18 W (pat) 72/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 72/14 Verkündet am 20. November 2015
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 11 2006 000 016.0 - 53 …
hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn, den Richter Kruppa, die Richterin Dipl.-Phys. Dr. Otten-Dünnweber und den Richter Dipl.-Ing. Altvater BPatG 154 05.11 beschlossen:
1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Januar 2010 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Entscheidung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.
Gründe I.
Die vorliegende Patentanmeldung 11 2006 000 016.0 geht aus einer PCT-Anmeldung hervor (deutschsprachige Veröffentlichung als DE 11 2006 000 016 T5), die am 28. Juni 2006 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 28. Juni 2005 eingereicht worden ist. Sie trägt gemäß Hauptantrag vom 20. November 2015 die Bezeichnung
„Informationsterminal und Schaltverfahren für die Ausführungsprozedur einer virtuellen Maschine“.
Die Patentanmeldung ist durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung am 20. Januar 2010 zurückgewiesen worden, da der Gegenstand des (damals geltenden) Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag jeweils ausgehend von Druckschrift D2 Java 1.4 Virtual Machine Options. Apple Computer, lnc., 29.04.05 <http://developer.apple.com/documentation/Java/Reference/ Java14VMOptions/Java14VMOptions.pdf> nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Umschreibung der Anmeldung auf die C… Co., Ltd. in S… (J…), wurde am 17. April 2014 im Patentregister veröffentlicht. Die nunmehr eingetragene Anmelderin hat das Verfahren vor dem Senat übernommen.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Im Prüfungsverfahren wurden weiterhin die folgenden Druckschriften genannt:
D1 Berger, E.D. u. a.: Reconsidering custom memory allocation. ln: Proceedings of the 17th ACM SIGPLAN conference on Object-oriented programming, systems, languages and applications, 2002, Seiten 1 12; D3 Waldspurger, C. A.: Memory Resource Management in VMware ESX Server. In: Proc. Fifth Symposium on Operating Systems Design and Implementation (OSDI'02), Dezember 2002, Seiten 1 - 14.
Im Schriftsatz vom 3. September 2015 wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass eine Mehrzahl von virtuellen Maschinen der ursprünglichen Offenbarung nur zu einer „zweiten Erscheinungsform“ in Verbindung mit einem Prüfen von Grenzwerten oder eines Bereitschaftszustands in „vorbestimmten Intervallen“ (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 5, 2. Abs.; sowie ursprünglich eingereichter Anspruch 2) oder aber in Verbindung mit den bevorzugten Ausführungsformen in den Figuren 1 bis 18 (vgl. bes. Fig. 1) zu entnehmen sein dürfte. Eine „erste Erscheinungsform“ beziehe sich dagegen auf ein Informationsterminal mit nur einer virtuellen Maschine (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 4-5, sowie ursprünglich eingereichter Anspruch 1).
Die Anmelderin stellt den Antrag,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patentund Markenamts vom 20. Januar 2010 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 und 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise gemäß Hilfsantrag 1 Patentansprüche 1 bis 4, eingegangen am 19. November 2015, hilfsweise gemäß Hilfsantrag 2 Patentansprüche 1 und 2, eingegangen am 19. November 2015,
- Beschreibung zu Hauptantrag Seiten 2, 3, 6 bis 39, eingegangen am 13. Oktober 2006, Seiten 1, 4 und 5, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, zu Hilfsantrag 1 und 2 Seiten 1 bis 39, eingegangen am 13. Oktober 2006,
- Figuren 1 bis 18, eingegangen am 13. Oktober 2006.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
