35 W (pat) 11/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 11/13
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung … (hier: Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Vertreters) hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. Mai 2013 durch den Richter Eisenrauch als Vorsitzenden sowie die Richterin Bayer und den Richter Dr.-Ing. Baumgart beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Februar 2013 aufgehoben.
2. Der Antragstellerin wird für das Eintragungsverfahren Verfahrenskostenhilfe gewährt.
3. Der Antragstellerin wird Rechts- und Patentanwalt Dipl.-Ing. Dr. jur. T… beigeordnet.
Gründe I.
Die Antragstellerin hat mit einer Eingabe vom 18. Januar 2013, die am 23. Januar 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingegangen ist, eine Gebrauchsmusteranmeldung mit der Bezeichnung „F… … …“ eingereicht und gleichzeitig Verfahrenskostenhilfe sowie die Beiordnung ihres Vertreters, einen Rechts- und Patentanwalt, beantragt. Die Voraussetzungen für eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe sind an sich gegeben, da - was von der Gebrauchsmusterstelle auch nicht in Abrede gestellt wird - die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bedürftig ist, die eingereichten Unterlagen eine hinreichende Aussicht auf Eintragung eines Gebrauchsmusters bieten und keine Mutwilligkeit vorliegt.
Die Gebrauchsmusterstelle hat sich dennoch an einer Gewährung von Verfahrenskostenhilfe gehindert gesehen, weil- worauf sie die Antragstellerin mit Bescheid vom 15. Februar 2013 hingewiesen hatte - die Erforderlichkeit für die Beiordnung des anwaltlichen Vertreters nicht konkret dargelegt worden sei. Auf den genannten Bescheid hat der anwaltliche Vertreter der Antragstellerin mit Schreiben vom 20. Februar 2013 sinngemäß erklärt, die Erforderlichkeit seiner Beiordnung bedürfe grundsätzlich keiner Darlegung. Diese Erforderlichkeit ergebe sich bereits hinreichend aus dem Umstand, dass er tätig geworden sei. Das DPMA könne froh sein, dass er auf der Basis von Verfahrenskostenhilfe - also aus anwaltlicher Sicht für einen „Hungerlohn“ - eintragungsfähige Unterlagen erstellt und der Gebrauchsmusterstelle hierdurch erhebliche Bemühungen, die hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Aufwandes vermutlich weitaus höher gewesen wären, erspart habe.
Am 28. Februar 2013 hat die Gebrauchsmusterstelle einen Beschluss abgesetzt, der in der elektronischen Anmeldungsakte als Datei mit dem Titel „Beschluss über Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe“ abgelegt ist. Der Tenor dieses Beschlusses erschöpft sich jedoch in folgendem Ausspruch: „Der Antrag des Anmelders vom 18. Januar 2013 auf Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Anmeldeverfahren wird zurückgewiesen“. Die Entscheidung wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Anmelderin trotz Verpflichtung und Aufforderung hierzu die Sachdienlichkeit der Beiordnung nicht dargelegt habe. Die Gründe des Beschlusses enden mit dem Hinweis, dass nach Ablauf eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses die Fristen für die Zahlung von Gebühren nicht mehr gehemmt würden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Begehren auf die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung ihres anwaltlichen Vertreters weiterverfolgt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 28. Februar 2013 aufzuheben und ihr Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren zu gewähren sowie ihr Rechts- und Patentanwalt Dipl.-Ing. Dr. jur. T… beizuordnen.
Die Antragstellerin hat in der Beschwerdeschrift nunmehr u. a. ausgeführt, sie sei Designstudentin ohne jede Erfahrung in der Ausarbeitung von Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen. Von ihr könne daher nicht erwartet werden, dass sie in der Lage sei, eine sachgerechte Anmeldung auszuarbeiten.
Die Gebrauchsmusterstelle hat keine Veranlassung gesehen, der Beschwerde abzuhelfen, sondern diese dem Bundespatentgericht vorgelegt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der elektronischen Akte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren und zur begehrten Beiordnung.
