunkt III.3.1 ausgeführt – die abschließende 6stündige Kalzinierung dazu dient, die patentgemäßen Zusammensetzungen unter realen Bedingungen zu testen bzw. sie auf diese einzustellen. Folglich sind für den Fachmann die kristallinen Eigenschaften der patentgemäßen Ce/Zr-Mischoxide zu diesem Zeitpunkt von besonderem Interesse, da nur sie Aufschluss darüber geben können, ob sich die Zusammensetzungen des Streitpatents letztendlich als Katalysatoren eignen oder nicht (vgl. N1, S. 2, zweiter und dritter Abs.).
Zu einer anderen Auslegung des geltenden Patentanspruchs 1 gibt auch die in der Streitpatentschrift enthaltene Definition des Begriffs „reine feste Lösung“ keinen Anlass. Denn die darin genannte Verknüpfung der Röntgenstrahlbeugungsspektren mit der Identifizierung der reinen festen Lösung unterstreicht einmal mehr, dass das Vorliegen der patentgemäßen Zusammensetzungen in Form einer reinen festen Lösung nur auf diese Weise festgestellt werden kann, was unter Einbeziehung der Beispiele nach der Kalzinierung erfolgt (vgl. N1, S. 4, erster und zweiter Abs.). Der Auffassung der Klägerin, dass die Einphasigkeit der patentgemäßen Zusammensetzungen unabhängig von der 6-stündigen Kalzinierung der patentgemäßen Zusammensetzungen vorliegt, kann aus den genannten Gründen somit nicht gefolgt werden.
Der Einwand der Klägerin, die im geltenden Patentanspruch 1 genannte Temperatur von 1000° C sei für den Erhalt der festen Lösung nicht von Bedeutung, so dass eine Verknüpfung der beiden Merkmale nicht erforderlich sei, vermag nicht zu überzeugen. Denn ergänzend zu den vorangegangenen Ausführungen ist darauf hinzuweisen, dass die Lehre des Streitpatents auf der Kenntnis beruht, dass es sich in der Katalyse als vorteilhaft erweist, wenn Ceroxid und Zirkoniumoxid im Katalysator nicht in getrennter Form, sondern in Form eines echten Mischoxids vorliegen (vgl. N1, S. 1, zweiter Abs. i. V. m. S. 2, erster Abs.). Daraus ergibt sich auch aus rein technischer Sicht die Schlussfolgerung, dass die patentgemäßen Zusammensetzungen nach der im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag genannten Kalzinierung in Form einer reinen festen Lösung vorliegen müssen, da der Fachmann mit der patentgemäßen Lösung das Ziel verfolgt, ein Entmischen der Bestandteile in den patentgemäßen Zusammensetzungen grundsätzlich zu vermeiden (vgl. N1, S. 1, vorletzter Abs.).
4. Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Art. 83 EPÜ).
4.1 Das Streitpatent enthält ausreichende Angaben darüber, wie der Fachmann die spezifische Oberfläche bestimmen kann.
Eine Erfindung ist ausführbar, wenn ein Fachmann anhand der im Streitpatent enthaltenen Angaben unter gleichzeitigem Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die offenbarte technische Lehre praktisch zu verwirklichen, wobei die Erfindung nicht buchstabengetreu realisierbar sein muss, sondern es ausreicht, dass der Fachmann anhand der Offenbarung das erfindungsgemäße Ziel in praktisch ausreichendem Maße erreichen kann (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 34 Rdn. 338, 349, 350).
Mit der im Streitpatent genannten BET-Methode gibt das Streitpatent dem Fachmann ein etabliertes, in der Fachwelt bekanntes Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Katalysatoren an die Hand, welches hierfür schon viele Jahre vor dem für das Streitpatent maßgeblichen Zeitpunkt als Standardverfahren verwendet wurde (vgl. K1). In der Druckschrift K1 findet sich zwar der Hin- weis, dass mit dieser Methode die spezifische Oberfläche von Katalysatoren mit einer Adsorptionsisotherme vom Typ II oder IV bestimmt wird (vgl. K1, S. 1140, linke Spalte, Punkt 1). Trotz dieses Hinweises hat der Fachmann allerdings keinen Zweifel daran, dass mit dieser Methode auch die spezifischen Oberflächen von Katalysatoren bestimmt werden können, die davon abweichend einem anderen der sechs möglichen Isothermentypen zuzuordnen sind (vgl. K2, S. 4, Fig. 1.1), da ihm die BET-Methode als eine nahezu universell einsetzbare Methode bekannt ist (vgl. B1, S. 25 bis 27, Punkt 4.6). Hiervon geht der Fachmann auch deshalb aus, weil in der Fachwelt ohne Kenntnis des Isothermentyps zur Bestimmung der spezifischen Oberflächen stets die BET-Methode angewendet wird (vgl. z. B. K4b, S. 5, Z. 10 bis 14 oder K7, S. 360, re. Sp., Punkt 2.2, erster Satz). Wie der vorliegend zitierte Stand der Technik belegt, ändert daran selbst die Tatsache nichts, dass der Fachwelt grundsätzlich noch andere Methoden zur Bestimmung der spezifischen Oberflächen zur Verfügung stehen (vgl. B1a, S. 44, erster Abs.). Der Einwand, mit dieser Methode könnten nur theoretische Werte für die spezifischen Oberflächen berechnet werden, nicht aber die realen Werte, ändert an der breiten Anwendung der BET-Methode nichts, da damit auf der Basis von standardisierten theoretischen Werten reproduzierbare Daten ermittelt und so eine Grundlage geschaffen wird, auf der die BET-spezifischen Oberflächen von Katalysatoren miteinander verglichen werden können (vgl. K2, S. v, zweiter Abs., zweiter Satz). Mit der BET-Methode beschreibt das Streitpatent daher ein in praktisch ausreichendem Maße zuverlässiges Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Oberfläche, mit dem der Fachmann allein unter Einsatz seines Fachwissens selbst dann in der Lage ist, die spezifischen Oberflächen der patentgemäßen Zusammensetzungen zu ermitteln, wenn nicht alle Zusammensetzungen eine Adsorptionsisotherme vom Typ II oder IV aufweisen. Eine Berücksichtigung der Stellungnahme im Dokument K15 führt aus den zuvor genannten Gründen daher zu keinem anderen Ergebnis (vgl. K15, S. 17, erster Abs.).
4.2 Die Erfindung ist auch über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar offenbart.
Zwar wird im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag mit dem Merkmal „…die ….eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g besitzt“ ein nach oben offener Bereich beansprucht, der eine unbegrenzte und damit eine ins Unendliche gehende spezifische Oberfläche umfasst. Der Senat folgt der Klägerin grundsätzlich auch darin, dass das Streitpatent, welches in den Ausführungsbeispielen lediglich Oberflächenwerte von 29 bis 51 m2/g offenbart, keinen Weg aufzeigt, wie solche unbegrenzten Werte erreicht werden können. Die sich damit stellende Frage, ob der Patentschutz jedenfalls ab einem Bereich, in dem sehr große spezifische Oberflächen nicht mehr plausibel erscheinen, unzulässig verallgemeinert worden ist, muss indes verneint werden.
