35 W (pat) 9/19
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 9/19
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr) hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Februar 2020 durch den Vorsitzenden Richter Metternich sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
ECLI:DE:BPatG:2020:190220B35Wpat9.19.0 Gründe I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) ist Inhaber des Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „… “, das auf eine am 4. Dezember 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereichte Anmeldung zurückgeht und das am 26. Januar 2016 ins Register eingetragen wurde. Nachdem dem Antragsteller mit Bescheid des DPMA vom 4. Mai 2019 mitgeteilt worden war, dass sein Gebrauchsmuster erlöschen werde, falls er nicht bis zum 1. Juli 2019 die 1. Aufrechterhaltungsgebühr nebst dem Verspätungszuschlag (insgesamt 260,-- €) einzahlen sollte, hat er mit Eingabe vom 28. Juni 2019, die am 1. Juli 2019 beim DPMA eingegangen ist, die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr (Gebühr für das 4. bis 6. Schutzjahr) beantragt und hierzu auch die notwendigen Nachweise zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht. Dem Antrag lagen ferner jeweils in Kopie Antwortschreiben der Unternehmen A… KG, A1… AG und B… KG aus dem Zeitraum von 2016 bis Mitte 2018 bei, in denen ausnahmslos kein Interesse am Kauf des Gebrauchsmusters bekundet wurde. Ferner hatte der Antragsteller im gleichen Zeitraum den Unternehmen I… GmbH in G… und der F… GmbH & Co KG in D… jeweils Angebote unterbreitet, die aber offenbar in gleicher Weise erfolglos blieben. Eines der Unternehmen hat die Neuheit des Gebrauchsmustergegenstandes bezweifelt.
Die Gebrauchsmusterstelle des DPMA hat in einem aktenkundigen Vermerk vom 8. Juli 2019 festgestellt, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Gewährung von VKH erfüllen würden. Mit Bescheid vom selben Tag hat sie dem Antragsteller jedoch mitgeteilt, dass eine Bewilligung von VKH zur Voraussetzung habe, dass eine wirtschaftliche Verwertung des Schutzrechts in absehbarer Zeit möglich erscheine.
Anhand der am 1. Juli 2019 beim DPMA eingegangen Unterlagen sei nicht zu erkennen, dass in absehbarer Zeit mit einer Verwertung des Gebrauchsmustergegenstandes zu rechnen sei. Alle angeschriebenen Firmen hätten eine Verwertung offensichtlich abgelehnt. Nach derzeitiger Aktenlage habe er daher mit der Zurückweisung seines VKH-Antrags zu rechnen. Der Antragsteller hat auf diesen Bescheid, mit dem ihm noch eine 1-monatige Äußerungsfrist eingeräumt worden war, nicht mehr reagiert.
Mit Beschluss vom 11. September 2019 hat die Gebrauchsmusterstelle des DPMA schließlich den Antrag auf Bewilligung von VKH für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr zurückgewiesen. Die Entscheidung wird damit begründet, dass der Antragsteller keine aktuellen Verwertungsversuche nachgewiesen habe. Damit entspräche eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters offensichtlich nicht mehr den Grundsätzen wirtschaftlichen Handelns. Sein Begehren sei daher als mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erachten, was eine Bewilligung von VKH ausschließe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 11. Oktober 2019 beim DPMA eingegangene Beschwerde, mit der der Antragsteller sein Begehren auf Bewilligung von VKH weiterverfolgt. Er weist darauf hin, dass sein „damaliger Zustand“ und eine Verwechslung von Aktenzeichen dazu geführt hätten, dass er nicht mehr auf den Bescheid des DPMA reagiert habe. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass alle Verwertungsversuche erfolglos geblieben wären. In einem Falle sei eine Verwertung lediglich von einer Neuheitsrecherche abhängig gemacht worden. Dieser Einwand hätte ihn zum einen „perplex“ gemacht; zum anderen sei er Opfer mehrerer Einbruchsdiebstähle geworden. Beide Umstände hätten dazu geführt, dass es ihm unmöglich geworden sei, sein Verwertungsvorhaben zügig weiterzuführen. Auch habe ihm eine vor Jahren erlittene radioaktiver Strahlenbelastung zu schaffen gemacht, ihn ans Bett gefesselt und letztlich daran gehindert, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Gegenwärtig bestünden keine Hindernisse mehr, neue Verwertungsversuche zu starten. Er sei nach wie vor davon überzeugt, dass seine Erfindung für viele Menschen von großem Nutzen sei. Ohne die Bewilligung von VKH würde - worauf die von ihm angeschriebenen Unternehmen möglicherweise auch „spekulierten“ -, seine Erfindung frei werden, was ihn letztlich um seinen ihm zustehenden Erfinderlohn bringen würde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 11. September 2019 aufzuheben und ihm zum Gebrauchsmuster … Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr zu gewähren.
Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die kostenfreie Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters ist auf Antrag gemäß § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 Satz 2 PatG dann VKH für eine Aufrechterhaltungsgebühr zu gewähren, wenn hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Aufgrund des dort enthaltenen Verweises auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO) ist bei der Entscheidung über die Gewährung von VKH auch die Regelung des § 114 ZPO zu beachten. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem VKH-Antrag beabsichtigte Rechtsverfolgung einerseits hinreichende Aussicht auf Erfolg haben, andererseits darf diese auch nicht „mutwillig“ erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten.
Es ist nicht Aufgabe des DPMA, über das gesetzlich zulässige Maß hinaus, Schutzrechtsinhabern die Aufrechterhaltung ihrer Schutzrechte zu ermöglichen. Das DPMA ist auch verpflichtet, zu Lasten eines Gebrauchsmusterinhabers dann die Aufrechterhaltung eines Schutzrechts zu verweigern, wenn es für dessen Fortbestand keine gesetzliche Grundlage mehr gibt. Geht es um die staatlich finanzierte Aufrechterhaltung eines Gebrauchsmusters im Wege von VKH, ist somit auch die Regelung des § 114 ZPO anzuwenden.