1. Die Gewährung der Verfahrenskostenhilfe folgt aus § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 Satz 1 PatG und § 114 ZPO, da die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bedürftig ist, die eingereichten Unterlagen hinreichend Aussicht auf Eintragung eines Gebrauchsmusters bieten und keine Mutwilligkeit vorliegt.
Die Gebrauchsmusterstelle hat mit ihrem Beschluss vom 28. Februar 2013 auch den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen, so dass auch dieser Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens geworden ist. Der Tenor des angefochtenen Beschlusses erweist sich zwar insoweit als lückenhaft und berichtigungsbedürftig, als er formal keine Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe enthält. Eine Auslegung des Entscheidungstenors anhand der mitgeteilten Gründe und der näheren Umstände der Entscheidung ergibt aber eindeutig, dass es dem Willen der Gebrauchsmusterstelle entsprach, mit dem angefochtenen Beschluss auch den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zurückweisen. Deshalb darf dieser Regelungsgehalt der Entscheidung entsprechend zugrunde gelegt werden.
Zum einen folgt dies daraus, dass eine isolierte Zurückweisung eines Beiordnungsantrags zu einem Zeitpunkt, zu dem ein offensichtlich entscheidungsreifer Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe anhängig ist, eine grob unsachgemäße Vorgehensweise wäre. Ein Gebrauchsmusteranmelder hat einen Anspruch darauf, dass über seinen entscheidungsreifen Verfahrenskostenhilfeantrag umgehend entschieden wird. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gebrauchsmusterstelle der Antragstellerin die Entscheidung über ihren Verfahrenskostenhilfeantrag vorenthalten wollte. Zum anderen würde es auch in verfahrensökonomischer Hinsicht keinen Sinn machen, einen Anmelder durch eine isolierte Nichtgewährung einer Beiordnung einmal auf den Beschwerdeweg zu verweisen und ein andermal, indem man ihm zu einem späteren Zeitpunkt schließlich noch den Verfahrenskostenhilfeantrag zurückweist.
Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass der angefochtene Beschluss auch die Zurückweisung des Verfahrenskostenhilfeantrags umfasst, ist, dass die Gebrauchsmusterstelle offensichtlich nicht willens war, zwischen dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe (§ 130 PatG) und dem Antrag auf Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters (§ 133 PatG) zu unterscheiden. Dies legt ihr Bescheid vom 15. Februar 2013 nahe, wonach die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zusätzlich von der erfolgreichen Beiordnung eines Vertreters abhängig gemacht wird. Dabei lautet auch die Benennung der Datei, unter der der später ergangene und hier angefochtene Beschluss in der elektronischen Akte des DPMA abgelegt ist, „Beschluss über Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe“. Ein Blick auf die beiden oben genannten Regelungen zeigt hingegen, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche Anträge handelt, wobei - nebenbei bemerkt - die einzuhaltende Bearbeitungsreihenfolge klar vorgegeben ist: „Einem Beteiligten, dem die Verfahrenskostenhilfe … bewilligt worden ist, wird auf Antrag ein … Patentanwalt oder Rechtsanwalt … beigeordnet“ (vgl. § 133 Satz 1 PatG).
Zur entsprechenden Auslegung des angefochtenen Beschlusses zwingt ferner der am Ende der Gründe des angefochtenen Beschlusses gegebene Hinweis, dass nach Ablauf eines Monats nach Zustellung des Beschlusses die Fristen für die Zahlung von Gebühren nicht mehr gehemmt würden. Dieses Hinweises hätte es nicht bedurft, wenn mit dem vorliegenden Beschluss tatsächlich nur der Beiordnungsantrag zurückgewiesen worden wäre; denn die Zurückweisung eines Beiordnungsantrages hat, wie sich unmittelbar aus § 134 PatG ergibt, auf die Hemmung von Gebührenzahlungsfristen keine Auswirkungen.