Grundsätzlich ist es dem Anmelder unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen. Enthält ein Patentanspruch eine verallgemeinernde Formulierung, kann dies allerdings dazu führen, dass sie auch Ausführungsformen umfasst, die in der Beschreibung nicht konkret angesprochen sind. Daraus folgt jedoch nicht notwendiger Weise, dass die Erfindung insgesamt oder teilweise nicht mehr so offenbart ist, dass der Fachmann sie ausführen kann. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls (BGH GRUR 2013, 1210, Rn. 15 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren). Eine generalisierende Formulierung in einem Patentanspruch verstößt jedoch dann gegen das Gebot deutlicher und vollständiger Offenbarung, wenn sie den durch das Patent geschützten Bereich über die erfindungsgemäße, dem Fachmann in der Beschreibung an die Hand gegebene Lösung hinaus verallgemeinert (vgl. BGH a. a. O., Rn. 18; GRUR 2010, 414, Rn. 23 – Thermoplastische Zusammensetzung; GRUR 2013, 272, Rn. 28 – Neurale Vorläuferzellen II). Ob die Fassung eines Patentanspruchs, die eine Verallgemeinerung enthält, zulässig ist, richtet sich mithin im Einzelfall danach, ob damit ein Schutz begehrt wird, der über dasjenige hinausgeht, was dem Fachmann unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre erscheint,
durch die das der Erfindung zugrunde liegende Problem gelöst wird (BGH, a. a. O., Rn. 21 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
Vorliegend geht der Patentschutz unter Berücksichtigung der Grundsätze der BGH-Entscheidung „Thermoplastische Zusammensetzung“ nicht über den vom Streitpatent geleisteten Beitrag zum Stand der Technik hinaus. Der zuvor genannten Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass ein einseitig offener Bereich durch zwei einander entgegenwirkende Parameter definiert wurde, ohne dass die sich aus dem Zusammenwirken der Parameter ergebenden Schranken offenbart waren (BGH, a. a. O., Rn. 23). Mit dem in der dortigen Patentschrift offenbarten Herstellungsverfahren konnten zudem nicht alle zu diesem Bereich gehörenden Kombinationen erzeugt werden. Im entschiedenen Fall wurde allenfalls die Möglichkeit gesehen, dass diese in der Zukunft, etwa auf Grund verbesserter Polyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzungen oder eines verbesserten Kompatibilisierungsverfahrens, erreicht werden können. Es wurde daher festgestellt, dass das Streitpatent keinen Weg aufzeige, wie der Fachmann die beanspruchten Stoffe in die Hand bekommen könne (BGH, a. a. O., Rn. 22). Der Bundesgerichtshof hat es jedoch als für die Ausführbarkeit ausreichend angesehen, dass in den Patentanspruch die Merkmale des (offenbarten) Herstellungsverfahrens aufgenommen worden sind. Hierdurch werde der durch das Patent gewährte Schutz auf solche Zusammensetzungen beschränkt, die der Fachmann in die Hand bekommen könne, indem er das Herstellungsverfahren anwende. Die ausführbare Offenbarung reiche damit so weit, wie sie sich aus dem Herstellungsverfahren ergebe (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 25).
Auch vorliegend enthält der Patentanspruch 1 des Hauptantrags einen der offenen Bereichsangabe „von wenigstens 25 m2/g“ entgegenwirkenden Parameter. So verlangt der Patentanspruch, dass die patentgemäßen Zusammensetzungen zugleich in Form einer reinen festen Lösung vorliegen. Dieser für die patentgemäßen Zusammensetzungen geforderte kristalline Aufbau steht jedoch im Widerspruch zu den großen spezifischen Oberflächen des geltenden Patentanspruchs 1, denn wie das Streitpatent selbst angibt, ist eine reine feste Lösung von Ceroxid in Zirkoni- umoxid mit einer großen spezifischen Oberfläche nicht vereinbar (vgl. N1, S. 1, dritter Abs. bis S. 2, erster Abs.). Hinzu kommt, dass – ähnlich wie bei der BGHEntscheidung „Thermoplastische Zusammensetzung“ – vorliegend durch die entgegenwirkenden Parameter keine Schranken offenbart werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die morphologische Erscheinungsform der patentgemäßen Zusammensetzungen keinen Parameter darstellt, mit dessen Hilfe die spezifische Oberfläche reguliert bzw. begrenzt werden kann, sondern lediglich einen Parameter zur allgemeinen strukturellen Klassifizierung der patentgemäßen Zusammensetzungen. Demnach würde eine wie auch immer festgelegte Höchstgrenze für die spezifische Oberfläche im vorliegenden Fall den Schutz für die erfinderische Leistung entweder unangemessen verkürzen oder ihn ungerechtfertigt in den Bereich des spekulativ Beanspruchten ausweiten.
Der Bundesgerichtshof hat es im Fall „Thermoplastische Zusammensetzung“ mit Blick auf eben diese Problematik für die Ausführbarkeit ausreichen lassen, dass die beanspruchten Erzeugnisse durch die Angabe des Herstellungsverfahrens charakterisiert werden. Damit reiche die ausführbare Offenbarung so weit, wie sie sich aus dem Herstellungsverfahren ergebe (vgl. BGH a. a. O., Rn. 25). In Weiterführung dieser Auslegung des gesetzlichen Erfordernisses der ausführbaren Offenbarung hält es der Senat daher für sachgerecht, die erforderliche Begrenzung des Schutzbereichs auch durch andere Merkmale als durch die Angabe des Herstellungsverfahrens vornehmen zu können, sofern damit dem vom Bundesgerichtshof betonten Erfordernis genügt wird, dass der mögliche Patentschutz durch den Beitrag zum Stand der Technik begrenzt wird.
Vorliegend wird die erforderliche Begrenzung durch den im geltenden Patentanspruch 1 enthaltenen Kalzinierungsschritt gewährleistet. Dabei handelt es sich zwar nicht, wie im Fall „Thermoplastische Zusammensetzung“ gefordert, um einen Herstellungsschritt, sondern vielmehr – wie bereits zuvor unter dem Gliederungspunkt III.3.1 ausgeführt – um eine Art Kontroll- oder Präkonditionierungsschritt, der unabhängig vom Herstellungsverfahren durchgeführt wird. Obwohl dieser Schritt somit keinen Einfluss auf die Herstellung des Produktes hat, handelt es sich dabei aber dennoch um eine verfahrenstechnische Maßnahme, die – worauf es ankommt – eine betreffend die Größe der spezifischen Oberfläche begrenzende Wirkung entfaltet. Denn durch die Kalzinierung, d.h. die thermische Behandlung der patentgemäßen Zusammensetzungen bei 1000° C für 6 Stunden, kommt es in den porösen Zusammensetzungen des geltenden Patentanspruchs 1 zum teilweisen Verschmelzen von Poren und damit zu einer Verringerung der Porenzahl, was zwangsläufig zu einer Verkleinerung der spezifischen Oberfläche führt. Im Streitpatent selbst wird dieser Effekt dadurch beschrieben, dass die spezifische Oberfläche des Produkts umso geringer ist, je höher die verwendete Kalzinierungstemperatur gewählt wird (vgl. N1, S. 10, erster vollständiger Abs., zweiter Satz). Dieser physikalische Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Anzahl an offenen Poren gewährleistet somit eine Limitierung der Größe der spezifischen Oberfläche bei den patentgemäßen Ce/Zr-Mischoxiden. Dass diese Limitierung nicht bereits während der Herstellung der patentgemäßen Zusammensetzungen erfolgt, sondern erst in einem daran anschließenden Test- oder Präkonditionierungsschritt oder sogar erst beim technischen Einsatz der patentgemäßen Zusammensetzungen, spielt dabei keine Rolle. Ausschlaggebend ist unter Berücksichtigung der BGH-Entscheidung „Thermoplastische Zusammensetzung“ lediglich die Tatsache, dass die Zusammensetzungen der im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag genannten Kalzinierung unterzogen werden und danach eine tatsächlich ins Unendliche gehende spezifische Oberfläche schon naturgesetzlich nicht mehr möglich ist. Vielmehr kann die beanspruchte spezifische Oberfläche dann nur so groß sein, wie es der Kalzinierungsschritt zulässt.
