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2 StR 535/12

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 535/12 Urteil vom

18. September 2013 in der Strafsache gegen wegen Inverkehrbringens falsch gekennzeichneter Arzneimittel u.a.

BGHSt: BGHR: Nachschlagewerk: Veröffentlichung:

ja ja ja ja AMG §§ 95 Abs. 1 Nr. 2a und Nr. 3a, 4 Abs. 17 Vollendetes Inverkehrbringen von Arzneimitteln durch Abgabe an andere setzt bei einer Versendung voraus, dass die Sendung in den Zugriffsbereich des Empfängers gelangt.

BGH, Urteil vom 18. September 2013 - 2 StR 535/12 - LG Meiningen Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom 28. August 2013 in der Verhandlung am 18. September 2013, an denen teilgenommen haben:

Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,

die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, der Richter am Bundesgerichthof Zeng,

Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwältin als Verteidigerin,

in der Verhandlung Justizangestellte in der Verhandlung,

Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 5. Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten des „unerlaubten gewerbs- und bandenmäßigen Inverkehrbringens von falsch deklarierten Arzneimitteln in 16 Fällen, des unerlaubten gewerbs- und bandenmäßigen Inverkehrbringens von falsch deklarierten Arzneimitteln in Tateinheit mit unerlaubten gewerbs- und bandenmäßigen Handeltreiben mit Arzneimitteln für Dopingzwecke im Sport in 7 Fällen und des unerlaubten Handeltreibens mit Arzneimitteln für Dopingzwecke im Sport in 5 Fällen“ schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 13.555 Euro angeordnet und bestimmt, dass die in Bulgarien erlittene Untersuchungshaft im Verhältnis von eins zu eins auf die Strafe angerechnet wird. Hiergegen richtet sich die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte von Bulgarien aus über die Internetseite „t.

“ einen Handel mit Medikamenten, die anabole Wirkstoffe enthalten sollten, indem er diese auf dem Postweg an Besteller in Deutschland versandte. Die Abnehmer bezahlten den Kaufpreis vorab mit Bargeld, das sie in Postpaketen an Geldeinsammler im Inland übersandten. Der gesondert verfolgte B. überwachte die regionalen „Einsammler“ oder nahm Geldsendungen selbst in Empfang. Er übergab das Bargeld entweder dem Angeklagten selbst oder dessen Bruder zur Weiterleitung an jenen.

3 Zumindest der Angeklagte, sein Bruder und B.

hatten sich miteinander verbunden, um fortlaufend Geschäfte gleicher Art zu machen. Der Angeklagte wollte sich durch den grenzüberschreitenden Versandhandel mit Anabolika eine dauerhafte Einnahmequelle erschließen.

Die versandten Ampullen und Tabletten enthielten teilweise die in der Aufmachung genannten oder zumindest vergleichbare Wirkstoffe (Testosteron, Clenbuterol, Trenbolon, Oxymetholon, Stanozolol, Metandienon); teilweise handelte es sich aber auch um „Scheinanabolika“, die entgegen der Aufmachung tatsächlich keine Wirkstoffe enthielten.

Die abgeurteilten Fälle betreffen 28 Lieferversuche im Zeitraum vom 30. Juni 2010 bis 15. Juni 2011, bei denen die per Luftfracht transportierte Sendung aber nicht bei dem jeweiligen Adressaten ankam, sondern von den Zollbehörden beim Eintreffen am inländischen Zielflughafen abgefangen wurde. Im Fall II.2 handelte es sich um einen Probekauf des Landeskriminalamts Thüringen unter einer Tarnadresse.

II.

Die Revision ist begründet.

1. Soweit das Landgericht in den Fällen II.1, 2, 4, 7, 8, 9, 10, 12, 14, 17, 19, 22, 24, 25, 27, 28 ausschließlich, in den Fällen II.3, 13, 15, 16, 21, 23, 26 tateinheitlich neben vom Landgericht so bezeichneten „Handeltreiben“ mit Arzneimitteln für Dopingzwecke im Sport jeweils Inverkehrbringen von gefälschten Arzneimitteln gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 1a AMG a.F. angenommen hat, wird die Annahme einer Vollendung des Straftatbestands von den Feststellungen nicht getragen.

Gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 1a AMG in der Fassung vom 17. Juli 2009 (BGBl. 2009 I S. 1990) wird bestraft, wer hinsichtlich ihrer Identität oder Herkunft falsch gekennzeichnete Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt oder in den Verkehr bringt.

a) Arzneimittel in diesem Sinne können dabei auch solche Mittel sein, die - wie hier - nach ihrer Aufmachung nur den Anschein erwecken, dass sie einen bestimmten Wirkstoff enthalten, der aber tatsächlich nicht vorhanden ist.

Nach § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel unter anderem solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die entweder zur Anwendung im oder am Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden bestimmt sind (sogenannte Präsentationsarzneimittel, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) oder die im Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (sogenannte Funktionsarzneimittel, § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG). Von dem Begriff der Präsentationsarzneimittel werden neben echten Arzneimitteln auch solche Produkte erfasst, die nur den Anschein erwecken, therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken zu dienen (vgl. Müller in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2012, § 2 Rn. 20). Der Schutzzweck des Gesetzes besteht darin, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen. Deshalb soll der Verbraucher auch vor solchen Produkten geschützt werden, die zur Erfüllung der erwünschten therapeutischen oder prophylaktischen Zwecke ungeeignet sind. Dies beruht auf der Überlegung, dass die Heilung einer Krankheit verzögert oder deren Verlauf verschlechtert werden kann, wenn statt geeigneter Medikamente unwirksame Anscheinsarzneimittel angewendet werden und dadurch eine sachgemäße Medikation verhindert oder verzögert wird (Müller aaO § 2 Rn. 72).

b) Der Angeklagte hat die von ihm versandten Arzneimittel jedoch nicht in Verkehr gebracht. Nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 17 AMG ist Inverkehrbringen das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten oder Feilbieten und die Abgabe an andere. Im Hinblick auf die ersten drei Varianten fehlen Tatsachenfeststellungen, die den Schuldspruch tragen könnten (aa), hinsichtlich einer Abgabe kommt nur Versuch in Frage (bb).

aa) Soweit das Gesetz das Vorrätighalten zum Verkauf, das Feilhalten oder Feilbieten der Tathandlung des Inverkehrbringens zuordnet, setzt dies in allen Fällen beim Täter eine Lager- oder Vorratshaltung von Arzneimitteln voraus (zum Vorrätighalten BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 5 StR 72/98, StV 1998, 663; zum Feilhalten BGH, Beschluss vom 24. Juni 1970 - 4 StR 30/70, BGHSt 23, 286, 288; a.A. für den Internethandel MünchKomm/Freund, StGB 2. Aufl., § 4 AMG Rn. 30; zum Feilbieten Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG und AMG, 7. Aufl., § 95 AMG Rn. 51). Das bloße Anbieten ohne Vorratshaltung ist kein Inverkehrbringen (vgl. Horn NJW 1977, 2329, 2332; Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 4 Rn. 18; Sander, Arzneimittelrecht, § 4 Anm. 21 [Stand August 2011]; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 4 Anm. 56 [119. Lieferung 2011]). Zu einer Vorratshaltung hat das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann dies nicht entnommen werden. Zwar erscheint eine Lager- oder Vorratshaltung bei dem festgestellten Vertrieb über Angebote und Bestellungen im Internet und Postversendungen naheliegend. Denkbar wäre jedoch auch eine jeweils nach den Bestellungen erfolgte Beschaffung der Arzneimittel durch den Angeklagten. Im Übrigen könnte eine Vorratshaltung - abhängig von den zu Grunde liegenden Beschaffungshandlungen - zu Bewertungseinheiten führen und die Konkurrenzverhältnisse verändern (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - 5 StR 425/11; BGHR AMG § 95 Bewertungseinheit 1).

bb) Als Tathandlung kommt nach den bisherigen Feststellungen daher nur die Abgabe an andere in Betracht.

