XII ZB 80/25
BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 80/25 BESCHLUSS vom 22. Oktober 2025 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein BGB §§ 1875 Abs. 1, 1878 Abs. 1; BtOG §§ 19 Abs. 1, 24, 32 Abs. 1 Satz 6 a) Eine vor dem 1. Januar 2023 zum Berufsbetreuer bestellte natürliche Person ist ab dem 1. Juli 2023 als ehrenamtlicher Betreuer im Sinne von § 1875 Abs. 1 BGB iVm § 19 Abs. 1 BtOG anzusehen, wenn sie die Betreuung über den 30. Juni 2023 hinaus fortführt, ohne nach § 24 BtOG registriert zu sein oder nach § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG als vorläufig registriert zu gelten.
b) Ein solcher Betreuer hat Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 1878 Abs. 1 BGB.
BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2025 - XII ZB 80/25 - LG Kassel AG Kassel ECLI:DE:BGH:2025:221025BXIIZB80.25.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 6. Februar 2025 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Wert: 71 €
Gründe: I.
Das Verfahren betrifft die Festsetzung von Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatzansprüchen eines ehemaligen Betreuers.
Der Beteiligte zu 1 war vor dem 1. Januar 2023 zum Berufsbetreuer des mittellosen Betroffenen bestellt worden. Im Juni 2023 regte er aus Altersgründen einen Betreuerwechsel an. Mit Beschluss vom 24. August 2023 entließ ihn das Betreuungsgericht aus seinem Amt.
Der Beteiligte zu 1 hat für die Zeiträume vom 13. März bis zum 12. August 2023 und vom 13. bis zum 24. August 2023 die Festsetzung einer Betreuervergütung beantragt. Das Amtsgericht hat die Vergütung für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2023 antragsgemäß gegen den weiteren Beteiligten zu 3 (im Folgenden: Staatskasse) festgesetzt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Auf die zugelassene Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 24. August 2023 eine Aufwandspauschale in Höhe von 70,83 € gegen die Staatskasse festgesetzt. Hiergegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ein Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 1 bestehe nur für die Zeit bis zum 30. Juni 2023, weil er danach mangels Registrierung nicht mehr Berufsbetreuer im Sinne von § 19 Abs. 2 BtOG gewesen sei. Indes stehe ihm für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 24. August 2023 ein Anspruch auf Aufwendungsersatz entsprechend § 1878 Abs. 1 BGB in Höhe von 70,83 € zu. Der Anwendungsbereich dieser Norm sei zwar nicht direkt eröffnet, es liege aber eine planwidrige Regelungslücke vor. Denn der Gesetzgeber habe nicht bedacht, dass es vor dem 1. Januar 2023 zum Berufsbetreuer bestellte natürliche Personen geben könne, die bis zum 30. Juni 2023 keinen Registrierungsantrag stellen würden. Diese dürften auch weiterhin als Betreuer tätig sein, weil § 1868 Abs. 2 BGB ihre Entlassung nur bei Widerruf oder Rücknahme ihrer Registrierung vorsehe. Diese Lücke könne aufgrund der vergleichbaren Interessenlage durch eine analoge Anwendung der Vorschriften für ehrenamtliche Betreuer geschlossen werden. Anderenfalls befände sich ein Betreuer, der mangels Registrierung nicht zu den beruflichen Betreuern im Sinne von § 19 Abs. 2 BtOG zähle, aber aufgrund der beruflichen Führung der Betreuung auch kein ehrenamtlicher Betreuer sei, in einem „luftleeren Raum“. Es sei sachgerecht, einem solchen Betreuer jedenfalls die Aufwandspauschale nach § 1878 Abs. 1 BGB zuzugestehen. Unschädlich sei, dass der Beteiligte zu 1 keinen ausdrücklichen Antrag auf Aufwendungsersatz gestellt habe. Denn zum einen sei ein solcher Antrag ohnehin keine zwingende Verfahrensvoraussetzung, und zum anderen sei der Vergütungsantrag, der alle für die Bestimmung der Aufwandspauschale notwendigen Informationen enthalte, dahin auszulegen, dass der Beteiligte zu 1 jedenfalls eine Abgeltung der ihm entstandenen Kosten verlange.
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Gemäß § 1875 Abs. 1 BGB bestimmen sich Vergütung und Aufwendungsersatz eines ehrenamtlichen Betreuers nach den dieser Norm nachfolgenden Vorschriften. Einem ehrenamtlichen Betreuer steht grundsätzlich kein Anspruch auf Vergütung zu (§ 1876 Satz 1 BGB), aber er kann nach § 1878 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Abgeltung seines Anspruchs auf Aufwendungsersatz (vgl. § 1877 BGB) für die Führung jeder Betreuung, für die er keine Vergütung erhält, einen pauschalen Geldbetrag verlangen (Aufwandspauschale). In § 19 Abs. 1 Satz 1 BtOG werden ehrenamtliche Betreuer als natürliche Personen definiert, die außerhalb einer beruflichen Tätigkeit rechtliche Betreuungen führen.
