19 W (pat) 50/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 50/13
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2008 061 963.9 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Oktober 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck und der Richter Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. J. Müller BPatG 152 08.05 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 M des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. März 2013 aufgehoben, und das Patent mit der Nummer 10 208 061 963 erteilt:
Bezeichnung: Bipolarer Gleichstrom/Gleichstrom-Wandler, elektronische Schaltung mit demselben zum Bereitstellen einer Ausgangsgleichspannung mit wahlfreier Polarität an eine Last Anmeldetag: 12. Dezember 2008 Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde: - Patentanspruch 1 vom 17. Oktober 2016, - Patentansprüche 2 bis 15 vom 2. September 2016, - Beschreibung Seite 1 bis 4, 7, 20 vom 17. Oktober 2016, - Beschreibung Seite 5, 6, 8 bis 19, 21 vom 12. Dezember 2008 und - 5 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5 vom 27. Februar 2009.
Gründe I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse H 02 M – hat die am 12. Dezember 2008 eingereichte Anmeldung durch Beschluss, verkündet am Ende der am 19. März 2013 durchgeführten Anhörung, zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung ist ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 13. Juni 2013. Sie beantragt sinngemäß, den Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der geltenden Patentansprüche und Beschreibungsseiten sowie der geltenden Figuren zu erteilen.
Es gelten der mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 eingereichte Anspruch 1 und die mit Schriftsatz vom 2. September 2016 eingereichten Ansprüche 2 bis 15.
Der geltende Anspruch 1 lautet (mit einer eingefügten Gliederung):
1. Bipolarer Gleichstrom/Gleichstrom-Wandler zum Bereitstellen einer Ausgangsgleichspannung mit wahlfreier Polarität basierend auf einer Eingangsgleichspannung, mit:
a) einem Eingang (102); b) einem Ausgang (104); c) einer Spule (L); d) einer ersten Einrichtung (106), die umfasst: d1) einen ersten Schalter (106a, T1, F1), der zwischen dem ersten Anschluss (108a) der Spule (L) und einem ersten Anschluss (102a) des Eingangs (102) angeordnet ist, und d2) einen zweiten Schalter (106b, T2, F2), dessen einer Anschluss mit dem zweiten Anschluss (108b) der Spule (L) und dessen anderer Anschluss mit einem zweiten Anschluss (102b, 104b) des Eingangs (102) und des Ausgangs (104) verbunden ist und e) einer zweiten Einrichtung (110), die umfasst: e1) einen ersten Schalter (110a, T3, F3), der zwischen dem ersten Anschluss (108a) der Spule (L) und einem ersten Anschluss (104a) des Ausgangs, angeordnet ist, und dessen Steuereingang mit dem ersten Anschluss (102a) des Eingangs (102) derart verbunden ist, dass das Trennen des ersten Anschlusses (108a) der Spule (L) von dem Eingang (102) bewirkt, dass die zweite Einrichtung (110) den ersten Anschluss (108a) der Spule (L) mit dem Ausgang (104) verbindet, und e2) einen zweiten Schalter (110b, T4, F4), der zwischen dem zweiten Anschluss (108b) der Spule (L) und dem ersten Anschluss (104a) des Ausgangs (104) angeordnet ist, und dessen Steuereingang mit einem zweiten Anschluss (102b, 104b) des Eingangs (102) und des Ausgangs (104) derart verbunden ist, dass das Trennen des zweiten Anschlusses (108b) der Spule (L) von dem Eingang (102) bewirkt, dass die zweite Einrichtung (110) den zweiten Anschluss (108b) der Spule (L) mit dem Ausgang (104) verbindet.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.
1. Die Anmeldung betrifft einen bipolaren Gleichstrom/Gleichstrom-Wandler zum Bereitstellen einer Ausgangsgleichspannung mit wahlfreier Polarität. Die Anmeldung beschreibt zunächst einige DC/DC-Wandler, die ausgehend von einer relativ niedrigen Versorgungsgleichspannung eine für eine Last erwünschte hohe Ausgangsgleichspannung bereitstellen.
Schaltungen, die einen solchen DC/DC-Wandler umfassen, werden in der Beschreibungseinleitung als akzeptabel bezeichnet, sofern die anzusteuernde Last stets mit einer vorbestimmten Polarität zu betreiben ist. Eine andere Situation stellt sich jedoch der Beschreibung zufolge ein, wenn die Last abhängig von der Anwendung abwechselnd mit Spannungen im positiven Bereich und mit Spannungen im negativen Bereich versorgt werden muss. In einem solchen Fall könnten zwar auch die oben erwähnten, bekannten DC/DC-Wandler herangezogen werden, jedoch ginge dies mit einer Vergrößerung des Schaltungsaufwandes einher, nämlich jeweils eines DC/DC-Wandlers für die positive und die negative Spannung , sowie eine Umschaltanordnung dafür.
