19 W (pat) 24/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 24/17 Verkündet am 12. April 2017
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 102 03 577.6 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen BPatG 154 05.11 Gründe I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse G 01 R – hat die am 30. Januar 2002 eingereichte Anmeldung mit der Bezeichnung „Verfahren zum Prognostizieren der Lebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen“ mit Beschluss vom 7. Juni 2011, signiert am 27. Juni 2011, zurückgewiesen. In der Begründung ist sinngemäß ausgeführt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG). Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 15. Juli 2011.
Der Senat hat mit Schreiben vom 8. Februar 2017 folgenden Aufsatz in das Verfahren eingeführt E5: HELD, M.; JACOB, P.; NICOLETTI, G.; SCACCO, P.; POECH, H.–P.: Fast power cycling test for insulated gate bipolar transistor modules in traction application. In: INT. J. ELECTRONICS, 1999, Vol. 86, No. 10, Seiten 1193 bis 1204. URL: http://dx.doi.org/10.1080/002072199132743 [abgerufen am 7. Februar 2017].
In der mündlichen Verhandlung am 12. April 2017 beantragt die Anmelderin,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juni 2011, signiert am 27. Juni 2011, aufzuheben und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 9 vom 2. März 2009, Beschreibung, Seiten 1 bis 6, vom 30. Januar 2002, 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, vom 11. Februar 2002,
hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
weiter hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
weiter hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
die Hilfsanträge mit ggf. noch anzupassender Beschreibung, Zeichnungen zu den Hilfsanträgen wie Hauptantrag.
Der nach Hauptantrag geltende Patentanspruch 1 vom 2. März 2009 lautet:
1. Verfahren zum Prognostizieren der Lebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen, die mit niederfrequenten Lastwechseln beaufschlagt werden, dadurch gekennzeichnet , dass bei Betrieb eines leistungselektronischen Bauelements dessen Sperrschichttemperatur ermittelt und die Temperaturhübe nach Anzahl und Höhe gespeichert werden und daraus anhand abgelegter Lebensdauerkurven die aktuelle Restlebensdauer bestimmt wird.
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 vom 12. April 2017 lautet:
1. Verfahren zum Prognostizieren der Lebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen, die mit niederfrequenten Lastwechseln beaufschlagt werden, dadurch gekennzeichnet , dass bei Betrieb eines leistungselektronischen Bauelements dessen Sperrschichttemperatur ermittelt und die Temperaturhübe nach Anzahl und Höhe gespeichert werden und daraus anhand abgelegter Lebensdauerkurven die aktuelle Restlebensdauer bestimmt wird, wobei bei Unterschreiten der aktuellen Restlebensdauer unter einen vorbestimmbaren Wert eine Warnmeldung ausgegeben wird.
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 vom 12. April 2017 lautet:
1. Verfahren zum Prognostizieren der Lebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen, die mit niederfrequenten Lastwechseln beaufschlagt werden, dadurch gekennzeichnet , dass bei Betrieb eines leistungselektronischen Bauelements dessen Sperrschichttemperatur ermittelt und die Temperaturhübe nach Anzahl und Höhe gespeichert werden und daraus anhand abgelegter Lebensdauerkurven die aktuelle Restlebensdauer bestimmt wird, wobei die aktuelle Restlebensdauer über ein Display am Gerät und/oder einen PC angezeigt werden kann.
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 vom 12. April 2017 lautet:
1. Verfahren zum Prognostizieren der Lebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen, die mit niederfrequenten Lastwechseln beaufschlagt werden, dadurch gekennzeichnet , dass bei Betrieb eines leistungselektronischen Bauelements dessen Sperrschichttemperatur ermittelt und die Temperaturhübe nach Anzahl und Höhe gespeichert werden und daraus anhand abgelegter Lebensdauerkurven die aktuelle Restlebensdauer bestimmt wird, wobei der Verlauf der Sperrschichttemperatur innerhalb eines Lastwechsels anhand der Betriebsgrößen Strom, Spannung, Pulsfrequenz, Pulsaussteuerung und Umgebungstemperatur in Echtzeit online simuliert wird.
Der Erfindung liegt nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren anzugeben, mit dem sich die Restlebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen während des Betriebes hinreichend genau bestimmen lasse (Beschreibung, Seite 2, Zeilen 17 bis 20).
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen des Wortlauts der nebengeordneten Ansprüche, wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
2. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zum Prognostizieren der Lebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen, eine Anordnung mit einem Prozessor und ein Computerprogramm-Erzeugnis.
