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9 W (pat) 366/06

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 366/06 An Verkündungs Statt zugestellt am

8. Oktober 2012 …

BESCHLUSS In der Einspruchssache betreffend das Patent 102 49 369 …

BPatG 154 05.11

…

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. August 2012 unter Mitwirkung des Richters Dipl.-Ing. Reinhardt als Vorsitzendem sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dipl.-Ing. Univ. Nees beschlossen:

Das Patent wird beschränkt aufrecht erhalten mit:

- Patentansprüchen 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 1. August 2012 als Hauptantrag,

- Beschreibung Seiten 2/25 bis 12/25 gemäß Patentschrift, - Zeichnungen Figuren 1 bis 12 gemäß Patentschrift.

Gründe I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat nach Prüfung das am 23. Oktober 2002 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

„Steuervorrichtung für ein motorangesteuertes Servolenksystem eines Kraftfahrzeugs“

erteilt. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 26. Januar 2006 erfolgt. Die Priorität der japanischen Erstanmeldung 2002-058606 vom 5. März 2002 ist in Anspruch genommen.

Gegen das Patent hat die S… Aktiengesellschaft am 25. April 2006 Ein spruch erhoben. Sie macht den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) geltend und verweist schriftsätzlich auf die folgenden Druckschriften:

D1 JP 10-310067 A (mit deutschsprachiger Übersetzung) D2 DE 37 32 864 A1 D3 US 2001/0027364 A1 D4 US 6 244 373 B1 D5 DE 100 37 693 A1 D6 JP 04-031173 A.

Nach Ablauf der Einspruchsfrist hat sie noch die folgende Druckschrift zur Begründung angezogen:

D7 EP 0 840 439 A1.

Im Prüfungsverfahren ist zudem die EP 1 026 068 B1 in Betracht gezogen worden.

Die Patentinhaberin widerspricht dem Vortrag der Einsprechenden. Sie verteidigt das Streitpatent mit Haupt- und Hilfsantrag. Nach ihrer Auffassung sind die demnach geltenden Patentansprüche zulässig, die darin bezeichneten Gegenstände patentfähig.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag,

das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 4, als Hauptantrag in der mündlichen Verhandlung am 1. August 2012 vorgelegt, Beschreibung Seiten 2/25 bis 12/25 und Zeichnungen Figuren 1 bis 12, jeweils gemäß Patentschrift; hilfsweise Patentansprüche 1 bis 5, als Hilfsantrag vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 1. August 2012, sonst wie Hauptantrag.

Die Einsprechende stellt den Antrag,

das Patent zu widerrufen.

Sie bestreitet die Zulässigkeit der geänderten Patentansprüche nach Hauptantrag und ist der Auffassung, dass auch die nunmehr beanspruchten Gegenstände nach Hauptantrag nicht neu seien bzw. nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

„1. Steuervorrichtung für ein motorangesteuertes Servolenksystem eines Kraftfahrzeugs umfassend: einen Lenkungsmechanismus (3), der mit Rädern des Kraftfahrzeugs operativ gekoppelt zur Bewirkung eines Lenkvorgangs in Abhängigkeit von einem von einem Lenkrad übertragenen Lenkdrehmoment (Ts); eine Lenkwinkelinformations-Erfassungsvorrichtung (16) zum Erfassen einer Lenkwinkelgeschwindigkeit (Vs) des Lenkungsmechanismus (3); eine Drehmoment-Erfassungsvorrichtung (4) zum Erfassen des Lenkdrehmoments (Ts) des Lenkungsmechanismus (3); eine Steuervorrichtung (10) zum Steuern eines Motorstroms (im) auf der Basis der Lenkwinkelgeschwindigkeit (Vs) und Größe und Richtung des Lenkdrehmoments (Ts); einen elektrischen Motor (7), der mit dem Lenkungsmechanismus (3) gekoppelt ist, zum Erzeugen eines Lenkunterstützungsdrehmoments (Ta) entsprechend dem Motorstrom, wobei das Lenkunterstützungsdrehmoment an das Lenkrad angelegt wird; eine Motordrehinformations-Erfassungsvorrichtung (101) zum Erfassen einer Motorwinkelgeschwindigkeit (Vm) des elektrischen Motors (7) auf Grundlage der an den Motor (7) angelegten Spannung (Em) und des Motorstroms (im); und eine Anomalie-Entscheidungsvorrichtung (17A), die gestaltet ist, eine Entscheidung zu treffen, dass die Lenkwinkelinformations-Erfassungsvorrichtung (16) anomal ist, wenn eine Differenz (ΔV) zwischen der Lenkwinkelgeschwindigkeit (Vs) und der Motorwinkelgeschwindigkeit (Vm) nicht kleiner als ein Referenzwert (α) ist, der für einen Vergleich voreingestellt ist.“