Die Frage, ob eine hinreichend erfolgversprechende Rechtsverfolgung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, beantwortet sich anhand der Definition, wie sie der Gesetzgeber in § 114 Abs. 2 ZPO selbst ausformuliert hat (vgl. Busse/ Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 130 Rn. 48). In diesem Sinne ist die Aufrechterhaltung eines Gebrauchsmusters dann „mutwillig“, wenn ein Inhaber eines solchen Schutzrechts, der keine VKH erhält, bei verständiger Würdigung aller Umstände von einer weiteren Aufrechterhaltung seines Schutzrechts absehen würde, obwohl eine Aufrechterhaltung grundsätzlich noch möglich wäre. Kann aufgrund der bestehenden Umstände angenommen werden, dass ein Rechtsinhaber, der über hinreichend finanzielle Mittel verfügt, sein Gebrauchsmuster durch eine weitere Zahlung nicht aufrechterhalten würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung nicht mutwillig „erscheint“ ergibt, die in § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ganz bewusst gewählt wurde (vgl. Schulte/Schell, PatG, 10. Aufl., § 130 Rn. 57; BPatG BlPMZ 1997, 443 ff.; BPatG GRUR 1998, 42 f.).
Nach den hier zur Bewertung heranzuziehenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der VKH aus. Die Rechtswahrnehmung des Antragstellers entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögenden Person in derselben Situation.
Die Gebrauchsmusterstelle des DPMA hat bei der Zurückweisung des Bewilligungsantrags zu Recht darauf abgestellt, dass der Antragsteller keine Belege mehr dafür erbracht hat, dass er sich nach wie vor ernsthaft um eine wirtschaftliche Verwertung seines Gebrauchsmusters bemüht habe. Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich bei einem Gebrauchsmuster u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungsund Verbietungsrechten wider (vgl. §§ 11, 14 GebrMG). Eine Entrichtung von Aufrechterhaltungsgebühren, um lediglich die bloße, weitere Existenz eines Gebrauchsmusters sicherzustellen, widerspricht dem Zweck des Gebrauchsmustersystems. Eine solche Aufrechterhaltung wird daher auch nicht vom Rechtsinstitut der VKH getragen.
Der Antragsteller hat zwar vorgegeben, sich nunmehr wieder um die Verwertung seines Gebrauchsmusters kümmern zu können und auch zu wollen. Er muss sich aber entgegenhalten lassen, dass die von ihm zu seinen bisherigen Verwertungsversuchen vorgelegten Unterlagen eine sehr deutliche Sprache sprechen. Keines der im Zeitraum von 2016 bis Mitte 2018 angeschriebenen Unternehmen, bei denen es sich durchweg um einschlägige, auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik tätige Firmen handelt, hat eine realistische Verwertungsmöglichkeit gesehen. In einem Falle wurde sogar die Neuheit des Gebrauchsmustergegenstandes in Zweifel gezogen und damit eine mögliche Löschungsreife des Gebrauchsmusters angedeutet. Wären die angeschriebenen Fachfirmen der Meinung gewesen, der Ankauf des Gebrauchsmusters könnte ihnen möglicherweise einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern verschaffen, so hätte sie zumindest versucht, dem Antragsteller ein „schlechtes“ Angebot zu machen. Selbst dies geschah nicht.
Den letzten Verwertungsversuch des Gebrauchsmusters hat der Antragsteller offensichtlich im Mai 2018 unternommen. Selbst wenn man ihm zugesteht, dass er wegen mehrfacher Einbruchsdiebstähle und diverser Erkrankungen zeitweise daran gehindert war, weitere Verwertungsversuche zu ergreifen, so ließe sich nicht erklären, warum er im gesamten Zeitraum von Mai 2018 bis heute keinerlei weitere Verwertungsversuche mehr gestartet hat. Es bedarf keiner besonderen Anstrengungen im Internet weitere Unternehmen zu recherchieren, die in Deutschland für die Produktion eines Türriegels, der - wie das Gebrauchsmuster lehrt - per Fernsteuerung betätigt wird, in Frage kommen. Es hätte für den Antragsteller sodann weder einen besonderen zeitlichen noch finanziellen Aufwand bedeutet, bei solchen Unternehmen wiederum mit einem kurzen Anschreiben nebst beigefügter Kopie der Gebrauchsmusterschrift die Verwertungsbereitschaft abzufragen. Hier muss allerdings unterstellt werden, dass dem Antragsteller spätestens Anfang 2019 klargeworden war, dass eine erfolgreiche Vermarktung seiner Türsicherung sehr unwahrscheinlich ist und er insbesondere deshalb keine weiteren Verwertungsversuche mehr unternommen hatte.
Damit kann bei verständiger Würdigung der Sachlage davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller, sofern er selbst über hinreichende, finanzielle Mittel verfügt hätte und durch eigene Leistung die weitere Aufrechterhaltung seines Gebrauchsmusters hätte bewirken müssen, von einer Aufrechterhaltung Abstand genommen hätte. Hieraus folgt wiederum, dass das vorliegende Begehren des Antragstellers – im oben genannten Sinne – „mutwillig erscheint“ und er daher für eine weitere Aufrechterhaltung seines Gebrauchsmusters keine VKH mehr beanspruchen kann.
Gemäß § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 135 Abs. 3 Satz 1 PatG ist gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel der Rechtbeschwerde nicht gegeben, sodass eine weitergehende Rechtsmittelbelehrung nicht angezeigt ist.
Metternich Bayer Eisenrauch Fa