Als Aufgabe wird angegeben, einen DC/DC-Wandler, eine elektronische Schaltung mit einem solchen Wandler und ein Verfahren zu schaffen, die es ermöglichen, auf einfache Art einer Last ausgehend von einer geringen Gleichspannung eine hohe Gleichspannung mit wählbarer Polarität bereitzustellen (Seite 3, Absatz 3).
Diese Aufgabe werde mit den Merkmalen des Anspruchs 1 beziehungsweise 13 gelöst.
2. Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Gleichspannungswandlern (DC-DC-Wandlern) als Fachmann.
3. Einzelne Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:
Unter einem bipolaren Gleichstrom/Gleichstrom-Wandler zum Bereitstellen einer Ausgangsgleichspannung mit wahlfreier Polarität versteht der Fachmann im vorliegenden Zusammenhang einen Gleichspannungswandler, der am Ausgang je nach Anforderung eine positive oder negative Spannung bereitstellen kann. Solche Wandler sind regelmäßig mit elektronischen Schaltern, insbesondere Leistungstransistoren ausgerüstet. Der Anspruch 1 ist aber darauf nicht beschränkt, sondern bezieht sich allgemein auf Schalter mit einem Steuereingang.
Der Rückschluss über die verbundenen Eingangs-Ausgangsanschlüsse 102b, 104b nach Merkmal d2 und den geschlossenen Schalter 106b bzw. über die Spannungsquelle 202 und den geschlossenen Schalter 106a ermöglicht dabei eine Spannungsumkehr ohne gesonderten Umpoler am Ausgang 104.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist ursprünglich offenbart (§ 38 PatG).
Der Anspruch 1 geht in zulässiger Weise auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 8 und 18, sowie auf Angaben in der Beschreibung, insbesondere den die Seiten 11 und 12 übergreifender Absatz und die Angaben auf Seite 15, Zeilen 31 bis 33, zurück. Die Beschreibungsteile beziehen sich zwar auf die Schaltung nach Figur 2 mit Transistoren. Es ist aber für den Fachmann ohne weiteres ersichtlich, dass die dort beschriebene Verschaltung mit der nach Figur 1 mit allgemein als Schaltern dargestellten Schaltelementen insoweit übereinstimmt.
5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gilt als neu (§ 3 PatG).
Nächstkommender Stand der Technik ist der Gegenstand der Druckschrift EP 0 655 826 A1. Dieser Stand der Technik weist im Leistungskreis (Figur 1) dieselbe Topologie wie die anmeldungsgemäße Schaltung auf. Mit den Worten des Anspruchs 1 ist damit bekannt ein
1. Bipolarer Gleichstrom/Gleichstrom-Wandler zum Bereitstellen einer Ausgangsgleichspannung mit wahlfreier Polarität basierend auf einer Eingangsgleichspannung (Figuren 2 bis 4, Spalte 3, Zeilen 8 bis 12) mit:
a) einem Eingang (VDD, Masse) b) einem Ausgang (VOUT, Masse)
c) einer Spule (L); d) einer ersten Einrichtung; die umfasst:
d1) einen ersten Schalter SWA, der zwischen dem ersten
(oberen) Anschluss der Spule L und einem ersten Anschluss VDD des Eingangs angeordnet ist, und d2) einen zweiten Schalter SWB, dessen einer Anschluss mit dem zweiten (unteren) Anschluss der Spule L und dessen anderer Anschluss mit einem zweiten (Masse-) Anschluss des Eingangs VDD und des Ausgangs Vout verbunden ist und e) einer zweiten Einrichtung, die umfasst:
e1teilw)
einen ersten Schalter SWC, der zwischen dem ersten Anschluss der Spule L und einem ersten Anschluss des Ausgangs VOUT, angeordnet ist, und e2teilw)
einen zweiten Schalter SWD, der zwischen dem zweiten Anschluss der Spule L und dem ersten Anschluss des Ausgangs VOUT angeordnet ist.
Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 werden die Ausgangstransistoren SWC und SWD aber über eigene Steuersignale Ic und Id mit einer deutlich niedrigeren Frequenz angesteuert (Anspruch 1, Spalte 3, Zeilen 16 bis 21).
