IX ZB 38/24
BUNDESGERICHTSHOF IX ZB 38/24 BESCHLUSS vom 21. November 2024 in dem Insolvenzverfahren ECLI:DE:BGH:2024:211124BIXZB38.24.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Schoppmeyer, den Richter Dr. Schultz, die Richterin Dr. Selbmann, die Richter Dr. Harms und Kunnes am 21. November 2024 beschlossen:
Die weitere Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Karlsruhe vom 20. März 2024 (30 IK 67/23) wird bis zur Entscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde des Schuldners ausgesetzt.
Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 4 InsO, § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 Halbsatz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er führt zur Aussetzung der Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses.
Die Aussetzung der Vollziehung einer erstinstanzlichen Entscheidung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, kommt dann in Betracht, wenn durch die weitere Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als den anderen Beteiligten im Falle der Aufschiebung der vom Insolvenzgericht beschlossenen Maßnahme, die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist und die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009 - IX ZB 245/08, ZInsO 2009, 432 Rn. 1 mwN). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 4 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht zulässig. Sie hat bereits wegen der Zulassung durch den Einzelrichter Aussicht auf Erfolg; entscheidend ist, dass zudem die Rechtslage hinsichtlich der die Entscheidung tragenden Gründe auch in der Sache zumindest zweifelhaft ist.
a) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht deshalb unwirksam, weil entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums der Einzelrichter entschieden hat. Der angefochtene Beschluss unterliegt indes schon deshalb der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist.
Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. Bejaht er wie im Streitfall mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was von dem Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2019 - IX ZB 5/19, WM 2019, 1461 Rn. 4 f; vom 18. Februar 2021 - IX ZB 6/20, ZIP 2021, 642 Rn. 4 mwN zur st.Rspr.).
b) Auch in der Sache selbst ist die Rechtslage hinsichtlich der die Entscheidung tragenden Gründe in einem entscheidenden Punkt zumindest zweifelhaft. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Gläubiger ihre Forderung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO glaubhaft gemacht und darüber hinaus auch nachgewiesen hätten, weil diese durch das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2022 rechtskräftig tituliert worden sei, obwohl der Schuldner unstreitig eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil erreicht hat. Entscheidend sei, dass es im Streitfall im Ergebnis weder über § 767 ZPO noch über § 826 BGB möglich sei, die Rechtskraft der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu durchbrechen, weil keine gegenüber dem Ursprungsprozess neuen Einwendungen erhoben worden seien.
Ob diese Argumentation trägt, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Insbesondere ist zweifelhaft, ob der Gläubiger - wie das Beschwerdegericht annimmt - auch in einem solchen Fall seiner Darlegungslast durch die Vorlage des rechtskräftigen Titels genügt oder ob vom Gläubiger im Hinblick auf die erfolgte Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel nunmehr die Glaubhaftmachung oder gegebenenfalls der Beweis (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2021 - IX ZB 12/20, NZI 2021, 266 Rn. 7 mwN) seiner Forderung zu verlangen ist, so als ob kein Titel vorläge (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - IX ZB 177/09, ZIP 2010, 291 Rn. 6; vom 14. Januar 2021, aaO mwN; Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 14 Rn. 42; MünchKomm-InsO/Vuia, 4. Aufl., § 14 Rn. 86).
2. Schließlich drohen dem Schuldner durch die Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses voraussichtlich größere Nachteile als den Gläubigern durch deren Verzögerung.
Schoppmeyer Harms Schultz Kunnes Selbmann Vorinstanzen: AG Karlsruhe, Entscheidung vom 20.03.2024 - 30 IK 67/23 LG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.10.2024 - 20 T 23/24 -