Die Erfindung geht davon aus, dass die Lebensdauer eines leistungselektronischen Bauelements stark von der Höhe und Anzahl der Temperaturhübe abhänge, die während der Lebensdauer eines solchen Bauelements auftreten.
Anhand der von den Bauelementherstellern bereitgestellten Datenkennlinien könne die zu erwartende Lebensdauer eines Gerätes, in das die leistungselektronischen Bauelemente eingebaut sind, nur grob anhand der geschätzten Anzahl der Lastwechsel bestimmt werden. Für hochwertige Anlagen sei eine solche Bestimmung zu ungenau und führe dazu, dass entweder die Geräte prophylaktisch vorzeitig ausgetauscht würden oder im anderen Fall ausfielen. In beiden Fällen entstünden für den Betreiber hohe Kosten.
Die Anmeldung betrifft damit das technische Problem ein Verfahren anzugeben, mit dem sich die Restlebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen während des Betriebes hinreichend genau bestimmen lasse.
Zur Lösung schlägt die Anmeldung nach dem Hauptantrag ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
Verfahren M1 zum Prognostizieren der Lebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen, die mit niederfrequenten Lastwechseln beaufschlagt werden, dadurch gekennzeichnet, dass M2 bei Betrieb eines leistungselektronischen Bauelements dessen Sperrschichttemperatur ermittelt und M3 die Temperaturhübe nach Anzahl und Höhe gespeichert werden und M4 daraus anhand abgelegter Lebensdauerkurven die aktuelle Restlebensdauer bestimmt wird.
3. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als zuständigen Fachmann einen Physiker oder Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Hochschul- oder Fachhochschulausbildung und besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Lebensdauerbestimmung von elektronischen Bauelementen zu Grunde.
4. Einige der Angaben im Anspruch 1 bedürfen der Erläuterung:
Als Beispiel für leistungselektronische Bauelemente (Merkmal M1) nennt die Anmeldung IGBT (Insulated-Gate Bipolar Transistor)-Leistungsmodule (vgl. Beschreibung, Seite 1, Zeile 21).
Der Betrieb eines leistungselektronischen Bauelements (Merkmal M2) ist im Gegensatz zu einem Probe- oder Testbetrieb des Bauelements unter Laborbedingungen (vgl. Seite 2, Zeilen 32 bis 35) als Produktiv- oder Wirkbetrieb des Gerätes zu verstehen, in das die leistungselektronischen Bauelemente eingebaut sind (vgl. Seite 2, Zeilen 7 bis 20).
Die Sperrschichttemperatur eines leistungselektronischen Bauelements wird ermittelt (Merkmal M2) beispielsweise durch:
- direkten Abgriff einer die Temperatur der Sperrschicht repräsentierenden Messgröße (Seite 2, Zeilen 36 und 37) oder
- eine Simulation online in Echtzeit aus den Betriebsgrößen Strom, Spannung, Pulsfrequenz, Pulsaussteuerung, Umgebungstemperatur sowie einem thermischen Modell des Bauelements (Seite 3, Zeilen 10 bis 13).
Diese Beispiele beschränken den Bedeutungsinhalt des Begriffs „ermittelt“ im Merkmal M2 des Anspruchs 1 jedoch nicht. Unter der Anweisung im Merkmal M2 subsummiert der Fachmann jede Art der messtechnischen Erfassung einer beliebigen Betriebsgröße bzw. jedes theoretische Modell, mittels derer die Sperrschichttemperatur genauer als durch eine bloße Schätzung bestimmt werden kann (vgl. auch Seite 2, Zeilen 7 bis 11).
Die Temperaturhübe (Merkmal M3) versteht der Fachmann als Hübe der Sperrschichttemperatur des leistungselektronischen Bauelements. Ein Temperaturhub ist die Differenz unmittelbar aufeinanderfolgender Minimal- und Maximalwerte der Temperatur (vgl. Beschreibung, Seite 6, Zeilen 12 bis 19 und Fig. 4). Die Anweisungen in den Merkmalen M2 und M3 dürften somit erfordern, dass die Sperrschichttemperatur des leistungselektronischen Bauelements fortlaufend zu ermitteln ist (vgl. Beschreibung, Seite 4, Zeilen 18 bis 22, Seite 6, Zeilen 1 und 2).