Wegen des Wortlauts des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag sowie der Unteransprüche nach Haupt- und Hilfsantrag und zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Auf Aufforderung des Gerichts haben beide Beteiligten in nachgelassenen Schriftsätzen eine Vertretervollmacht bzw. eine Inlandsvertretervollmacht nachgereicht.

II.

1. Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.

2. Der Einspruch ist gemäß § 59 Abs. 1 PatG frist- und formgerecht erhoben worden sowie ausreichend substantiiert und somit zulässig. In der Sache hat der Einspruch insoweit Erfolg, als er zu einer Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents in beschränktem Umfang führt.

3. Der Senat geht bei seiner nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik sowie dem Verständnis des Streitgegenstandes von einem Durchschnittsfachmann aus, der als Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Mechatronik ausgebildet ist. Er ist bei einem Fahrzeughersteller oder -zulieferer mit der Entwicklung von motorangesteuerten Servolenksystemen von Kraftfahrzeugen befasst und verfügt auf diesem Gebiet über mehrere Jahre Berufserfahrung.

4.1 Die geltenden Patentansprüche 1 bis 4 nach Hauptantrag sind zulässig.

a) Sämtliche im geltenden Patentanspruch 1 nach Hauptantrag aufgeführten Merkmale sind in der Streitpatentschrift ihrem Wesen nach offenbart. Sie bewirken weder eine Erweiterung noch eine nicht offenbarte Veränderung, sondern eine zulässige Beschränkung des Patents. Die beanspruchten Merkmale sind sämtlich auch in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart.

Zum Gegenstand der Anmeldung gehören alle in der Anmeldung erwähnten Merkmale, die für den Fachmann erkennbar als zur Erfindung gehörend offenbart sind (vgl. Schulte, PatG, 8. Auflage, § 38 Rn. 14 bis 20). Dabei umfasst die Anmeldung die Ansprüche, die Beschreibung und die Zeichnungen. Diese Offenbarungsteile stehen gleichberechtigt nebeneinander und können - auch jeweils für sich – Offenbarungsort von Merkmalen der Erfindung sein (Schulte, a. a. O., § 34 Rn. 339, 340). Die mit der Anmeldung eingereichten ursprünglichen Patentansprüche stellen demnach keine Grenze für zulässige Änderungen dar (Schulte, a. a. O., § 21, Rn. 58). Es sind vielmehr alle Merkmale beanspruchbar, die für den zuständigen Fachmann aus mindestens einem dieser drei Offenbarungsteile als zur angemeldeten Erfindung gehörend zu erkennen sind (BGH GRUR 1991, 307 ff. - „Bodenwalze“). Dienen in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der Erfindung, die jeweils für sich, aber auch gemeinsam den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, dann hat es der Patentinhaber in der Hand, einzelne oder sämtliche dieser Merkmale in die Patentansprüche aufzunehmen (BGH GRUR 1990, 432 ff. - „Spleißkammer“)

Diese Bedingungen sieht der Senat vorliegend als erfüllt an.

Gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1, der durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gedeckt ist, ist die Vorrichtung gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 durch Aufnahme der folgenden Merkmale beschränkt (Änderungen zur erteilen Fassung in Fettschrift):

- „eine Lenkwinkelinformations-Erfassungsvorrichtung (16) zum Erfassen einer Lenkwinkelgeschwindigkeit (Vs) des Lenkungsmechanismus (3);“

- „eine Steuervorrichtung (10) zum Steuern eines Motorstroms (im) auf der Basis der Lenkwinkelgeschwindigkeit (Vs) und Größe und Richtung des Lenkdrehmoments (Ts);“

- „eine Motordrehinformations-Erfassungsvorrichtung (101) zum Erfassen einer Motorwinkelgeschwindigkeit (Vm) des elektrischen Motors (7) auf Grundlage der an den Motor (7) angelegten Spannung (Em) und des Motorstroms (im);“