„Informationsterminal mit mehreren virtuellen Maschinen, von denen jede, in einem OS (Betriebssystem), ein Zwischencodeprogramm ausführt, das ein durch einen Zwischencode repräsentiertes Programm ist; einer Ressourcengrenzwert-Speichereinrichtung, in der kontinuierlich auswählbare Zählwerte, von denen jeder der maximal auswählbare Zählwert hinsichtlich jeder der mehreren virtuellen Maschinen ist, so abgespeichert sind, dass sie jeweils den mehreren virtuellen Maschinen zugeordnet sind; und einer Virtuelle-Maschine-Schalteinrichtung, die jede der mehreren virtuellen Maschinen auf Grundlage der kontinuierlich auswählbaren, in der Ressourcengrenzwert-Speichereinrichtung gespeicherten Zählwerte schaltet und ausführt; wobei sie mit vorbestimmten Intervallen ermittelt, ob sich die aktuell ausgewählte virtuelle Maschine in einem Bereitschaftszustand befindet oder nicht, und wenn sie sich im Bereitschaftszustand befindet, eine virtuelle Maschine auswählt, die von der aktuell ausgewählten virtuellen Maschine verschieden ist, das OS dazu anweist, die ausgewählte virtuelle Maschine auszuführen, und sie auch einen kontinuierlich ausgewählten Zählwert der ausgewählten virtuellen Maschine auf Eins einstellt; wenn sich die aktuell ausgewählte virtuelle Maschine in Ausführung befindet, auf den kontinuierlich auswählbaren, in der RessourcengrenzwertSpeichereinrichtung gespeicherten Zählwert Bezug nimmt und dann, wenn der kontinuierlich ausgewählte Zählwert der aktuell ausgewählten virtuellen Maschine dem ihr zugeordneten kontinuierlich auswählbaren Zählwert entspricht, eine virtuelle Maschine auswählt, die von der aktuell ausgewählten virtuellen Maschine verschieden ist, das OS dazu anweist, die ausgewählte virtuelle Maschine auszuführen, und sie auch den kontinuierlich ausgewählten Zählwert der ausgewählten virtuellen Maschine auf Eins einstellt; und wenn der kontinuierlich ausgewählte Zählwert der aktuell ausgewählten virtuellen Maschine niedriger als der ihr zugeordnete kontinuierlich auswählbare Zählwert ist, erneut die aktuell ausgewählte virtuelle Maschine auswählt, das OS dazu anweist, die wieder ausgewählte virtuelle Maschine auszuführen, und sie den kontinuierlich ausgewählten Zählwert der wieder ausgewählten virtuellen Maschine um Eins inkrementiert.“
Patentanspruch 2 gemäß Hauptantrag lautet:
„Virtuelle-Maschine-Ausführungsschaltverfahren für ein Informationsterminal, bei dem das Informationsterminal mit vorbestimmten Intervallen ermittelt, ob sich eine aktuell ausgewählte virtuelle Maschine unter mehreren virtuellen Maschinen, die jeweils, in einem OS (Betriebssystem), ein Zwischencodeprogramm ausführen, bei dem es sich um durch einen Zwischencode repräsentiertes Programm handelt, in einem Bereitschaftszustand befindet oder nicht; wenn sich die aktuell ausgewählte virtuelle Maschine im Bereitschaftszustand befindet, eine von dieser verschiedene virtuelle Maschine auswählt, das OS dazu anweist, die ausgewählte virtuelle Maschine auszuführen, und sie auch den kontinuierlich ausgewählten Zählwert der ausgewählten virtuellen Maschine auf Eins einstellt; wenn sich die aktuell ausgewählte virtuelle Maschine im Ausführungszustand befindet, auf den in der Ressourcengrenzwert-Speichereinrichtung abgespeicherten kontinuierlich auswählbaren Zählwert Bezug nimmt; wenn der kontinuierlich ausgewählte Zählwert der aktuell ausgewählten virtuellen Maschine dem ihr zugeordneten kontinuierlich auswählbaren Zählwert entspricht, eine virtuelle Maschine auswählt, die von der aktuell ausgewählten virtuellen Maschine verschieden ist, das OS dazu anweist, die ausgewählte virtuelle Maschine auszuführen, und sie auch den kontinuierlich ausgewählten Zählwert der ausgewählten virtuellen Maschine auf Eins einstellt; und wenn der kontinuierlich ausgewählte Zählwert der aktuell ausgewählten virtuellen Maschine niedriger als der ihr zugeordnete kontinuierlich auswählbare Zählwert ist, erneut die aktuell ausgewählte virtuelle Maschine auswählt und den kontinuierlich ausgewählten Zählwert der wieder ausgewählten virtuellen Maschine um Eins inkrementiert.“
