Paragraphen in 17 W (pat) 42/15
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 42/15 Verkündet am 18. Juli 2017
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2013 208 762.4 - 53 …
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154 05.11 Gründe:
I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 13. Mai 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht unter der Bezeichnung
„Intuitive Gestensteuerung“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 31. Juli 2015 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Hauptanspruchs des (damaligen) Hauptantrags mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sei, da er durch die Druckschrift D2 im Lichte der Druckschrift D5 nahegelegt sei; und die Unterschiede des jeweiligen Gegenstands des Hauptanspruchs nach den (damaligen) Hilfsanträgen 1, 2, 3 und 4 begründeten keine erfinderische Tätigkeit, weil der jeweilige Gegenstand durch die Zusammenschau der Druckschriften D2 und D6 nahegelegt sei (zu den Druckschriften s. u.).
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.
Die Anmelderin hat mit ihrer Beschwerdebegründung vom 30. November 2015 einen neuen Hauptantrag und drei Hilfsanträge eingereicht, sowie einen vierten Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung. Sie erläutert die Unterschiede der nunmehr beanspruchten Lehre gegenüber den entgegengehaltenen Druckschriften und trägt vor, die Gesamtheit der Merkmale der unabhängigen Ansprüche sei bereits in der Fassung des Hauptantrags durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahegelegt. Für den Hauptanspruch käme es dabei entscheidend auf die letzten beiden Merkmale an, dass mit einem abgespreizten Finger ein Skalierungsfaktor für die Bilddarstellung einstellbar sei. Die Hilfsanträge 1 bis 3 seien vorsorglich gestellt, damit eine Patentierung nicht an den unabhängigen Nebenansprüchen des Hauptantrags scheitere. Mit dem Hilfsantrag 4 werde der Hauptanspruch noch weiter auf die beschriebene konkrete Anwendung eingeschränkt, für welche eine Nutzung der beanspruchten Lehre nicht naheliege.
Die Anmelderin stellt den Antrag,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 bis 14 und Beschreibung Seiten 1 bis 14a, jeweils vom 30. November 2015, Beschreibung Seiten 15 bis 35 und 7 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 14, jeweils vom Anmeldetag; gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1 bis 13 und Beschreibung Seiten 11, 12, 14, jeweils vom 30. November 2015, Beschreibung Seiten 1 bis 10, 13, 14a und Seiten 15 bis 35 und Zeichnung mit Figuren, jeweils wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüchen 1 bis 13 und Beschreibung Seiten 1, 14, jeweils vom 30. November 2015; Beschreibung Seiten 11, 12 wie Hilfsantrag 1, Beschreibung Seiten 2 bis 10, 13, 14a und Beschreibung Seiten 15 bis 35 sowie Zeichnung mit Figuren, jeweils wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 3 mit Patentansprüchen 1 bis 13 und Beschreibung Seiten 1, 11, jeweils vom 30. November 2015,
Beschreibung im Übrigen wie Hilfsantrag 2, Zeichnung mit Figuren wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 4 mit Patentansprüchen 1 bis 13, überreicht in der mündlichen Verhandlung, noch anzupassender Beschreibung und Zeichnung mit Figuren wie Hauptantrag.
Gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1, 2 und 3 lautet der geltende Patentanspruch 1 (mit einer Merkmalsgliederung angelehnt an die Gliederung beim Hilfsantrag 1 im Zurückweisungsbeschluss):
(a) 1. Steuerverfahren für eine Recheneinheit (3),
(b) – wobei die Recheneinheit (3) über eine Anzeigeeinrichtung (2) eine perspektivische Darstellung (B2) einer dreidimensionalen Struktur (4) an einen Benutzer (5) der Recheneinheit (3) ausgibt,
(c) – wobei eine Bilderfassungseinrichtung (1) eine Sequenz (S) von Tiefenbildern (B1) erfasst und an die Recheneinheit (3) übermittelt,
(d) – wobei die Recheneinheit (3) eine Kugel (11) festlegt, deren Mittelpunkt (12) innerhalb der dreidimensionalen Struktur (4) liegt,
(e) – wobei die Recheneinheit (3) einen mit der Kugel (11) korrespondierenden, vor der Anzeigeeinrichtung (2) liegenden kugelförmigen Volumenbereich (14) und dessen Mittelpunkt (15) bestimmt,
(f) – wobei die Recheneinheit (3) anhand der Sequenz (S) von Tiefenbildern (B1) ermittelt, ob der Benutzer (5) in Bezug auf den Volumenbereich (14) eine Greifbewegung ausführt, und in Abhängigkeit von der Greifbewegung die über die Anzeigeeinrichtung (2) ausgegebene perspektivische Darstellung der dreidimensionalen Struktur (4) derart variiert, dass die dreidimensionale Struktur (4) sich um eine den Mittelpunkt (12) der Kugel (11) enthaltende Drehachse (16) dreht,
dadurch gekennzeichnet, dass die Recheneinheit (3)
(g) – anhand der Sequenz (S) von Tiefenbildern (B1) ein Greifen und ein Loslassen des Volumenbereichs (14) mit den Fingern (17) mindestens einer Hand (10) des Benutzers (5) sowie nach dem Greifen des Volumenbereichs (14) vorgenommene Änderungen der Orientierung des mindestens einen Fingers (17) des Benutzers (5) relativ zum Mittelpunkt (15) des Volumenbereichs (14) ermittelt,
(h) – beim Greifen des Volumenbereichs (14) eine beim Greifen des Volumenbereichs (14) bestehende Orientierung mindestens eines Fingers (17) des Benutzers (5) relativ zum Mittelpunkt (15) des Volumenbereichs (14) ermittelt,
(i) – anhand der nach dem Greifen des Volumenbereichs (14) vorgenommene Änderungen der Orientierung des mindestens einen Fingers (17) des Benutzers (5) die über die Anzeigeeinrichtung (2) ausgegebene perspektivische Darstellung (B2) der dreidimensionalen Struktur (4) derart variiert, dass die Drehung der dreidimensionalen Struktur (4) um den Mittelpunkt (12) der Kugel (11) mit den nach dem Greifen des Volumenbereichs (14) vorgenommenen Änderungen der Orientierung des mindestens einen Fingers (17) des Benutzers (5) korrespondiert,
(j) – beim Loslassen des Volumenbereichs (14) das Variieren der perspektivischen Darstellung (B2) terminiert,
(k) – ein Greifen und ein Loslassen des Volumenbereichs (14) dadurch ermittelt, dass sie anhand der Sequenz (S) von Tiefenbildern (B1) ein Berühren und ein Loslassen eines Punktes (18) der Oberfläche des Volumenbereichs (14) erkennt,
(l) – Änderungen der Orientierung des mindestens einen Fingers (17) aufgrund von Änderungen der Lage des mindestens einen Fingers (17) auf der Oberfläche des Volumenbereichs (14) ermittelt,
(m) – nach dem Greifen des Volumenbereichs (14) anhand der Sequenz (S) von Tiefenbildern (B1) zusätzlich ermittelt, ob der Benutzer (5) mit dem mindestens einen Finger (17) der mindestens einen Hand (10) eine Bewegung auf den Mittelpunkt (15) des Volumenbereichs (14) zu und von ihm weg ausführt, und
(n) – einen Skalierungsfaktor, den sie bei der Ermittlung der Darstellung (B2) verwendet, in Abhängigkeit von der Bewegung des Fingers (17) auf den Mittelpunkt (15) des Volumenbereichs (14) zu und von ihm weg variiert.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 stimmt mit dem Patentanspruch 1 der übergeordneten Anträge überein bis auf die einteilige Fassung („wobei“ anstelle von „dadurch gekennzeichnet, dass“) und die (im Folgenden markierte) Änderung in Merkmal (b), welches nunmehr lautet:
(b4) – wobei die Recheneinheit (3) über eine Anzeigeeinrichtung (2) eine perspektivische Darstellung (B2) einer als Blutgefäßsystem ausgebildeten dreidimensionalen Struktur (4) an einen Benutzer (5) der Recheneinheit (3) ausgibt,
Zu den Nebenansprüchen, die sich bei den Hilfsanträgen von denen des Hauptantrags unterscheiden sowie zu den Unteransprüchen wird auf die Akte verwiesen.
Als der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe wird angegeben (siehe geltende Beschreibung vom 30. November 2015, „Hauptantrag“ Seite 6 unten / S. 7 oben, Seite 11 Absatz 2, Seite 14 Absatz 2), Möglichkeiten zu schaffen, mittels derer dem Benutzer eine intuitive bzw. einfach handhabbare Möglichkeit an die Hand gegeben wird,
– eine Drehung einer über die Anzeigeeinrichtung dargestellten dreidimensionalen Struktur zu bewirken,
– verschiedene bildbezogene Manipulationsmöglichkeiten aktivieren zu können,
– eher globale Systeminteraktionen vornehmen zu können.
