VII ZR 296/21
BUNDESGERICHTSHOF VII ZR 296/21 BESCHLUSS vom 10. November 2021 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2021:101121BVIIZR296.21.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2021 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, den Richter Halfmeier sowie die Richterinnen Graßnack, Dr. Brenneisen und Dr. C. Fischer beschlossen:
Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt 20.000 € nicht.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 19.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin erwarb im Jahre 2012 einen Neuwagen VW Sharan 2,0 l TDI zum Preis von 36.376 €. Das Fahrzeug verfügt über einen von der Beklagten hergestellten Dieselmotor EA 189, der mit einer Software ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß im Prüfstand verringert. Die Motorsteuerung ist so programmiert, dass bei Messung der Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand diese Situation erkannt wird.
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Fahrzeughersteller Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs die Zahlung von 36.376 € (Kaufpreis) nebst Rechtshängigkeitszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung, die nach der Formulierung des Klageantrags wie folgt berechnet werden soll: "12 Cent x km gemäß Tachostand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung"; darüber hinaus erstrebt sie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie deren Verurteilung, sie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 5. August 2020 haben die Parteien den dort von der Klägerin mitgeteilten Kilometerstand von 151.565 unstreitig gestellt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es den mit der Klage geltend gemachten Anspruch für verjährt erachtet hat. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat es auf 36.376 € festgesetzt.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
II.
Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt 20.000 € nicht (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den aus §§ 3 ff. ZPO sich ergebenden allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden. Maßgeblich für die Bewertung der Beschwer ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 - VI ZR 1191/20 Rn. 5 m.w.N., MDR 2021, 574).
Nach diesen Grundsätzen ist bei der Berechnung der Beschwer der Klägerin von der Zahlungsforderung in Höhe des Kaufpreises - entsprechend ihrem Antrag - eine Nutzungsentschädigung in Höhe von jedenfalls (12 Cent x 151.565 km =) 18.187,80 € in Abzug zu bringen, so dass sich ein Betrag von (36.376 - 18.187,80 € =) 18.188,20 € ergibt.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde folgt aus der § 6 Satz 1 Fall 2 ZPO zugrunde liegenden gesetzgeberischen Grundentscheidung hier nichts Gegenteiliges für die Anwendung von § 3 ZPO. Die Nutzungsentschädigung ist als Vorteil vom Ersatzanspruch nach §§ 826, 249 BGB abzuziehen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder der Geltendmachung eines Gegenrechts des Schuldners bedarf; dies beruht darauf, dass es sich um einen Fall der Anrechnung, nicht der Aufrechnung handelt, die auch im Rahmen der Streitwertberechnung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 - VI ZR 1191/20 Rn. 6 m.w.N., MDR 2021, 574). Die Beschwerde argumentiert insoweit auch widersprüchlich, soweit sie einerseits geltend macht, aus § 6 Satz 1 Fall 2 ZPO ergebe sich für Streitwert und Rechtsmittelbeschwer die Maßgeblichkeit allein des Nennbetrags der Klageforderung "ohne Rücksicht auf die Einbringlichkeit und etwaige Gegenansprüche", andererseits aber zugleich gelten lässt, dass "eine vom Kläger selbst berechnete" Nutzungsentschädigung vom Kaufpreis abgezogen werden kann. Denn träfe der Standpunkt der Beschwerde zur Anwendbarkeit von § 6 Satz 1 Fall 2 ZPO zu, müsste eine Nutzungsentschädigung stets - nicht nur in Abhängigkeit von der konkreten Art und Weise ihrer Bezifferung - unberücksichtigt bleiben.
Anders als die Beschwerde meint, steht der tenorierten Festsetzung der Rechtsmittelbeschwer auch nicht der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 2021 (VI ZR 1191/20, MDR 2021, 574) entgegen. Die darin enthaltene Formulierung, für die Berechnung der Beschwer der dortigen Klägerin sei "die von dieser selbst bezifferte" Nutzungsentschädigung (im betreffenden Fall mit "7.321,93 €" angegeben) von der Zahlungsforderung abzuziehen, ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die dortige Klägerin sich in ihrem Antrag neben dem vorgenannten, von ihr konkret summenmäßig angegebenen Betrag eine weitere unbezifferte Nutzungsentschädigung anrechnen ließ, die im Gegensatz zu dem konkret bezifferten Betrag bei der Wertberechnung unberücksichtigt geblieben ist. Hieraus kann indes nicht geschlossen werden, die Nutzungsentschädigung könne nur dann als Abzugsposten Berücksichtigung finden, wenn sie von der Klagepartei in Gestalt einer von ihr selbst bezifferten Summe angegeben wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2021 - VI ZR 281/20 Rn. 7, juris). Weshalb die Nutzungsentschädigung zwar als Anrechnungsposition soll berücksichtigt werden dürfen, wenn die Klägerin das Ergebnis des Rechenvorgangs selbst mitteilt, aber dann nicht, wenn dieses Ergebnis sich - wie hier - aus einer einfachen Multiplikation ergibt, erschließt sich nicht.
Ob die Laufleistung des klägerischen Fahrzeugs sich über die vor dem Landgericht unstreitig gestellte km-Angabe hinaus noch erhöht hat, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen.
Den weiteren Anträgen der Klägerin kommt keine streitwerterhöhende Wirkung zu.
Pamp Brenneisen Halfmeier C. Fischer Graßnack Vorinstanzen: LG Lübeck, Entscheidung vom 26.08.2020 - 4 O 185/19 OLG Schleswig, Entscheidung vom 18.03.2021 - 11 U 120/20 -