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
„Informationsterminal mit: mehreren virtuellen Maschinen (1a1; 1b1), die, in einem OS (Betriebssystem; 143) ein Zwischencodeprogramm ausführen, bei dem es sich um ein durch einen Zwischencode repräsentiertes Programm handelt; und einer Speichereinrichtung (103), die für jede der virtuellen Maschinen speichert:
einen Grenzwert (154) für eine durch die virtuellen Maschine verwendbare Computerressource; einen Ressourcenverletzungsverlauf (155) mit Informationen betreffend die Verletzung des Grenzwerts durch die virtuelle Maschine; und für jede Kombination einer der mehreren virtuellen Maschinen und der Computerresource einen Verletzungszählwert (1562) sowie eine Festlegung (1563) eines Prozesses für den Fall, dass von der virtuellen Maschine bei einer Anfrage zum Bereitstellen der Computerressource der Grenzwert und der Verletzungszählwert erreicht oder übertroffen werden; und wobei jede der mehreren virtuellen Maschinen einen Ressourcenverwaltungsabschnitt (1a3; 1b3) umfasst, der, wenn eine Anfrage zum Bereitstellen einer Ressource empfangen wird,
auf den in der Ressourcengrenzwert-Speichereinrichtung gespeicherten Grenzwert für die virtuelle Maschine Bezug nimmt,
wenn die Computerressource, deren Bereitstellung angefragt wird, von geringerem Umfang ist als der Grenzwert, das OS dazu auffordert, die Computerressource auf die Anfrage hin bereitzustellen; und wenn die Computerressource, deren Bereitstellung angefragt wird, von einem Umfang ist, der dem Grenzwert entspricht oder höher liegt, Informationen über die Verletzung des Grenzwerts im Ressourcenverletzungsverlauf aufzeichnet und das OS nicht dazu auffordert, die Computerressource auf die Anfrage hin bereitzustellen; und wobei der Ressourcenverwaltungsabschnitt, wenn die Computerressource, deren Bereitstellung angefragt wird, von einem Umfang ist, der dem Grenzwert entspricht oder höher liegt, auf den Ressourcenverletzungsverlauf zugreift, den der Kombination der virtuellen Maschine und der Computerresource entsprechenden Verletzungszählwert bestimmt und, falls die Zahl der Male, die die von der der virtuellen Maschine angefragte Computerresource von einem den Grenzwert entsprechenden oder überschreitenden Umfang ist, den Verletzungszählwert erreicht hat, die Ausführung des entsprechenden festgelegten Prozesses bestimmt.“
Wegen des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 4 gemäß Hilfsantrag 1 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unter Anfügen der folgenden Merkmale:
„[…], wobei die Computerressourcen die erzeugbaren Tasks, die erzeugbaren Dateien, die maximal erzeugbare Dateigröße und/oder den bereitstellbaren dynamischen Speichers enthalten und die festlegbaren Prozesse die Aufhebung der virtuellen Maschine, die Beendigung der virtuellen Maschine, die Löschung eines Zwischencodestrings, die Mitteilung an einen Lieferanten und/oder die Änderung der CPU-Belegrate enthalten.“
Wegen des Wortlauts des Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag 2 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass die Ansprüche nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 jeweils zulässig seien, die Gegenstände der geltenden Ansprüche dem Patentschutz zugänglich seien und dem Fachmann eine klare Lehre zum technischen Handeln vermittelten sowie gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG.