Folgende Druckschriften sind im Laufe des Verfahrens entgegengehalten worden:
D1 US 2012 / 182 396 A1 D2 US 2011 / 193 939 A1 D3 US 2010 / 302 145 A1 D4 EP 1 967 941 A2 D5 US 2010 / 53 151 A1 D6 US 2010 / 231 509 A1 D7 US 8 112 711 B2 II.
Die Beschwerde ist rechtzeitig eingegangen und auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil – bei Außerachtlassung von solchen Anspruchsmerkmalen, die zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln nicht beitragen – der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag und nach den vier Hilfsanträgen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§§ 1 und 4 PatG).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft eine intuitive Gestensteuerung basierend auf Tiefenbildern, die eine Bilderfassungseinrichtung von einem Benutzer aufnimmt, insbesondere im medizinischen Umfeld (Interaktion zur Darstellung und Auswertung medizinischer Bilder – siehe Offenlegungsschrift Abs. [0001], [0006] bis [0011], [0064]).
Ein derartiges technisches System zur Darstellung von Bildern und Erfassung von Benutzer-Gesten-Eingaben ist „im Prinzip“ aus dem Stand der Technik bekannt, siehe z. B. Abs. [0005] / [0006]. Die Anmelderin hat nun herausgearbeitet, welche Arten von Benutzereingaben dabei sinnvoll sind, und sie in einen gemeinsamen Kontext gebracht, so dass eine „intuitive“ Steuerung erfolgen kann. Insbesondere wird zwischen drei verschiedenen Arten von Interaktionen unterschieden, auf welche der Hauptanspruch und zwei Nebenansprüche des Hauptantrags gerichtet sind.
Dabei betrifft der im Folgenden allein betrachtete Patentanspruch 1 ein Verfahren der Benutzer-Interaktionen für eine Drehung und Skalierung der perspektivischen Darstellung (B2) einer dreidimensionalen Struktur 4 (Merkmale (a), (b)), wobei letztere z. B. der Gefäßbaum eines Patienten sein kann (Absatz [0066], Figur 3 – Merkmal (b4)). Dies wird anhand des Flussdiagrams nach Figur 9 generell skizziert (siehe auch Abs. [0095] ff.) und im Detail anhand der Figuren 13/14 und Abs. [0110] ff. näher erläutert.
Demnach soll die dreidimensionale Struktur von einer (gedachten) Kugel 11 mit einem Mittelpunkt 12 umgeben werden (Figur 10 – Merkmal (d)), welche mit einer vor der Anzeigeeinrichtung aufgespannten (gedachten) Kugel 14 korrespondiert (Figur 1 – Merkmal (e)). Dabei können die Kugel 11 z. B. als Gitternetz und ihr Mittelpunkt 12 in die perspektivische Darstellung (B2) eingeblendet werden (Absatz [0097]). Gemäß Merkmal (f) wird aus einer erfassten Sequenz von Tiefenbildern (B1) des Raums vor dem Benutzer, in dem auch die (gedachte) Kugel 14 angeordnet ist (Figur 1), ermittelt, ob der Benutzer in Bezug auf die Kugel 14 eine „Greifbewegung“ ausführt, und davon abhängig die dreidimensionale Struktur 4 in der perspektivischen Darstellung (B2) entsprechend gedreht. Die Merkmale (g) bis (n) geben weitere Details:
So soll das Greifen und Loslassen der Kugel 14 anhand der „Berührung“ eines Punktes auf der Kugeloberfläche mit einem Finger 17 des Benutzers erkannt werden (Merkmale (k), teilweise (g)), wobei das Loslassen die Drehung oder Skalierung der dreidimensionalen Struktur 4 beendet (Merkmal (j)). Als Maß für die Ausführung einer Drehung wird die Änderung der Lage eines Fingers 17 auf der Kugeloberfläche herangezogen (Merkmale (l), (i), (h), teilweise (g) – Abs. [0112], [0114]). Als Maß für die Ausführung einer Skalierung (Skalierungsfaktor) wird eine Änderung des Abstands des Fingers 17 vom Mittelpunkt 15 der Kugel 14 herangezogen (Merkmale (m), (n) – Abs. [0116]).
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine einfach handhabbare und intuitive Möglichkeit zur Interaktionssteuerung durch Handbewegungen für eine Bild-Anzeige zu schaffen, sieht der Senat einen Diplom-Informatiker oder DiplomIngenieur an, der eine mehrjährige Erfahrung im Bereich der Entwicklung von gestenbasierten Interaktionssteuerungen aufweist.
