35 W (pat) 22/15
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 22/15
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(Aktenzeichen)
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Gebrauchsmuster 20 2012 011 577 (hier: Beschwerde gegen Kostenentscheidung)
BPatG 152 08.05 hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. Mai 2016 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragsgegnerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juni 2015 aufgehoben.
2. Die Kosten des Löschungsverfahrens sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdegegnerin.
Gründe I.
Die Löschungsantragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) war Inhaberin des am 4. Dezember 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten und am 19. März 2013 in das Gebrauchsmusterregister eingetragenen Gebrauchsmusters 20 2012 011 577 (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „Anordnungsmöglichkeit von Trainingsvorrichtungen“.
Die Löschungsantragstellerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) hat mit Schriftsatz vom 1. April 2014, eingegangen am 2. April 2014 +beim Deutschen Patent- und Markenamt die vollumfängliche Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt. Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht schutzfähig sei. Sie beantragte, die Kosten des Löschungsverfahrens der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Als Anlage reichte sie u. a. ein Schreiben vom 28. März 2014 des Rechtsanwalts der Beschwerdeführerin ein, mit dem die Beschwerdegegnerin gestützt auf das Streitgebrauchsmuster unter Klageandrohung zur Unterlassung aufgefordert worden sei.
Dem ihr am 14. April 2014 zugestellten Löschungsantrag hat die Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Sie habe kein Interesse mehr an dem Gebrauchsmuster und beantragt, die Kosten des Löschungsverfahrens der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen, da wegen eines notariellen Vertrages kein Anspruch auf Löschung bestanden habe. Zudem habe es an einer Aufforderung zum freiwilligen Verzicht gefehlt.
Mit Beschluss vom 9. Juni 2015 hat die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts die Kosten des Löschungsverfahrens der Beschwerdeführerin auferlegt. Durch die Nichterhebung des Widerspruchs sei die Beschwerdeführerin hinsichtlich der zu treffenden Kostengrundentscheidung einer Partei gleichzustellen, deren Gebrauchsmuster kraft streitiger Verhandlung und Entscheidung gelöscht worden wäre. Die Sonderregelung des § 93 ZPO könne nicht in Anwendung gebracht werden, da die Beschwerdeführerin den Löschungsantrag veranlasst habe. Zwar sei vor der Antragstellung eine ernsthafte Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters nicht erfolgt. Jedoch sei eine Löschungsaufforderung entbehrlich, wenn ein Verfügungsverfahren angedroht werde. Im Schreiben vom 28. März 2014 des Rechtsanwalts der Beschwerdegegnerin sei der Begriff „Verfügungsverfahren“ zwar nicht verwendet worden. Jedoch könne mit Blick auf die darin gesetzte relativ kurze Frist von fünf Tagen bis zum 2. April 2014 und dem Zusammenhang mit der am 3. April 2014 beginnenden Messe, mit der im Schreiben vom 28. März 2014 angedrohten „Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche“ jedenfalls mit Blick auf das Unterlassungsbegehren sinnvollerweise nur ein Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz gemeint gewesen sein. Ein freiwilliges Nachgeben sei in diesem Fall ausgeschlossen erschienen, so dass – auch mit Blick auf die sehr kurzen Fristen – der Schluss auf die Notwendigkeit eines Löschungsverfahrens gerechtfertigt gewesen sei. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 1. September 2010 (AZ.: 10 Ni 10/09), auf die die Beschwerdeführerin hingewiesen habe und die eine bloße Androhung einer einstweiligen Verfügung nicht genügen lässt, um von einer Aufforderung abzusehen, hält die Gebrauchsmusterabteilung vorliegend nicht für einschlägig, da von der Rechtsbeständigkeit in Verletzungsverfahren im Bereich Gebrauchsmuster ein Unterschied zum Patentbereich bestehen könne.