1. Die Anmeldung betrifft ein Informationsterminal, das auf virtuellen Maschinen Zwischencodeprogramme ausführt (vgl. Veröffentlichung DE 11 2006 000 016T5, Abs. [0001] und Fig. 1) und ein Schaltverfahren für virtuelle Maschinen (vgl. Hauptantrag, Anspruch 2). Als Beispiel für Informationsterminals nennt die Patentanmeldung FahrzeugNavigationssysteme. Zur Weiterentwicklung solcher Fahrzeug-Informationsterminals bestehe zunehmend Bedarf an virtuellen Maschinen, die dafür sorgten, dass auf einem Informationsterminal mehrere, unabhängig von diesem entwickelte Zwischencodeprogramme gleichzeitig ausgeführt werden könnten beispielsweise zum gleichzeitigen Ausführen eines Programms zum Steuern einer Klimaanlage und eines Programms zum Wiedergeben von Musik. Die gleichzeitige Ausführung durch mehrere virtuelle Maschinen könne jedoch zu einem Problem durch zunehmenden Ressourcenverbrauch und zu Konflikten hinsichtlich der Computerressourcen führen. Bei der Ausführung mehrerer virtueller Maschinen würden diese in vielen Fällen in kurzen Intervallen vergleichbar der gleichzeitigen Ausführung mehrerer Prozesse - umgeschaltet. Einige Betriebssystemtypen verfügten jedoch über keinen Mechanismus, bei dem mehrere Prozesse mit einem jeweils vorbestimmten Intervall umgeschaltet werden könnten. In diesem Fall würden Prozesse mit niedriger Priorität nicht ausgeführt, bevor nicht ein erster, mit hoher Priorität ausgeführter Prozess abgeschlossen sei. Wenn in einem solchen Fall das Betriebssystem zwei Prozesse mit derselben Priorität ausführen solle, bestehe die Möglichkeit, dass nur einer der Prozesse sicher ausgeführt werde (vgl. a. a. O., Abs. [0002]-[0009]).
Die Anmeldung nennt als Aufgabe, Computerressourcen, die durch eine virtuelle Maschine bereitgestellt werden, so zu kontrollieren, dass sie innerhalb eines Grenzwerts derjenigen Computerressourcen verbleiben, die der virtuellen Maschine zugeordnet sind. Eine weitere Aufgabe der Erfindung sei es, die Ausführungsprozeduren mehrerer virtueller Maschinen geeignet auszuführen (vgl. a. a. O., Abs. [0010]).
Diese Aufgaben richten sich an einen Fachmann, der eine abgeschlossene Hochschulausbildung auf dem Gebiet der Elektrotechnik oder Informationstechnik aufweist und Erfahrung auf dem Gebiet der Programmierung und des Betriebs von virtuellen Maschinen in Computersystemen besitzt.
Die Aufgaben sollen durch die jeweiligen Merkmale der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2 gelöst werden.
2. Der vorliegende Hauptantrag ist zulässig. Die Hilfsanträge 1 und 2 sind nicht zulässig, da der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 über die ursprüngliche Offenbarung hinausgeht (§ 38 PatG).
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag sind zulässig, da der geltende, auf eine Vorrichtung gerichtete Anspruch 1 dem am 13. Oktober 2006 in deutscher Fassung eingereichten ursprünglichen Patentanspruch 2 entspricht und der auf ein Virtuelle-Maschine-Ausführungsschaltverfahren gerichtete Anspruch 2 dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 4 entspricht.
Die mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beanspruchte Merkmalskombination ist den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht zweifelsfrei und eindeutig zu entnehmen und stellt daher eine unzulässige Erweiterung des Anmeldungsgegenstands dar. Ein Informationsterminal mit einer Mehrzahl von virtuellen Maschinen ist der ursprünglichen Offenbarung als eine „zweite Erscheinungsform“ in Verbindung mit einem Prüfen eines Zählwerts bezüglich eines Grenzwerts (bzw. mit dem Prüfen eines Bereitschaftszustands) in vorbestimmten Intervallen zu entnehmen (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 5, 2. Abs.; sowie ursprünglicher Anspruch 2) oder ist in Verbindung mit den bevorzugten Ausführungsformen, insbesondere zu den Figuren 1, 5 bis 7 und 15 bis 18 beschrieben. Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 bezieht sich dagegen auf ein Informationsterminal mit einer virtuellen Maschine und basiert damit auf einer „ersten Erscheinungsform“ des Anmeldungsgegenstandes (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 4, Z. 22 – S. 5, Z. 16). Ein Informationsterminal, das eine Mehrzahl von virtuellen Maschinen aufweist, ist den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ausschließlich in Verbindung mit einer „Virtuelle-Maschine-Schalteinrichtung“ (vgl. urspr. Anspruch 2) oder einem „Virtuelle-Maschine-Verwaltungstask“ mit einem darin enthaltenem „Virtuelle-Maschine-Schaltsteuerabschnitt“ zu entnehmen (vgl. Beschreibung zu Fig. 1, Anmeldeunterlagen S. 13 und 14, jeweils zweiter Abs; sowie Beschreibung zu Fig. 15, Anmeldeunterlagen, S. 30, zweiter und dritter Abs.). Die Schalteinrichtung bzw. der Schaltsteuerabschnitt dient insbesondere dem Schalten der virtuellen Maschinen. In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sind dagegen weder ein Schalten zwischen den verschiedenen virtuellen Maschinen, noch eine dazu eingerichtete Vorrichtung vorgesehen, womit dieser Anspruch eine Verallgemeinerung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung darstellt. Anspruch 1 sieht allenfalls vor, dass bei Grenzwertüberschreitungen die Ausführung eines „entsprechenden festgelegten Prozesses“ durch einen Ressourcenverwaltungsabschnitt bestimmt wird (vgl. letzte Merkmalsgruppe). Hierbei handelt es sich offenbar um das Ausführen eines beliebigen vorbestimmten Prozesses, wozu anspruchsgemäß weder eine Schalteinrichtung noch ein Schaltsteuerabschnitt vorgesehen ist. Die Ausführung eines solchen, nicht näher charakterisierten Prozesses stellt im Hinblick auf die Reaktion auf eine Grenzwertverletzung gemäß der letzten Merkmalsgruppe, die auf Figur 15 und der zugehörigen Beschreibung basiert, ebenfalls eine Verallgemeinerung gegenüber den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen dar. Der Auffassung der Anmelderin, dass durch den unbestimmten Artikel im ursprünglichen Anspruch 1 bzw. der „ersten Erscheinungsform“ (vgl. Anmeldeunterlagen S. 4-5) die anspruchsgemäße Lösung bei einer Gesamtbetrachtung im Sinne einer beispielgebenden virtuellen Maschine aus einer möglichen Mehrzahl von virtuellen Maschinen zu verstehen sei und dass aus fachmännischer Sicht eine Anwendung der für eine virtuelle Maschine offenbarten Ausgestaltung des Informationsterminals für eine Mehrzahl von virtuellen Maschinen implizit vorausgesetzt werden könne, kann nicht gefolgt werden. Denn eine technische Wirkung im Sinne der Zielsetzung der Anmeldung ergibt sich bereits für ein Informationsterminal mit nur einer einzelnen virtuellen Maschine aus der Durchführung einer Ressourcenüberwachung innerhalb der virtuellen Maschine selbst, wodurch diese Vorgehensweise gegenüber einer Überwachung mittels Betriebssystemfunktionen abgegrenzt wird. Es besteht daher für den Fachmann keine Veranlassung zur Verallgemeinerung der „ersten Erscheinungsform“ (bzw. des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1) durch das Mitlesen weiterer, dort nicht genannter virtueller Maschinen, zumal das Ausführungsbeispiel der Figur 1, auf welchem weitere Anspruchsmerkmale des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruhen, ausdrücklich gegenüber einem Informationsterminal mit einer einzelnen virtuellen Maschine – wie es der ursprüngliche Anspruch 1 beschreibt – abgegrenzt ist (vgl. Anmeldeunterlagen, S. 11, letzter Abs.).
Die Merkmalskombination des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht zu entnehmen.
Da die Lehre des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 bereits damit über die ursprüngliche Offenbarung hinausgeht, kann dahinstehen, in wie weit es sich bei den oben genannten Anspruchsmerkmalen, die den Ausführungsbeispielen zu den Figuren 6 und 7 entnommen sind, jeweils um weitere unzulässige Verallgemeinerungen handelt, bei denen nur einzelne Merkmale dieser jeweiligen Ausführungsbeispiele losgelöst vom Kontext ihrer ursprünglichen Offenbarung in den geltenden Anspruch 1 übernommen wurden.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 umfasst alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1. Zwar ist in der gegenüber Hilfsantrag 1 ergänzten Merkmalsgruppe präzisiert, dass ein festlegbarer Prozess auch beispielsweise die Aufhebung der virtuellen Maschine umfassen kann. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist jedoch keine Umsetzung dieser Maßnahme unter Verwendung einer Schalteinrichtung gemäß des ursprünglichen Anspruchs 2 bzw. mittels eines Virtuelle-Maschine-Schaltsteuerabschnitts gemäß der Beschreibung zu den Figuren 1 und 15 zu entnehmen, so dass für Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 die zu Hilfsantrag 1 gemachten Ausführungen in gleicher Weise gelten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 geht daher ebenfalls über die ursprüngliche Offenbarung hinaus.