- „eine Anomalie-Entscheidungsvorrichtung (17A), die gestaltet ist, eine Entscheidung zu treffen, dass die Lenkwinkelinformations-Erfassungsvorrichtung (16) anomal ist, wenn eine Differenz (ΔV) zwischen der Lenkwinkelgeschwindigkeit (Vs) und der Motorwinkelgeschwindigkeit (Vm) nicht kleiner als ein Referenzwert (α) ist, der für einen Vergleich voreingestellt ist.“

Die Beschränkung auf die Lenkwinkel- und die Motorwinkelgeschwindigkeit ist sowohl in der Streitpatentschrift als auch in den Ursprungsunterlagen offenbart (siehe Fig. 1 und 3 mit zugehöriger Beschreibung).

Dass die Motorwinkelgeschwindigkeit auf Grundlage der an den Motor angelegten Spannung und des Motorstroms erfasst wird, ist Abs. 56 der Streitpatentschrift sowie S. 11 Abs. 7 bis S. 12 Abs. 1 der Ursprungsunterlagen zu entnehmen. Durch die Aufnahme dieses Merkmals handelt es sich auch nicht, anders als die Einsprechende meint, um eine Zwischenverallgemeinerung. Denn weder der ursprüngliche noch der erteilte Patentanspruch 1 enthält eine Festlegung auf eine bestimmte Art der Ermittlung der Motorwinkelgeschwindigkeit.

Die geltenden Unteransprüche 2 bis 4 stützen sich auf die erteilten Ansprüche 3, 6 und 7, die, lediglich in Nummerierung und Rückbezug angepasst, mit den entsprechenden Ansprüchen aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen übereinstimmen.

b) Zur Klarheit des geltenden Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag (§ 34 Abs. 3 Ziffer 3 PatG).

Bei der Verteidigung eines Patents in veränderter Fassung im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit dieser Fassung ohne Beschränkung auf die gesetzlichen oder die geltend gemachten Widerrufsgründe zu prüfen (BGH, Beschluss vom 3. Februar 1998 - X ZB 6/97 - Polymermasse; GRUR 1998, 901).

Die Einsprechende meint, es sei im Patentanspruch 1 unklar, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Der Anspruch könne dahingehend verstanden werden, dass lediglich das Merkmal vorgesehen sei, wonach eine Steuervorrichtung (10) zum Steuern eines Motorstroms (im) auf der Basis der Lenkwinkelgeschwindigkeit (Vs) und Größe und Richtung des Lenkdrehmoments (Ts) vorhanden ist. Alle übrigen Merkmale könnten lediglich Zweckmerkmale sein, die die beanspruchte Steuervorrichtung jedoch nicht weiter ausgestalten.

Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Für den eingangs definierten Fachmann beinhaltet die Steuervorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht ausschließlich die Einheit zum Steuern des Motorstroms. Vielmehr können und müssen auch die weiteren im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen mechanischen, elektrischen und elektronischen Merkmale vorhanden sein, um die beanspruchte Steuervorrichtung realisieren zu können. Auch die Formulierung des Anspruchs 1 („Steuervorrichtung … umfassend: …“) lässt durch die aufzählende Abfolge aller Merkmale keinen Zweifel daran, dass sämtliche im Anspruch 1 angegebenen Merkmale Teil der Steuervorrichtung sein sollen. Auch in der Beschreibung findet sich wiederholt eine Stütze für diese Interpretation des geltenden Patentanspruchs 1, siehe Streitpatentschrift Abs. 1, 24, 25 und 28.

4.2 Die Steuervorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist patentfähig.

a) Gewerbliche Anwendbarkeit und Neuheit Die mit dem geltenden Patentanspruch 1 beanspruchte Steuervorrichtung ist zweifellos gewerblich anwendbar und auch neu, weil eine Steuervorrichtung mit sämtlichen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 durch den Stand der Technik nicht bekannt ist.

Insbesondere zeigt keine der Druckschriften D1 bis D6 sowie die im Prüfungsverfahren berücksichtigte EP 1 026 068 B1 eine Motordrehinformations-Erfassungsvorrichtung zum Erfassen einer Motorwinkelgeschwindigkeit des elektrischen Motors auf Grundlage der an den Motor angelegten Spannung und des Motorstroms.