Eine Lebensdauerkurve (Merkmal M4) ist beispielsweise eine Datenkennlinie, die die maximal mögliche Anzahl der Lastwechsel eines leistungselektronischen Bauelements in Abhängigkeit vom Temperaturhub angibt (Seite 1, Zeilen 18 bis 21). Der Begriff der Lebensdauerkurve ist jedoch nicht auf dieses Beispiel beschränkt. Der Fachmann versteht hierunter jede Funktion, welche die Lebensdauer eines leistungselektronischen Bauelements in Anhängigkeit einer oder mehrerer Betriebsgrößen angibt.
Der Anspruch 1 enthält keine Vorgaben, in welcher Maßeinheit die Restlebensdauer (Merkmal M4) zu bestimmen ist. Insbesondere ist der Begriff der Restlebensdauer nicht auf Maßeinheiten der Zeitdauer beschränkt. Denn auf Grund des Beispiels in der Beschreibung kann die Lebensdauer etwa auch in Einheiten der Anzahl von Lastwechseln angegeben werden (Seite 1, Zeilen 18 bis 21). Nichts anderes dürfte für die Restlebensdauer gelten.
5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag kann zwar als neu gelten (§ 3 PatG), er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
5.1 Der Aufsatz „Fast power cycling test for insulated gate bipolar transistor modules in traction application“ von M. Held [u. a.] (= E5) stellt zur Überzeugung des Senats den nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt für weitere Überlegungen des Fachmanns dar.
Diesem Aufsatz, dort insbesondere Seite 1203, Gleichung 5, entnimmt der Fachmann ein beschreibendes Modell für die Anzahl der Lastwechsel Nf bis zum Ausfall eines IGBT in Abhängigkeit u. a. des Temperaturhubs der Sperrschichttemperatur ΔTj:
Bedeutung der Formelzeichen:
Nf: number of cycles to failure (vgl. Seite 1202, Bildunterschrift der Fig. 9); Tj: junction temperature (Seite 1198, vorletzter Absatz); ΔT: rise and fall of temperature (Seite 1193, letzter Absatz); Tm: medium temperature (Seite 1202, vorletzter Absatz); R: gas constant, A = 640, = 5, Q = 0.8 eV (Seite 1203,
zweiter Absatz).
5.2 Der Aufsatz E5 offenbart ein Verfahren zum Prognostizieren der Lebensdauer von leistungselektronischen Bauelementen (vgl. Seite 1203, erster Absatz: „… a general approach to model the number of cycles to failure is proposed in which ΔTj and Tm are apparently the relevant parameters.“ und Titel des Aufsatzes: „... insulated gate bipolar transistor modules in traction application“). Insbesondere werden leistungselektronische Bauelemente betrachtet, die mit Lastwechseln beaufschlagt werden (vgl. Seite 1193, viert- und drittletzte Zeile: „… Power cycles impose a rise and fall of temperature (ΔT) and therefore a cyclic thermo- mechanical stress which can lead to a failure of the module.“). Die auf Seite 1202, Zeilen 1 und 2, angegebenen Werte der Einschaltzeitdauer von 0,6 bis 4,8 s und der Ausschaltzeitdauer von 0,4 bis 5 s belegen, dass niederfrequente Lastwechsel mit einer Periode von 1 s bis 9,8 s vorgesehen sind. Der Aufsatz offenbart mithin ein Verfahren mit dem anspruchsgemäßen Merkmal M1.
Im Rahmen des offenbarten Verfahrens wird unter Laborbedingungen die Sperrschichttemperatur eines leistungselektronischen Bauelements ermittelt (vgl. Seite 1198, vorletzter Absatz, Zeilen 5 und 6: „… measurement of the junction temperature Tj using a temperature sensitive electrical parameter (TSEP) …“; Merkmal M2teilweise). Die Temperaturhübe werden nach Anzahl und Höhe gespeichert (vgl. Seite 1202, Figur 9: „Number of cycles to failure Nf as a function of ΔTj with Tm as parameter.“; Merkmal M3). Um die Zahl der Lastwechsel bis zum Ausfall des IGBT (Ende der Lebensdauer) zu bestimmen, muss offensichtlich jeder Lastwechsel gezählt, d. h. es muss die Anzahl der Temperaturhübe bestimmt werden.
Aus den so gemessenen Werten werden Lebensdauerkurven bestimmt. Die nebenstehend wiedergegebene Figur 9 stellt eine Beziehung zwischen der Lebensdauer des IGBT in Einheiten der Anzahl der Lastwechsel bis zum Ausfall Nf und den Betriebsparametern ΔTj und Tm graphisch dar (vgl. Seite 1203, erster Absatz, Zeilen 6 bis 8: „…The straight lines in the double logarithmic scale of Figure 9 imply a power law for the dependence of Nf on ΔT …“).