Die US 5 574 357 A zeigt einen Gleichstrom/Gleichstrom-Wandler ähnlicher Bauart, bei dem ein Transistor Q2 über eine Steuerschaltung R4, C4, Q3, D3, R3, C3 durch das Potential des Schalttransistors 1 am Ausgang der Induktivität L1, und somit synchron zum Transistor Q1 angesteuert wird. Mit den Worten des Anspruchs 1 ist damit bekannt ein
1teilw Gleichstrom/Gleichstrom-Wandler zum Bereitstellen einer Ausgangsgleichspannung basierend auf einer Eingangsgleichspannung, mit:
a) einem Eingang (1, Masse; Spannung VIN); b) einem Ausgang (2, Masse; Spannung VO); c) einer Spule (L1); d) einer ersten Einrichtung; die umfasst:
d1) einen ersten Schalter (Q1), der zwischen dem ersten Anschluss der Spule (L1) und einem ersten Anschluss (Masse) des Eingangs angeordnet ist und e) einer zweiten Einrichtung, die umfasst:
e1teilw)
einen ersten Schalter (Q2) der zwischen dem ersten Anschluss der Spule (L1) und einem ersten Anschluss (2) des Ausgangs angeordnet ist und das Trennen des ersten Anschlusses der Spule (L1) von dem Eingang bewirkt, dass die zweite Einrichtung den ersten Anschluss der Spule (L1)
mit dem Ausgang verbindet.
Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist der Ausgang dieses Gleichstrom/Gleichstrom-Wandlers nicht umpolbar und der Steuereingang des Transistors Q2 ist über die Steuerschaltung R4, C4, Q3, D3, R3, C3 am eingangsfernen Anschluss der Spule angeschlossen.
Die weiteren Dokumente wurden im Prüfungsverfahren nur zu Unteransprüchen genannt. Der Senat entnimmt ihnen nichts Entscheidungserhebliches.
6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Bei der Schaltung nach der EP 0 655 826 A1 ist die in der Anmeldung genannte Aufgabe bereits hinsichtlich der wahlfreien, umpolbaren Ausgangsspannung gelöst. Der verbleibende Aufgabenteil, die Schaltung zu vereinfachen, stellt sich in der Praxis als Grundforderung an den Fachmann von selbst.
Der Senat hat aber bereits Zweifel, ob der Fachmann dabei an die in der EP 0 655 826 A1 nur angedeutete Steuerschaltung für die Schalter SWC, SWD denkt. Für die dortige Schaltung kommt nämlich eine Synchronsteuerung nicht in Frage, denn damit könnten die in den Figuren 2 bis 4 dargestellten Spannungsrampen jedenfalls nicht ohne weiteres erreicht werden.
Aber auch wenn der Fachmann im Zuge anderer Aufgabenstellungen an die an sich bekannte Synchronsteuerung eines als Synchrongleichrichter arbeitenden Transistors denken würde, wie sie beispielsweise aus der US 5 574 357 A bekannt ist, käme er zu einer Lösung wie bei der der US 5 574 357 A, bei der der Steuereingang mit dem spulenseitigen Anschluss der Schalter aus der ersten Einrichtung verbunden wäre, was dann auch ein Netzwerk mit einem weiteren Steuertransistor, wie den dortigen Transistor Q3 erforderlich machen würde.
Die Erfinder haben nun erkannt, dass sie durch die an sich ungewöhnliche Verbindung der Steuereingänge mit den zeitlich unveränderlichen Potentialen der Eingangsgleichspannung nach den Merkmalen e1 und e2 ebenfalls die Schalter der zweiten Einrichtung synchron ansteuern können, weil zwischen deren spulenseitigem Hauptanschluss und dem Steueranschluss trotzdem eine zu dem Schaltrhythmus der ersten Einrichtung synchrone Steuerspannung abfällt.
Für diese Lösung, bei der das in der US 5 574 357 A dargestellte Steuernetzwerk mit dem Steuertransistor Q3 weitgehend entfallen kann, bedurfte es nach Überzeugung des Senats erfinderischer Überlegungen.
7. Der Anspruch 1 ist somit ebenso wie die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 12 gewährbar. Das gleiche gilt für den in der Sache entsprechenden nebengeordneten Patentanspruch 13 mit darauf rückbezogenen Patentansprüchen 14 und 15.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Dr. Scholz J. Müller Ko