Die Druckschriften D3 und D7 zeigen zumindest keine Anomalie-Entscheidungsvorrichtung, die gestaltet ist, eine Entscheidung zu treffen, dass die Lenkwinkelinformations-Erfassungsvorrichtung anomal ist.

b) Erfinderische Tätigkeit Die mit geltendem Patentanspruch 1 beanspruchte Steuervorrichtung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn sie ist durch den zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht angeregt.

Am nächsten kommt der beanspruchten Steuervorrichtung zweifelsohne der Gegenstand gemäß D1.

Aus der D1 (siehe nachfolgende Figur 1) ist eine Steuervorrichtung für ein motorangesteuertes Servolenksystem eines Kraftfahrzeugs mit den folgenden Merkmalen bekannt (die genannten Textstellen beziehen sich auf die von der Einsprechenden vorgelegte deutsche Übersetzung):

- einem Lenkungsmechanismus, der mit Rädern des Kraftfahrzeugs operativ gekoppelt ist zur Bewirkung eines Lenkvorgangs in Abhängigkeit von einem von einem Lenkrad übertragenen Lenkdrehmoment (ergibt sich für den Fachmann aus dem Gesamtzusammenhang der elektrischen Servolenkungsvorrichtung nach der D1);

- eine Lenkwinkelinformations-Erfassungsvorrichtung 7 („Lenkwinkelsensor“) zum Erfassen einer Lenkwinkelgeschwindigkeit des Lenkungsmechanismus (Anspruch 3);

- eine Drehmoment-Erfassungsvorrichtung 4 („Lenkdrehmomentsensor“) zum Erfassen des Lenkdrehmoments des Lenkungsmechanismus (Abs. 0002 und 0003, Anspruch 3);

- eine Steuervorrichtung 2 („FEPS-Steuerung“) zum Steuern eines Motorstroms auf der Basis der Lenkwinkelgeschwindigkeit und Größe und Richtung des Lenkdrehmoments (Anspruch 3 i. V. m. Abs. 0003);

- einem elektrischen Motor 1, der mit dem Lenkungsmechanismus gekoppelt ist, zum Erzeugen eines Lenkunterstützungsdrehmoments entsprechend dem Motorstrom, wobei das Lenkunterstützungsdrehmoment an das Lenkrad angelegt wird (Anspruch 3 i. V. m. Abs. 0002 bis 0003);

- eine Motordrehinformations-Erfassungsvorrichtung 5 („Rotorpositionsfeststellsensor“) zum Erfassen einer Motorwinkelgeschwindigkeit des elektrischen Motors 1 (Anspruch 3); und

- eine Anomalie-Entscheidungsvorrichtung, die gestaltet ist, eine Entscheidung zu treffen, dass die Lenkwinkelinformations-Erfassungsvorrichtung 7 anomal ist, wenn eine Differenz zwischen der Lenkwinkelgeschwindigkeit und der Motorwinkelgeschwindigkeit nicht kleiner als ein Referenzwert ist, der für einen Vergleich voreingestellt ist (Anspruch 3, Abs. 0018, 0011 und 0027).

Die Vorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag geht insoweit über diese bekannte Vorrichtung hinaus, als die Motorwinkelgeschwindigkeit des elektrischen Motors nicht durch Sensoren, sondern auf Grundlage der an den Motor angelegten Spannung und des Motorstroms erfasst wird.

Hierzu kann die D1 dem Fachmann keine Anregung geben, denn die Motorwinkelgeschwindigkeit des elektrischen Motors wird ausschließlich mit Hilfe des Rotorpositionsfeststellsensors 5 ermittelt. Zwar wird auch ein Motorstrom ermittelt. Dieser dient jedoch i. V. m. den Signalen der Sensoren 5 und 7 dazu, eine Kupplungsunregelmäßigkeit zu beurteilten (Abs. 0010). Da für diese Beurteilung der Rotorpositionsfeststellsensors 5 zwingend erforderlich ist, wird der Fachmann diesen Sensor nicht unter Verwendung des Motorstroms ersetzen.