Folglich wird mit den patentgemäßen Zusammensetzungen, die die Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag aufweisen, einerseits den berechtigten Interessen der Patentinhaberin Rechnung getragen, die den Stand der Technik dadurch bereichert, indem sie thermisch stabile Ce/Zr-Mischoxide mit einer großen spezifischen Oberfläche bereitstellt. Andererseits ist sichergestellt, dass der Schutz nur für solche Zusammensetzungen beansprucht wird, die sich unter Einhaltung des patentgemäßen Kalzinierungsschritts im Hinblick auf deren spezifische Oberflächen auch praktisch realisieren lassen.
5. Die Zusammensetzungen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag, die wie bereits zuvor unter Gliederungspunkt III.3.1 festgestellt – aus Cer, Zirkonium und einem weiteren Dotierungselement bestehen und nach einer Kalzinierung für 6 Stunden bei 1000° C nicht nur eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g aufweisen, sondern auch in Form einer reinen festen Lösung vorliegen, werden durch den zitierten Stand der Technik nicht neuheitsschädlich getroffen.
5.1 Einarsdóttir et al. berichten in der K3 von einem mit Yttrium dotierten Zirkoniumoxid sowie unabhängig davon von einem mit 12 mol% Ceroxid dotierten Zirkoniumoxid (vgl. K3, S. 55, zweiter Abs., vorletzter Satz und dritter Abs., S. 58, erster Abs., letzter Satz und S. 59, Punkt 4.). Ein Zirkoniumoxid, welches neben Cer oder Yttrium noch ein weiteres Element als Dotierungsmittel enthält, wird in der K3 dagegen nicht erwähnt. Folglich offenbart die K3 keine Zusammensetzungen mit dem patentgemäßen Merkmal (2). Daran ändern auch die als Dokument K14 und K19 vorgelegten Nacharbeitungen des in der K3 beschriebenen Experiments nichts.
5.2 Im Dokument K5 bzw. dessen deutschsprachiger Version K5a werden Zusammensetzungen auf der Basis von Zirkonium und Cerium beschrieben, die zusätzliche Dotierelemente enthalten (vgl. K5a, Ansprüche 8 bis 10 und 14). Ferner finden sich darin Angaben dazu, welche spezifischen Oberflächen die zuvor genannten Zusammensetzungen nach ihrer Kalzinierung besitzen. In Bezug auf die Kalzinierung sieht die K5a grundsätzlich Temperaturen von 700 bis 1000° C vor (vgl. K5a, Ansprüche 11 und 12). Über die Dauer der Kalzinierung geben in der K5a die Beispiele Auskunft, in denen einheitlich eine Dauer von 6 Stunden eingehalten wird (vgl. K5a, S. 5 bis 7, Bsp. 1 bis 11). Die Kombination von 1000° C für 6 Stunden wird in der K5a allerdings nur in Verbindung mit der Kalzinierung eines nicht weiter dotierten Ce/Zr-Mischoxids offenbart, welches eine spezifische Oberfläche von 15 m2/g aufweist (vgl. K5a, S. 5, re. Sp., vorletzter Abs.). Demzufolge ist der K5a das patentgemäße Merkmal (3) nicht zu entnehmen.
5.3 Die Druckschrift K7 beschreibt Zirkoniumoxide, die mit Yttrium und Cerium dotiert sind und nach dem Sintern einphasig im tetragonalen Kristallgitter des Zirkoniumoxids vorliegen (vgl. K7, S. 359, Abstract und S. 364, Punkt 4). Beim Sintern handelt es sich ausweislich der Angaben in K7 um einen Alterungsschritt, der vor der Kalzinierung durchgeführt wird und daher nicht mit dieser gleichgesetzt werden kann (vgl. K7, S. 361, Tabellen 3 und 4 und S. 362, Tabelle 6). Die Autoren der K7 belegen dies, indem sie davon berichten, dass sich die verschiedenen thermischen Behandlungen unterschiedlich auf die kristalline Struktur der Ce/ZrMischoxide auswirken. So weist das in K7 beispielhaft genannte 4Y4Ce-Zirko-niumoxidpulver nach der Kalzinierung neben einer tetragonalen Phase noch einen kleinen Anteil an einer monoklinen Phase auf und liegt damit – anders als das gesinterte Pulver – in einer zweiphasigen Form vor (vgl. K7, S. 361/362, seitenübergreifender Abs. i. V. m. Fig. 4 und Tabelle 6). Hinzu kommt, dass das 4Y4CeZirko-niumoxidpulver in der K7 zwar u. a. bei 1000° C kalziniert wird und danach eine spezifische Oberfläche von 42 m2/g aufweist, sich in der Druckschrift aber keine Angaben dazu finden, über welchen Zeitraum diese Kalzinierung durchgeführt wird (vgl. K7, S. 361, Tabelle 3). Somit offenbart die K7 weder die im patentgemäßen Merkmal (3) vorgesehene Kalzinierung bei 1000° C für 6 Stunden, die zu spezifischen Oberflächen von wenigstens 25 m2/g führt, noch die Einphasigkeit, die sich entsprechend dem patentgemäßen Merkmal (4) bei Ce/Zr-Mischoxiden mit einem weiteren Dotierungsmittel unter diesen Bedingungen einstellt. Folglich handelt es sich auch bei der K7 nicht um neuheitsschädlichen Stand der Technik.
5.4 Die K8 bzw. deren deutschsprachiges Pendant K8a offenbart im Beispiel 4 ein mit 15 Gew.-% Aluminiumoxid dotiertes Ce/Zr-Mischoxid, welches nach einer Kalzinierung bei 900° C für 6 Stunden eine spezifische Oberfläche von 39 m2/g aufweist (vgl. K8a, S. 15, Z. 5 bis 14). Angaben dazu, welche spezifische Oberfläche das Ce/Zr/Al-Mischoxid nach einer Kalzinierung bei 1000° C für 6 Stunden besitzt, enthält das Beispiel 4 nicht, obwohl die K8a grundsätzlich Temperaturen zwischen 700 und 1000° C für die Kalzinierung vorsieht (vgl. K8a, Ansprüche 18 und 19). Die Eigenschaften des patentgemäßen Merkmals (3) lassen sich für das Ce/Zr/Al-Mischoxid des Beispiels 4 auch aus der allgemeinen Beschreibung der K8a nicht unmittelbar und eindeutig ableiten. In der Beschreibung wird zwar angegeben, dass die spezifischen Oberflächen der darin genannten Zusammensetzungen u. a. bei mindestens 40 m2/g liegen, wenn diese auf 900° C erwärmt werden (vgl. K8a, S. 10, Z. 28 bis 33). Diese allgemeine Vorgabe, die durch die im Beispiel 4 genannte spezifische Oberfläche von 39 m2/g im Wesentlichen bestätigt wird, lässt allerdings keine Rückschlüsse auf den Umfang zu, in dem sich die spezifische Oberfläche des Ce/Zr/Al-Mischoxids bei einer 6-stündigen thermischen Behandlung reduziert, bei der an Stelle von 900° C eine Temperatur von 1000° C verwendet wird. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass der K8a keine Daten zu entnehmen sind, die erkennen lassen, ob die spezifische Oberfläche bei einer Erhöhung der Kalzinierungstemperatur um 100° C von 900 auf 1000° C linear, stufenweise oder sprunghaft abnimmt.