Gegen den Beschluss vom 9. Juni 2015 richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin, mit der sie die vollständige Kostenauferlegung auf die Beschwerdegegnerin anstrebt. Die Gebrauchsmusterabteilung habe verkannt, dass Ansprüche der Beschwerdegegnerin gegen die Beschwerdeführerin bereits aufgrund einer erteilten Generalquittung ausgeschlossen seien. Unabhängig davon sei zugunsten der Beschwerdeführerin aber auch § 93 ZPO anzuwenden. Eine Aufforderung zum freiwilligen Verzicht sei nicht entbehrlich gewesen. Sie habe im Schreiben vom 28. März 2014 die Verfahrensform des einstweiligen Rechtsschutzes nicht angedroht. Eine solche Androhung sei auch nicht aus den gesetzten Fristen konkludent zu entnehmen gewesen, da das Fristende auf den 2. April 2014 gelegt worden sei und die Messe am 3. April 2014 um 9 Uhr begonnen habe. Schon theoretisch sei es nicht möglich gewesen, so kurzfristig eine entsprechende Beschlussverfügung zu erlangen. Im Übrigen habe sie auch für ihre weiteren Forderungen in dem Schreiben die gleiche kurze Frist gesetzt. Aus der kurzen Fristsetzung könne daher nicht darauf geschlossen werden, dass eine einstweilige Verfügung angedroht worden sein könnte.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juni 2015 aufzuheben und der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Beschwerdeführerin hat sich durch ihren Nichtwiderspruch gegen den Löschungsantrag in vollem Umfang in die Position der Unterliegenden begeben, so dass ihr Vortrag, dass kein Löschungsanspruch bestanden habe, unbeachtlich ist. Regelmäßig hat der Unterliegende die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (§ 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO).
Im vorliegenden Fall sprechen jedoch Billigkeitsgründe (§ 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 93 ZPO) dafür, dass die Kosten des Löschungsverfahrens die Beschwerdegegnerin zu tragen hat.
Der Löschungsantrag wurde gestellt, ohne dass der Beschwerdeführerin zuvor die Löschung angedroht worden ist. Da die Beschwerdeführerin dem Löschungsantrag nicht widersprochen hat, liegt ein Verhalten vor, das entsprechend der Regelung des § 93 ZPO einem sofortigen Anerkenntnis gleichsteht. Die Beschwerdeführerin hat den Löschungsantrag im Sinne dieser Vorschrift auch nicht veranlasst, da sie nicht zuvor unter Fristsetzung aufgefordert worden war, freiwillig das Gebrauchsmuster aufzugeben. Eine solche Aufforderung war entgegen der Ansicht der Gebrauchsmusterabteilung im vorliegenden Fall nicht entbehrlich. Die Gebrauchsmusterabteilung hat zwar zutreffend ausgeführt, dass die Androhung einer einstweiligen Verfügung eine solche Aufforderung entbehrlich machen kann (vgl. BPatGE 22, 285, 289; BPatGE 2, 211; Benkard/Goebel/Engel, Patentgesetz, 11. Aufl., § 17 GebrMG, Rdn. 23). Ob von dieser Rechtsprechung beim Gebrauchsmusterlöschungsverfahren im Hinblick auf die angebrachten Zweifel in Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz 7. Aufl., § 84 Rdn. 20, und im Hinblick auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 1. September 2010, Az.: 10 Ni 10/09, abzuweichen ist, nach der eine bloße Androhung einer einstweiligen Verfügung in der Regel nicht ausreichend ist, um von einer Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters abzusehen, kann vorliegend dahingestellt bleiben. In dem Schreiben vom 28. März 2014 ist eine Androhung einer einstweiligen Verfügung nämlich nicht enthalten. Zwar werden in dem Schreiben im Hinblick auf die anstehende Messe Ansprüche auf Unterlassung geltend gemacht und zur Vermeidung von sofortigen rechtlichen Schritten wurde zur Abgabe der Unterlassungserklärung aufgefordert, jedoch impliziert das Wort „sofort“ bei der Androhung von gerichtlichen Schritten noch nicht, dass es sich dabei um eine einstweilige Verfügung handelt. Ein gerichtlicher Schritt kann auch eine Klage sein. Die Androhung einer Verletzungsklage lässt die Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters aber nicht entfallen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdegegnerin, da die Beschwerde Erfolg hatte (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. §§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, 92 Abs. 1 ZPO).
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Werner Bayer Eisenrauch Hu