Derartige Diagramme fallen für den Fachmann unter den Begriff der Lebensdauerkurven (Merkmal M4teilweise).
Soweit stimmt der aus dem Aufsatz E5 entnehmbare Gegenstand mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag überein. Als Unterschied verbleibt die Ermittlung der aktuellen Restlebensdauer (Restmerkmal M4) bei einem als Produktiv- oder Wirkbetrieb zu kennzeichnenden Betrieb des leistungselektronischen Bauelements (Restmerkmal M2).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag gilt mithin gegenüber dem Stand der Technik nach dem Aufsatz E5 als neu.
Er gilt auch gegenüber den übrigen im Verfahren genannten Druckschriften, die weiter ab liegen als der Aufsatz E5, als neu.
5.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beruht allerdings nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
a) Der Aufsatz E5 betrifft die Untersuchung der Lebensdauer von IGBT-Modulen unter einem genau definierten Einsatzprofil, das bei einem Betrieb in einer Straßenbahn typisch ist. Als weitere mögliche Anwendungsgebiete werden Busse, Züge, Aufzüge und Automobile genannt (Seite 1194, vorletzter Satz: „… As an example the number of application power cycles of a tram is projected for the following service profile …“; Seite 1193, letzter Absatz: „The above features make IGBT modules interesting for traction applications such as drives for buses, trams, trains, elevators and electrical cars.“).
Ausgehend von diesen Anwendungsgebieten der IGBTs stellt sich für den Fachmann die Aufgabe von selbst, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass diese Bauelemente rechtzeitig vor einem bevorstehenden Versagen ausgetauscht werden, denn bei Kraftfahrzeugen oder schienengebunden Fahrzeugen war es schon lange vor dem Zeitrang der Anmeldung bewährte Praxis, den bevorstehenden Ausfall von sicherheitsrelevanten Baugruppen anzuzeigen. Typische Beispiele sind etwa Bremsbelagsverschleißanzeigen oder Öldruckwarnleuchten, mittels derer bei Erreichen oder Unterschreiten von Mindestwerten bestimmter Betriebsparameter rechtzeitig vor dem Versagen von Betriebsbremse bzw. Verbrennungsmotor eine Warnung ausgegeben wird.
Der Fachmann hatte daher Veranlassung, das aus der E5 bekannte beschreibende Modell zur Vorhersage der Lebensdauer eines IGBT auch für die Bestimmung der verbleibenden Restlebensdauer (Restmerkmal M4) beim tatsächlichen Betrieb des Bauelements (Restmerkmal M2) zu verwenden. Der Fachmann ermittelt die aktuelle Restlebensdauer etwa auf der Grundlage der Differenz zwischen der Zahl der Lastwechsel bis zum Ausfall (vgl. E5, Seite 1203, Gleichung 5 und der Anzahl bereits erfolgter Lastwechsel.
Diese Umsetzung in die Praxis erschöpft sich für den Fachmann naheliegenden Maßnahmen.
b) Die Anmelderin trägt zur Begründung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit sinngemäß vor: Das aus dem Aufsatz E5 bekannte Verfahren zur Bestimmung der Lebensdauer des leistungselektronischen Bauelements unter genau definierten Laborbedingungen führe stets zur Zerstörung des Bauelements. Die mit derartigen Verfahren ermittelten Lebensdauerkurven seien vor dem Zeitrang der Anmeldung ausschließlich im Rahmen der Geräteentwicklung etwa zur Auswahl und Dimensionierung des leistungselektronischen Bauelements verwendet worden. Im Gegensatz zu dem Verfahren aus dem Aufsatz E5 zeichne sich das beanspruchte Verfahren gerade dadurch aus, dass die Restlebensdauer des Bauelements während des Produktiv- oder Wirkbetriebs unter realen Betriebsbedingungen und zwar noch vor der Zerstörung des Bauelements bestimmt werde. Auf Grund des großen Aufwands der messtechnischen Erfassung der Sperrschichttemperatur bereits unter Laborbedingungen bzw. des Aufwands bei der software- mäßigen Modellierung habe es vor dem Zeitrang der Anmeldung nicht nahe gelegen, die Sperrschichttemperatur des leistungselektronischen Bauelements unter realen Betriebsbedingungen zu ermitteln.
Diese Argumente führen zu keiner anderen Bewertung.