Auch das patentgemäße Merkmal (4), betreffend eine reine feste Lösung, kann aus der Offenbarung der K8a nicht abgeleitet werden. In der K8a ist zwar wiederholt von einer festen Lösung die Rede (vgl. K8a, Anspruch 36 i. V. m. S. 2/3, seitenübergreifender Abs. und S. 11, zweiter Abs.). Diese wird in der K8a aber nicht expressis verbis als einphasig beschrieben. Die die Lehre der K8a erläuternden Produkte der Beispiele 1 und 2 weisen nach ihrer Kalzinierung bei 900° C für 6 Stunden vielmehr zwei deutlich unterscheidbare feste Lösungsphasen auf (vgl. K8a, S. 13, Z. 16 bis 22 und S. 14, Z. 20 bis 27). Die weiteren Beispiele 3 und 4 enthalten keine eigenen Angaben zur kristallinen Struktur der darin beschriebenen Mischoxide. Nachdem diese jedoch Wiederholungen des Beispiels 1 darstellen, kann auch in ihnen keine Offenbarung für eine einphasige feste Lösung gesehen werden. Hierfür bietet selbst die in K8a enthaltene Erklärung für die Zweiphasigkeit der Systeme keine Grundlage, die mit einem erhöhten Cergehalt begründet wird, da die hierfür verantwortliche Menge an Cer in K8a nicht definiert wird (vgl. K8a, S. 11, Z. 15 bis 19). Somit kann nur darüber spekuliert werden, ob die Aufnahme von 15 Gew.-% Al2O3 im Beispiel 4 dazu führt, dass dadurch der im Beispiel 1 verwendete Anteil von 30% CeO2 soweit reduziert wird, dass das Ce/Zr/AlMischoxid des Beispiels 4 – anders als das Ce/Zr-Mischoxid des Beispiels 1 – nicht in Form zweier fester Lösungsphasen, sondern nunmehr einphasig und damit als reine feste Lösung im Sinne des patentgemäßen Merkmals (4) vorliegt.
Darüber kann auch deshalb nur spekuliert werden, weil die im Beispiel 4 erfolgte Aufnahme von 15 Gew-% Al2O3 nicht zwangsläufig dazu führt, dass sich die Stöchiometrie der Zusammensetzung des Beispiels 1 – von der das Beispiel 4 ausgeht – von 70 Gew.-% ZrO2 und 30 Gew.-% CeO2 zu 70 Gew.-% ZrO2, 15 Gew.-% CeO2 und 15 Gew.-% Al2O3 verschiebt. So geht die Klägerin selbst in ihrer als Dokument K9 vorgelegten Nacharbeitung des Beispiels 4 der K8a davon aus, dass bei einem Anteil von 15 Gew.-% Al2O3 das Ce/Zr-Mischoxid aus 59,5 Gew.-% ZrO2 und 25,5% Gew.-CeO2 besteht (vgl. K9, S. 2, Abs. „Calculations of Composition by weight“). Dies bedeutet allerdings, dass sich der Cergehalt im Mischoxid des Beispiels 4 gegenüber dem 2-phasigen Mischoxid des Beispiels 1 nur um 4,5 Gew.-% verringert. Ob eine derartige Verringerung des Cergehalts für den Erhalt eines einphasigen Ce/Zr/Al-Mischoxids ausreicht, geht aus der Offenbarung der K8a jedoch nicht hervor.
Die Klägerin hat das Beispiel 4 der K8a daher – wie bereits zuvor angesprochen – im Dokument K9 nachgearbeitet, da zur impliziten Offenbarung einer Druckschrift auch dasjenige gehört, was sich für den Fachmann bei der Nacharbeitung der darin beschriebenen Lehre als ausführbar ergibt (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 3 Rdn. 101 f.). Das nachgearbeitete Ce/Zr/Al-Mischoxid weist nach einer Kalzinierung bei 900°C für 6 Stunden, abhängig von der jeweils angewendeten Methode, eine spezifische Oberfläche von 36,74 bzw. 37,38 m2/g auf (vgl. K9, S. 3, Tabelle „Results“, mittlere Sp.). Dieser Wert stimmt mit dem für das Ce/Zr/Al-Mischoxid in K8a gemessenen Wert von 39 m2/g zwar nicht völlig überein, kommt diesem aber sehr nahe. Dieses Ergebnis kann somit als Beleg dafür gewertet werden, dass es sich bei dem nachgearbeiteten Mischoxid um ein Ce/Zr/Al-Mischoxid entsprechend dem Beispiel 4 der K8a handelt (vgl. K8a, S. 15, Beispiel 4). Darüber hinaus wird das nachgearbeitete Ce/Zr/Al-Mischoxid entsprechend dem patentgemäßen Merkmal (3) bei 1000° C für 6 Stunden kalziniert und danach eine spezifische Oberfläche von 34,54 bzw. 35,38 m2/g ermittelt (vgl. K9, S. 3, Tabelle „Results“, re. Sp.). Damit mag die Klägerin einen Beweis dafür erbracht haben, dass das Ce/Zr/Al-Mischoxid des Beispiels 4 der K8a die patentgemäßen Merkmale (1) bis (3) aufweist. Nachdem allerdings die kristallinen Eigenschaften des Ce/Zr/Al- Mischoxids nicht bestimmt werden, kann selbst unter Berücksichtigung der Nacharbeitung K9 nicht festgestellt werden, ob die Druckschrift K8a im Beispiel 4 ein Ce/Zr/Al-Mischoxid offenbart, welches in Form einer reinen festen Lösung vorliegt und somit auch das patentgemäße Merkmal (4) erfüllt. Folglich werden die Zusammensetzungen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch die Druckschrift K8a selbst unter Berücksichtigung der Nacharbeitung K9 nicht neuheitsschädlich getroffen.
5.5 Auch das Dokument K20 beschreibt kein dotiertes Ce/Zr-Mischoxid, welches sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag aufweist.