Es kann dahinstehen, ob die Beurteilung der unabhängigen Verfahrensansprüche der beiden Hilfsanträge zu einem anderen Ergebnis führen würde, da auf diese kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05, GRUR 2007, 862, Abschnitt III. 3. a) – Informationsübermittlungsverfahren II).
3. Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag ist nicht vom Patentschutz ausgeschlossen (§ 1 Abs. 1 und Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG).
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag liegt auf technischem Gebiet im Sinne des § 1 Abs. 1 PatG, da beide Ansprüche ein Datenverarbeitungssystem voraussetzen bzw. dessen Verwendung erfordern. Den Ansprüchen liegt auch eine technische Problemstellung im Sinne des § 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG zugrunde, da die Ausführung mehrerer virtueller Maschinen selbst sowie die Funktionsfähigkeit eines Informationsterminals bei der Ausführung mehrerer virtueller Maschinen sichergestellt werden soll. Die Funktionsfähigkeit des Informationsterminals und die Ausführungssicherheit der virtuellen Maschinen wird vorliegend im Rahmen einer Steuerung und Überwachung dieser virtuellen Maschinen dadurch beeinflusst, dass intern eine Vorauswahl und Priorisierung der auszuführenden virtuellen Maschine erfolgt, ohne hierzu bereits auf Betriebssystemfunktionen (bspw. im Sinne eines Timer-gesteuerten Intervalls) zurückzugreifen und dadurch, dass eine Priorisierung der Ausführung einzelner virtueller Maschinen auf Basis ihrer Ressourcennutzung vorgenommen wird.
4. Die Merkmale der Ansprüche 1 und 2 nach Hauptantrag, die auf eine Priorisierung der Auswahl der auszuführenden virtuellen Maschinen durch Zählwerte abzielen, sind im vorliegenden Fall bei der Prüfung auf Patentfähigkeit zu berücksichtigen, denn sie liefern einen Beitrag zur Lösung eines konkreten technischen Problems.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderischer Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125, zweiter Leitsatz - Wiedergabe topografischer Information). Nicht berücksichtigt werden daher Anweisungen, die ausschließlich Aspekte betreffen, die nach § 1 Abs. 3 von der Patentierung ausgenommen sind.
Die in Anspruch 1 und 2 gemäß Hauptantrag jeweils beschriebene Verarbeitung von Zählwerten liefert einen Beitrag zur Lösung einer konkreten technischen Problemstellung, da die anspruchsgemäße Priorisierung über Zählwerte jeweils dem Sicherstellen des Betriebs aller virtuellen Maschinen sowie einer geeigneten Ressourcenverteilung ohne Rückgriff auf Betriebssystemfunktionen dient und damit die Betriebsstabilität des Gesamtsystems beeinflusst.
5. Der bislang im Prüfungsverfahren ermittelte Stand der Technik steht der Patentfähigkeit der nunmehr geltenden Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag nach §§ 3 und 4 PatG nicht entgegen.
Die im Prüfungsverfahren genannte Druckschrift D1 betrifft die dynamische Speicherallokation für Programme von Datenverarbeitungsanlagen, ohne einen konkreten Bezug zu virtuellen Maschinen oder deren Verwaltung herzustellen oder virtuelle Maschinen auch nur zu erwähnen. Sie ist für die Beurteilung der Patentfähigkeit der geltenden Ansprüche gemäß Hauptantrag nicht relevant.