2. Keiner der fünf vorliegenden Anträge kann Erfolg haben, weil bereits der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tä- tigkeit beruht. Dabei werden allerdings einzelne Anspruchsmerkmale nicht berücksichtigt, wenn sie zu einer technischen Problemlösung nicht beitragen.
2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen, Leitsatz b). So können beispielsweise Anweisungen zur Auswahl von Daten, deren technischer Aspekt sich auf die Anweisung beschränkt, hierzu Mittel der elektronischen Datenverarbeitung einzusetzen, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden (BGH GRUR 2013, 275 – Routenplanung, Leitsatz a). Generell kann mit Merkmalen, die zu einer technischen Problemlösung nichts beitragen, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden. Auch die Auswahl einer bestimmten Geste, weil sie für den Nutzer als besonders intuitiv erscheinen mag, trägt zu einer technischen Problemlösung i. d. R. nicht bei (vgl. die Senatsentscheidungen 17 W (pat) 10/04 – Bedienoberfläche, in: GRUR 2007, 213, mit Leitsatz; und 17 W (pat) 11/15, Beschluss vom 6. Dezember 2016, II. Abschnitt 2.2, m. w. N.).
2.2 Für den jeweiligen Gegenstand des Patentanspruchs 1 aller fünf Anträge sind folgende Druckschriften von besonderer Bedeutung:
D2 US 2011 / 193 939 A1 D6 US 2010 / 231 509 A1 Die Druckschrift D2 betrifft eine gesten-basierte Nutzer-Schnittstelle, bei welcher der Nutzer z. B. gemäß Figur 17a bis 17j mit virtuellen Objekten interagieren kann, die auf einem Bildschirm perspektivisch dargestellt sind (siehe Abs. [0201] ff.). Dazu werden von einem Tiefen-Kamerasystem 20 Tiefenbilder einer z. B. quaderförmigen Interaktionszone erfasst („motion capture system“, siehe Figur 1 / 2, Figur 9, Abs. [0062], [0066], [0071] – Merkmale (a), (b) und (c)). Dem Fachmann war geläufig, dass derartige Motion Capture - Systeme vielfältig anwendbar sind, etwa im medizinischen Bereich (siehe D2 Absatz [0001] Zeile 5 / 6 „medical purposes“); auch eine Nutzung zur Interaktion mit der Darstellung des Gefäßbaumes eines Patienten lag daher auf der Hand (Merkmal (b4)).
Den Figuren 17b, 17d, 17f usw. ist ein (quaderförmiger) Volumenbereich entnehmbar, der als Interaktionszone dient (siehe Abs. [0201]) und mit einem entsprechenden Bereich in der perspektivischen Darstellung korrespondiert (Fig. 17a, 17c, 17e usw. – Merkmale (d), (e) für einen Quader anstelle der beanspruchten Kugel). Für den Fachmann macht es aber keinen prinzipiellen Unterschied, auf welcher Basis die Interaktionszone definiert wird (vgl. D2 Absatz [0173]: „Cartesian coordinate system … spherical coordinate systems“); eine Abwandlung des beschriebenen Quaders hin zu einer kugelförmigen Zone bleibt innerhalb des Rahmens eines rein fachmännischen Abwägens von jeweiligen Vor- und Nachteilen.
Im Kontext der Interaktionszone ist auch eine Greifbewegung zum virtuellen „Ergreifen“ eines dargestellten Objektes beschrieben (siehe Figur 17c, 17e und Abs. [0203]), womit z. B. eine Drehung des dargestellten Objektes bewirkt werden kann (Abs. [0206] „the user has grasped the object B1704 and is rotating it“ – Merkmal (f)). Es dürfte sich dem Fachmann hierbei aufdrängen, dass ein „Loslassen“ des Objektes B1704 das Drehen beenden sollte (Merkmal (j); teilweise (g)). Im gegebenen Zusammenhang erscheint auch die Lehre der Merkmale (k) und (l) (Ermitteln des „Ergreifens“ und des „Loslassens“ des Objektes durch Berühren / Loslassen eines Punktes auf der virtuellen Kugeloberfläche 14; Erfassen auch der Lageänderung mindestens eines Fingers) als für den Fachmann ohne Weiteres naheliegend.