Demgegenüber richten sich Vergütung und Aufwendungsersatz eines beruflichen Betreuers gemäß § 1875 Abs. 2 BGB nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz. Gemäß § 7 Abs. 1 VBVG kann ein beruflicher Betreuer im Sinne von § 19 Abs. 2 BtOG, der selbständig rechtliche Betreuungen führt, Vergütung und Aufwendungsersatz nach Maßgabe der §§ 8 bis 12, 15 und 16 VBVG verlangen. Voraussetzung für eine Festsetzung dieser Ansprüche ist mithin, dass der Betreuer als Berufsbetreuer im Sinne der § 7 Abs. 1 VBVG und § 19 Abs. 2 BtOG anzusehen ist. Berufliche Betreuer sind dabei nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 2 BtOG (nur) solche natürlichen Personen, die selbständig oder als Mitarbeiter eines anerkannten Betreuungsvereins rechtliche Betreuungen führen und nach § 24 BtOG registriert sind oder gemäß § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG als vorläufig registriert gelten.
b) Die vorgenannten Voraussetzungen hat der Beteiligte zu 1 seit dem 1. Juli 2023 nicht mehr erfüllt. Zwar galt er, nachdem er bereits vor dem 1. Januar 2023 berufsmäßig Betreuungen geführt hatte, zunächst nach § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG als vorläufig registriert. Diese Fiktion endete jedoch gemäß § 32 Abs. 1 Satz 7 BtOG mit Ablauf des 30. Juni 2023, weil der Beteiligte zu 1 bis zu jenem Tag keinen Antrag auf Registrierung nach § 24 BtOG gestellt hatte. Das entscheidende Kriterium, um als beruflicher Betreuer vergütungsberechtigt zu sein, lag bei dem Beteiligten zu 1 somit seit dem 1. Juli 2023 nicht mehr vor. Denn anders als nach früherer Rechtslage ist nach dem seit 1. Januar 2023 geltenden Recht nicht mehr die Feststellung der Berufsmäßigkeit durch das Betreuungsgericht, sondern die (vorläufige) Registrierung als Berufsbetreuer für die vergütungsrechtliche Unterscheidung zwischen beruflichen und ehrenamtlichen Betreuern maßgebend (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 366 und S. 393; vgl. auch Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2024 - XII ZB 216/24 - FamRZ 2025, 58 Rn. 12 und 15). Der Beteiligte zu 1 war somit - trotz seiner ursprünglichen Bestellung zum Berufsbetreuer - seit dem 1. Juli 2023 kein nach § 1875 Abs. 2 BGB iVm § 7 Abs. 1 VBVG, § 19 Abs. 2 BtOG vergütungsberechtigter Berufsbetreuer mehr, sondern als ehrenamtlicher Betreuer im Sinne von § 1875 Abs. 1 BGB iVm § 19 Abs. 1 BtOG anzusehen, der die Betreuung in vergütungsrechtlicher Hinsicht außerhalb einer Tätigkeit als Berufsbetreuer weiterführte. Als solcher kann er eine Aufwandspauschale nach §§ 1875 Abs. 1, 1878 Abs. 1 BGB beanspruchen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2024 (XII ZB 216/24 - FamRZ 2025, 58).
Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, dass ein Berufsbetreuer, dem wegen fehlender Registrierung keine Vergütungsansprüche nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz zustünden, einem ehrenamtlichen Betreuer nicht gleichgestellt werden könne, weshalb für die vom Beschwerdegericht befürwortete entsprechende Anwendung des § 1878 Abs. 1 BGB kein Raum sei, verkennt sie, dass es in Anbetracht der gesetzlichen Neukonzeption einer (nur) entsprechenden Anwendung der Vorschrift nicht bedarf (aA LG Nürnberg FamRZ 2024, 1730, 1731).
c) Der Festsetzung einer Aufwandspauschale nach §§ 1875 Abs. 1, 1878 Abs. 1 BGB steht auch nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 1 nicht ausdrücklich einen Antrag auf Aufwendungsersatz gestellt hat. Zum einen lässt § 292 Abs. 1 FamFG auch eine Festsetzung von Amts wegen zu (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2024 - XII ZB 66/24 - FamRZ 2025, 629 Rn. 19) und zum anderen hält sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts mit der Festsetzung einer Aufwandspauschale nach § 1878 Abs. 1 BGB statt der vom Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren weiter begehrten Festsetzung einer Vergütung anhand von Fallpauschalen nach § 9 VBVG innerhalb des angefallenen Verfahrensgegenstands. Denn diese Fallpauschalen gelten auch Ansprüche auf Ersatz von anlässlich der Betreuung entstandenen Aufwendungen ab (§ 11 Satz 1 VBVG).
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Guhling Pernice Günter Recknagel Nedden-Boeger Vorinstanzen: AG Kassel, Entscheidung vom 29.12.2023 - 78 XVII 290/09 LG Kassel, Entscheidung vom 06.02.2025 - 3 T 61/24 -