In der K20 werden für die Abgasreinigung geeignete, thermisch stabile Katalysatorzusammensetzungen offenbart (vgl. K20, S. 4, dritter Abs.). Die katalytisch aktiven Zusammensetzungen der K20 bestehen u. a. aus Zirkoniumoxidteilchen, die durch die Zugabe von Ceroxid und Yttriumoxid stabilisiert werden (vgl. K20, S. 9/10, seitenübergreifender Abs. i. V. m. den Ansprüchen 2 und 4). Zur Charakterisierung dieser Mischoxide werden neben anderen Eigenschaften auch deren spezifische Oberfläche und kristalline Struktur bestimmt. Für das im Beispiel 16 (Probe 8) genannte Ce/Zr/Y-Mischoxid offenbart die K20 nach seiner Kalzinierung bei 1000° C für 10 Stunden eine spezifische Oberfläche von 23,1 m2/g. In Bezug auf die Kristallstruktur des Ce/Zr/Y-Mischoxids wird ausgeführt, dass dessen Röntgenbeugungsdiagramm einen Hauptpeak aufweist, der für ein im tetragonalen Gitter kristallisiertes Zirkoniumoxid steht (vgl. K20, S. 28, letzter Abs. i. V. m. Tabelle 8, Probe 8). Damit offenbart die K20 allerdings kein Ce/Zr/Y-Mischoxid, welches nach einer 6-stündigen Kalzinierung bei 1000° C in Form einer reinen festen Lösung vorliegt und eine spezifische Oberfläche von wenigstens 25 m2/g aufweist.
Ein mit einem weiteren Element dotiertes Ce/Zr-Mischoxid, das die patentgemäßen Merkmale (3) und (4) aufweist, entnimmt der Fachmann der Offenbarung der K20 selbst unter Berücksichtigung von Abwandlungen nicht, die sich ihm aus dem Gesamtzusammenhang der Schrift bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass er sie in Gedanken gleich mitliest (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 3 Rdn. 93 und 94 und BGH GRUR 1995, 330, 2. Ls. – Elektrische Steckverbindung).
In Bezug auf das patentgemäße Merkmal (3) vertritt die Klägerin die Auffassung, dass der Fachmann die in der K20 anhand der BET-Methode ermittelten Werte für die spezifische Oberfläche aufgrund der Ungenauigkeit der Methode um einen Faktor von etwa 10% – wie in der von der Klägerin während der mündlichen Verhandlung als Anlage 1 vorgelegten Druckschrift festgestellt – korrigiere und daher den Wert des Beispiels 16 (Probe 8) gedanklich von 23,1 auf ca. 25,41 m2/g erhöhe (vgl. K20, S. 31, Tabelle 8, Probe 8, letzte Sp.). Dem kann nicht zugestimmt werden. Aus der Offenbarung der K20 ist zum einen nicht ersichtlich, ob eine solche Korrektur der darin angegebenen Werte für die spezifische Oberfläche nachträglich überhaupt erforderlich ist und zum anderen ist für den Fachmann nicht erkennbar, ob der in K20 angegebene Wert nach oben oder nach unten zu korrigieren ist. Aufgrund dessen liest der Fachmann eine spezifische Oberfläche von 25,41 m2/g für das Ce/Zr/Y-Mischoxid des Beispiels 16 (Probe 8) in der K20 nicht mit.
Eine spezifische Oberfläche in der Größenordnung des patentgemäßen Merkmals (3) ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Druckschrift K20 für den fachkundigen Leser selbst dann nicht unmittelbar und eindeutig, wenn dieser aus den darin gezeigten Angaben für ihn selbstverständliche Rückschlüsse zieht. Der fachkundige Leser geht aufgrund seiner Fachkenntnis zwar davon aus, dass sich die im Beispiel 8 für ein Ce/Zr-Mischoxid bei einer Kalzinierungstemperatur von 900° C ermittelte spezifische Oberfläche von 42 m2/g bei einer Erhöhung der Kalzinierungstemperatur verringert. Zugleich entnimmt er der Druckschrift K20, dass Ce/Zr-Mischoxide mit Yttrium als Dotierungsmittel wirkungsvoll stabilisiert werden (vgl. K20, S. 9/10, seitenübergreifender Abs.). Bei einer Betrachtung des Gesamtinhalts der K20 wird er daher erkennen, dass sich die spezifische Oberfläche eines bei 1000° C kalzinierten Ce/Zr/Y-Mischoxids gegenüber einem bei 900°C kalzinierten Ce/Zr-Mischoxids ohne Dotierungsmittel um ca. 50% reduziert, da das Ce/Zr/Y-Mischoxid des Beispiels 16 mit 23,1 m2/g gegenüber dem Ce/Zr- Mischoxid des Beispiels 8 mit 42 m2/g eine um ca. 50% verringerte spezifische Oberfläche aufweist.
Aber selbst unter Einbeziehung dieser Erkenntnis muss der Fachmann die Offenbarung der K20 durch sein Fachwissen ergänzen, um das patentgemäße Merkmal (3) darin mitlesen zu können. Denn hierfür muss der Fachmann aus zahlreichen, gleichrangigen Beispielen zuerst gezielt die Beispiele 8 und 16 auswählen. Danach muss er die in den Beispielen 8 und 16 ermittelten Ergebnisse verallgemeinern, den für das Ce/Zr/Y-Mischoxid im Beispiel 16 als absolut ermittelten Wert von 23,1 m2/g auf 25 m2/g anheben und diesen zugleich als Untergrenze für einen nach oben offenen Bereich definieren. Hinzu kommt, dass die K20 ausschließlich Kalzinierungen bei 1000° C bzw. 900° C beschreibt, die sich in jedem Fall über einen Zeitraum von 10 Stunden erstrecken (vgl. K20, S. 20, erster Abs. und S. 31, Tabelle 8). Eine Verkürzung der Kalzinierungsdauer bei diesen Kalzinierungstemperaturen wird in der K20 weder angedeutet, noch expressis verbis angesprochen, so dass der Fachmann eine 6-stündige Kalzinierungsdauer in der Offenbarung der K20 ebenfalls durch sein allgemeines Fachwissen ergänzen muss. In Anbetracht dessen scheidet auch die Druckschrift K20 als neuheitsschädlicher Stand der Technik aus (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 1. und 2. Ls. i. V. m. Rn. 25, 26 und 28 – Olanzapin).
6. Die Zusammensetzungen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhen zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von der K3 sind dem Fachmann keramische Pulver aus Zirkoniumoxid mit 12 mol% Cer bekannt, die eine große spezifische Oberfläche und nach dem Sintern eine hohe Dichte aufweisen (vgl. K3, S. 55, Titel i. V. m. Abstract). Ein solches Ce/Zr-Mischoxid, wie es im experimentellen Teil der K3 von den Autoren anhand einer konkreten Ausführungsform beschrieben wird, besitzt nach seiner Kalzinierung bei 1000° C für 2 Stunden eine spezifische Oberfläche von 34 m2/g (vgl. K3, S. 57, erster Abs. i. V. m. Tabelle 1). Diese Information wird der Fachmann mit Interesse zur Kenntnis nehmen. Über die Kristallstruktur des Ce/Zr-Mischoxids erfährt er in der K3 jedoch, dass diese nach der Kalzinierung zu 27% aus einer monoklinen und zu 73% aus einer tetragonalen Kristallphase besteht (vgl. K3, S. 57, erster Abs.). In der K3 wird die 2-phasige Kristallstruktur insofern positiv bewertet, als die monokline Phase in dem genannten keramischen Pulver nach dem Sintern weniger als 3% der Kristallstruktur ausmacht (vgl. K3, S. 59, Abschnitt 4., Punkte (ii) und (v)). Der Fachmann, der auf der Suche nach einem für die Katalyse geeigneten Ce/Zr-Mischoxid ist, wird das keramische Pulver der K3 aufgrund seiner 2-phasigen Kristallstruktur jedoch als nachteilig erachten, da er die Entmischung von Zusammensetzungen bei der katalytischen Nachverbrennung zu vermeiden sucht (vgl. N1, S. 1, dritter Abs. bis S. 2, erster Abs.). Somit wird der Fachmann weiteren Stand der Technik zu Rate ziehen und die K3 folglich in Kombination mit einem oder mehreren der Dokumente K4/K4a, K5/K5a, K7, K8/K8a und/oder K20 betrachten.