Anders als die Einsprechende meint, kann der Fachmann auch keine Anregung aus dem Stand der Technik nach der D7 auf die Steuervorrichtung nach der D1 übertragen, um zur streitpatentgemäßen Steuervorrichtung zu gelangen. Bei der Vorrichtung nach der D7 wird zwar mittels einer Motorspannung und eines Motorstroms die Rotorposition eines Elektromotors bestimmt (Sp. 2 Z. 57 bis Sp. 3 Z. 27, Sp. 8 Z. 2ff.), mit Hilfe derer die Berechnung einer Motorwinkelgeschwindigkeit möglich wäre. Im grundsätzlichen Unterschied zur streitpatentgemäßen Steuervorrichtung erfolgt die Berechnung beim Gegenstand nach der D7 jedoch nicht mit Hilfe der an den Motor angelegten Spannung, sondern mit der durch die Rotation des Elektromotors induzierten Spannung der unbestromten Spule (Sp. 4 Z. 5 bis 7: „back emf of a motor coil“, Sp. 7 Z. 52 bis 55: „… by monitoring the … voltage … in each non-driven, or floating, coil“). Insoweit ist hier ein Funktionsprinzip offenbart, von dem die streitpatentgemäße Steuervorrichtung gerade keinen Gebrauch macht.

Zwar ist es aus der D3 bekannt, eine Motorwinkelgeschwindigkeit eines elektrischen Motors mittels der an den Motor angelegten Spannung und des Motorstroms zu berechnen (Fig. 4 i. V. m. Abs. 0038, 0097 bis 0098). Dabei wird jedoch gleichzeitig auf einen Motordrehdetektor 17 verzichtet (Abs. 0097). Wie vorstehend ausgeführt, benötigt die Steuervorrichtung nach der D1 jedoch zwingend das Signal des Rotorpositionsfeststellsensors 5, um zusammen mit der Motorstromaufnahme eine Aussage über die Funktionsfähigkeit der Kupplung 6 treffen zu können. Schon dieser Grund verwehrt es dem Fachmann, aus der D3 ein einzelnes Merkmal willkürlich herauszugreifen und auf die Steuervorrichtung nach der D1 zu übertragen. Zu einer derartigen Vorgehensweise hätte es eines konkreten Anlasses bedurft, den der Senat nicht gefunden hat.

Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften, die die Einsprechende zur Frage der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes nach geltendem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag zu Recht nicht aufgegriffen hat, liegen von der beanspruchten Steuervorrichtung noch weiter ab, so dass sie ebenfalls keine Anregungen zum streitpatentgemäßen Gegenstand geben können.

Die Vorrichtungen nach den Druckschriften D2, D4, D5, D6 sowie EP 1 026 068 B1 sind grundsätzlich anders aufgebaut als diejenige der D1. In diesen Druckschriften ist weder eine Anomalie-Entscheidungsvorrichtung gezeigt, die gestaltet ist, eine Entscheidung zu treffen, dass eine Lenkwinkelinformations-Erfassungsvorrichtung anomal ist, wenn eine Differenz zwischen einer Lenkwinkelgeschwindigkeit und einer Motorwinkelgeschwindigkeit nicht kleiner als ein Referenzwert ist, der für einen Vergleich voreingestellt ist, noch eine Motordrehinformations-Erfassungsvorrichtung zum Erfassen einer Motorwinkelgeschwindigkeit eines elektrischen Motors auf Grundlage der an den Motor angelegten Spannung und des Motorstroms. Folgerichtig kann sich insbesondere letzteres Merkmal für einen Fachmann nicht durch eine beliebige Zusammenschau einzelner oder mehrer dieser Entgegenhaltungen quasi aus dem Nichts einstellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dieses Merkmal für den Fachmann ohne Weiteres ergeben könnte. Einen entsprechenden Nachweis hat auch die fachkundige Einsprechende nicht erbracht.

Aus alledem folgt, dass der insgesamt in Betracht gezogene Stand der Technik -in welcher Art Zusammenschau auch immer - dem Fachmann eine Steuervorrichtung mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht hat nahelegen können.

Die Steuervorrichtung gemäß geltendem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist daher patentfähig.

5. Die Unteransprüche 2 bis 4 nach Hauptantrag beinhalten nähere Ausgestaltungen der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1, die nicht völlig selbstverständlich sind. Sie haben zusammen mit dem tragenden Patentanspruch 1 daher Bestand.

6. Die vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 4 rechtfertigen eine beschränkte Aufrechterhaltung des Streitpatents nach Hauptantrag. Auf den weitergehenden Hilfsantrag war bei dieser Sachlage nicht mehr einzugehen.

Reinhardt Bork Paetzold Nees Ko

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