Abgabe im Sinne des § 4 Abs. 17 AMG ist die körperliche Übergabe an einen anderen durch den Inhaber der Verfügungsgewalt in einer Weise, dass der Empfänger tatsächlich in die Lage versetzt wird, sich des Arzneimittels zu bemächtigen und mit ihm nach seinem Belieben umzugehen, insbesondere es zu konsumieren oder weiterzugeben (vgl. Horn NJW 1977, 2329, 2333; für das Inverkehrbringen von Falschgeld BGH, Urteil vom 4. August 1987 - 1 StR 2/87, BGHSt 35, 21, 23; Senat, Urteil vom 15. November 2012 - 2 StR 190/12, NStZ 2013, 465 m.w.N.). Zur Vollendung der Tat ist es im Falle einer Versendung daher stets erforderlich, dass das Arzneimittel in den Zugriffsbereich des Adressaten gelangt. Erst dadurch kommt es zu einer Gesundheitsgefährdung, der das Arzneimittelgesetz mit seinen Straftatbeständen begegnen will (vgl. BTDrucks. 13/9996 S. 13; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - 5 StR 425/11, BGHR AMG § 95 Abs. 1 Nr. 2a Dopingmittel 2). Nur ein Versuch liegt deshalb vor, wenn der Täter - wie hier - ein Arzneimittel verschickt, es aber bei dem Adressaten nicht ankommt, weil Zollbeamte die Sendungen am Zielflughafen der Luftfracht in Empfang genommen und in staatlichen Gewahrsam überführt haben.

Ebenso ist im Fall II.2 der Urteilsgründe die Sendung nicht in den Verkehr gelangt, nachdem Beamte des Landeskriminalamts diese an einer Tarnadresse in Empfang genommen und damit ebenfalls direkt in staatlichen Gewahrsam übergeleitet haben (vgl. für Inverkehrbringen von Falschgeld durch Abgabe an einen Verdeckten Ermittler BGH, Urteil vom 20. Juni 1986 - 1 StR 264/86, BGHSt 34, 108, 109).

2. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen tateinheitlichen „Handeltreibens“ mit Arzneimitteln für Dopingzwecke im Sport in den Fällen II.3, 13, 15, 16, 21, 23, 26, sowie ausschließlich wegen „Handeltreibens“ mit Arzneimitteln für Dopingzwecke im Sport in den Fällen II.5, 6, 11, 18, 20 der Urteilsgründe verurteilt hat, sieht das Gesetz die Strafbarkeit für eine solche Tathandlung in § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG nicht vor. Es stellt nur unter Strafe, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden. Ein hier in Betracht kommendes vollendetes Inverkehrbringen belegen die bisherigen Feststellungen nicht (vgl. oben II.1.b.bb).

3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Der Senat kann den Schuldspruch nicht in Versuch des Inverkehrbringens falsch deklarierter Arzneimittel (§ 95 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 AMG) bzw. Versuch des Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport (§ 95 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 2 AMG; vgl. dazu auch Senatsurteil vom heutigen Tage 2 StR 365/12) ändern, weil ergänzende Feststellungen zu anderen Handlungsvarianten möglich erscheinen, was auch eine Neubewertung der Konkurrenzverhältnisse erforderlich machen könnte (vgl. oben II.1.b.aa).

III.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG auch dann in Betracht kommt, wenn die Arzneimittel nicht den angegebenen, sondern einen anderen Wirkstoff enthalten (Fälle II.6, 20). Der neue Tatrichter wird auch die für die Strafzumessung relevante Frage der Bandenmäßigkeit der Tatbegehung genauer als bisher zu prüfen und den Verfall von Wertersatz in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise darzulegen haben.

Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

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