Hierdurch wird der Fachmann auf katalytisch aktive Ce/Zr-Mischoxide aufmerksam, die durch die Aufnahme eines Dotier- oder Dopingelements stabilisiert sind. So sieht jede der zuvor genannten Druckschriften den Einsatz eines solchen zusätzlichen Elements vor oder weist sogar explizit darauf hin, dass Dotierungselemente, wie Yttrium, Lanthan und/oder Calcium, bei Ce/Zr-Mischoxiden eine signifikante thermische Stabilisierung deren spezifischer Oberfläche bewirken (vgl. K4a, S. 2, li. Sp., erster Abs. i. V. m. Anspruch 12; K5a, Ansprüche 8 und 9; K7, S. 359, Abstract; K8a, S. 6, letzter Abs. bis S. 7, zweiter Abs.; K20, S. 9/10, seitenübergreifender Abs. i. V. m. Ansprüchen 2 und 4). Bis auf die Druckschrift K7 sind außerdem sämtliche der genannten Druckschriften mit Ce/Zr-Mischoxiden befasst, die als Katalysatoren bei der Nachverbrennung in Kraftfahrzeugen vorgesehen sind, weshalb der Fachmann den darin enthaltenen Informationen besondere Beachtung schenken wird (vgl. K4a, Abstract, letzter Satz; K5a, Anspruch 18; K8a, Abstract, letzter Abs.; K20, Titel i. V. m. Anspruch 1). Folglich liegt die Bereitstellung von Ce/Zr-Mischoxiden mit den patentgemäßen Merkmalen (1) und (2) im Blickfeld des Fachmanns.
Unbestritten ist ferner, dass die prinzipielle Bestimmung der spezifischen Oberfläche bei Ce/Zr-Mischoxiden nach deren Kalzinierung dem allgemeinen Können und Wissen des Fachmanns zuzurechnen ist und diese in den einschlägigen Fachkreisen als bedeutsamer Parameter erachtet wird. Dabei besteht im genannten Stand der Technik Einigkeit darüber, dass eine Kalzinierung u. a. bei einer Temperatur von 1000° C durchgeführt werden kann (vgl. K4a, Anspruch 24; K5a, Ansprüche 11 und 12; K7, S. 361, Tabelle 3; K8a, Ansprüche 18 und 19; K20, S. 31, Tabelle 8). Hinsichtlich der Dauer der Kalzinierung gehen die Meinungen in den genannten Dokumenten zwar auseinander, aber in drei der fünf genannten Dokumente wird eine Kalzinierungsdauer von 6 Stunden als wesentlich erachtet, so dass Kalzinierungsbedingungen, wie sie im patentgemäßen Merkmal (3) vorgesehen sind, ebenfalls im Blickfeld des Fachmanns liegen (vgl. K4a, Bsp. 1 bis 5; K5a, Bsp. 1 bis 7, 9 und 10; K8a, Bsp. 1 bis 4). Konkrete Anhaltspunkte dafür, wie groß die spezifische Oberfläche eines dotierten Ce/Zr-Mischoxids nach einer solcher Kalzinierung in jedem Fall sein sollte, findet der Fachmann im Stand der Technik zwar nicht, da die Ce/Zr-Mischoxide in den verschiedenen Beispielen der zitierten Dokumente nach einer Kalzinierung bei 900 oder 1000° C spezifische Oberflächen in einem Bereich von 18 bis 71 m2/g aufweisen (vgl. K4a, Bsp. 2 und 4; K5a, Bsp. 3 bis 7und 9; K7, S. 361, Tabelle 3; K8a, Bsp. 4; K20, S. 31, Tabelle 8). Einen unteren Grenzwert, wie im Merkmal (3) für die spezifische Oberfläche der patentgemäßen Ce/Zr-Mischoxide definiert, kann der Fachmann unter Berücksichtigung des genannten Standes der Technik jedoch anhand von Routineversuchen und daher ohne erfinderisches Zutun ermitteln.
Um zu den Zusammensetzungen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf naheliegende Art und Weise zu gelangen, benötigt der Fachmann darüber hinaus jedoch eine Veranlassung dafür, bei der Bereitstellung von dotierten Ce/ZrMischoxiden darauf zu achten, dass diese nach der Kalzinierung in Form einer reinen festen Lösung des Ceroxids und Dotierungsmittels in dem Zirkoniumoxid vorliegen. Anregungen hierfür erhält der Fachmann aber weder aus der Druckschrift K4/K4a noch aus einer anderen der zuvor genannten Druckschriften:
Die K4a weist den Fachmann zwar darauf hin, dass es bei für katalytische Zwecke geeigneten Ce/Zr/Y-Mischoxiden von Vorteil ist, wenn diese in Form einer echten festen Lösung und damit in Form einer monophasigen festen Lösung vorliegen (vgl. K4a, S. 3, re. Sp., zweiter und sechster Abs. i. V. m. Anspruch 11 sowie Bsp. 2 und 4 i. V. m. Fig. 3 und 4). Diese Angaben beziehen sich in der K4a allerdings nicht auf ein System, bei dem das Ceroxid und das Dotierungsmittel im Kristallgitter des Zirkoniumoxids vorliegen, sondern vielmehr auf eine feste Lösung, bei der das Zirkoniumoxid sowie das Dotierungsmittel im kubischen Kristallgitter des Ceroxids vorliegen. Damit betrifft die K4a jedoch ein völlig anderes Kristallsystem, als es im patentgemäßen Merkmal (4) beschrieben wird. Nachdem der Fachmann aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnis die für das oben genannte Cer-Kristallsystem ermittelten Daten nicht auf das davon abweichende Kristallsystem überträgt, kann die K4a folglich auch keine Anregungen für das patentgemäße Merkmal (4) liefern (vgl. K4a, S. 3, re. Sp., zweiter Abs. letzter Satz).
Die Lehre der K5a sieht den Einbau des Cers und gegebenenfalls eines Dotierelements in das Kristallgitter des Zirkoniumoxids vor und geht damit von einem System aus, wie es auch im patentgemäßen Merkmal (4) vorgesehen ist. Zudem verfolgt die K5a das Ziel, dieses System als eine vollständige und somit echte feste Lösung zu erhalten (vgl. K5a, S. 5, li. Sp., zweiter Abs.). Die Produkte in den Beispielen der K5a weisen jedoch zwei Phasen einer festen Lösung auf (vgl. K5a, insbesondere Bsp. 3 und 7). Daraus wird für den Fachmann ersichtlich, dass die „reine feste Lösung“ in der K5a keine monophasige feste Lösung ist, zumal in der K5a über die Röntgenbeugungsspektren der darin beschriebenen Zusammensetzungen ausgesagt wird, dass diese eine deutlich identifizierbare Hauptphase erkennen lassen, was jedoch auf das Vorliegen mindestens einer Nebenphase hindeutet, die in den Beispielen 1, 3 und 7 auch expressis verbis angesprochen wird (vgl. K5a, S. 5, li. Sp., zweiter Abs., zweiter Satz i. V. m. S. 5/6, Bsp. 1, 3 und 7). Obwohl in der K5a darauf hingewiesen wird, dass nur bei hohen Cergehalten das Vorliegen einer weiteren Phase wahrscheinlich ist, bietet die K5a dem Fachmann dennoch keine Veranlassung dafür, monophasigen Zusammensetzung Beachtung zu schenken, da die 2-phasigen Strukturen in der K5a in keiner Weise als nachteilig beschrieben werden. Auch das Einhalten bestimmter Grenzwerte beim Cergehalt der Mischoxide lehrt die K5a nicht. Somit liefert auch diese Druckschrift keinen Hinweis auf das patentgemäße Merkmal (4).