Druckschrift D2 betrifft Konfigurationseinstellungen für die Laufzeitumgebung virtueller Maschinen in einer Java-Umgebung. Sie befasst sich hierbei nicht mit Fragen der Steuerung der Auswahl auszuführender virtueller Maschinen. Die jeweiligen funktionalen Merkmale der „Virtuelle-Maschine-Schalteinrichtung“ sowie die Merkmale einer Realisierung der Auswahl auszuführender virtueller Maschinen durch die Verwendung von Zählwerten einer „Ressourcengrenzwert-Speichereinrichtung“ nach Anspruch 1 bzw. Anspruch 2 gemäß Hauptantrag sind Druckschrift D2 nicht zu entnehmen. Sie sind dem Fachmann auch nicht durch die Konfigurationsoptionen in Bezug auf virtuelle Maschinen nahegelegt. Zwar lässt das Vorsehen eines Ressourcengrenzwerts („maximum heap size“ Option, vgl. S. 8) auch eine Überwachung dieses Grenzwerts erwarten, wie auch die Prüfungsstelle in ihrem Beschluss sinngemäß feststellt. Druckschrift D2 lassen sich aber keine Hinweise auf eine tech- nische Realisierung einer solchen Überwachung entnehmen, welche für den Fachmann eine Veranlassung zur anspruchsgemäßen Umsetzung gemäß geltendem Hauptantrag bieten könnte.
Druckschrift D3 betrifft die Speicherverwaltung in einem „VMware ESX Server“, welcher eine Software-Schicht zur Verteilung von Ressourcen darstellt (vgl. Abstract). Sie befasst sich hierzu ausschließlich mit der Speicherverwaltung und mit Speicherzugriffen durch virtuelle Maschinen in einer solchen Umgebung, nicht aber mit der Steuerung der Ausführung der virtuellen Maschinen selbst. Die jeweiligen funktionalen Merkmale der „Virtuelle-MaschineSchalteinrichtung“ sowie die Merkmale zur Verwendung einer „Ressourcengrenzwert-Speichereinrichtung“ nach Anspruch 1 bzw. Anspruch 2 gemäß Hauptantrag sind Druckschrift D3 nicht zu entnehmen. Druckschrift D3 weicht darüber hinaus bereits in der grundlegenden Konzeption vom vorliegenden Patentbegehren ab, indem die Laufzeitumgebung der virtuellen Maschinen in die Systemzugriffe des Betriebssystems eingreift (vgl. S. 1, re. Sp., zweiter Abs.). Die Steuerung der Ausführung der virtuellen Maschinen selbst ist nicht Gegenstand der Druckschrift D3, die daher den jeweiligen Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag auch nicht nahezulegen vermag.
6. Der Senat hat nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG davon abgesehen, antragsgemäß in der Sache selbst zu entscheiden und das Patent zu erteilen, da durch das nunmehr beanspruchte Informationsterminal nach Patentanspruch 1 und das Virtuelle-Maschine-Ausführungsschaltverfahren nach Anspruch 2 gemäß Hauptantrag neue Tatsachen vorliegen, die nicht Grundlage der Entscheidung der Prüfungsstelle vom 20. Januar 2010 waren. Denn der nunmehr geltende Patentanspruch 1, der ursprünglich als Anspruch 2 mit den Anmeldeunterlagen eingereicht wurde, sowie der dem ursprünglichen Anspruch 4 entsprechende geltende Anspruch 2 gemäß Hauptantrag wurden im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nicht weiterverfolgt, nachdem die Prüfungsstelle die Einheitlichkeit des ursprünglich ein- gereichten Patentbegehrens im Bescheid vom 29. Februar 2008 in Frage gestellt hatte. Zum Gegenstand dieser ursprünglich eingereichten Patentansprüche ist ausweislich der Amtsakte im bisherigen Prüfungsverfahren keine Recherche des relevanten Standes der Technik erfolgt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere unter dem Gesichtspunkt der §§ 3 und 4 PatG ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert. Zu deren Ermittlung sind in erster Linie die Prüfungsstellen des Patentamts berufen, welche hierzu über geeignete Recherchemittel und Fachkenntnisse verfügen (Schulte/Püschel, PatG, 9. Auflage, § 79, Rn. 16, 27).
Da mit dem Hauptantrag ein neu formuliertes Patentbegehren vorliegt und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten Standes der Technik ergehen kann, war die Sache – auch um der Anmelderin keine Tatsacheninstanz zu nehmen – zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG).
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Wickborn Kruppa Dr. Otten-Dünnweber Altvater Hu