Der Senat verkennt nicht, dass sich die Messung der Sperrschichttemperatur unter realen Betriebsbedingungen von der unter Laborbedingungen grundlegend unterscheiden kann. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch nicht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit begründen, denn auch die Anmeldung rechnet es den Fähigkeiten des Durchschnittsfachmanns zu, auf welche Art und Weise bei Betrieb des leistungselektronischen Bauelements dessen Sperrschichttemperatur gemessen oder mittels eines Modells simuliert werden soll. Die gesamte Anmeldung gibt über einen Hinweis auf einen faseroptischen Temperatursensor hinaus jedenfalls weder ein konkretes Messverfahren noch ein thermisches Modell als Grundlage für die Simulation oder eine konkrete Berechnungsvorschrift für die Restlebensdauer an.
6. Auch die Gegenstände der Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
6.1 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 umfasst neben den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag die zusätzliche Anweisung M5 wobei bei Unterschreiten der aktuellen Restlebensdauer unter einen vorbestimmbaren Wert eine Warnmeldung ausgegeben wird.
Der Fachmann der vor der Aufgabe steht, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass leistungselektronische Bauelemente rechtzeitig vor einem bevorstehenden Versagen ausgetauscht werden, hat auch Veranlassung festzulegen, welcher konkrete Wert der Restlebensdauer noch als rechtzeitig für den Austausch des Bauelements anzusehen ist, und Veranlassung bei Erreichen oder Unterschreiten dieses Werts in irgendeiner Form diese verbleibende Restlebensdauer auszugeben (Merkmal M5).
6.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 umfasst neben den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag die zusätzliche Anweisung M6 wobei die aktuelle Restlebensdauer über ein Display am Gerät und/oder einen PC angezeigt werden kann.
Die vorstehenden Überlegungen zum Hilfsantrag 1 gelten in Bezug auf den Hilfsantrag 2 gleichermaßen.
6.3 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 umfasst neben den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag die zusätzliche Anweisung M7 wobei der Verlauf der Sperrschichttemperatur innerhalb eines Lastwechsels anhand der Betriebsgrößen Strom, Spannung, Pulsfrequenz, Pulsaussteuerung und Umgebungstemperatur in Echtzeit online simuliert wird.
Der Aufsatz E5 offenbart neben den zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erläuterten Merkmalen auch, dass der Verlauf der Sperrschichttemperatur innerhalb eines Lastwechsels, wie er beispielsweise in der nebenstehenden Figur 6 als Kurve Tj wiedergegeben ist, anhand der Betriebsgrößen Strom (Iload), Spannung (VGE), Pulsfrequenz, Pulsaussteuerung (auf Grund der Ein- und Ausschaltzeit- dauern ton, toff) und Umgebungstemperatur („externally heated and cooled“) simuliert wird.
Denn bei der Bestimmung der Sperrschichttemperatur Tj wird der Fachmann alle Betriebsgrößen einbeziehen, die die Höhe der Sperrschichttemperatur bestimmen, und die in der E5, auf den Seiten 1201, 1202, seitenübergreifender Absatz genannt sind: „The following conditions have to be set in order to achieve the above cycles: VGE = 15 V, current Iload between 240 and 300 A, ton = 0.6 to 4.8 s, toff between 0.4 and 5 s, watercooled heat sinks.“ (vgl. auch Seite 1194, dritter Absatz: „(b) passive temperature cycles, e.g. the module is externally heated and cooled in order to achieve the desired ΔT.“; sowie die nachfolgend wiedergegebene Figur 8).
Der Aufsatz E5 offenbart insbesondere auch die Möglichkeit einer Simulation zur Bestimmung der Sperrschichttemperatur (vgl. Seite 1198, Kapitel 5, zweiter Absatz, Zeilen 7 bis 12: „Another possibility is the calculation of Tj based on thermal impedance curves or a Zthjc-model representing the thermal behaviour by a series connection of thermal resistances Rthi and their respective time constants i given in the data sheet of some manufacturers (Semikron 1996).“).
Der Aufsatz E5 offenbart zwar nicht, dass die Simulation in Echtzeit online erfolgt, nach den Überlegungen zum Hauptantrag hat der Fachmann aber Veranlassung, die Sperrschichttemperatur während des Betriebs zu ermitteln und damit auch Veranlassung, das aus der E5 bekannte Simulationsmodell für einen Einsatz in Echtzeit online in Betracht zu ziehen.
7. In Bezug auf die nebengeordneten Ansprüche nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 gelten die vorstehend genannten Gründe sinngemäß.
8. Die Beschwerde der Anmelderin war daher zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/ BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Arnoldi Dr. Haupt Fa