Die keramischen Ce/Zr/Y-Mischoxide der K7 weisen lediglich nach dem Sintern eine einzige tetragonale Phase auf, wohingegen die kalzinierten Mischoxide eine 2-phasige Struktur aus einer tetragonalen und einer monoklinen Phase des Zirkoniumoxids besitzen. Einen Nachteil sehen die Autoren der K7 in der 2-phasigen Kristallstruktur der darin beschriebenen kalzinierten Ce/Zr/Y-Mischoxide allerdings nicht, so dass der Fachmann in dieser Druckschrift keinen Hinweis findet, der das patentgemäße Merkmal (4) nahelegen würde (vgl. K7, S. 361, re. Sp., Text unterhalb von Tabelle 4 i. V. m. S. 363, li. Sp.).
Das erklärte Ziel der K8a ist es, Ce/Zr-Mischoxide als vollständig feste Lösungen zur Verfügung zu stellen. Nach der Kalzinierung weisen aber auch in der K8a die Ce/Zr-Mischoxide nur im Wesentlichen Phasen fester Lösungen auf (vgl. K8a, S. 3, Z. 27 bis 30). Ähnlich wie in der K5a wird auch in der K8a ein erhöhter Cergehalt als Grund dafür angegeben, dass Ce/Zr-Mischoxide nicht als einphasige feste Lösungen erhalten werden (vgl. K8a, S. 11, Z. 15 bis 19). Angaben dazu welcher Cergehalt hierfür verantwortlich ist oder wie der Erhalt zweiphasiger Kristallstrukturen zu vermeiden ist, enthält die K8a aber nicht. In den die Erfindung der K8a erläuternden Beispielen werden sogar ausdrücklich Ce/Zr-Mischoxide beschrieben, die zwei verschiedene Phasen einer festen Lösung aufweisen (vgl. K8a, S. 12 bis 15, Bsp. 1 und 2). In Kenntnis dessen wird der Fachmann ebenfalls keine Notwendigkeit dafür sehen, dotierte Ce/Zr-Mischoxide in Form einer einphasigen festen Lösung bereitzustellen.
Auch die K20 liefert keine Anhaltspunkte, die das patentgemäße Merkmal (4) in den Fokus des Fachmanns rücken. Der Klägerin ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass die kristalline Struktur der in der Tabelle 8 als Proben 7 bis 11 aufgelisteten, dotierten Ce/Zr-Mischoxide als tetragonales Kristallgitter des Zirkonium- dioxids beschrieben wird (vgl. K20, S. 31, Tabelle 8, dritte Sp. von links). Die hierfür relevante Spalte der Tabelle 8 trägt allerdings die Überschrift „…kristalline Struktur des Hauptpeaks des Röntgenbeugungsdiagramms“. Dies macht für den Fachmann deutlich, dass die Röntgenbeugungsdiagramme dieser Proben zusätzlich zum Hauptpeak noch wenigstens einen Nebenpeak aufweisen, was nichts anderes bedeutet, als dass die dotierten Proben 7 bis 11 nicht in einer einzigen kristallinen Phase vorliegen, sondern als zwei- oder -mehrphasige Systeme. Hiervon geht auch der Patentanspruch 4 in K20 aus, der im ersten Teil noch von einem Peak für das tetragonale Kristallgitter des Zirkoniumoxids ohne Peak des Ceroxids spricht, im Folgenden aber dennoch nicht von einer einphasigen, monophasigen oder einer reinen festen Lösung ausgeht, sondern nur von einer „im Wesentlichen“ festen Lösung des Zirkoniumoxids. In Übereinstimmung damit sind außer in der Figur 1, die allerdings das Röntgenbeugungsdiagramm des nicht dotierten Ce/ZrMischoxids gemäß Beispiel 8 zeigt, in der K20 keine Röntgenbeugungsdiagramme mit einer Hauptphase ohne störende Nebenphase zu finden (vgl. K20, S. 20, erster Abs. i. V. m. Figuren 1 bis 4). Die Angaben zur kristallinen Struktur der in K20 beschriebenen Ce/Zr-Mischoxide legen die im patentgemäßen Merkmal (4) enthaltene Lehre, die besagt, dass dotierte Ce/Zr-Mischoxide unter den Bedingungen des patentgemäßen Merkmals (3) als einphasige feste Lösung vorliegen, somit ebenfalls nicht nahe. Die technischen Informationen der K20 weisen den fachkundigen Leser allenfalls darauf hin, dass nicht dotierte Ce/Zr-Mischoxide unter den Bedingungen des Beispiels 8 in Form einer reinen festen Lösung erhalten werden können, während die Kristallstruktur der übrigen Ce/Zr-Mischoxide zwar vom tetragonalen Kristallgitter des ZrO2 dominiert wird, diese aber noch mindestens eine weitere kristalline Phase aufweist (vgl. K20, S. 21/22, Vergleichsbeispiele 9 bis 11 i. V. m. Fig. 2 bis 4).
Die Klägerin vertritt dagegen die Auffassung, dass der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zu den Zusammensetzungen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag gelange, da er in Kenntnis der in K20 angegebenen Tabelle 8 lediglich die Menge des Dotierungsmittels reduzieren müsse, um ein dotiertes Ce/Zr-Mischoxid zu erhalten, welches – wie das undotierte Ce/Zr-Mischoxid im Beispiel 8 der K20 –
in Form einer monophasigen festen Lösung vorliege. Zudem könne die Einhaltung einer Dauer von 6 Stunden bei der Kalzinierung keine erfinderische Tätigkeit begründen, da diese für den Fachmann in Kenntnis des Standes der Technik ohnehin auf der Hand läge. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Denn ausgehend von K20 besteht – ergänzend zu den bereits zuvor genannten Gründen – für den Fachmann weder eine Veranlassung dazu, den Gehalt des Dotierungsmittels über das in der K20 genannte Maß hinaus zu verändern, noch wird in der K20 das Vorliegen von Haupt- und Nebenpeaks in den Röntgenbeugungsdiagrammen als problematisch angesehen und daher auch die Einphasigkeit der festen Lösung nicht thematisiert.