Sonach unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 vom Stand der Technik gemäß Druckschrift D2 i. W. darin,
– dass gemäß den Merkmalen (h) und (i) die Orientierung eines Fingers der greifenden Hand das Maß und die Richtung der Drehung steuert,
– und dass gemäß den Merkmalen (m) und (n) die Bewegung des Fingers in Richtung auf den Kugelmittelpunkt oder von ihm weg die Skalierung steuert.
Die Druckschrift D6 beschreibt eine berührungslose Schnittstelle 150 für den medizinischen Bereich, z. B. in einem Operationssaal (Abs. [0015]). Gemäß den Figuren 2 bis 5 werden auf einem Bildschirm Einstellvorgänge oder Menüelemente sowie eine Interaktion mit medizinischen Bildern angezeigt. Ein spezieller Sensor 141 (Figur 1B, Abs. [0019]) erfasst berührungslos die Bewegungen einer Benutzerhand und setzt sie in Einstellsignale um (zumindest Merkmale (a), (b), (b4)). Beispielsweise ist in Verbindung mit Figur 4B beschrieben, dass eine Bewegung der Hand, bzw. des ausgestreckten Fingers, zum Sensor hin das angezeigte Bild vergrößert und eine Bewegung vom Sensor weg das Bild verkleinert (Abs. [0027] – Skalierung im Sinne der Merkmale (m) und (n)). Figur 5 zeigt eine Fingerbewegung zur Steuerung einer Bild-Drehung (Abs. [0032] – ähnlich Merkmal (i)).
2.3 Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrags beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie ausgeführt, unterscheidet sich die beanspruchte Lehre von der Lehre der Druckschrift D2 i. W. darin, dass zusätzlich eine Interaktion zur Skalierung des Bildes vorgesehen ist, und dass bestimmte Fingerbewegungen für die Steuerung der Drehung und der Skalierung definiert werden.
Das grundsätzliche Vorsehen einer Skalierungsmöglichkeit und deren Steuerung durch Gesten lag jedoch für den Fachmann nahe, da ein Bedürfnis dafür offensichtlich ist und beispielsweise die Druckschrift D6 auch eine entsprechende konkrete Lehre zur Steuerung einer Bild-Drehung und einer Skalierung gibt.
Die darüber hinausgehende konkrete Vorgabe bestimmter Fingerbewegungen zur Steuerung der Bild-Drehung nach den Merkmalen (h) und (i) bzw. für die Skalierung nach den Merkmalen (m) und (n) kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.
Dass dieser Vorgabe irgendwelche technischen Überlegungen zugrundelägen, ist weder in der Anmeldung ausgeführt noch sonstwie erkennbar. Allenfalls kann von einer „geschickten“ Zuordnung gesprochen werden, die eine intuitivere Steuerung ermöglicht. Eine derartige, auf intuitive Bedienung ausgelegte Gestaltung einer Bedienschnittstelle (Bedienoberfläche) orientiert sich an menschlichen Bedürfnissen und Eigenheiten, ihr liegen gerade nicht „auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnisse“ zugrunde (BGH GRUR 2000, 498 – Logikverifikation). Deshalb können die genannten, die Vorgabe der Fingerbewegungen betreffenden Merkmale bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden (s. o. Abschnitt 2.1).
Ein Verfahren mit den verbleibenden Merkmalen ist dem Fachmann aber, wie ausgeführt, durch eine Übertragung der aus Druckschrift D6 bekannten Skalierungsmöglichkeit auf die Lehre der Druckschrift D2 nahegelegt.
2.4 Der Hauptantrag hat sonach keinen Erfolg. Denn mit dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags fallen auch dessen Neben- und Unteransprüche, weil über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät).
2.5 Dasselbe gilt für die Hilfsanträge 1, 2 und 3, da ihr jeweiliger Patentanspruch 1 mit dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags identisch ist. Auf die jeweiligen Unterschiede bei den Neben- und Unteransprüchen kommt es nicht mehr an.
2.6 Der Hilfsantrag 4 ist nicht günstiger zu beurteilen.
Denn sein Patentanspruch 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 des Hauptantrags lediglich durch die Einschränkung in Merkmal (b4), dass die perspektivisch dargestellte dreidimensionale Struktur (B2) als Blutgefäßsystem (eines Patienten) ausgebildet sein soll. Eine solche Anwendung der – wie dargelegt – naheliegenden Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag auf bestimmte medizinische Bilder kann aber aufgrund der diesbezüglichen Hinweise in den Druckschriften D2 und D6 (s. o. Abschnitt 2.2: Verweise auf Merkmal (b4)) das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann Fa
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