2. Der Antragstellerin ist ferner antragsgemäß der anwaltliche Vertreter beizuordnen, da hierfür die in § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 133 Satz 1 PatG geregelten Voraussetzung gegeben sind.
Nach den genannten Regelungen wird einem Anmelder, dem - wie im vorliegenden Fall - Verfahrenskostenhilfe gewährt wurde, ein Rechts- oder Patentanwalt als Vertreter beigeordnet, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung des Gebrauchsmustereintragungserfahrens erforderlich erscheint und der Anmelder dies beantragt hat.
Die Gebrauchsmusterstelle ist zwar grundsätzlich befugt, von einem Antragsteller eine Äußerung zur Erforderlichkeit der begehrten Beiordnung zu verlangen (vgl. Busse/Baumgärtner, PatG, 7. Aufl., § 133 Rn. 4; BPatG BlPMZ 2007, 211, 212); andererseits dürfen die Anforderungen an eine solche Darlegung nicht überspannt werden. Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Komplexität technischer Sachverhalte und eines stetig umfangreicher werdenden Standes der Technik, müssen auch an die Formulierung insbesondere des unter Schutz zu stellenden Gegenstandes zunehmend höhere Maßstäbe angelegt werden (so richtig: Metternich in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatRKomm, PatG § 133 Rn. 7). Der Umstand, dass es sich bei einem Gebrauchsmuster um ein Recht handelt, vor dessen Eintragung keine Prüfung von Neuheit und erfinderischem Schritt stattfindet, ändert hieran nichts. Hiernach stellt der schließlich im Beschwerdeschriftsatz gelieferte Vortrag der Antragstellerin, sie sei eine Designstudentin ohne jede Erfahrung in der Ausarbeitung von Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen, einen ausreichenden Vortrag zur Erforderlichkeit der Beiordnung dar.
Weitere Darlegungen zur Erforderlichkeit der Beiordnung sind - entgegen der Auffassung der Gebrauchsmusterstelle - nur dann angezeigt, wenn es hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein Antragsteller z. B. über einschlägige Erfahrungen im Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen verfügt. Nur bei hinreichend konkreten Anhaltspunkten für einschlägige Erfahrungen oder Fähigkeiten gibt es überhaupt einen Ansatzpunkt dafür, von einem Antragsteller weitere Ausführungen zu einer naturgemäß schwerer zu belegenden „negativen Tatsache“ wie der einer fehlenden Erforderlichkeit einer Beiordnung zu verlangen. Ein solcher Fall könnte z. B. dann vorliegen, wenn ein Antragsteller in den einschlägigen Datenbanken bereits als Inhaber oder Anmelder zahlreicher Patente und/oder Gebrauchsmuster ausgewiesen ist. Bezüglich der vorliegenden Antragstellerin hat jedenfalls eine vom Senat in der online-Datenbank DEPATISnet durchgeführte Namensrecherche keinen Treffer ergeben.
Die Gebrauchsmusterstelle kann dagegen ihre Auffassung, dass ein Antragsteller die Erforderlichkeit einer begehrten Beiordnung - auch ohne konkreten Anlass stets ausführlich und umfassend darzulegen habe, nicht auf die im angefochtenen Beschluss zitierte Senatsentscheidung vom 6. April 2009 - 35 W (pat) 12/07 - stützen. Diese Entscheidung betraf den Sonderfall eines nachträglich gestellten Beiordnungsantrags. Die Beiordnung wurde hierbei im Wesentlichen nur deshalb mangels Erforderlichkeit verweigert, weil eine Beiordnung nicht rückwirkend gewährt werden kann und zum Zeitpunkt des nachgereichten Beiordnungsgesuchs eintragungsfähige Anmeldungsunterlagen bereits vorgelegen hatten.
Eisenrauch Bayer Baumgart Cl