Die Klägerin wendet ferner ein, dass das Streitpatent mit den in den Patentansprüchen 12 und 15 angegebenen Verfahren übliche Standardverfahren zur Herstellung der patentgemäßen Zusammensetzungen verwende, was die von ihr in der mündlichen Verhandlung als Anlagen 2 und 3 überreichten Vergleiche der aus der Druckschrift K3 bzw. den Druckschriften K6 und K10/K10a bekannten Verfahren mit den patentgemäßen Verfahren belegten. Die entsprechenden Abwandlungen der patentgemäßen Verfahren seien für den Fachmann aus der Sicht der Klägerin somit naheliegend und nach der BGH-Entscheidung „Leflunomid“ demzufolge auch die mit den patentgemäßen Verfahren erhaltenen Produkte. Diese Argumentation greift ebenfalls nicht durch. Im entschiedenen Fall wurde festgestellt, dass eine Arzneimittelzubereitung mit zwei Wirkstoffen als naheliegend zu erachten sei, wenn sich diese bei Befolgung einer durch den Stand der Technik nahegelegten Verfahrensanweisung zur Herstellung des Monopräparates ergebe, da das Monopräparat während der Lagerungszeit durch eine chemische Reaktion zwangsläufig in die Wirkstoffkombination umgewandelt werde (vgl. BGH GRUR 2012, 1130, Ls. i. V. m. Rn. 29 – Leflunomid). Die Zwangsläufigkeit, mit der die Wirkstoffkombination im entschiedenen Fall durch Anwendung eines naheliegenden Verfahrens erhalten wird, ist vorliegend jedoch nicht gegeben und die BGH-Entscheidung „Leflunomid“ daher auch nicht einschlägig.
Aber selbst deren Berücksichtigung würde zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Die in den erteilten Patentansprüchen 12 und 15 des Streitpatents allgemein formulierte Herstellung der patentgemäßen Zusammensetzungen mag dem Fachmann in ihren Grundschritten aus dem Stand der Technik bekannt sein. So ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass das Prinzip der patentgemäßen Herstellungsverfahren z. B. in Kenntnis der K10a für den Fachmann auf der Hand liegt, wobei es außer Frage steht, dass es sich bei der K10a um eine vom einschlägig tätigen Fachmann beachtete Druckschrift handelt (vgl. K10a, Ansprüche 13 bis 39). Nachdem mit dem Verfahren der K10a allerdings reines Ceroxid und damit ein Einkomponentensystem hergestellt wird, findet der Fachmann in ihr keine Hinweise dafür, dass die Einphasigkeit auch bei Mehrkomponentensystemen von Bedeutung ist. Anregungen, die in Richtung des patentgemäßen Merkmals (4) weisen, entnimmt der Fachmann der K10a auch unter Einbeziehung der Lehre der K6 nicht, die mit der Bereitstellung von Ce/Zr-Mischoxiden befasst ist (vgl. K6, S. 5, Referenzbeispiel 1). Denn die K6 rückt allenfalls die Bereitstellung von Ce/Zr-Mischoxiden ins Blickfeld des Fachmanns, deren Kristallstruktur nach einer Kalzinierung bei 1000° C aus einer dominanten tetragonalen Hauptphase und einem kleinen Anteil an einer monoklinen Nebenphase bestehen, da sämtliche in der K6 gezeigten Röntgenbeugungsdiagramme von den darin beschriebenen, Cer-stabilisierten Zirkoniumoxiden zwei entsprechende Peaks aufweisen (vgl. K6, Fig. 1). Ähnlich verhält es sich mit der K3, in der die Bereitstellung von Zirkoniumoxid beschrieben wird, welches mit 12 mol% Cer dotiert ist und eine aus monoklinen und tetragonalen Phasen bestehende Kristallstruktur aufweist (vgl. K3, S. 55 Titel i. V. m. S. 57, Punkt 3.1).
Zusammensetzungen mit der Merkmalskombination (3) und (4) des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ergeben sich bei Anwendung der im Stand der Technik bekannten Verfahren somit nicht zwangsläufig, sondern erfordern eine entsprechende Optimierung dieser Verfahren, wofür sich im zitierten Stand der Technik aus den genannten Gründen jedoch keine Anregungen, Veranlassungen oder Hinweise finden. Derartige Hinweise sind jedoch erforderlich, da es in den einschlägig tätigen Fachkreisen allgemein bekannt ist, dass die Kristallstruktur von Metalloxiden stark von den Reaktions- bzw. Kalzinierungsbedingungen abhängt und bereits geringe Unterschiede in diesen Bedingungen zu Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften führen können – was auch klägerseitig nicht bestritten wird (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 30. November 2015, S. 11 Rdn. 38). In Anbetracht dessen ergibt sich die Bereitstellung der patentgemäßen Zusammensetzungen selbst unter Anwendung der aus K3 bzw. K6 und/oder K10a bekannten Verfahren weder zwangsläufig, noch bei einer durch reine Routineversuche optimierten Abwandlung der im Stand der Technik bekannten Verfahren.
Eine Berücksichtigung des weiteren Standes der Technik führt zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage, da die darin enthaltenen Informationen nicht über den Inhalt der bereits zuvor erörterten Dokumente hinausgehen:
- So weist die K12 auf die vorteilhaften Eigenschaften von Zirkoniumoxiden hin, die mit einem Element aus der Gruppe der seltenen Erden dotiert sind (vgl. K12, S. 210, Punkt 4.). Damit wiederholt sie allerdings nur, was dem Fachmann ohnehin bereits bekannt ist (vgl. z. B. K4a, S. 2, li. Sp., erster Abs.). - Das Dokument K18 belegt ergänzend zur K3, dass bei der Herstellung von Ce/Zr-Mischoxiden mittels Copräzipitation der gefällte Niederschlag an Stelle von Methanol auch mit Wasser gewaschen werden kann (vgl. K3, S. 56, erster Abs., vierter Satz und K18, S. 16/17, Bsp. 3). Trotz dieser Abweichung weisen die Ce/Zr-Mischoxide der K18 jedoch nach wie vor eine zweiphasige Kristallstruktur auf (vgl. K18, S. 17, zweiter Abs.). Demzufolge fügt die K18 der K3 nichts hinzu, was auf das patentgemäße Merkmal (4) hindeutet. - Die K21 betont, dass Drei-Wege-Katalysatoren bei der Abgasreinigung Temperaturen bis zu 1000° C ausgesetzt sind (vgl. K21, Sp. 2, Z. 46 bis 57). Diese Information überrascht nicht, da aus der zuvor erörterten Druckschrift K20 bereits bekannt ist, dass die spezifische Oberfläche sowie die kristalline Struktur von katalytisch aktiven Ce/Zr-Mischoxiden nach einer Kalzinierung bei 1000° C für 10 Stunden von besonderem Interesse sind (vgl. K20, Titel i. V. m. S. 31, Tabelle 8).
- Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung als Anlage 4 vorgelegte Dokument ist nachveröffentlicht und bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit daher nicht zu berücksichtigen.
Die zitierten Dokumente sind somit weder einzeln noch in Kombination miteinander in der Lage, die erfinderische Tätigkeit für die Bereitstellung von Zusammensetzungen, die die patentgemäße Merkmalskombination (3) und (4) aufweisen, in Frage zu stellen.
7. Die direkt oder indirekt auf den Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 betreffen vorteilhafte Ausführungsformen der Zusammensetzungen nach Patentanspruch 1 und haben daher mit dem Patentanspruch 1 ebenfalls Bestand.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
IV.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
Schramm Kätker Dr. Münzberg Dr. Jäger Dr. Wagner Pr